AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs4
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:I412.2165765.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch RA Mag. Dr. Helmut BLUM als Erwachsenenvertreter gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich BAL vom 02.08.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird abgewiesen mit der Maßgabe, dass dieser zu lauten hat: "Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 01.03.2018 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückgewiesen."
II. Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben und Frau Ense ESTHER der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 zuerkannt.
Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 18.09.2020 erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte am 12.01.2015 nach illegaler Einreise ins Bundesgebiet ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz, den sie mit Privatverfolgung wegen Streitigkeiten über Ländereien begründete.
Mit Bescheid vom 05.07.2017, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).
Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesveraltungsgerichtes vom 30.10.2018, GZ: I412 2165765-1/5E, als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin kam ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach, hatte durchgehend in Österreich ihren Wohnsitz gemeldet und stellte am 01.03.2018 gegenständlichen Folgeantrag. Befragt zu ihren Fluchtgründen gab sie an, dass jene aus dem Erstverfahren nach wie vor aufrecht seien. Geändert habe sich aber ihr Gesundheitszustand, sie nehme täglich Medikamente zur Behandlung ihre Schizophrenie ein.
Die Beschwerdeführerin konnte nicht zu einer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde geladen werden bzw. konnte sie aus gesundheitlichen Gründen die Termine nicht wahrnehmen. Es wurden von ihrer damaligen Rechtsberatung medizinische Unterlagen übermittelt, die eine polymorph-psychotisches Zustandsbild diagnostizieren. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens wurde eine gutachterliche Stellungnahme von der belangten Behörde eingeholt, wobei festgehalten wurde, dass ein Gespräch mit der Beschwerdeführerin unmöglich war und auf eine psychotische Störung geschlossen werde. Mit Beschluss des BG XXXX vom 25.02.2019, GZ: 16 P 11/19b-7, wurde RA Dr. Blum zum einstweiligen Erwachsenenvertreter zur Besorgung der Vertretung im Asylverfahren bestellt.
Am 22.02.2019 wurde eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Frage der Verfügbarkeit der verordneten Medikamente und Behandlungsmöglichkeiten in Nigeria an die belangte Behörde übermittelt.
Am 07.06.2019 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Erwachsenenvertreters vor der belangten Behörde statt. Die Beschwerdeführerin selbst wurde nicht befragt.
Mit angefochtenem Bescheid vom 02.08.2019, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) ab. Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt VI.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.). Ferner wurde gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht am 02.09.2019 zur Post gegebene Beschwerde (bei der belangten Behörde eingelangt am 04.09.2019). Moniert wurde, dass die Beschwerdeführerin nicht selbst einvernommen wurde, obwohl sie stellig gemacht und ein Dolmetscher anwesend gewesen sei. Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung sei sie nicht in der Lage, ihren Alltag zu organisieren und würde sie in Nigeria in eine aussichtslose Lage geraten. Sie habe keine Angehörigen und wäre auf sich alleine gestellt.
Mit Schriftsatz vom 06.09.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 10.09.2019, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor. Am 17.08.2019 langten weitere Unterlagen ihre Schizophrenie betreffend beim BVwG ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Im Erstverfahren wurden zur Person folgende Feststellungen getroffen:
"Die volljährige Beschwerdeführerin ist ledig, kinderlos, Staatsangehörige von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Sie gehört der Volksgruppe der Edo an. Ihre Identität steht nicht fest.
Die Beschwerdeführerin ist gesund und arbeitsfähig.
Die Beschwerdeführerin reiste illegal ohne gültige Reisedokumente aus Nigeria über Libyen in die Europäische Union ein und gelangte spätestens am 12.01.2015 nach Österreich.
Die Familie der Beschwerdeführerin bestehend aus der Schwester und einer Frau, die sie "Tante" nennt, lebt in Nigeria. In Österreich verfügt der Beschwerdeführerin über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.
Der Beschwerdeführer arbeitete auf der Farm der Eltern und verfügt Kenntnisse über den Anbau von Gemüse. Aufgrund ihrer Arbeitserfahrung in Nigeria hat sie eine Chance auch hinkünftig im nigerianischen Arbeitsmarkt, im Speziellen in der Landwirtschaft, unterzukommen.
Die Beschwerdeführerin ist in Österreich nicht vorbestraft.
Sie geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach. Sie verfügt derzeit über einen gemeldeten Wohnsitz im Inland.
Die Beschwerdeführerin weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf."
Da sich außer dem Gesundheitszustand und der damit einhergehenden Arbeitsfähigkeit keine Änderungen ergeben haben, können diese Feststellungen mit den vorher angeführten Ausnahmen auch im gegenständlichen Verfahren herangezogen werden. Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr auf keine geeignete Unterstützung, die sie auf Grund ihrer Erkrankung benötigt, zurückgreifen kann.
Die Beschwerdeführerin leidet unter paranoider Schizophrenie. Sie nimmt die Medikamente Olanzapin, Abilify, Zyprexa und Aripiprazol ein und ist in ärztlicher Behandlung. Für die Beschwerdeführerin wurde mit Beschluss des BG XXXX ein einstweiliger Erwachsenenvertreter für das Asylverfahren bestellt. Sie lebt seit Juni 2019 in einer betreuten Einrichtung der Diakonie in Oberösterreich. Arbeitsfähigkeit und somit das Fortkommen am nigerianischen Arbeitsmarkt kann nicht festgestellt werden.
Die Beschwerdeführerin konnte kein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen seit Rechtskraft der letzten Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten dartun. Dem Vorbringen der Verfolgung wegen Streitigkeiten über Ländereien wurde im Erstverfahren keine Glaubwürdigkeit beigemessen und über den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Asylstatus rechtkräftig negativ entschieden.
Hinsichtlich der Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten hat sich eine Änderung ergeben, da die Beschwerdeführerin an einer psychischen Erkrankung leidet und ärztliche Behandlung benötigt.
