AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:I403.2115981.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerden von
Erstbeschwerdeführer XXXX XXXX XXXX XXXX , geb. XXXX , StA. Ägypten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2015, Zl. 596366409-1631050,
Zweitbeschwerdeführerin XXXX XXXX XXXX XXXX , geb. XXXX , StA. Ägypten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2015, Zl. 596367003-1630550,
Drittbeschwerdeführerin XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX , geb. XXXX , StA. Ägypten, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2015, Zl. 596367302-1630517,
Viertbeschwerdeführerin XXXX XXXX , geb. XXXX , StA. Ägypten, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2015, Zl. 10500353901-151461548,
nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.12.2015 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 55, 57 Asylgesetz 2005 idgF., § 10 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 2005 idgF. iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz idgF. und §§ 46, 52, 55 Fremdenpolizeigesetz idgF. als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Erstbeschwerdeführer wurde zusammen mit seiner Ehefrau (im Folgenden: Zweitbeschwerdeführerin) und dem gemeinsamen Kind (im Folgenden: Drittbeschwerdeführerin) am 18.03.2013 auf Basis der Dublin-Verordnung von Frankreich nach Österreich überstellt. Noch am selben Tag stellten die genannten Personen, alle Staatsangehörige Ägyptens, einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei die unmündige Drittbeschwerdeführerin von ihrer Mutter, der Zweitbeschwerdeführerin, vertreten wurde.
2. Am 19.03.2013 wurde der Erstbeschwerdeführer durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Er gab an, koptischen Glaubens zu sein und zuletzt als Geschäftsführer in einem Restaurant gearbeitet zu haben. Er erklärte des Weiteren, am XXXX - zusammen mit seiner Ehefrau und seiner Tochter - legal mit dem Reisepass und einem Visum nach Österreich gereist zu sein, von wo aus er weiter zu seinem Bruder nach Frankreich gereist sei. Er habe in Frankreich einen Asylantrag stellen wollen, doch sei ihm erklärt worden, dass Österreich dafür zuständig sei. Er schilderte Probleme nach der Machtergreifung der Islamisten in Ägypten sowie dass über ihm ein Islamist gewohnt haben würde, der ihn während einer Feier am XXXX beschimpft habe. Am XXXX sei dessen Frau zu ihnen in die Wohnung gekommen und würde gefragt haben, ob ihre Tochter beschnitten sei, was seine Frau verneint habe. Außerdem habe dieser Mann seine Frau einmal vergewaltigt.
3. Unmittelbar im Anschluss an die Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers wurde die Zweitbeschwerdeführerin durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Sie gab an, koptischen Glaubens zu sein und in ihrer Heimat die Grund- und Mittelschule bzw. ein Gymnasium besucht und eine Universitätsausbildung absolviert zu haben. Die Zweitbeschwerdeführerin erklärte, am XXXX gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter legal mit dem Reisepass und einem Visum nach Österreich gereist zu sein. Am XXXX sei man gemeinsam nach Frankreich zum Bruder ihres Ehemannes weitergereist, um in Frankreich einen Asylantrag zu stellen. Dort sei ihnen erklärt worden, dass Österreich dafür zuständig sei. Zum Fluchtgrund befragt brachte die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie Christin sei und in Ägypten gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Tochter ein gutes Leben bis zu jenem Zeitpunkt gehabt habe, als die Islamisten an die Macht gekommen seien. Im Wohnhaus ihrer Familie habe ein fanatischer und extremistischer Salafist gewohnt. Sie wiederholte die von ihrem Mann vorgebrachten Fluchtgründe. Zu Rückkehrbefürchtungen befragt replizierte die Zweitbeschwerdeführerin, dass sie Angst um sich und um ihre Tochter habe.
4. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin wurden zunächst für den Oktober 2013 zur Einvernahme vor das Bundesasylamt in XXXX geladen, doch wurden die Einvernahmen von der Behörde abberaumt. In der Folge wurde von Seiten des Erstbeschwerdeführers bzw. der Zweitbeschwerdeführerin, unterstützt von der Caritas XXXX , mehrmals um frühere Einvernahmetermine bzw. aufgrund der (Risiko-) Schwangerschaft der Zweitbeschwerdeführerin um Einvernahme in XXXX gebeten.
5. Am 19.08.2014 legte der Erstbeschwerdeführer ein Zeugnis für die ÖSD-Prüfung A2 Grundstufe Deutsch 2 vor.
6. Am 30.10.2014 wurde der Erstbeschwerdeführer von einer Organwalterin des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) im Beisein einer Vertrauensperson niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Erstbeschwerdeführer weitere Integrationsunterlagen zur Vorlage. Neben einer Bestätigung der Caritas in Bezug auf die Teilnahme am Projekt "Nachbarschaftshilfe" unter anderem auch Arbeitsbestätigungen für seine ehrenamtliche Tätigkeit als Koch bei verschiedenen Institutionen (z.B.: Lebenshilfe) und einen Arbeitsvorvertrag für die Anstellung als Koch. Zudem wurden auch verschiedene Dokumente aus Ägypten vorgelegt, unter anderem eine Heiratsurkunde, eine Geburtsurkunde, eine Urkunde über die Ableistung des Militärdienstes sowie ein Schreiben der Kirche, in dem die in Ägypten herrschenden Probleme für Kopten bestätigt wurden. Der Erstbeschwerdeführer erklärte weiters, dass seine finanzielle Situation gut gewesen sei. Seine Familie würde eine Wohnung besessen haben, welche allerdings abgebrannt sei, während sie in Frankreich gewesen seien. Seine Mutter und sein Bruder würden noch in Ägypten leben, er würde mit ihnen in Kontakt stehen. Er schilderte die verschiedenen Vorfälle mit seinem Nachbarn: Seitdem einmal ein muslimischer Freund bei ihm gewesen sei, habe ihn sein Nachbar XXXX XXXX immer wieder bedroht und Müll vor seiner Tür ausgeleert. Eines Tages habe ihn seine Frau weinend angerufen und geschildert, dass zwei Frauen zu ihr gekommen seien und behauptet haben würden, dass sie (die beiden Frauen) von einem Krankenhaus kommen und die Tochter impfen wollen würden. Dann würden sie aber gefragt haben, ob die Tochter beschnitten sei. Die Frau des Nachbarn sei dann auch dazugekommen und habe die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers festgehalten, während die anderen zwei Frauen die Tochter genommen haben würden. Die Tochter sei dann aber hinuntergefallen, wonach die beiden Frauen die Wohnung verlassen haben würden. Der Erstbeschwerdeführer habe dann Anzeige bei der Polizei erstattet. Der Beamte habe alles niedergeschrieben, sei dann aber zu seinem Vorgesetzten gegangen, um eine Unterschrift einzuholen. Der Vorgesetzte habe dann den Erstbeschwerdeführer und seine Familie zu sich gebeten und erklärt, Frau und Tochter müssten bei ihm bleiben, bis der Täter gefasst sei. Zudem sei er gefragt worden, warum er denn seine Tochter nicht beschneiden würde. Sein Schwiegervater habe ihm aus der Situation geholfen, doch er habe erkannt, dass er in Ägypten keine Rechte habe. In der Folge habe sich die Situation nach dem Sturz des Präsidenten weiter verschlechtert. Seine Frau sei dann vom Nachbarn vergewaltigt worden, andere Nachbarn würden ihn angerufen und informiert haben. Danach habe er sich zur Ausreise entschlossen, er habe auch nicht mehr zuhause gewohnt. Von Frankreich aus habe der Erstbeschwerdeführer dann durch seine Familie erfahren, dass sein Nachbar in seiner Wohnung gewesen sei und alles verbrannt habe. Sein Auto, das er seinem Bruder zur Verfügung gestellt habe, habe der Nachbar ebenfalls verbrannt und gedroht, es werde dem Beschwerdeführer gleich ergehen. Der Nachbar habe auch Anzeige gegen den Schwiegervater erstattet, der dann zwei Tage inhaftiert gewesen sei. Der Nachbar würde seine Ehefrau auch noch immer in der Kirche suchen.
7. Im Anschluss an die Vernehmung des Erstbeschwerdeführers wurde die Zweitbeschwerdeführerin im Beisein einer Vertrauensperson ebenfalls noch am 30.10.2014 von jener Organwalterin, welche zuvor die Einvernahme des Erstbeschwerdeführers vorgenommen hatte, niederschriftlich einvernommen. Dabei führte die Zweitbeschwerdeführerin zunächst aus, dass sie schwanger und psychisch belastet sei. Sodann brachte sie folgende Dokumente zur Vorlage: Eine CD mit Medieninhalten, wonach die Polizeistation in der Nähe ihres Wohnortes verbrannt sei; Fotos aus dem Internet zur Situation in Ägypten; Internetberichte über Brandstiftungen an Kirchen; einen Internetbericht über die Beschneidung von Mädchen; eine Bestätigung über die Gefährdungssituation der Kirche; eine Bestätigung über die ehrenamtliche Arbeit in der Kirche; eine psychologische Bestätigung der Caritas; drei Deutschkursbestätigungen der Caritas; eine Kindergartenbesuchsbestätigung ihrer Tochter. Des Weiteren brachte die Beschwerdeführerin vor, dass es noch Beweise gebe, wonach eine staatliche Anzeige gegen ihre Person existiere und dass von der ägyptischen Polizei gegen ihre Person ein Ausreiseverbot verhängt worden sei. Diese Sachen würden sich in der Wohnung befunden haben, die allerdings verbrannt sei. Deshalb könne sie diese Dokumente nicht mehr vorlegen. Die Heiratsurkunde und die Geburtsurkunden würden sich hingegen im Elternhaus befunden haben und diese seien ihr von den Eltern unmittelbar vor der Abreise am Flughafen übergeben worden. Zu ihrer Person brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, dass sie orthodoxe Christin und verheiratet sei und eine Tochter habe. Sie habe fünf Jahre die Volksschule, zwei Jahre die Mittelschule, drei Jahre die Hochschule und vier Jahre die XXXX Universität besuchte.
Zunächst habe sie in einem Wertpapierbüro gearbeitet, später, nach der Hochzeit, sei sie bei einer internationalen Firma als Chefverkäuferin beschäftigt gewesen. Als sie mit ihrer Tochter schwanger gewesen sei, habe sie aufgrund einer Problemschwangerschaft das Unternehmen verlassen. Sie habe bereits vier Fehlgeburten erlitten.
Ihr Mann sei Chef in einem Restaurant gewesen und man habe ohne finanzielle Probleme in guter Lebenssituation in einer gemeinsamen Wohnung in XXXX gewohnt.
Ihre ganze Familie sei noch in Ägypten aufhältig und sie habe über Skype ständigen Kontakt mit ihnen, während in Europa nur ihre Tochter und ihr Mann als Verwandte aufhältig seien.