Es ist mit erheblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin derzeit aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage wäre, ihre existentiellen Bedürfnisse zu befriedigen und in eine schwere Notsituation geraten würde.
1.2. Zur Situation in Nigeria:
Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 02.08.2019 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Rubriken werden hervorgehoben und neuerlich festgestellt:
Grundversorgung: Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 4.2019c).
Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 10.12.2018). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat - gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 4.2019c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 10.12.2018). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 4.2019c).
Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über 90 Prozent (AA 9 .2018c). Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 4.2019c; vgl. AA 9 .2018c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 9 .2018c) und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe - v.a. von Reis - angewiesen (ÖB 10.2018; vgl. AA 9 .2018c). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben (AA 9 .2018c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt (ÖB 10.2018).
Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2018; vgl. GIZ 4.2019b). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2018; vgl. ÖB 10.2018), fast 50 Prozent unter der Armutsgrenze (GIZ 4.2019b).
Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei Jugendlichen wird sie auf über 20 Prozent geschätzt (GIZ 4.2019b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent - in erster Linie unter 30-jährige - mit großen regionalen Unterschieden (ÖB 10.2018). Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2018). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 4.2019b).
Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2018). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2018). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).
Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Nur eine geringe Anzahl von Nigerianern (2016 ca. fünf Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2018).
Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 4.2019c).
Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
- AA - Auswärtiges Amt (9.2018c): Nigeria - Wirtschaft,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205790 , Zugriff 22.11.2018
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427393/488302_en.pdf , Zugriff 19.11.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/ , Zugriff 10.4.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019c): Nigeria - Wirtschaft Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 11.4.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
Medizinische Versorgung: Insgesamt kann die Gesundheitsversorgung in Nigeria als mangelhaft bezeichnet werden (GIZ 4.2019b). Zwischen Arm und Reich sowie zwischen Nord und Süd besteht ein erhebliches
Gefälle: Auf dem Land sind die Verhältnisse schlechter als in der Stadt (GIZ 4.2019b); und im Norden des Landes ist die Gesundheitsversorgung besonders prekär (GIZ 4.2019b; vgl. ÖB 10.2018). Die medizinische Versorgung ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 12.4.2019). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor (AA 10.12.2018).
Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser (AA 10.12.2018). Krankenhäuser sind bezüglich Ausstattung, Qualifikation des Personals und Hygiene nur in städtischen Zentren vereinzelt mit europäischem Standard vergleichbar. In größeren Städten ist ein Großteil der staatlichen Krankenhäuser mit Röntgengeräten ausgestattet, in ländlichen Gebieten verfügen nur einige wenige Krankenhäuser über moderne Ausstattung. Religiöse Wohltätigkeitseinrichtungen und NGOs bieten kostenfrei medizinische Versorgung (ÖB 10.2018).
In den letzten Jahren hat sich die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten allerdings sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor deutlich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine gute medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Es sind zunehmend Privatpraxen und -kliniken entstanden, die um zahlungskräftige Kunden konkurrieren. Die Ärzte haben oft langjährige Ausbildungen in Europa und Amerika absolviert und den medizinischen Standard angehoben. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 10.12.2018).
Die Gesundheitsdaten Nigerias gehören zu den schlechtesten in Afrika südlich der Sahara und der Welt (ÖB 10.2018). Mit 29 Todesfällen pro 1.000 Neugeborenen hat Nigeria weltweit die elfthöchste Todesrate bei Neugeborenen (GIZ 2.2019). Die aktuelle Sterberate für Kinder unter fünf Jahren beträgt 109 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten. Die Prozentsätze der Unterernährung (Global Acute Malnutrition) liegen in den nördlichen Staaten konstant über der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen mehr als 1,3 Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2018).
Psychische bzw. psychiatrische Erkrankungen werden in der großen Mehrheit der Bevölkerung immer noch als spiritueller Natur entspringend angesehen. Dementsprechend werden die entsprechenden Patienten besonders im ländlichen Bereich spirituellen Heilern zugeführt. Betreut werden sie in der Regel in der Familie, wenn vorhanden. Viele psychisch Kranke leben auf der Straße, in abgelegenen Regionen werden als gefährlich angesehene Personen in den Dörfern auch gelegentlich noch angekettet. Für die stationäre Unterbringung gibt es in ganz Nigeria acht staatliche psychiatrische Kliniken, die einen Langzeitbereich haben, außerdem sind zahlreiche psychisch Langzeitkranke in gesonderten Bereichen in Gefängnissen untergebracht. Im Wesentlichen findet dort eine reine Verwahrung unter ausgesprochen ärmlichen Bedingungen statt (WPA o.D.). Es existiert also kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau. Dort werden Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht, können aber nicht adäquat behandelt werden (AA 10.12.2018).
Insgesamt gibt es für die inzwischen annähernd 200 Millionen Einwohner 100 Hospitäler mit psychiatrischer Abteilung (VAÖB 23.1.2019). Laut anderen Angaben gibt es psychiatrische Abteilungen in 15 Universitätskliniken, acht staatlichen psychiatrischen Spitälern und sechs Allgemeinen Spitälern sowie 15 psychiatrischen Privatkrankenhäusern (WPA o.D.). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an. Die Kosten für einen Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 195.000 Naira (ca. 570 Euro). Zudem ist an diesem Krankenhaus auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 10.12.2018).
Nigeria verfügt über 110 registrierte Psychiater (WPA o.D.); nach anderen Angaben sind es derzeit 130 für 200 Millionen Einwohner (Österreich 2011: 20 Psychiater/100.000 Einwohner). Bei Psychologen ist die Lage noch drastischer, hier kamen im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner 0,02 Psychologen (Österreich 2011: 80 Psychologen/100.000 Einwohner). Aufgrund dieser personellen Situation ist eine regelrechte psychologische/psychiatrische Versorgung für die große Mehrheit nicht möglich, neben einer basalen Medikation werden die stationären Fälle in öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen "aufbewahrt". Die Auswahl an Psychopharmaka ist aufgrund der mangelnden Nachfrage sehr begrenzt (VAÖB 23.1.2019).
Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten jedoch als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 10.12.2018). Nur weniger als sieben Millionen der 180 Millionen Einwohner Nigerias sind beim National Health Insurance Scheme leistungsberechtigt (Punch 22.12.2017). Eine Minderheit der erwerbstätigen Bevölkerung ist über das jeweils beschäftigende Unternehmen mittels einer Krankenversicherung abgesichert, die jedoch nicht alle Krankheitsrisiken abdeckt (VAÖB 27.3.2019).
Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 4.2019b). Selbst in staatlichen Krankenhäusern muss für Behandlungen bezahlt werden (AA 10.12.2018). Die Kosten medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden. Die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von umgerechnet 10 bis 25 Cent ein: Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, sofern vorhanden (ÖB 10.2018). Eine basale Versorgung wird über die Ambulanzen der staatlichen Krankenhäuser aufrechterhalten, jedoch ist auch dies nicht völlig kostenlos, in jedem Fall sind Kosten für Medikamente und Heil- und Hilfsmittel von den Patienten zu tragen, von wenigen Ausnahmen abgesehen (VAÖB 27.3.2019).
Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 10.12.2018). In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 10.12.2018). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/AIDS können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben. Schutzimpfaktionen werden von internationalen Organisationen finanziert, stoßen aber auf religiös und kulturell bedingten Widerstand, überwiegend im muslimischen Norden (ÖB 10.2018).
Die Qualität der Produkte auf dem freien Markt ist jedoch zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25% aller verkauften Medikamente). Diese wirken aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt. Es gibt zudem wenig zuverlässige Kontrollen hinsichtlich der Qualität der auf dem Markt erhältlichen Produkte (AA 10.12.2018). Gegen den grassierenden Schwarzmarkt mit Medikamenten gehen staatliche Stellen kaum vor (ÖB 10.2018).
Der Glaube an die Heilkräfte der traditionellen Medizin ist nach wie vor sehr lebendig. Bei bestimmten Krankheiten werden eher traditionelle Heiler als Schulmediziner konsultiert (GIZ 4.2019b). Gerade im ländlichen Bereich werden "herbalists" und traditionelle Heiler aufgesucht (ÖB 10.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
- AA - Auswärtiges Amt (12.4.2019): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/ 205788#content_6, Zugriff 12.4.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/ , Zugriff 10.4.2019
- Punch (22.12.2017): NHIS: Health insurance still elusive for many Nigerians,
https://punchng.com/nhis-health-insurance-still-elusive-for-many-nigerians/ , Zugriff 3.4.2019
- VAÖB - Vertrauensarzt der ÖB Abuja (23.1.2019): medizinische Stellungnahme
- VAÖB - Vertrauensarzt der ÖB Abuja (27.3.2019): medizinische Stellungnahme
- WPA - World Psychiatric Association (o.D.): Association of Psychiatrists in Nigeria (APN), http:// www.wpanet.org/detail.php?section_id=5content_id=238 , Zugriff 3.4.2019
Relevante Bevölkerungsgruppen: Frauen: Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 10.12.2018), kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 13.3.2019). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt, v.a. dort, wo traditionelle Regeln gelten. So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen. Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 10.12.2018). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden (BS 2018).
Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen kaum eine Rolle. Jene mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz, z.B. eine Richterin beim Obersten Gerichtshof und die Finanzministerin (BS 2018).
Rechtlich ist keine Vorschrift vorhanden, die gleiche Bezahlung für Frauen und Männer für gleichwertige Tätigkeiten festschreibt. Es gibt auch kein Diskriminierungsverbot bei der Einstellung von Angestellten. Im formalen Sektor bleiben Frauen unterrepräsentiert, während sie in der informellen Wirtschaft eine bedeutende Rolle spielen (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 13.3.2019).
Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sexueller, körperlicher, psychologischer und sozioökonomischer Gewalt sowie mit schädlichen traditionellen Praktiken. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, Genitalverstümmelung (FGM/C) usw. Straftatbestände dar. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Mit Stand März 2018 ist das Gesetz erst im Federal Capital Territory (FCT) und den Bundesstaaten Anambra, Ebonyi und Oyo gültig, in anderen Bundesstaaten erst, sobald es dort verabschiedet wird (USDOS 13.3.2019).
Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert, die Polizei schreitet oft nicht ein. In ländlichen Gebieten zögern Polizei und Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht übersteigt (USDOS 13.3.2019).
Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von maximal drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 20.4.2018).
Vergewaltigung steht unter Strafe. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche Gerichte dazu ermächtigt, Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen. Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von 10 bis 19 Jahren eine Vergewaltigung war (USDOS 13.3.2019).
Das Bundesgesetz kriminalisiert seit 2015 FGM/C auf nationaler Ebene (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 10.12.2018; GIZ 4.2019b), dieses Gesetz ist aber bisher nur in einzelnen Bundesstaaten umgesetzt worden (AA 10.12.2018), nach anderen Angaben gilt es bis dato nur im Federal Capital Territory. 13 andere Bundesstaaten haben ähnliche Gesetze verabschiedet (EASO 11.2018b). Die Regierung unternahm im Jahr 2018 keine Anstrengungen, FGM/C zu unterbinden (USDOS 13.3.2019). Andererseits wird mit unterschiedlichen Aufklärungskampagnen versucht, einen Bewusstseinswandel einzuleiten. Bei der Verbreitung gibt es erhebliche regionale Unterschiede. In einigen - meist ländlichen - Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd ist die Praxis weit verbreitet, im Norden eher weniger (AA 10.12.2018). Während im Jahr 2013 der Anteil beschnittener Mädchen und Frauen noch bei 24,8 Prozent lag, waren es 2017 nur noch 18,4 Prozent (EASO 11.2018b).