Zum Fluchtgrund befragt brachte die Zweitbeschwerdeführerin - auf das Wesentliche zusammengefasst - vor, dass sie während ihrer Schwangerschaft bei ihren Eltern gelebt habe. Bevor man in die eigene Wohnung zurückgekehrt sei, habe man den Priester geholt, um für die Tochter zu beten. Dabei seien die gesamte Familie, der Priester und drei Freunde ihres Mannes bei einer Weihrauch-Zeremonie anwesend gewesen, als plötzlich ein Mann durch die offen stehende Wohnungstür in die Wohnung gekommen sei. Dieser Mann habe den Freund ihres Ehemannes erkannt und diesen, XXXX , zur Rede stellen wollen. Vor der Wohnung habe es dann ein Gespräch zwischen diesem Mann, dem Priester und dem Vater der Zweitbeschwerdeführerin gegeben. Nachdem der Priester vom Gespräch zurückgekehrt sei, habe er ihren Ehemann zur Seite genommen und ihm gesagt, dass er sich in Acht nehmen solle, weil dieser Mann etwas Schlimmes vorhabe.
Ab diesem Zeitpunkt würden die Probleme angefangen haben. Dieser Nachbar habe sein Geschäft vor der Wohnungstür verrichtet; den Müll vor der Wohnung ausgeleert; die Tür und die Wand beschrieben, dass es keinen Gott außer Allah gebe. Zudem sei die Zweitbeschwerdeführerin mit Schmutzwasser und Urin angeschüttet worden. Auch der Priester habe in der Folge immer wieder Probleme mit diesem Nachbarn der Zweitbeschwerdeführerin bekommen und er habe auch die Probleme der Zweitbeschwerdeführerin mit dem Nachbarn mitbekommen. Schließlich habe der Priester gesagt, dass er nicht mehr kommen werde, weil er ihnen Probleme bereite. Man habe die Religion also nicht mehr frei ausleben können. Auch habe die Nachbarin die Zweitbeschwerdeführerin und ihre Tochter sonntags auf dem Weg zur Kirche wiederholt angesprochen, und gemeint, sie (Anm.: die Nachbarin) werde es ihr zeigen, wie es ist, wenn man jemanden nimmt. Dabei habe die Nachbarin darauf angespielt, dass ihr Ehemann seinen muslimischen Freund XXXX , welcher sich für die Religion der Kopten interessiert habe, zum Konvertieren bewegen wolle.
Eines Tages würden zwei weiß gekleidete Frauen an der Wohnungstür geklopft haben. Diese Frauen würden wie Krankenschwestern ausgesehen haben. Die beiden Frauen würden zunächst angegeben haben, die Tochter impfen zu wollen. Als die Zweitbeschwerdeführerin das verweigert habe, sei sie gefragt worden, ob ihre Tochter beschnitten sei. Dann sei die Frau des Nachbarn gekommen und habe gefragt, warum die Tochter nicht beschnitten sei. Die Nachbarin habe sie weggestoßen, während die beiden anderen Frauen die Tochter genommen und sie geschüttelt haben würden. Die Tochter sei dann zu Boden gefallen. Die beiden Frauen seien danach mit der Nachbarin in deren Wohnung gelaufen.
Daraufhin sei die unterhalb von ihr wohnende Nachbarin gekommen, und die Zweitbeschwerdeführerin sei dann mit einem Taxi zu ihren Eltern geflüchtet. Sie habe ihren Mann verständigt und ihm alles erzählt. Man habe eine Anzeige bei einer Polizeistation gemacht und dabei sei man von dem Polizeichef aufgefordert worden, die Tochter beschneiden zu lassen. Außerdem sei die Zweitbeschwerdeführerin aufgefordert worden, zusammen mit ihrer Tochter auf der Polizeistation zu verbleiben, bis die Täter zur Station gebracht worden seien. Ihrem aufgebrachten Ehemann sei gedroht worden, dass er wegen Beamtenbeleidigung angezeigt werde. Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin habe die Lage und den Polizeichef beruhigen können.
Darüber hinaus habe in genau jener Zeit, als es Unruhen in Ägypten gegeben habe, die Zweitbeschwerdeführerin einen Teppich ihrer Wohnung ins Freie gebracht und als sie in die Wohnung zurückgekehrt sei, habe sich ihr Nachbar XXXX in der Wohnung befunden. Ihr Ehemann habe sich zu diesem Zeitpunkt in der Arbeit befunden, die Tochter habe in der Wohnung zunächst noch geschlafen. XXXX habe die Tür versperrt und als die Zweitbeschwerdeführerin flüchten habe wollen, habe er sie an den Haaren gezogen, sodass die Zweitbeschwerdeführerin im Flur hingefallen sei. XXXX habe ihr den Mund verklebt, ihr die Hände hinter dem Rücken gefesselt und ihr das Kleid zerrissen. Danach habe sich XXXX ausgezogen. Die schlafende Tochter sei munter geworden und habe geschrien. Danach sei die Tochter aus dem Bett gefallen und sei lautlos liegengeblieben, während XXXX die Zweitbeschwerdeführerin vergewaltigt und während des Vergewaltigungsaktes zu ihr gesagt habe, dass Frauen und Geld sein Recht seien. Nach der Vergewaltigung sei XXXX zur Wohnungstür gegangen, habe diese kurz geöffnet, die Wohnung aber nicht verlassen. XXXX habe seine Kleidung wieder angezogen und die Frau von XXXX habe laut geschrien. XXXX habe der Zweitbeschwerdeführerin die Hände gelöst und ihr das Pflaster vom Mund genommen. Die Zweitbeschwerdeführerin sei zu ihrer Tochter, habe sich mit ihr in ein anderes Zimmer begeben und sich dort angezogen.
Danach sei sie zu XXXX und habe auf ihn eingeschlagen. Dabei habe sie die Frau von XXXX laut sagen hören "mein Mann ist bei ihr, mein Mann ist bei der schmutzigen Frau".
Alle Nachbarn wären dann gekommen und die Zweitbeschwerdeführerin habe ihnen gesagt, dass sie ihn (Anm.: XXXX ) nicht kennen würde und von ihm vergewaltigt worden sei, während XXXX immer gesagt habe, dass die Zweitbeschwerdeführerin seine Frau sei.
Eine andere Nachbarin, XXXX , habe die Tochter gehalten, während die Zweitbeschwerdeführerin auf XXXX eingeschlagen habe, bis die Zweitbeschwerdeführerin schließlich bewusstlos geworden sei. XXXX , der Mann von XXXX , habe dann den Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin verständigt. Dieser sei gekommen und habe zur Familie von XXXX wollen, diesen seien jedoch nicht mehr in der Wohnung gewesen. Der Priester sei gekommen und habe gemeint, man solle weg von der Wohnung. Man sei dann in das Haus der Eltern gezogen. Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin habe bezüglich der Vergewaltigung nichts erfahren, weil sonst Blutrache zu üben gewesen wäre. Der Vater sei nur von den übrigen Vorfällen mit XXXX in Kenntnis gesetzt worden. XXXX hingegen habe nach der Vergewaltigung behauptet, dass die Zweitbeschwerde-führerin nunmehr seine Frau und auch Muslimin sei.
Am nächsten Tag habe der Priester mitgeteilt, dass XXXX Leute mit Gewehren zur Kirche bringen und behaupten werde, dass die Zweitbeschwerdeführerin Muslimin sei und die Kirche sie entführt habe und versteckt halte und dass XXXX sie wiederhaben wolle und er die Kirche niederbrenne, wenn er sie nicht zurückbekäme.
Am selben Tag habe ihr Ehemann das dem Vater der Zweitbeschwerdeführerin berichtet und der Vater habe sofort organisiert, dass man eine paar Tage zu einem Cousin in Luxor fahren könne. Nach einer Woche habe man eine kleine Wohnung in XXXX gefunden und dort zurückgezogen gelebt.
XXXX sei weiter in die Kirche gekommen und habe dort Zettel verteilt und behauptet, dass die Zweitbeschwerdeführerin Muslimin und seine Frau sei.
Man habe nach einer Lösung gesucht und erfahren, dass man mit entsprechenden Visa nach Österreich gelangen könne. Noch in Ägypten habe man Flugtickets von Österreich nach Frankreich reserviert, um gleich zum Bruder des Erstbeschwerdeführers in Frankreich weiterreisen zu können, von wo man später freiwillig wieder nach Österreich zurückgekehrt sei, um hier einen Asylantrag zu stellen.
Während des Frankreichaufenthalts habe die Zweitbeschwerdeführerin mitbekommen, dass XXXX gegen sie eine Anzeige erstattet habe, XXXX sie weiterhin suche und XXXX die Wohnung der Zweitbeschwerdeführerin mit wichtigen Papieren und Beweisen verbrannt habe. Auch habe XXXX das Auto ihres Mannes, welches er nach der Flucht seinem Bruder überlassen habe, verbrannt. XXXX habe den Bruder ihres Mannes gefunden und ihm gegenüber angekündigt, dass er auch die Zweitbeschwerdeführerin samt ihrer Familie finden werde. XXXX habe auch den Vater der Zweitbeschwerdeführerin beim ägyptischen Innenministerium angezeigt und ihn dabei beschuldigt, dass er die Zweitbeschwerde-führerin, bei welcher es sich um die muslimische Frau von XXXX handle, entführt habe. Ihr Vater habe unterschreiben müssen, dass er die Zweitbeschwerdeführerin sofort an die Polizei ausliefern müsse. Ihr Vater sei nur freigelassen worden, weil er ein älterer Mann sei.
Die Zweitbeschwerdeführerin werde jetzt sowohl vom Staat als auch von XXXX gesucht. Sie sei überall in Ägypten in Gefahr.
Von staatlicher Seite sei sie wegen ihrer Religion bereits verfolgt worden. Sie sei gekündigt worden, weil sie bei der Arbeit ein Kreuz getragen habe. Wäre sie nicht Christin gewesen, wäre ihr das nicht passiert. Wenn die Zweitbeschwerdeführerin zurückkehren müsse, wäre es ihrer Ansicht nach besser, gleich hier zu sterben. Sie werde in Ägypten gesucht, inhaftiert oder umgebracht.
Schließlich wurden der Zweitbeschwerdeführerin Länderfeststellungen zu Ägypten zur Abgabe einer Stellungnahme übergeben.
7.1. In der der gemeinsamen Stellungnahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin vom 06.11.2014 wurde im Wesentlichen moniert, dass in den übermittelten Länderfeststellungen nur unzureichend auf die Lage der koptischen Christen eingegangen werde. Doch selbst diese unzureichende Darstellung zeige, dass sich im Zuge des Umsturzes die Situation der koptischen Gemeinde verschlechtert habe. Die Behörde habe in den Länderberichten zudem nicht alle entscheidenden Menschenrechtsberichte internationaler Organisationen erwähnt, die sich speziell mit der Situation koptischer Christen in Ägypten auseinandersetzen würden.
Im gegenständlichen Fall sei eindeutig von asylrelevanter nichtstaatlicher Verfolgung auszugehen. Unter Hinweis auf die angeschlossenen ACCORD-Anfragebeantwortungen vom 18.03.2014 (a-8643) und 10.09.2014 (a-8837-2) zur Lage der koptischen Christen zeige sich, dass asylrelevante Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Minderheit der koptischen Christen in Ägypten gegeben sei. Von Seiten des Staates sei weder die Fähigkeit noch der Wille für eine Schutzgewährung vorhanden. Aufgrund der derzeitigen Situation in Ägypten bestehe jedenfalls die reale Gefahr, bei der Rückkehr nach Ägypten in den nach Art. 2 und Art. 3 EMRK garantierten Rechten verletzt zu werden.