Für Opfer von FGM/C bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM/C bedroht sind, gibt es Schutz und/oder Unterstützung durch staatliche Stellen und NGOs (UKHO 2.2017). Frauen, die von FGM/ C bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, können auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO 2.2017).
Die Hauptaufgaben der Bundesbehörde NAPTIP (National Agency for the Prohibition of Trafficking in Person) sind Bekämpfung des Menschenhandels, Verfolgung der Täter im Bereich Menschenhandel und Schutzmaßnahmen für Opfer (temporäre Unterkunft, Beratung, Rehabilitierung, Reintegration und Zugang zur Justiz). Obwohl die Behörde im Jahr 2017 deutlich höhere Geldmittel als im Vorjahr erhielt, verfügt sie über zu geringe Ressourcen (EASO 2.2019). Oba Ewuare, König von Benin (Bundesstaat Edo) hat am 9.3.2018 alle Opfern des Menschenhandels auferlegten Flüche für nichtig erklärt, und im Gegenzug jene, welche die Flüche ausgesprochen haben, ihrerseits mit einem Fluch belegt. Bei der Zeremonie waren Priester und traditionelle Heiler sowie Vertreter von NAPTIP eingeladen (Vanguard 10.3.2018; vgl. Iroko 21.3.2018). Üblicherweise sollen Opfer von Menschenhandel durch die auferlegten Flüche dazu gezwungen werden, die Namen der Täter nicht preiszugeben. NAPTIP geht davon aus, dass nunmehr die Strafverfolgung in solchen Fällen erleichtert wird (Vanguard 10.3.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427393/488302_en.pdf , Zugriff 19.11.2018
- EASO - European Asylum Support Office (11.2018b): Country of Origin Information Report - Nigeria - Targeting of individuals, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001375/2018_EASO_COI_Nigeria_TargetingIndividuals.pdf , Zugriff 11.4.2019, S129ff
- EASO - European Asylum Support Office (2.2019): Country Guidance:
Nigeria,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf , Zugriff 12.4.2019
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/ , Zugriff 10.4.2019
- Iroko - Assoziazione onlus (21.3.2018): Oba of Benin (Edo State) revokes curses on victims of trafficking, http://www.associazioneiroko.org/slide-en/oba-of-benin-edo-state-revokes-curses-onvictims-of-trafficking/ , Zugriff 12.4.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
- UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1387367781_nigeria-ogn.pdf , Zugriff 19.11.2018
- UKHO - United Kingdom Home Office (2.2017): Country Policy and Information Note Nigeria: Female Genital Mutilation (FGM), https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595458/CPIN_-
_NGA_-_FGM_-_v_1_0.pdf, Zugriff 19.11.2018
- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html , Zugriff 20.3.2019
- Vanguard (10.3.2019): "Our gods will destroy you"; Oba of Benin curse human traffickers,
https://www.vanguardngr.com/2018/03/gods-will-destroy-oba-benin-curse-human-traffickers/ , Zugriff 12.4.2019
(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel: Für alleinstehende Rückkehrerinnen ist keine generelle Aussage möglich. Nigeria verfügt über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianische Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EU-Staaten bei der Reintegration, ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖB 10.2018). Die Agentur ist außerdem für die Bekämpfung des Menschenschmuggels zuständig, hat seit ihrer Gründung 2003
359 Verurteilungen von Schleppern erreicht sowie bis heute mehr als 13.000 Opfern von Menschenhandel geholfen (AA 10.12.2018). NAPTIP ist eine zentrale Anlaufstelle für Rückkehrerinnen und bietet unter anderem mehrmonatige Rehabilitierung (psychologische Betreuung) und Berufstraining für ehemalige Zwangsprostituierte an (ÖB 10.2018).
Es gibt viele Frauengruppen, welche die Interessen von Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016a). Vom Office of the Special Adviser to the President on Relations with Civil Society erhielt die österreichische Botschaft eine Liste mit 203 auf Seriosität/Bonität geprüften NGOs, die sich um Rehabilitierung, Fortbildung und medizinische Betreuung/Versorgung sämtlicher Bevölkerungsgruppen des Staates bemühen. Darin werden regionale bzw. das ganze Staatsgebiet umfassende Organisationen aufgelistet, die sich um Witwen, Vollwaisen, minderjährige Mütter, alleinstehende Frauen, Albinos, HIV-Positive, Ex- Häftlinge, Häftlinge, Prostituierte, Alphabetisierung, FGM oder Opfer häuslicher Gewalt bemühen. Diese Organisationen betreiben Wohn- und Bildungsmöglichkeiten für Frauen, Waisen sowie körperlich und geistig Behinderte. Zusätzlich unterstützen Gattinnen der Gouverneure eigene "pet projects". Die bekannteste Vertreterin ist Dr. Amina Titi Atiku Abubakar, Gründerin und Vorsitzende der NGO WOTCLEF, die es bis zur Akkreditierung durch die UN gebracht hat und zahlreiche Projekte im Frauenbereich unterstützt (ÖB 10.2018).
Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind alleinstehende Frauen oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 10.12.2018). Die Verfassung und Gesetze sehen interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation insbesondere für alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart - z.B. im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016a).
Eine Auswahl spezifischer Hilfsorganisationen für Frauen: African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin City, Edo
State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email: info@awegng.org (AWEG o. d.a). Die AWEG ist eine ausschließlich weibliche nicht profitorientierte NGO. Zielgruppe sind Frauen und Jugendliche. Spezielle Programme zielen darauf ab, Frauen beim Erwerb von Fähigkeiten im Bildungsbereich sowie im sozialen, ökonomischen und politischen Bereich zu unterstützen. AWEG führt Studien zu geschlechtsspezifischer Gewalt durch (AWEG o.D.b).