8. Das BFA richtete in der Folge eine auf die Personen der beschwerdeführenden Parteien bezogene Anfrage an die Staatendokumentation. Dem Bericht des Vertrauensanwaltes vom 04.12.2014 ist zu entnehmen, dass die Angaben des Erstbeschwerdeführers bzw. der Zweitbeschwerdeführerin nur teilweise stimmen würden. Die angegebene Kirche, das erwähnte Restaurant und die Polizeistation würde es geben, doch würden an den von den Beschwerdeparteien angegebenen Adressen andere Personen leben. Der Erstbeschwerdeführer habe nach den Angaben des Restaurantleiters dort auch nicht gearbeitet.
9. Den beschwerdeführenden Parteien wurde Gelegenheit gewährt, zur Anfragebeantwortung Stellung zu beziehen. In der gemeinsamen Stellungnahme wurde darauf hingewiesen, dass Meldewesen und Straßenbezeichnungen in Ägypten nicht mit Österreich vergleichbar seien. Der Vertrauensanwalt habe an der falschen Adresse gesucht; als Beweis wurde eine Kopie des Mietvertrages und der Stromrechnung (auch jenes Nachbarn, mit dem der Erstbeschwerdeführer befreundet gewesen war und der ihn von der Vergewaltigung verständigt hatte) übermittelt. In Ägypten werde eine Stromrechnung wie ein Meldezettel verwendet und diene als Nachweis der Adresse. Warum der Restaurantmanager bestritten habe, ihn zu kennen, könne der Erstbeschwerdeführer sich nicht erklären. Diesbezüglich wurde die Kopie eines ägyptischen Sozialversicherungsauszuges übermittelt, in dem der Name des Lokals angegeben ist. Es wurde um nochmalige Nachforschungen an der korrekten Adresse ersucht.
10. Mit Schreiben vom 19.01.2015 gaben die beschwerdeführenden Parteien dem BFA bekannt, dass am XXXX die gemeinsame Tochter XXXX
XXXX , StA: Ägypten, in XXXX geboren worden sei und für ihre Tochter unter Berufung auf die vom Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin vorgebrachten Fluchtgründe ebenfalls ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt werde. Diesem Schreiben war eine Geburtsurkunde der Viertbeschwerdeführerin angeschlossen.
11. Am 19.02.2015 wurde der Erstbeschwerdeführer niederschriftlich vom Bundesamt einvernommen. Er wiederholte seine Erklärungen bezüglich des Ergebnisses der Recherche durch den Vertrauensanwalt. Auf Grundlage der vorgelegten Dokumente wurde in der Folge erneut eine Anfrage an den Vertrauensanwalt gestellt. Dieser erklärte in seinem Bericht vom XXXX , dass die Adresse nach wie vor nicht verifizierbar sei, da im Mietvertrag auch keine Hausnummer vermerkt sein. Einige der Angaben zur Umgebung würden stimmen (Angabe eines Restaurants, eines Marktes etc.), doch würde es den angegebenen Supermarkt nicht geben und seien die Eltern des Erstbeschwerdeführers in der Gegend nicht bekannt. Auch der Vorfall einer Vergewaltigung einer Christin in XXXX sei nicht bekannt sei.
12. In der am 01.06.2015 dazu erstatteten gemeinsamen Stellungnahme der beschwerdeführenden Parteien zur neuerlichen Anfragebeantwortung erklärten diese, dass, wie auch im Protokoll nachzulesen sei, niemals gesagt worden sei, dass sich der angegebene Supermarkt in der Nähe der Wohnung befinde. Im Mietvertrag sei sehr wohl eine Hausnummer angegeben, und der Vertrauensanwalt müsse auch direkt davor gestanden haben, wie aus den übermittelten Fotos ersichtlich sei. Die Nachbarn des Erstbeschwerdeführers seien nicht kontaktiert worden, obwohl dies vom Vertrauensanwalt so behauptet worden sei. Dokumente der Nachbarn und Fotos der Umgebung der Wohnung wurden mitgeschickt. Eine offizielle Anzeige der Vergewaltigung sei eben nie aufgenommen worden, daher gebe es auch keine zugänglichen Berichte darüber. Am 03.06.2015 wurde eine CD-Rom mit Fotos und Unterlagen der Nachbarn des Erstbeschwerdeführers beim Bundesamt abgegeben.
13. Mit Schriftsatz vom 28.09.2015 wurde von den beschwerdeführenden Parteien eine weitere gemeinsame Stellungnahme abgebeben, in der wiederum auf die zwei Anfragebeantwortungen von ACCORD zur Lage der Kopten (vgl. oben unter Punkt I. 7.1.) verwiesen wurde. Weiters wurde auf Berichte von Amnesty International Report 2014/15, The State of the World¿s Human Rights - Egypt vom 25.02.2015 und Immigration and Refugee Board of Canada, Egypt: Situation of Coptic Christians vom 08.06.2015 verwiesen.
Darüber hinaus wurde vorgebracht, dass sich die Familie inzwischen in Österreich integriert und hier Freunde habe. Der Erstbeschwerdeführer habe auch durchgehend gearbeitet, wie dem Versicherungsdatenauszug zu entnehmen sei. Österreich sei sein Lebensmittelpunkt geworden. Der Erstbeschwerdeführer sei zudem aufgrund von gesundheitlichen Problemen aktuell in stationärer Behandlung.
14. Mit Bescheiden des BFA vom 30.09.2015 zu den Zahlen 596366409-1631050 (Erstbeschwerdeführer), 59637003-163050 (Zweitbeschwerdeführerin), 59637602-1630517 (Drittbeschwerdeführerin) und 1050353901-151461548 (Viertbeschwerdeführerin) wurden die jeweiligen Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 Asylgesetz abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Absatz 1 Asylgesetz auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ägypten abgewiesen (Spruchpunkt II.).
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 und § 55 Asylgesetz nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 Asylgesetz iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeparteien eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Ägypten zulässig ist. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.).
Die Vorbringen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin wurden von der belangten Behörde als gänzlich unglaubwürdig qualifiziert.
15. Die bezeichneten Bescheide wurden den beschwerdeführenden Parteien am 02.10.2015 gemeinsam mit den Verfahrensanordnungen vom 01.10.2015, wonach den Beschwerdeparteien der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird sowie den Verfahrensanordnungen vom 01.10.2015, wonach ein Rückkehrberatungsgespräch verpflichtend in Anspruch zu nehmen ist, zugestellt.
16. Mit dem auf den 14.10.2015 datierten und am 15.10.2015 beim BFA eingebrachten, gemeinsamen Schriftsatz erhoben die beschwerdeführenden Parteien, unterstützt vom Verein Menschenrechte Österreich, fristgerecht Beschwerde.
16.1. Im Beschwerdeschriftsatz wurde zunächst ausgeführt, dass die bezeichneten Bescheide in vollem Umfang wegen Rechtswidrigkeit ihrer Inhalte sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten werden.
Im gegenständlichen Fall liege ein Familienverfahren vor und die nachfolgenden Ausführungen des Erstbeschwerdeführers würden sich in vollem Umfang auf seine Ehefrau sowie seine beiden minderjährigen Töchter beziehen. Der Erstbeschwerdeführer sei ägyptischer Staatsangehöriger und christlich-orthodox und er gehöre der Volksgruppe der Araber an. Er habe seine Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung von privater Seite wegen seiner Religion mangels der Fähigkeit seines Heimatstaates, ihn und seine Familie vor diesen Übergriffen zu schützen, verlassen. Der ägyptische Staat bzw. die ägyptischen Sicherheitsbehörden seien nicht gewillt bzw. nicht im Stande, ihm und seiner Familie den notwendigen Schutz zu bieten, weshalb er Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sei. Er habe bei seiner Befragung vor dem BFA ausführlich, ob in freier Erzählung und auf Nachfrage, zu seinen Asylgründen Stellung genommen und sich damit einverstanden erklärt, dass sein Vorbringen im Heimatland überprüft werde. Falls asylrelevante Antworten ausgeblieben sein sollten, sei er gerne bereit, weiter an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken. Die Angaben zu seinen Fluchtgründen würden auf jeden Fall der Wahrheit entsprechen und er wolle diese aufrechterhalten. Er und seine Ehefrau würden im Rahmen der Einvernahmen ein sehr detailliertes und umfangreiches Vorbringen erstattet haben. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde das gesamte Vorbringen in einer für ihn nicht klaren und nachvollziehbaren Art und Weise als unglaubhaft eingestuft habe.
Er wolle die von Seiten der belangten Behörde vorgeworfenen Widersprüche entkräften. Wenn ihm vorgeworfen werde, dass er sich mit seiner Familie nach dem Vorfall noch weitere sechs Monate in Ägypten aufgehalten habe, um seine Ausreise vorzubereiten, so wolle er dazu angeben, dass seine Familie nie daran gedacht habe, das Heimatland einmal verlassen zu müssen. Nach der Vergewaltigung seiner Ehefrau habe allerdings der Priester angerufen und gesagt, dass die Familie so schnell als möglich aus dem Haus der Schwiegereltern, in dem sie sich nach der Vergewaltigung aufgehalten haben würden, verschwinden solle.
Der Nachbar, welcher seine Frau vergewaltigt habe, sei nämlich in die Kirche gegangen, weil er gedacht habe, dass sich seine Frau dort verstecke. Er habe zum Priester gesagt, dass sie nun seine Frau sei und dass er sie wiederhaben möchte. Nach dem Telefonat mit dem Priester habe er sich dazu entschieden, mit seiner Familie nach Luxor, das 12 Stunden von Kairo entfernt liege, zu anderen Verwandten der Ehefrau zu fahren. Nach ca. einer Woche habe man in einem Dorf in der Nähe von Luxor eine eigene Wohnung gefunden. In diesem Dorf sei seine Familie unbekannt gewesen und man habe den Kontakt mit den Einwohnern vermieden. Man habe große Angst das Leben gehabt. Nach einiger Zeit in dieser Wohnung habe seine Frau dann zu ihm gesagt, dass es besser wäre, das Heimatland zu verlassen, da sie nicht mehr in ständiger Angst und versteckt leben wolle und der Heimatstaat keine Rechte und keine Sicherheit biete. Daraufhin habe er nach legalen Wegen gesucht, um die Heimat verlassen zu können. Er habe seine Familie nicht den Gefahren einer Ausreise mithilfe eines Schleppers aussetzen wollen. Schließlich habe er ein österreichisches Visum bekommen und Ägypten auf legalem Weg verlassen.
Bereits vorher in ein Nachbarland auszureisen, wie es die belangte Behörde im Bescheid geschrieben habe, sei nicht möglich gewesen. Alle Nachbarländer Ägyptens seien streng islamisch, wodurch das Leben eines Christen ständig in großer Gefahr sei und ebenso würden in allen angrenzenden Ländern Unruhen herrschen.