Women Aid Collective (WACOL), No 9 Matthias Ilo Avenue, New Haven Extension by Akanu Ibia Airport Flyover, Enugu State. Tel:
+234-8095757590, +234-9091333000, Email: wacolnig@gmail.com , wacolnig@yahoo.com , wacolenugu@wacolnigeria.org . WACOL ist eine Wohltätigkeitsorganisation und bietet verschiedene Unterstützung an:
Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste (WACOL o.D.).
Women Advocates Research and Documentation Center (WARDC), 9b james Oluleye Crescent (Harmony Enclave), off Adeniyi Jones by Koko bus stop, Ikeja, Lagos State, (+234) 818 005 6401, Email:
womenadvocate@yahoo.com (WARDC o.d.a). WARDC ist eine Frauenrechts-NGO für weibliche Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt und anderer Menschenrechtsverletzungen. Ca. sechs Frauen pro Woche werden diesbezüglich in rechtlicher und sozialer Hinsicht beraten (WARDC o.d.b.).
Womens Health and Equal Rights Initiative (WHER), Adresse nicht online verfügbar, +234 818 645 7675, Email: wher@whernigeria.org (WHER o.d.a): WHER ist eine NGO zur Unterstützung von Frauen, die Angehörige einer sexuellen Minderheit sind (WHER o.d.b).
The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel: +234 8033188767, +234 8037190133, +234 8033347896, Email:
wocon95@yahoo.com , info@womenconsortiumofnigeria.org (WOCON o.D.a). WOCON ist eine gemeinnützige NGO, die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Ziel ist die Aufklärung bezüglich Menschenhandel und der Kampf gegen den Menschenhandel (WOCON o.D.b).
Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA): 19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja, Tel.:
08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com , wrapa399@yahoo.com . WRAPA ist eine Organisation, die bundesweit für Frauenrechte eintritt. Aktivitäten umfassen kostenfreie Rechtsberatung, Ausbildung, Mobilisation, Sensibilisierung und Meinungsbildung bezüglich rechtlicher Reformen. Jede Frau, die in irgendeiner Form einen Eingriff in ihre Rechte bzw. eine Diskriminierung erlitten hat, kann in den Genuss der Unterstützung von WRAPA kommen (WRAPA, o.D.).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)
- AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.a): AWEG - Contact Information, http://www.awegng.org/contactus.htm , Zugriff 19.11.2018
- AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.b): AWEG - About Us, http://www.awegng.org/aboutus.htm , Zugriff 19.11.2018
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427393/488302_en.pdf , Zugriff 19.11.2018
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
- UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016a): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-
_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 13.11.2018
- WACOL - Women Aid Collective (o.D.): Homepage, https://wacolnigeria.org/ , Zugriff 19.11.2018
- WARDC - Women Advocates Research and Documentation Center (o.d.a):
WARDC - Contact us, http://wardcnigeria.org/contact-us/ , Zugriff 21.12.2018
- WARDC - Women Advocates Research and Documentation Center (o.d.b):
WARDC - About us, http://wardcnigeria.org/what-we-do/ , Zugriff 21.12.2018
- WHER - Womens Health and Equal Rights Initiative (o.d.a): WHER - Contact, https://whernigeria.org/contact/ , Zugriff 21.12.2018
- WHER - Womens Health and Equal Rights Initiative (o.d.b): WHER - About us, https://whernigeria.org/about/ , Zugriff 21.12.2018
- WOCON - Women's Consortium of Nigeria (o.D.a): WOCON - Contact, http://womenconsortiumofnigeria.org/?q=content/contact , Zugriff 19.11.2018
- WOCON - Women's Consortium of Nigeria (o.D.b): WOCON - About us, http://womenconsortiumofnigeria.org/?q=about-us , Zugriff 19.11.2018
- WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.): FAQ, https://wrapanigeria.org/faq/ , Zugriff 19.11.2018
Verwiesen wird außerdem auf die im Veraltungsakt einliegende (AS 345ff) und der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebrachte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 22.02.2019.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Gerichtsakt zum Erstverfahren zu 2165765-1, in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Erwachsenenvertreters vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria mit Stand 12.04.2019. Herangezogen wurden außerdem die vorgelegten medizinischen Unterlagen und die oben angeführte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Person getroffen werden, basieren diese auf den Feststellungen im Erstverfahren zu 2165765-1, da die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren nur bei der Erstbefragung selbst Angaben machte und vor der belangten Behörde der Erwachsenenvertreter für sie aufgetreten ist.
Die festgestellt gesundheitliche Beeinträchtigung ergibt sich aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen. Daraus ist die Diagnose "paranoide Schizophrenie" und die Notwendigkeit der Einnahme der aufgezählten Medikamente sowie der weitere ärztliche Behandlungsbedarf ersichtlich. Aufgrund der eingeschränkten Fähigkeit, vor Behörden für sich selbst zu sprechen, wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes (AS 291ff) auch ein Erwachsenenvertreter für die Beschwerdeführerin einstweilig bestellt. Diese Vertretung ist zwar nur im Umfang der Führung des Asylverfahrens gegeben, haben sich aus den ärztlichen Unterlagen und den Aussagen des Erwachsenenvertreters aber Bedenken ergeben, ob die Beschwerdeführerin auch sonst ihre alltäglichen Aufgaben alleine meistern kann (AS 163, 275, 379, 381, 385). Von den behandelnden Ärzten wird mehrfach auf eine "offenkundig nicht gegebene Geschäftsfähigkeit" hingewiesen. Aus dem Auszug des Zentralen Melderegisters und dem Betreuungsinformationssystem ergeben sich die Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin in einer betreuten Wohneinrichtung der Diakonie untergebracht ist, nicht erwerbstätig ist und Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht. Aus dem festgestellten Gesundheitszustand und dem Betreuungsbedarf ergibt sich auch die derzeitige Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin.