Seine Ehefrau sei am XXXX vergewaltigt worden. Drei Tage zuvor würden die Unruhen in Ägypten begonnen haben, infolge welcher der damalige Präsident Mubarak abgesetzt worden sei. Es seien Polizeistationen und Kirchen verbrannt worden und er habe diesbezüglich schon Beweise vorgelegt. Der Täter habe das Chaos ausgenutzt, da er gewusst habe, dass es zu dieser Zeit nicht möglich gewesen wäre, bei der Polizei Hilfe zu suchen. Außerdem habe man wegen des Vorfalls mit der Beschneidung der Tochter schon einmal bei der Polizei Anzeige erstattet. Die Anzeige sei damals vom Leiter der Amtshandlung mit der Begründung nicht bewilligt worden, dass eine derartige Anzeige eine religiöse Diskriminierung in Ägypten bestätige. Die Polizei habe sogar gedroht, im Falle einer Anzeige seine Ehefrau und seine Tochter festzunehmen. An diesem Tag habe er bemerkt, dass der Staat und die staatlichen Institutionen nicht hinter ihm stehen und ihm keine Hilfe geben würden.
Wenn die belangte Behörde des Weiteren davon ausgehe, dass es keine nennenswerten Probleme zwischen Christen und Muslimen in Ägypten gebe, sei diesbezüglich noch einmal auf die Stellungnahmen vom 06.11.2014 und 28.09.2015 zu verweisen, wo die Probleme zwischen Christen und Muslimen ausführlich geschildert worden seien.
Es sei für ihn überhaupt nicht nachvollziehbar und nicht klar, wie es dazu gekommen sei, dass bei den vor Ort durchgeführten Recherchen keine Person ausfindig gemacht worden sei, die ihn namentlich kenne. Er könne sich das nur so erklären, dass die Behörde bei den Überprüfungen seinen Namen falsch genannt habe.
Außerdem habe er bei seiner Einvernahme am 19.02.2015 ausführliche Angaben bezüglich seiner Wohnadresse gemacht und auch geschildert, wie vor Ort nach ihm gesucht werden könne. Er habe erklärt, was sich in seinem Heimatort wo befinde, um zu beweisen, dass er dort wirklich wohnhaft gewesen sei. Zudem habe er der Behörde eine CD mit mehreren Videos vorgelegt, auf denen ihr Haus ersichtlich sei und auch ihre Nachbarn befragt würden. Er habe eine ausführliche Stellungnahme vom 18.12.2014 in Bezug auf die Vor-Ort durchgeführten Untersuchungen abgegeben und er wolle auf diese Stellungnahme vollinhaltlich verweisen. Die Behörde habe dieses Beweismittel grundlos außer Acht gelassen, was zeige, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft durchgeführt worden sei.
Es sei für ihn auch nicht verständlich, warum die Behörde davon ausgehe, dass er nie in XXXX (Anm.: gemeint wohl XXXX ) gewohnt habe. Er sei seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen, indem er mehrere Beweise in Bezug auf seine Wohnung vorgelegt habe. So habe er einen Mietvertrag, eine Gas- und Stromrechnung sowie einen Versicherungsdatenauszug, auf welchem allerdings die Adresse seiner in XXXX lebenden Mutter angegeben worden sei, vorgelegt. Auch auf seiner Geburtsurkunde stehe, dass er in XXXX geboren sei. Die Behörde habe sich offensichtlich nicht ausreichend mit seinen Beweisen auseinandergesetzt.
Dass er Ägypten wegen der schlechten Wirtschaftslage verlassen habe, entspreche ebenso nicht der Wahrheit. Er sei Chef eines Restaurants gewesen und habe für ägyptische Verhältnisse gut verdient. Ohne entsprechenden Nachweis der finanziellen Mittel würde er auch kein Visum für Österreich bekommen haben.
Den Vorwurf der belangten Behörde, dass eine tatsächliche Vergewaltigung seiner Ehefrau nur schwer vorstellbar sei, weil sie kurz nach ihrer Einreise nach Österreich wieder schwanger geworden wäre, sei stark zu kritisieren. Zwischen der Vergewaltigung seiner Frau und der Geburt seiner Tochter seien mehr als drei Jahre vergangen und seine Ehefrau habe sich dazwischen mehrmals in psychologischer Behandlung befunden. Eine Vergewaltigung auf einer derartigen Argumentationsgrundlage auszuschließen, widerspreche jedweder Lebenserfahrung.
Das Argument der Behörde, dass es sich bei seinem und dem Vorbringen seiner Ehefrau um eine konstruierte, frei erfundene, auswendig gelernte Geschichte handle, gehe ins Leere. Das Vorbringen sei genügend substantiiert, schlüssig, plausibel und glaubhaft. Man habe sich weder auf gefälschte noch verfälschte Beweismittel gestützt. Es seien keine Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch dargestellt worden. Die Vorbringen seien immer gleich geblieben. Man sei der Mitwirkungspflicht nachgekommen.
Bei einer Rückkehr nach Ägypten würden Eingriffe von erheblicher Intensität drohen, es bestehe die Gefahr, gefoltert, misshandelt oder sogar ermordet zu werden. Beim ägyptischen Staat bestehe weder der Wille noch die Möglichkeit zu einer Schutzgewährung.
In Summe sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft durchgeführt worden, die Beweiswürdigung sei unrichtig und somit auch die rechtliche Beurteilung falsch.
Schließlich wurden die Anträge gestellt: "1) die Rechtsmittelbehörde möge den hier angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass meinem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und mir der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird; 2) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass mir gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten zuerkannt wird; 3) jedenfalls den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Bescheid im Spruchpunkt III. betreffend die gegen mich gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 (Anm.: gemeint wohl AsylG) ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufgehoben wird; 4) in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen; jedenfalls eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumen."
15. Die Beschwerden und die Bezug habenden Akte wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 19.10.2015 vorgelegt.
16. Am 11.12.2015 fand am Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Verhandlung statt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu den Personen und den Fluchtvorbringen der beschwerdeführenden Parteien:
1.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige Ägyptens und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz.
1.1.2. Die beschwerdeführenden Parteien gehören den koptischen Christen an.
1.1.3. Die Identität der beschwerdeführenden Parteien steht fest.
1.1.4. Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet. Sie reisten zusammen mit ihrer gemeinsamen Tochter, der Drittbeschwerdeführerin, am XXXX legal mit einem gültigen Visum in das Bundesgebiet ein. Am XXXX reiste die Familie per Flugzeug weiter nach Frankreich, und sie wurde am XXXX nach Österreich im Rahmen der Dublin Verordnung nach Österreich überstellt, wo der Erstbeschwerdeführer für sich und die Zweitbeschwerdeführerin für sich und ihre mitgereiste minderjährige Tochter einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.
1.1.5. Der Erstbeschwerdeführer leidet an einer sekundären Hypertonie, die Zweitbeschwerdeführerin war in psychotherapeutischer Behandlung. Ansonsten sind keine dauerhaft behandlungs- oder pflegebedürftigen gesundheitlichen Einschränkungen bekannt.
1.1.6. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin befinden sich in einem arbeitsfähigen Alter.
1.1.7. Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten der beschwerdeführenden Parteien in Österreich, und es wurde dies von ihnen auch nicht behauptet.
1.1.8. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind um eine Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht bemüht und haben angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer auch bereits außerordentliche Integrationsschritte gesetzt, doch kann insbesondere aufgrund der kurzen Dauer der Aufenthalte in Österreich noch nicht von einer nachhaltigen Verfestigung gesprochen werden. Die Drittbeschwerdeführerin besucht einen Kindergarten in Österreich.
1.1.9. Die beschwerdeführenden Parteien verfügen derzeit über eine gemeinsame aktuelle Meldeadresse im Bundesgebiet und sie führen ein Familienleben. Sie beziehen teilweise Leistungen aus der Grundversorgung.
1.1.10. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind strafrechtlich unbescholten.
1.1.11. Es ist glaubhaft, dass die Beschwerdeführer in Ägypten diskriminierenden Handlungen ausgesetzt waren und diese in Zusammenhang mit ihrem Glauben stehen. Das Vorbringen hinsichtlich einer konkreten Verfolgung durch einen Salafisten und in der Folge durch die staatlichen Behörden, welche der Salafist mit einer angeblichen Heiratsurkunde, welche ihn als Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin ausweisen würde, zu einem "Ausreiseverbot" bzw. einer Suche nach der Zweitbeschwerdeführerin veranlasst habe, ist allerdings nicht glaubhaft. Vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen bleibt festzuhalten, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Ägypten nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine für eine Asylgewährung hinreichend intensive Verfolgung durch staatliche Organe bzw. Privatpersonen, vor denen sie von staatlicher Seite nicht geschützt werden könnten, zu befürchten hätten. Die Beschwerdeführer konnten nicht glaubhaft machen, dass sie im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus Gründen der Religion von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wären. Es ist insbesondere nicht glaubhaft, dass die Zweitbeschwerdeführerin von den ägyptischen Behörden gesucht wird und im Falle einer Einreise umgehend inhaftiert würde. Sonstige konkrete Fluchtgründe wurden nicht vorgebracht.
1.2. Zur Situation in Ägypten:
1.2.1. Folgende Länderfeststellungen wurden den Beschwerdeführern im Wege des Parteiengehörs übermittelt:
Allgemeines
Nach der Verfassung von 2014 ist die Arabische Republik Ägypten eine demokratische Präsidialrepublik. Der Präsident wird für vier Jahre gewählt und kann einmal wiedergewählt werden, er kann auch vom Parlament abgesetzt werden. Ägypten ist in 27 Gouvernements unterteilt, an deren Spitze jeweils ein Gouverneur im Ministerrang steht. Seit der Auflösung des Shura-Rates ist alleiniges gesetzgebendes Organ das für fünfjährige Legislaturperioden gewählte Repräsentantenhaus. Die Bevölkerung Ägyptens umfasst 80,4 Millionen Menschen (Stand 2010) und gehört überwiegend dem islamischen Glauben an. 90% der Bevölkerung sind Muslime, davon 99% Sunniten und 1% Schiiten. Die christliche Bevölkerung umfasst zwischen 6 - 10 Millionen Gläubige (8 -12% der Gesamtbevölkerung). Staatsoberhaupt war bis zum arabischen Frühling der vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit nominierte und anschließend für sechs Jahre durch Volkswahl bestätigte Präsident, der gleichzeitig Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist. Dies war von 1981 bis 2011 Husni Mubarak, der zuletzt 2005 wiedergewählt wurde. Der Präsident ernennt den Premierminister und die Mitglieder des Kabinetts sowie die Gouverneure, die hohen Richter und Offiziere. Er hat zudem ein Vetorecht bei der Gesetzgebung, kann Dekrete erlassen und das Parlament auflösen. Strikte staatliche Kontrolle des öffentlichen Lebens war oberste Maxime des innenpolitischen Handelns während des fast 30 Jahre währenden Regimes unter Staatspräsident Mubarak. Es gab rund zwei Dutzend politischer Parteien, deren politische Arbeit jedoch strikt eingeschränkt und nahezu bedeutungslos war. Die Ergebnisse von Wahlen wurden zugunsten der Regierungspartei "National Democratic Party" (NDP) manipuliert.