Zuletzt gab die Beschwerdeführerin im Jahr 2017 an, dass in Kano ihre Schwester bei einer Bekannten, die sie "Tante" nennen, aufhältig ist. In der Erstbefragung gab sie an, niemanden mehr in Nigeria zu haben und wurde dieses Vorbringen auch in der Beschwerde wiederholt. Es konnte nicht festgestellt werden, ob sich derzeit noch Angehörige in Nigeria aufhalten und gegebenenfalls wo sich diese befinden. Es ist jedoch auf Grund des Umstandes, dass ihre Schwester noch ein Kind ist, und der gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin und des damit einhergehenden Betreuungsbedarfs sehr wahrscheinlich, dass sie nicht die notwendige Unterstützung durch einen Familienverband erhalten würde und daher auf sich allein gestellt wäre.
Dass sich keine neuen Fluchtgründe ergeben haben, gab die Beschwerdeführerin bei Antragstellung selbst an: "Die Fluchtgründe, die ich bei der ersten Antragstellung angegeben habe, sind noch aufrecht und haben sich nicht geändert. Außerdem kann ich in meine Heimat nicht zurück, weil ich dort ganz allein bin und dort niemanden habe. Sonst habe ich keine Fluchtgründe" (AS 7).
Das rechtskräftige Absprechen über den genannten Fluchtgrund ergibt sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.10.2017 (AS 171-205).
Zur Beurteilung, dass die Beschwerdeführerin mit erheblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notsituation geraten würde, wird auf die Ausführungen unter Punkt 3./II. (Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten) verwiesen.
2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 12.04.2019 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Herangezogen wurde auch eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Frage der Verfügbarkeit von Medikamenten und Behandlungsmöglichkeiten psychisch Kranker in Nigeria (AS 345ff).
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland wurde nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
I. Vorliegen von res iudicata hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß Art. 130 Abs. 4 B-VG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis gelegen ist (Z 2). Aus Art. 130 Abs. 4 B-VG und § 28 VwGVG ergibt sich daher, dass das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich eine reformatorische Entscheidung mittels Erkenntnis zu erlassen hat. Wie der VfGH festgehalten hat, entspricht die dem Verwaltungsgericht gemäß § 28 VwGVG zukommende Entscheidungsbefugnis - in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden - jener, die einer Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG zukommt (VfGH 18.06.2014; Zl. G5/2014): "Im Verwaltungsverfahren impliziert die Sachentscheidung einer unterinstanzlichen Behörde die Bejahung der Prozessvoraussetzungen, diese sind somit "Sache" des Berufungsverfahrens und können von der nach § 66 Abs. 4 AVG entscheidenden Berufungsbehörde anders als von der Unterinstanz beurteilt werden (vgl. Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht 5, 274). Wenn der Sachentscheidung der erstinstanzlichen Behörde res iudicata entgegenstand, hat die Berufungsbehörde nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH zu § 66 Abs. 4 AVG die Berufung mit der Maßgabe abzuweisen, dass der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides auf Zurückweisung wegen entschiedener Sache zu lauten hat (VwGH 19.1.2010, 2009/05/0097; 28.6.1994; 92/05/0063)". Explizit betont der VfGH, dass nunmehr in gleicher Weise bei der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach § 28 VwGVG vorzugehen ist (VfGH 18.06.2014; Zl. G5/2014): "Das Verwaltungsgericht hat in jenem Falle, dass der Sachentscheidung der Verwaltungsbehörde res iudicata entgegenstand, keine prozessuale, sondern eine meritorische und (grundsätzlich auch) reformatorische Entscheidung in Form eines Erkenntnisses zu treffen. Der § 28 VwGVG gebietet dem Verwaltungsgericht die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages zum Inhalt seiner Sachentscheidung zu machen, wenn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hervorkommt, dass es schon bei Bescheiderlassung durch die belangte Behörde an einer Prozessvoraussetzung mangelte". Eben dies, nämlich das Fehlen einer Prozessvoraussetzung im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die belangte Behörde, ist im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die Behörde wäre daher gehalten gewesen, den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
"Formell rechtskräftige Bescheide können außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG 1991 nur unter der Voraussetzung der Abs. 2 bis 4 des § 68 leg. cit. aufgehoben, abgeändert oder für nichtig erklärt werden. Soweit diese Voraussetzungen nicht zutreffen, sind die Behörden und Verwaltungsgerichte an Bescheide, allenfalls auch ungeachtet der Gesetzwidrigkeit ihres Inhaltes, gebunden und ist ein dennoch gestellter Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (VfSlg. 10.240/1984, 19.269/2010; VwGH 19.11.1979, Z 16/79)" (VfgH 11.06.2015, Zl. E 1286/2014-17). Identität der Sache ist nach der Rechtsprechung des VwGH dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, welcher dem formell rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat (vgl. VwGH 26.02.2004, Zl. 2004/07/0014; VwGH 27.06.2006, Zl. 2005/06/0358; VwGH 21.02.2007, Zl. 2006/06/0085). Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. (vgl. VwGH 19.09.2013, Zl. 2011/01/0187; VwGH 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235; VwGH 15.10.1999, Zl. 96/21/0097). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die die Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmsgrund (VwGH Zl. 26.02.2004, Zl. 2004/07/0014; VwGH 24.06.2003, Zl. 2001/11/0317, mit Verweis auf E 24.09.1992, Zl. 91/06/0113, E 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (vgl. VwGH 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. VwGH 09.09.1999, Zl. 97/21/0913). Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. VwGH 25.04.2007, Zl. 2004/20/0100; VwGH 17.09.2008, Zl. 2008/23/0684; VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0783). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den eine positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH 22.12.2005, Zl. 2005/20/0556; VwGH 06.07.2005, Zl. 2005/20/0343, mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Vergleichsbescheid derjenige Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. VwGH 15.11.2000, Zl. 2000/01/0184; VwGH 16.07.2003, Zl. 2000/01/0440; VwGH 26.07.2005, Zl. 2005/20/0226; VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0783; vgl. weiters Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 104 zu § 68 AVG).