Quelle: Auswärtiges Amt: Innenpolitik Ägypten, Januar 2012.
Im Zuge des Arabischen Frühlings, bei denen circa 850 Demonstranten in Ägypten ums Leben kamen, trat Mubarak zurück. Mit dem Rücktritt Mubaraks am ging eine Ära zu Ende. Seine autoritäre Führung des Landes, die 1981 begonnen hatte, war in den letzten Jahren immer reformfeindlicher und starrer geworden. Das Regime stützte sich auf Staatssicherheit und Polizei. Seitdem befindet sich Ägypten in einer Übergangsphase von einer Diktatur zu einem demokratischen System. Mubarak und sein Innenminister wurden 2012 zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach dem Rücktritt Mubaraks kam es im Juni 2012 erstmals zu freien Präsidentschaftswahlen, aus denen Mohammed Mursi als Sieger hervorging. Ab April 2013 bildete sich die Bewegung Tamarod (arab.: Rebell) mit dem Ziel der Absetzung Präsident Mursis. Kurz darauf rief Tamarod zu Massendemonstrationen auf, an denen Millionen Ägypter teilnahmen. Am 03.07.2013 setzte die Armeeführung nach Verhandlungsversuchen mit Mursi die Verfassung außer Kraft und erklärte den Präsidenten für abgesetzt. In der Folge wurde der Verfassungsrichter Adli Mansur als Interimspräsident vereidigt. Die Muslimbruderschaft wurde zur terroristischen Vereinigung erklärt und viele ihrer Mitglieder (die Zahl wird auf 2.000 bis 3.500 geschätzt), unter ihnen auch ihr Anführer Muhammad Badi'e in Massenverfahren zum Tod bzw. zu langen Haftstrafen verurteilt, die meisten Todesstrafen wurden später in lebenslange Freiheitsstrafen umgewandelt. Auch der politische Arm der Muslimbruderschaft, die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei FJP wurde durch Gerichtsbeschluss aufgelöst, sodass sie nicht an den Ende 2014 stattfindenden Parlamentswahlen teilnehmen wird können. Ende 2013 wurde eine neue Verfassung verabschiedet, das mächtige Militär behält auch gemäß der neuen Verfassung viele Privilegien. Die neue Verfassung gewährt laut Fachleuten und Aktivisten mehr Rechte und Freiheiten als die alte. Sie verpflichtet den Staat, die Unabhängigkeit der Presse zu garantieren.
Quelle: APA 10.01.2014.
Im Juni 2014 wurde schließlich der frühere Armeechef Feldmarschall Abdul Fattah Al-Sisi mit 96,6 % der Stimmen zum neuen ägyptischen Präsidenten gewählt.
Quelle: BBC News: Abdul Fattah al-Sisi declared Egypt's new president, 3. Juni 2014
http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-27687021 #sa-ns_mchannel=rss&ns_source=PublicRSS20-sa (Zugriff am 29. Januar 2015)
Sicherheitslage
Am vierten Jahrestag der Revolution in Ägypten sind bei Zusammenstößen zwischen Islamisten und Sicherheitskräften mindestens 18 Menschen getötet worden. Mindestens 54 weitere Menschen seien verletzt worden. Zu den Protesten hatten Anhänger des im Juli 2013 gestürzten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi aufgerufen.
Quelle: APA, 26.1.2015
Kurz vor dem Jahrestag der Revolution erschütterten am 24.01.2014 vier Terrorakte mit sechs Toten die ägyptische Hauptstadt. Der schwerste Terrorakt richtete sich gegen das Sicherheitsdirektorat der Kairoer Polizei. Vier Personen starben, 73 weitere wurden nach Angaben eines Polizeisprechers verletzt. Zu dem Anschlag bekannte sich die Al Qaida nahe Ansar Beit al Maqdis. Am 25.1.2014 wurden mehrere Personen bei einem Anschlag nahe eines Polizeistützpunktes verletzt. Am 26.1.2014 starben bei einem Angriff auf einen Armeebus auf der Sinai-Halbinsel vier Soldaten, 13 weitere wurden verletzt.
Quelle: FAZ 24.1.und 26.01.2014
Daily Star 25.1.2014
Am 01.07.2015 wurden mehr als 100 Menschen durch Angriffe der IS auf dem Sinai getötet. Fast 120 Menschen sind bei Angriffen islamistischer Extremisten auf Posten der ägyptischen Armee und anschließenden Gefechten auf der Sinai-Halbinsel getötet worden. Nach Angaben des ägyptischen Militärs vom Mittwochabend starben 100 Militante sowie 17 Soldaten. Es sei einer der heftigsten Gewaltausbrüche im Sinai seit Jahren gewesen. Zu den Angriffen bekannte sich der ägyptische Ableger der sunnitischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Terrorangriffe hatten sich in den vergangenen Tagen in Ägypten gehäuft. Am Montag war Generalstaatsanwalt Hisham Barakat bei einem Bombenanschlag in Kairo getötet worden. Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi hatte daraufhin angekündigt, Prozesse künftig beschleunigen zu wollen - als Teil seines Kampfes gegen die verbotene Muslimbruderschaft. In diesen Tagen jährt sich die Amtsübernahme des ehemaligen Präsidenten und Muslimbruders Mursi zum dritten Mal. Genau ein Jahr später war es in Kairo zu Massenprotesten gegen ihn gekommen. Am 3. Juli 2013 war Mursi trotz heftiger Proteste seiner Anhänger von der Armee gestürzt worden. Zudem war Anfang der Woche der erste Jahrestag der Ausrufung des Kalifats durch den IS. Die Gruppe hatte dazu aufgerufen, auch während des laufenden Fastenmonats Ramadan Attentate auf "Feinde" des Islams zu verüben. (APA, 2.7.2015)
Quelle:
http://derstandard.at/2000018365831/Mindestens-15-Soldaten-bei-Anschlaegen-auf-dem-Sinai-getoetet ;
Zugriff am 03.07.2015
Durch die Entmachtung Mursis hat sich die Polarisierung der Gesellschaft weiter verstärkt. In Kairo, Alexandrien und Ballungszentren im Delta und Oberägypten kam es zu mehrfachen Ausschreitungen mit Todesfolge. Im Sinai verschärfte sich die Konfrontation zwischen Militär und bewaffneten Islamisten. Koptische Staatsbürger wurden aufgrund der Parteinahme des Koptenpapstes für den Staatsstreich im Sinai und in Oberägypten mehrfach zur Zielscheibe von Extremisten.
Die politischen Spannungen betreffen im Normalfall den durchschnittlichen Staatsbürger nicht, solange er sich Demonstrationen und Kundgebungen fernhält. Unruhen und Zwischenfälle sind zwar weit verbreitet, aber überwiegend örtlich fixiert. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass im Ausnahmefall Unbeteiligte durch Demonstrationszüge und spontane Auseinandersetzungen betroffen sein können. Auch Anrainer der Sit-Ins bzw. an den Routen der Demonstrationszüge wurden mehrfach in Mitleidenschaft gezogen. Eine verstärkte Gefährdung ist für den Durchschnittsbürger nicht gegeben.
Die Regierung Mursi hatte keine effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte, was laut Beobachtern teilweise auf die seit langem bestehenden Animositäten zwischen der Muslimbruderschaft und der Sicherheitsbürokratie zurückzuführen war. Die Übergangsregierung übte stärkere Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus, die jedoch weiterhin Menschenrechtsverstöße begingen. Die Sicherheitskräfte hatten auch signifikanten Einfluss innerhalb der Regierung. Das Innenministerium kontrolliert die Ägyptische Nationalpolizei (ENP) und die Zentralen Sicherheitskräfte (CSF). Die ENP ist für die Strafverfolgung im ganzen Land zuständig. Die CSF sichern die Infrastruktur des Landes und sind für die Sicherheit von wichtigen in- und ausländischen Beamten und Würdenträgern sowie für die Sicherheit großer Menschenmengen zuständig. Die Ägyptische Armee ist grundsätzlich für die Landesverteidigung zuständig, auf Grund geringer Polizeikapazitäten wurde sie während des Jahres auch im Bereich der inneren Sicherheit eingesetzt. Die Übergangsregierung ermächtigte das Militär, in Zeiten starker Unruhen Verhaftungen durchzuführen. Der National Security Sector (NSS) war ebenfalls mit Anti-Terror-Aufgaben und Fragen der inneren Sicherheit beauftragt. Spezialisierte Strafverfolgungsbehörden, beispielsweise die Tourismus- und Antikenbehörde und die Antidrogenverwaltung waren auch auf der nationalen Ebene tätig. Die Polizeikräfte waren nach Mursis Absetzung präsenter. Die Übergangsregierung ließ verlautbaren, dass die Strafverfolgungsmaßnahmen die Verbrechensrate gesenkt hätten, es gab jedoch keine unabhängige Bestätigung dieser Behauptung. Die Untersuchungsmöglichkeiten der Polizei sind weiterhin schlecht, sexuelle Gewalt wurde nach wie vor nicht gründlich genug untersucht. Das Phänomen der Straflosigkeit war weiterhin bezüglich angeblicher Missbräuche durch das Militär zu beobachten. Die Regierung untersuchte und verfolgte zwar einige, jedoch nicht alle Fälle von Missbrauch, die meisten Strafverfahren endeten mit Freisprüchen.
Quelle: U.S. Department of State, Egypt 2013, Human Rights Report,
S. 8., abrufbar unter:
http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2013&dlid=220350 , Zugriff am 14.07.2014.
Militär
Die Wehrpflicht ist obligatorisch und gilt für ägyptische Männer zwischen 18 und 30 Jahren. Die Dauer des Wehrdienstes variiert von 1 Jahr (plus 3 monatiger Ausbildung) für Hochschulabsolventen und bis drei Jahre für diejenigen mit elementarer Bildung.
Jeder männliche ägyptische Staatsbürger bekommt während des Wehrdienstes eine nationale ID-Nummer. Männer, die eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, sind vom Wehrdienst befreit. Weiters kann der Wehrdienst in folgenden Fällen aufgeschoben werden:
* Studierenden an Hochschulen oder Universitäten wird in der Regel ein Aufschub gewährt, bis sie ihre Ausbildung abgeschlossen haben.
* Für den einzigen Sohn eines verstorbenen Vaters, oder eines Sohnes dessen Vater mehr als 60 Jahre alt ist.
* Für den einzigen über 30 Jahre alten Sohn einer geschiedenen Mutter.
Jeder männliche ägyptische Staatsbürger der nach dem 30. Lebensjahr seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet hat und keinen Grund für eine Befreiung vom Wehrdienst angeben konnte, wird als verschwunden oder vermisst betrachtet. Personen, die das 30. Lebensjahr überschritten haben, müssen Bußgeld für den fehlenden Wehrdienst zahlen.