Für die erkennende Richterin steht fest, dass sich in Hinblick auf die Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die maßgebliche Sach- und Rechtslage zwischen der Rechtskraft des Vorbescheides am 30.10.2017 und der Erlassung des angefochtenen Bescheides bzw. der gegenständlichen Entscheidung nicht geändert hat.
Im vorliegenden Fall ist hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz betreffend die Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten als Vergleichsentscheidung der Bescheid vom 05.07.2017 (rechtskräftig seit 30.10.2017), heranzuziehen.
Soweit die Beschwerdeführerin Probleme wegen Grundstücken geltend macht, bezieht sie sich zur individuellen Begründung ihres zweiten Antrages auf internationalen Schutz ausschließlich auf Umstände, die bereits Gegenstand des ersten, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens waren. Wird wie hier die seinerzeitige Verfolgungshandlung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein Fortbestehen und Weiterwirken behauptet, vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).
Die Beschwerdeführerin gab aber an, an einer paranoiden Schizophrenie zu leiden und dass ihr das Fortkommen in Nigeria nicht möglich sei. Diesbezüglich ist daher eine neue Sachlage hinsichtlich der Zuerkennung von Subsidiärschutz aufgetreten und wird diese inhaltlich zu prüfen sei, sodass hinsichtlich Spruchpunkt II. keine entschiedene Sache vorliegt.
Da hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre der Beschwerdeführerin gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens gegenüber dem Vorbescheid nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden kann. Die belangte Behörde hätte den Antrag auf internationalen Schutz daher hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gehabt.
II. Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten:
1. Rechtslage:
Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).
2. Anwendung auf den gegenständlichen Fall:
Der Beschwerdeführerin droht in Nigeria - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung und war der Antrag diesbezüglich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Es liegen aber Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten werden könnte. Die Beschwerdeführerin ist volljährig, leidet aber an einer paranoiden Schizophrenie und ist dauerhafte medizinische Betreuung indiziert.
Die Beschwerdeführerin ist auf unterschiedliche Medikamente angewiesen und wurde die Verfügbarkeit der genannten Psychopharmaka nicht überprüft. Die belangte Behörde hat in ihre Entscheidung zwar eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation in ihre Entscheidung miteinfließen lassen, in dieser Anfragebeantwortung wird aber der Zugang zu anderen Medikamenten erörtert. Die für die Beschwerdeführerin vorgesehen finden sich nicht in der Aufstellung. Eine Recherche der erkennenden Richterin hat ergeben, dass keines der genannten Medikamente in Nigeria verfügbar ist und auch kein ähnliches oder anders lautendes Präparat mit denselben Inhaltsstoffen aufgelistet ist (Eingabe der Medikamente unter https://www.drugs.com/international/ zur Erörterung der Inhaltsstoffe und landesspezifische Recherche der Verfügbarkeit laut nigerianischer Gesundheitsbehörde unter www.health.gov.ng/doc/Essential Medicine List (2016)%206th%20Revision.pdf, Zugriffe jeweils am 18.09.2019). Aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation und dem Länderinformationsblatt ergibt sich, dass Medikamente teilweise auch illegal und ohne Zulassung importiert und verkauft werden. Eine gesicherte Versorgung mit den benötigten Präparten ist im Falle der Beschwerdeführerin nicht gegeben.
In einem Arztbrief (AS 385) wird festgehalten, dass "ohne regelmäßigen Zugang zu entsprechender medizinischer Behandlung mit weiterer Verschlechterung und erhöhtem Suizidrisiko zu rechnen" ist. Zu prüfen sind also auch die medizinische Versorgung und der Zugang zu dieser. Ein allgemeiner Hinweis auf das Bestehen von Krankenanstalten und psychiatrischen Einrichtungen reicht in diesem Fall aber nicht aus. Es muss konkret im Falle der Beschwerdeführerin ermittelt werden, ob es ihr möglich sein wird, in Nigeria die entsprechende Hilfe auch zu erlangen.
Die belangte Behörde zieht die Feststellungen im Länderinformationsblatt heran und hält richtigerweise fest, dass sich die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten in den letzten Jahren sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor deutlich verbessert hat. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine gute medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Es sind zunehmend Privatpraxen und -kliniken entstanden, die um zahlungskräftige Kunden konkurrieren. Die Ärzte haben oft langjährige Ausbildungen in Europa und Amerika absolviert und den medizinischen Standard angehoben. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden. Im Speziellen ist auf die Behandlung psychischer Erkrankungen einzugehen. Dazu heißt es im Länderinformationsblatt: "Psychische bzw. psychiatrische Erkrankungen werden in der großen Mehrheit der Bevölkerung immer noch als spiritueller Natur entspringend angesehen. Dementsprechend werden die entsprechenden Patienten besonders im ländlichen Bereich spirituellen Heilern zugeführt. Betreut werden sie in der Regel in der Familie, wenn vorhanden. Viele psychisch Kranke leben auf der Straße, in abgelegenen Regionen werden als gefährlich angesehene Personen in den Dörfern auch gelegentlich noch angekettet. Für die stationäre Unterbringung gibt es in ganz Nigeria acht staatliche psychiatrische Kliniken, die einen Langzeitbereich haben, außerdem sind zahlreiche psychisch Langzeitkranke in gesonderten Bereichen in Gefängnissen untergebracht. Im Wesentlichen findet dort eine reine Verwahrung unter ausgesprochen ärmlichen Bedingungen statt (WPA o.D.). Es existiert also kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau. Dort werden Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht, können aber nicht adäquat behandelt werden (AA 10.12.2018)." und weiter "Nigeria verfügt über 110 registrierte Psychiater (WPA o.D.); nach anderen Angaben sind es derzeit 130 für 200 Millionen Einwohner (Österreich 2011: 20 Psychiater/100.000 Einwohner). Bei Psychologen ist die Lage noch drastischer, hier kamen im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner 0,02 Psychologen (Österreich 2011: 80 Psychologen/100.000 Einwohner). Aufgrund dieser personellen Situation ist eine regelrechte psychologische/psychiatrische Versorgung für die große Mehrheit nicht möglich, neben einer basalen Medikation werden die stationären Fälle in öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen "aufbewahrt". Die Auswahl an Psychopharmaka ist aufgrund der mangelnden Nachfrage sehr begrenzt (VAÖB 23.1.2019)."