Quelle: Refugee Review Tribunal Australia: RRT Research Response vom 18. Juni 2009.
Das ägyptische Militär agiert professionell und weitgehend nach dem Leistungsprinzip, obwohl Vettern- und Günstlingswirtschaft in den höchsten Ebenen in den letzten Jahren weit verbreitet gewesen ist. Die Streitkräfte sind eine sehr angesehene Institution in Ägypten. Traditionell hat das Militär einen großen Einfluss auf die Politik.
Quelle: DCAF- The Geneva Centre for the Democratic Control of Armed
Forces: Arab Uprisings and Armed Forces: Between Openness and Resistance von Derek Lutterbeck von 2011.
Menschenrechte
Die gravierendsten Menschenrechtsverletzungen betreffen die exzessive Gewaltanwendung (samt Tötungen, Folterungen und Verschwindenlassen) durch die Sicherheitskräfte (auch in den Gefängnissen) einhergehend mit der Straflosigkeit der Sicherheitskräfte für ihre Verbrechen, die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten wie der Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit sowie die Aburteilung von Zivilpersonen durch Militärgerichte. Problematisch sind auch die langen Untersuchungshaften, die Zahl der politischen Gefangenen, religiöse Unfreiheit, die Einschränkungen der Tätigkeiten von NGOs, gesellschaftliche Diskriminierung und Belästigung von Frauen und Mädchen inklusive Genitalverstümmelung, Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, Menschenhandel, gesellschaftliche Diskriminierung und Gewalt gegen religiöse Minderheiten.
Quelle: US Department of State Human Right Report 2013 Egypt, S 2.
Der Militärrat hat Änderungen des Strafgesetzbuches beschlossen und genehmigt: Als neuer Straftatbestand wurde der Terminus "rücksichtlosen Verhaltens" eingeführt. Darüber hinaus wurde das Strafausmaß für Vergewaltigungen von lebenslänglicher Haft auf die Todesstrafe geändert und bei sexuellen Übergriffen droht nun eine längere Gefängnisstrafe.
Quelle: Human Rights Watch: THE ROAD AHEAD - A Human Rights Agenda for Egypt's New Parliament, Jänner 2012.
Die Strafverfahren hunderter Zivilisten wurden auf der Grundlage einer Anordnung des Präsidenten vom Oktober 2014 (Gesetz 136/2014) an Militärgerichte überstellt, dies betrifft auch laufende Verfahren. Ägyptische Militärgerichte unterstehen dem Verteidigungsministerium, nicht den zivilen Justizbehörden. Die Richter sind Offiziere des aktiven Dienststandes und die Verfahren garantieren üblicherweise nicht die sonst vorgesehenen Parteienrechte, auch der Grundsatz der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ist bei Militärgerichten nicht durchgesetzt. Am 15.12.2014 wurden 310 Verfahren, darunter jenes von Mohamed Badie und anderer Führer der Muslimbruderschaft, vom Generalstaatsanwalt in Ismailia an Militärgerichte übertragen. Am selben Tag wurden die Verfahren 40 weiterer vermeintlicher Unterstützer der Muslimbruderschaft an Militärgerichte in Ismailia tranferiert. Am 13.12.2014 wurden die Verfahren von 439 Zivilisten an die Militärgerichte verwiesen, sie werden Straftaten im Gefolge der Entfernung des Präsidenten Mursi aus dem Amt beschuldigt. Am 4.12.2014 wurden die Verfahren von 26 Beschuldigten, darunter sechs Studenten, an Militärgerichte übertragen. Ihnen werden Krawalle und die Zugehörigkeit zu einer verbotenen Organisation, der Muslimbruderschaft, zur Last gelegt. Bereits im November wurden die Verfahren von elf weiteren mutmaßlichen Unterstützern der Muslimbruderschaft an Militärgerichte verwiesen, ihnen wurden Beschädigungen von Eisenbahnschienen sowie geplante Bombenattentate zur Last gelegt.
Quelle: HRW - Human Rights Watch: Surge of Military Trials, 18. Dezember 2014 (verfügbar auf ecoi.net) http://www.ecoi.net/local_link/293031/427854_de.html (Zugriff am 08.01.2015)
Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit
Wegen Verstößen gegen ein umstrittenes Demonstrationsgesetz wurden 23 Aktivisten zu drei Jahren Haft verurteilt. In Ägypten häufen sich Proteste über Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten seit der Angelobung von Präsident Al-Sisi im letzten Jahr. Die verurteilten Aktivisten wurden beschuldigt, im Juni 2014 eine illegale Demonstration abgehalten zu haben, in der sie die Freilassung von Gefangenen und die Aufhebung des Demonstrationsgesetzes selbst forderten. Über die Verurteilten wurde auch Geldstrafen in Höhe von $ 1.400,- verhängt.
Quelle: BBC News: Egypt activists jailed for three years for 'illegal protest', 26. Oktober 2014;
http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-29778818 #sa-ns_mchannel=rss&ns_source=PublicRSS20-sa (Zugriff am 12. 01.2015)
Besonders besorgniserregend ist die Situation hinsichtlich der Medienfreiheit. Seit dem Umsturz wurden 5 Journalisten getötet, 40 angegriffen und 80 willkürlich verhaftet (sh. Reporters without borders). Nach Suspendierung mehrerer islamistischer oder pro-MB Kanäle im Juli wurden nun die Büros von Al Jazeera, al Quds, Ahrar 25, Al Hafez und Yarmuk geschlossen. Drei ausländische Journalisten von Al Jazeera wurden verhaftet und deportiert. Quelle: ÖB Kairo September 2013
Haftbedingungen
Eine große Anzahl starb im Jahr 2014 im Polizeigewahrsam, viele davon wurden unter lebensbedrohlichen Bedingungen in Polizeistationen festgehalten. Trotzdem wurden zur Aufklärung der Todesfälle oder zur Verbesserung der Situation keinerlei Schritte unternommen. Einige Häftlinge sind nach Folterungen gestorben, viele jedoch scheinen auf Grund der massiven Überbelegung und schlechten medizinischen Versorgung gestorben zu sein. Laut einem Report des Nadeem Zentrums für die Rehabilitation von Gewaltopfern sind zwischen Anfang Juni und Anfang September mindestens 35 Personen in Haft gestorben. In den 15 Fällen, in denen die Todesursache identifiziert werden konnte, konnte die Überbelegung und die schlechte medizinische Versorgung als Ursache festgestellt werden, in den beiden anderen Fällen war der körperliche Missbrauch die Ursache. Allein in Kairo und Gizeh sind die von der Forensischen Medizinischen Behörde aufgezeichneten Todesfälle in Haft von 65 im Jahr 2013 um 40 Prozent im Jahr 2014 gestiegen. Die FMA selbst führte die gestiegene Zahl an Todesfällen auf die stark gestiegenen Häftlingszahlen zurück.
Quelle: HRW - Human Rights Watch: Rash of Deaths in Custody, 21. Januar 2015 (verfügbar auf ecoi.net) http://www.ecoi.net/local_link/294901/429813_de.html (Zugriff am 29. Januar 2015)
Todesstrafe
Im Verhältnis zur Zahl der verhängten Todesurteile wurden, soweit bekannt, relativ wenige der Urteile vollstreckt. Berichten zufolge sollen seit 2007 mindestens 9 Personen hingerichtet worden sein; im Jahr 2010 vier. Die Todesstrafe wurde 2013 in mindestens 109 Fällen verhängt, es konnte jedoch für die Jahre 2012 und 2013 nicht bestätigt werden, dass Hinrichtungen tatsächlich stattgefunden haben. Im Zusammenhang mit 74 Todesopfern bei einem beim Fußballspiel in Port Said im Jahr 2012 wurden am 9. März 2013 21 Personen zum Tode verurteilt. Die polizeilichen Ermittlungen und die Gerichtsverfahren wurden von Gerüchten überschattet, wonach einige der Angeklagten in der Haft schlecht behandelt bzw. gefoltert worden seien. Die ägyptischen Behörden haben zwischenzeitig neue Anti-Terror-Gesetze vorgeschlagen, welche den Anwendungsbereich der Todesstrafe ausdehnen würden.
Quellen: BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland): Todesstrafe in ausgewählten Ländern, März 2012,
https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&objId=15529571&objAction=Open&nexturl=/milop/livelink.exe?func=ll&objId=15528579&objAction=browse&sort=name (Zugriff am 17. September 2014);
Amnesty International: Death sentences and executions in 2013 [ACT 50/00 1/2014], 27.04.2014,
http://www.amnesty.org/en/library/asset/ACT50/001/2014/en/652ac5b3-3979-43e2-b1a1-6c4919e7a518/act500012014en.pdf (Zugriff am 5. Mai 2014)
In Massenverfahren gegen Anhänger der Muslimbruderschaften wurden im April 2014 683 Todesurteile ausgesprochen, 183 dieser Todesurteile, darunter auch jenes gegen den Vorsitzenden der Muslimbruderschaft Muhammad Badi'e, wurden später bestätigt. In einem anderen Verfahren wurden 11 Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi zu Haftstrafen zwischen fünf und 88 Jahren verurteilt.
Quellen: BBC News: Egypt confirms mass death sentences, 21. Juni 2014,
http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-27952321 #sa-ns_mchannel=rss&ns_source=PublicRSS20-sa (Zugriff am 19. September 2014);
BBC News: Egypt court jails Morsi supporters, 27. April 2014,
http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-27176608 #sa-ns_mchannel=rss&ns_source=PublicRSS20-sa, (Zugriff am 5. Mai 2014.)
Im Juni 2015 wurde das Todesurteil gegen Mursi auch in zweiter Instanz bestätigt.
Quelle:
http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-06/mursi-aegypten-todesurteil-bestaetigung ;
Zugriff am 03.07.2015
NGOs
Behördliche Einschränkungen erschwerten weiterhin die Arbeit von NGOs. Sowohl staatliche als auch private Medien bezichtigten wiederholt NGOs, speziell aus dem Ausland geförderte NGO, der Spionage und der subversiven Aktivitäten. Einige NGO berichten von Anrufen oder Besuchen von Behördenvertretern, um ihre Arbeit zu kontrollieren. Sowohl Behördenvertreter als auch die Medien behaupteten insbesondere nach der Auflösung von pro-Mursi-Demonstrationen, dass menschenrechtliche Überlegungen dazu benützt würden, um von der Regierung als Terroristen verdächtige Personen zu schützen. Es gibt viele in Ägypten aktive, gut vernetzte, unabhängige, nationale Menschenrechts-NGOs, beispielsweise die Egyptian Organization for Human Rights, die Human Rights Association for the Assistance of Prisoners, die Arab Penal Reform Organization, die Association for Human Rights and Legal Aid, das Cairo Institute for Human Rights Studies, die Egyptian Initiative for Personal Rights, das Ibn Khaldun Center, das Arab Center for the Independence of the Judiciary and the Legal Profession, das Arab Network for Human Rights Information, das Al-Nadim Center for the Rehabilitation of Victims of Torture and Violence, die Association for Freedom of Thought and Expression und das Egyptian Center for Women's Rights. Wichtig für die Verbreitung von Informationen zu Menschenrechtsverletzungen waren weiterhin auch Internetaktivisten und Blogger. Die Behörden duldeten die Arbeit nichtregistrierter Organisationen im Land, da dies jedoch gegen das Gesetz verstößt riskierten solche Organisationen Belästigungen sowie möglicherweise Einmischungen und Schließungen von Seiten der Behörden.
Quelle: U.S. Department of State, Egypt 2013, Human Rights Report, S. 30..
Religion
Der Islam ist seit 1971 gemäß Art. 2 der ägyptischen Verfassung Staatsreligion und die islamische Rechtsprechung (Scharia) laut Verfassungszusatz von 1980 die Grundlage der Gesetzgebung. Dies wurde im Verfassungsreferendum vom 20.03.2011 bestätigt und in die Übergangsverfassung vom 23.03.2011 aufgenommen. Gemäß Artikel 7 der Übergangsverfassung sind alle Bürger vor dem Gesetz gleich, unabhängig von der Religion. Artikel 12 gewährleistet das Recht der freien Religionsausübung sowie das Recht, religiöse Handlungen frei vorzunehmen. Gemäß Gesetz Nr. 15 von 1927 muss jede Religionsgemeinschaft die Anerkennung beim Department für religiöse Angelegenheiten beim Ministerium für Inneres beantragen. Die maßgeblichen Religionsführer werden vor einer Entscheidung über die Zulassung konsultiert, dies gilt insbesondere für den Scheich der al-Azhar Universität und den Papst der Koptisch-Orthodoxen Kirche. Die Anerkennung als Religionsgemeinschaft erfolgt durch den Staatspräsidenten. Wird der Antrag abgelehnt, bleibt die Religionsgemeinschaft und deren Handeln illegal und kann gemäß Artikel 98 des ägyptischen Strafgesetzbuches mit Inhaftierung der Betreffenden sowie einer eventuellen Strafverfolgung geahndet werden. Die Behörden erkennen nur die drei "himmlischen Religionen" Islam, Christentum und Judentum an. Mormonen, Zeugen Jehovas und Bahai sind nicht anerkannt. Im Familienrecht, einschließlich Eheschließung, Scheidung, Unterhaltsrecht, Sorgerecht und Beerdigung, hat jede der drei registrierten Religionen eigene Gesetze. Das muslimische Familienrecht richtet sich nach der Scharia, das christliche nach dem kanonischen Recht und das jüdische nach jüdischem Recht.
Der Respekt für Religionsfreiheit war sowohl unter der Regierung Mursi als auch unter der nachfolgenden Übergangsregierung kaum vorhanden. In der Verfassung des 8. Juli wird die Religionsfreiheit für Moslems, Christen und Juden festgeschrieben, die Staatsreligion ist der Islam. Diskriminierungen auf Grund religiöser Überzeugungen bleibt im öffentlichen Sektor und am privaten Arbeitsmarkt weitverbreitet. Der Übertritt zu einer anderen Religion wird durch die staatlichen Gesetze nicht verboten, üblicherweise handeln die öffentlichen Amtsträger aber in Einklang mit der Sharia, die Muslimen den Übertritt verbietet. Weder die Verfassungserklärung noch das Straf- bzw. Zivilrecht verbieten Missionierungen, solche Handlungen von Nicht-Muslimen werden jedoch mit Straftatbeständen wie "Störung des sozialen Zusammenhalts" geahndet. Christliche und jüdische Heiratsvorschriften werden von staatlichen Behörden nur beachtet, wenn zwei Christen oder zwei Juden eine Ehe eingehen wollen, im Falle religiöser Mischehen kommt die Sharia zur Anwendung. Bezüglich Erbrecht ist auf alle ägyptischen Staatsbürger allein die Scharia anzuwenden. Konvertiert eine nichtmuslimische Ehefrau zum Islam, so muss der Ehegatte ebenfalls konvertieren oder die Ehe ist zu scheiden, das Sorgerecht erhält in diesem Fall die Mutter. Die Sharia verbietet die Heirat zwischen koptischen Männern und muslimischen Frauen, im Ausland geschlossene Ehen werden nicht anerkannt. Die koptisch-orthodoxen Gesetze verbieten interreligiöse Ehen - falls diese Gesetze mit der Sharia in Konflikt stehen, geht das Recht der Sharia vor. Alle Moscheen müssen staatlich lizenziert sein, viele arbeiten jedoch ohne Lizenz. Die Regierung ernennt und überwacht die von ihr auch bezahlten Imame der lizenzierten Moscheen, welche Abgänger der Al Azhar Universität sein müssen. Die Regierungskontrolle über die Moscheen nahm nach der Machtübernahme von Mursi ab und stieg wieder nach seiner Absetzung. Der Neubau von nichtmuslimischen Gebetsstätten bedarf der Genehmigung des Präsidenten. Das Strafgesetz kennt eine Liste vage formulierter Handlungen, die unter dem Begriff der Herabwürdigung von religiösen Lehren subsumiert werden, zB Bewerben extremen Gedankenguts, um Unfrieden zu stiften; Verachten oder Herabwürdigen einer der göttlichen Religionen (oder einer ihrer Sekten) oder Schädigung der Nationalen Einheit. Im Laufe des Jahres konvertierten hunderte Moslems zum Christentum. Der Glaube der Bahais wird nicht anerkannt, alle Bahai-Institutionen sind verboten. Die Bahais dürfen im privaten Rahmen beten und Feste wie zB Neujahr feiern. Auch Ehen der Bahai werden staatlich nicht anerkannt.
Quelle: International Religious Freedom Report 2013, Egypt, Seiten 1, 5 und 7
Am 15.04.2008 trat das Ministerial Dekret Nr. 520/2009 in Kraft. Es weist die Behörden an, bei der Ausstellung von Identitätskarten (ID-Karten), in denen die Religionszugehörigkeit zwingend anzugeben ist, an der Stelle der Religionszugehörigkeit einen Strich zu machen, wenn der Antragsteller nicht einer der drei registrierten Religionen angehört. Im Ergebnis bedeutet dies, dass sich auch Bürger, die einer nicht registrierten Religionsgemeinschaft angehören, ein Identitätsdokument ausstellen lassen können. Dies war vorher nicht möglich. Ohne Angabe einer der drei registrierten Religionen wurde kein Dokument ausgestellt, was viele Betroffene dazu veranlasste, falsche Angaben zu ihrer Religion zu machen. Die ID-Karte wird zum Bezug staatlicher Leistungen, bei der Arbeitsplatzsuche, beim Erwerb von Eigentum, bei der Eröffnung eines Bankkontos, bei der Inanspruchnahme des Gesundheitswesens, bei der Registrierung von Eheschließungen, im Familien und Erbrecht und bei der Anmeldung von Kindern in Schulen zwingend benötigt, weil gesetzlich vorgeschrieben. Bei den nicht seltenen Personenkontrollen kann das Fehlen einer ID-Karte, die mitgeführt werden muss, zur Festnahme führen.
Bei Personen, die substantiiert der Missionierung beschuldigt werden, ist das tatsächliche Risiko einer Verfolgung oder Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung besonders groß.
Quelle: Home Office Operational Guidance Note Egypt, Oktober 2014,
Seite 6
Kopten
Der Anteil der Christen an der Bevölkerung wird mit 5 - 10 % angegeben. Davon seien 91 % koptisch-orthodox und 4,5 % koptisch-katholisch (hierzu wird bemerkt, dass die Zahlenangaben zu den Kopten erheblich differierten). 2 % gehörten sonstigen Religionsgemeinschaften an. Koptisch-orthodoxe Christen leben in allen Landesteilen Ägyptens. Überdurchschnittlich sind sie in Oberägypten sowie einigen Stadtteilen von Kairo (v. a. in Shubra) und Alexandria vertreten.
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Ägypten: Die Koptisch-Orthodoxe Kirche vom September 2012, Seiten 1 und 3.
Die christliche Minderheit in Ägypten wird weithin als Kopten bezeichnet. Die Kopten bilden insgesamt die größte christliche Minderheit im Nahen Osten und zählen zu den ältesten christlichen Gemeinden überhaupt. In Ägypten begreifen sie sich selbst als die älteste Bevölkerungsgruppe. Über Jahrhunderte hinweg bildeten Kopten die Mehrheit in der Bevölkerung Ägyptens. Seit der Eroberung durch die Araber im 7. Jahrhundert änderte sich dies jedoch zunehmend und die Kopten wurden bis zur Entstehung des modernen Nationalstaates offiziell als Bürger zweiter Klasse behandelt. Im heutigen Ägypten sind die Kopten zwar keine Schutzbefohlene mehr und müssen auch keine Kopfsteuer mehr zahlen, dennoch sind sie de facto einem breiten Spektrum von Diskriminierungen in der muslimischen Mehrheitsbevölkerung ausgesetzt. Das seit langem sich verschlechternde Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist von gegenseitiger Polemik geprägt und scheint sich trotz des Sturzes des Regimes Mubarak in Zukunft nicht zu bessern.
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Ägypten, Situation der Kopten, Oktober 2011, Seite 10.
Der koptisch-katholische Bischof Samaan über die schwierige Lage der Christen im Land, politische Beteiligung und seine Hoffnungen: "Der Großteil der Muslime ist moderat. Das Verhältnis zwischen ihnen und den Christen ist gut, wir sind ja eine Ethnie. Viele Muslime spenden für Kirchenrenovierungen und umgekehrt. Die Muslimbruderschaft dagegen sieht die Kopten als Sündenböcke für den Sturz Mursis. Sie wird aber immer schwächer, ihre Finanzierung schwieriger. Konten werden kontrolliert. Viele frühere Anhänger bereuen ihre Taten."
Quelle: Kurier, 24.06.2014, abrufbar unter:
http://kurier.at/politik/ausland/aegypten-die-revolution-hat-unsere-angstbarriere-beseitigt/71.679.137 , Zugriff am 14.07.2014.
Nach dem Sturz von Präsident Mursi im Juli 2013 war von vermehrten Angriffen gegen koptische Christen und deren Einrichtungen berichtet worden. Im August 2013 erreichten die Ausschreitungen einen Höhepunkt. Den Kopten wurde von Seiten der Islamisten vorgeworfen, den Umsturz unterstützt zu haben. Insbesondere in Oberägypten und Kairo seien die Kopten Übergriffen ausgesetzt. Angriffe auf Kirchen und kirchlichen Besitz würden sich 2014 fortgesetzt haben. Speziell in Oberägypten seien auch immer wieder Fälle von Entführungen koptischer Christen bekannt geworden. Präsident Al-Sisi nahm als erster ägyptischer Präsident an einer koptischen Messe teil; die neue Verfassung von 2014 garantiert zudem Religionsfreiheit. Die Probleme würden aber weniger in den Gesetzen als in der praktischen Umsetzung liegen. Bei besonderen christlichen Zeremonien würden zusätzliche Schutzmaßnahmen für Kirchen durch die Behörden getroffen. Etwa 10% der im Jahr 2013 zerstörten Kirchen sei Ende 2014 wieder aufgebaut gewesen. Die ägyptische Armee unterstütze den Aufbau einer im Jahr 2013 zerstörten koptischen Schule.