Nicht zu vergessen ist, dass zumindest zweifelhaft ist, ob sich noch Angehörige der Beschwerdeführerin aufhalten. Selbst wenn die Schwester noch im Herkunftsstaat lebt, kann davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin von ihrer Seite keine (finanzielle) Unterstützung erwarten können wird, da die Schwester nach Angaben der Beschwerdeführerin im Erstverfahren heute erst höchstens 13 Jahre alt ist. Die Beschwerdeführerin wäre somit auf sich alleine gestellt, nicht arbeitsfähig und somit auch nicht in der Lage, sich eine private Krankenversorgung zu leisten. "Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 4.2019b). Selbst in staatlichen Krankenhäusern muss für Behandlungen bezahlt werden (AA 10.12.2018) [...] Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 10.12.2018)." Das Schicksal von nicht durch die Familie unterstützten psychisch Kranken und mittellosen Patienten, wie es die Beschwerdeführerin aufgrund der Arbeitsunfähigkeit auch wäre, wird im Länderinformationsblatt in guten Fällen mit einem Leben auf der Straße oder in einer Einrichtung, die mehr einer Verwahrung gleicht, beschrieben. Im ländlichen Raum und Dörfern kommt es im schlimmsten Fall auch vor, dass psychisch Kranke spirituellen Riten zugeführt werden und angekettet gehalten werden. Die knappen Zahlen von Psychiatern und Psychologen im Vergleich zur Bevölkerungszahl verdeutlichen die fehlende Behandlungsmöglichkeiten genauso wie die mangelhafte Versorgung mit Psychopharmaka, auf die die Beschwerdeführerin zur Vorbeugung von Verschlechterungen und Suizidgefahr aber angewiesen ist.
Außerdem geht aus der angesprochenen Anfragebeantwortung hervor, dass der rechtliche Umgang mit hilflosen, respektive mit Personen, die aufgrund einer psychiatrischen/psychischen Erkrankung sich nicht selbst versorgen können und/oder bei denen eine Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt, noch auf ein aus der Kolonialzeit stammendes Gesetz aus dem Jahr 1958 zurückgreift, das eine nur unspezifische Definition von "psychisch krank" beinhaltet. Eine Neuregelung ist bis heute nicht verabschiedet. Das System der Sachwalterschaft oder Vormundschaft ist nicht gegeben, möglich sind nur Zwangseinweisungen, was wiederum oftmals ein bloßes "Verwahren" und keine Behandlung bedeutet.
Durch die Abschiebung nach Nigeria wäre die Beschwerdeführerin somit in ihrem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall nicht gedeckt werden könnten. Aufgrund der derzeit bestehenden Arbeitsunfähigkeit und fehlenden Unterstützung, wird sie sich eine Krankenbehandlung nicht leisten können. Ohne die erforderliche Behandlung wird sie wiederum nicht in der Lage sei, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen und sich eine Existenz zu sichern. Auf familiäre Hilfe kann sie nicht zurückgreifen. Es ist zweifelhaft, ob die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer gesundheitlichen Situation in der Lage wäre, sich Unterstützung durch die in den Feststellungen angeführten Einrichtungen für alleinstehende Frauen zu verschaffen, doch selbst wenn, löst dies aber nicht den fehlenden Zugang zu psychiatrischer Behandlung und stehen diese Einrichtungen meist nur in der ersten Zeit nach der Rückkehr zur Verfügung, bis sich die Rückkehrerinnen reintegriert haben.
In Anbetracht der festgestellten individuellen Situation der Beschwerdeführerin und der besonderen Vulnerabilität als alleinstehende, psychisch kranke Frau, war seitens des Bundesverwaltungsgerichtes im Lichte einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, dem fehlenden Zugang zu adäquater medizinischer Behandlung, der dadurch eingeschränkten bzw. nicht gegebenen Arbeitsfähigkeit sowie der ausbleibenden familiären Unterstützung festzustellen, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Nigeria einem realen Risiko ausgesetzt wären, in eine existenzbedrohende (Not‑)Lage zu geraten.
Das Risiko einer Verletzung der 3 EMRK geschützten Güter droht der Beschwerdeführerin mit einer derartigen Wahrscheinlichkeit, dass dies zur Gewährung von subsidiärem Schutz führt.
Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher stattzugeben und ihr gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria zuzuerkennen.
Ausschlussgründe nach § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG 2005 liegen nicht vor.
III. Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung:
Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt bzw. vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Im gegenständlichen Fall war der Beschwerdeführerin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria zuzuerkennen. Daher ist ihr gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres zu erteilen.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass es sich bei den Aussprüchen, mit denen etwa der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt wird, sowie eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wird, um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche handelt. Demgemäß sind diese Aussprüche separat anfechtbar; sie können auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Es besteht zwischen diesen gemäß den maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 und des Fremdenpolizeigesetzes lediglich insofern ein rechtlicher Zusammenhang, als es für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind, sodass im Fall der Aufhebung eines Spruches ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann (vgl. VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047; 28.01.2015, Ra 2014/20/0121; 08.09.2015 Ra 2015/18/0134, je mwN).
Da der Beschwerdeführerin mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, verlieren die übrigen von der belangten Behörde getroffenen Aussprüche ihre rechtliche Grundlage. Einer diesbezüglichen ausdrücklichen Aufhebung durch das Bundesverwaltungsgericht bedarf es nicht.
5. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt als geklärt anzusehen ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
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