Die Gefahr von Übergriffen sei in größeren Städten geringer, was darauf zurückzuführen sein könnte, dass dort die Polizeipräsenz höher sei als am Land. In Bezug auf die vereinzelten Entführungen könne auch Korruption an der mangelnden Durchschlagkraft der Sicherheitsbehörden einen Anteil haben. Insgesamt sei die Verfolgung von Angriffen auf Kopten unzureichend.
Quelle: IRB - Immigration and Refugee Board of Canada: Egypt:
Situation of Coptic Christians, including treatment; state protection available (2014-May 2015) [EGY105152.E], 08. Juni 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/305158/442330_de.html (Zugriff am 03. Juli 2015)
Eine christliche NGO (Christian Solidarity Worldwide) berichtet von der Rückkehr von 5 Familien am 02.06.2015 in ihre oberägyptische Heimat in Kafr Darwish nach einer erfolgreichen Mediation. Sie waren aus ihrem Dorf vertrieben worden, nachdem ihnen vorgeworfen worden war, dass einer von ihnen Karikaturen über den Propheten Mohammed ins Internet gestellt habe. Es wurde berichtet, dass die Polizei prompt reagiert habe und die Häuser geschützt habe.
Quelle: Christian Solidarity Worldwide; IRB - Immigration and
Refugee Board of Canada: Egypt: Situation of Coptic Christians, including treatment; state protection available (2014-May 2015) [EGY105152.E], 08. Juni 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/305158/442330_de.html (Zugriff am 03. Juli 2015)
Während anerkannte und nicht anerkannte religiöse Minderheiten meist ohne Anfeindungen ihre Religion ausüben konnten, war die Regierung nicht in der Lage, Verbrechen gegen einzelne Gruppen von religiösen Minderheiten, zu verhindern, zu untersuchen oder zu verfolgen, was ein Klima der Straflosigkeit für solche Verbrechen schürte. Mitglieder muslimischer Minderheitengruppen wurden festgehalten, inhaftiert oder belästigt. Bezüglich der Anzahl der Genehmigungen von Kirchenneubauten waren unter dem Übergangsregime Anzeichen leichter Verbesserungen zu spüren. Religiös motivierte Gewalttaten mit tödlichem Ausgang waren während des Jahres vermehrt zu verzeichnen. Christen, Schiiten und Bahais und andere Minderheiten wurden persönlich und als Gruppe, insbesondere bei der Bewerbung für den Öffentlichen Dienst und die Möglichkeit, ihre Gebetsstätten zu bauen, zu renovieren und zu reparieren, diskriminiert. Die Mitglieder von muslimischen Minderheitensekten wurden in einigen Fällen von den Behörden verhaftet, festgehalten oder belästigt. Die Übergangsregierung unternahm allerdings deutliche Schritte, Hassreden in Moscheen und im islamischen TV zu unterbinden.
Quelle: U.S. Department of State, International Religious Freedom Report 2013, Egypt; Seiten 1 und 2.
Benachteiligungen ergeben sich für die koptisch-orthodoxen Christen ebenso wie für alle anderen Christen auch im Bereich des Familienrechts. Das Familienrecht einschließlich Eheschließung, Scheidung, Unterhalt, Sorgerecht für Kinder und Bestattungswesen richtet sich nach der Religion des Betroffenen. Christliche Familien unterstehen dem jeweiligen Kirchenrecht. Bei Familienrechtsstreitigkeiten, von denen eine Ehe zwischen einer christlichen Frau und einem muslimischen Mann betroffen ist, entscheiden die Gerichte nach islamischem Recht. Muslimische Frauen dürfen keinen nichtmuslimischen Mann heiraten. Dieser muss zum Islam konvertieren. Eine nichtmuslimische Frau muss im Fall der Eheschließung mit einem Muslim nicht konvertieren. Wenn eine nichtmuslimische Frau zum Islam konvertiert, muss sie sich scheiden lassen, sofern ihr Ehemann kein Muslim ist.
Sowohl das koptisch-orthodoxe Kirchenrecht als auch das islamische Recht verbieten die Eheschließung von koptischen Männern und muslimischen Frauen. Wenn solche Eheschließungen im Ausland stattfinden, werden sie in Ägypten nicht anerkannt. Zudem kann die Frau verhaftet und wegen Apostasie angeklagt werden, Kinder können den Eltern entzogen und einem männlichen muslimischen Vormund übergeben werden.
Das Erbrecht für alle Bürger beruht auf dem islamischen Recht, wonach muslimischen weiblichen Erben nur die Hälfte des Erbteils männlicher Erben zusteht. Christliche Witwen von Muslimen haben kein unmittelbares Erbrecht, können aber testamentarisch bedacht werden. Konvertiten vom Islam zum Christentum verlieren jedes Erbrecht.
Quelle: US Department of State, International Religious Freedom Report 2013, Egypt.
Konversion
Konversion vom Islam zu einer anderen Religion ist nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht verboten, widerspricht aber der Auslegung des islamischen Rechts durch den Staat. Sie wird daher von den örtlichen Behörden nicht anerkannt. Im Januar 2008 entschied das Verwaltungsgericht Kairo in einem andere Gerichte allerdings nicht bindenden Urteil, dass die Freiheit zur Konversion sich nicht auf muslimische Bürger erstrecke.
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Ägypten: Die Koptisch-Orthodoxe Kirche vom September 2012, Seite 19.
Die ägyptische Verfassung setzt fest, dass das Eigentums-, Ehe-, Scheidungs-, und Erbrecht in der Sharia geregelt wird. Das islamische Gesetz gilt aber nicht für die Konversion vom Islam zum Christentum. Die Sharia wird auch nicht bei Strafdelikten angewendet, hier kommt das Strafgesetzbuch zur Anwendung. Die Konversion vom Islam zum Christentum ist nach dem Gesetz nicht strafbar. Die ägyptische Verfassung beinhaltet Glaubensfreiheit und diese sogar für Menschen, die der Bahai-Religion oder den Schiiten angehören oder zu diesen Religionen übergetreten sind.
Ägypten wendet in allen anderen Gebieten der Rechtvorschriften die französische Gesetzgebung an. Die Konversion vom Islam zum Christentum unterliegt nicht der islamischen Gesetzgebung und gilt daher nicht als strafbar. Es gibt kein Gericht und keinen Richter der den Übertritt zum Christentum als strafbare Handlung ansieht. In Ägypten gelten internationale Abkommen und Menschenrechtvereinbarungen, Richter oder Gerichte können nicht gegen dies Vereinbarungen handeln.
Quelle: Anfragebeantwortung der Österreichischen Botschaft in Kairo, 18.10.2013.
Konvertiten können ihre Rechte gerichtlich durchsetzen und es besteht die Möglichkeit behördlichen Schutz vor der Verfolgung durch militante islamistische Gruppen zu erlangen. Auch in den derzeit geltenden Notstandsgesetzen finden sich keine Sanktionen für einen Religionswechsel. Die Notstandsgesetze gelten nur für die innere Sicherheit des Staates und nicht im Zusammenhang mit einem Religionswechsel.
Quelle: Bericht des Vertrauensanwalts der Österreichischen Botschaft in Kairo, 07.10.2013.
Minderjährige Kinder von Personen, die zum Christentum konvertierten - in manchen Fällen sogar volljährige Kinder, die zum Zeitpunkt der Konversion minderjährig waren - können ungeachtet der Religionszugehörigkeit des anderen Elternteils von den Behörden als Muslime eingestuft werden. Das koptisch-orthodoxe Kirchenrecht verbietet im Fall der Scheidung eine Wiederverheiratung.
Frauen
Unterstützung für Frauen und Frauenhäuser sind in Ägypten kaum vorhanden. Der National Council for Women unterhält jedoch eine Notrufnummer (die Nummer funktioniert momentan nicht; die ÖB ist bemüht, die etwaige neue Nummer zu eruieren) . Es stehen nach Prüfung des Einzelfalles auch Plätze in Gästehäusern des Sozialministeriums bis zu einer max. Länge von 6 Monaten zur Verfügung, wo Opfer von Gewalt soziale und rechtliche Unterstützung erhalten. Mit der Revolution stieg das Bewusstsein für die in Ägypten häufigen Belästigungen und Vergewaltigungen, insb. im Zuge der Berichterstattung über die in den Medien prominent berichteten Übergriffe am Tahrir-Platz. Aus dieser Erfahrung bildeten sich mehrere Gruppen, die sich, auch durch Patrouillengänge vor Ort, dem Schutz von Frauen im öffentlichen Raum widmen: U.a. Tahrir Body Guard und Operation Anti-Harassment. In enger Zusammenarbeit mit diesen Organisationen und im Sinne der Prävention hält der Blog "Harassmap" fest, an welchen Orten es zur Häufung von Angriffen kommt.
Quelle: ÖB Kairo September 2013.
Bewegungsfreiheit
Für ägyptische Staatsangehörige besteht keine zentrale Meldepflicht; eine dem deutschen Meldewesen vergleichbare Einrichtung gibt es in Ägypten nicht. Bei Forderungen gegen unbekannt verzogene ägyptische Staatsangehörige ist daher der Versuch einer Aufenthaltsermittlung nahezu aussichtslos.
Quelle: Deutsche Botschaft Kairo 3.2013.
Das Gesetz sieht Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Reisen ins Ausland, Auswanderung und Rückkehr vor. In der Praxis werden diese Rechte - mit Ausnahmen, beispielsweise bei Asylwerbern und Flüchtlingen - von der Regierung geachtet. Die Zivilluftfahrtbehörde, das Justiz- und das Innenministerium führen eine no-fly-List, die einigen Angeklagten das Verlassen des Landes untersagt. Die Mitglieder der Muslimbruderschaft und andere von der Übergangsregierung Gesuchte wurden ab dem 3. Juli auf dieser Liste geführt. Bürger und Ausländer dürfen nicht in ausgewiesene militärische Gebiete des Landes reisen. Männer, die noch keine Wehrpflicht abgeleistet haben, dürfen nicht ins Ausland reisen oder emigrieren. Verheiratete Bahais und deren Kinder können nur schwer staatliche Ausweise erhalten, da Ehen von Bahais nicht staatlich anerkannt werden. Einige männliche Bahai konnten daher nicht nachweisen, dass sie den Militärdienst bereits abgeleistet oder von ihm befreit waren und konnten daher auch keinen Pass beantragen. Einigen Berichten zufolge mussten junge unverheiratete Frauen, in Einzelfällen auch Frauen über dreißig Jahre, die Zustimmung ihres Vaters vorlegen, um einen Reisepass zu beantragen, obwohl die ägyptischen Gesetze gar nicht vorsehen. Die Verfassung von 1971 und die vorläufige Verfassung verbietet erzwungenes Exil und die Regierung hat dieses auch nicht angewandt. Eine Reihe von Staatsbürgern sind nach dem Rücktritt des Präsidenten Mubarak aus dem selbst gewählten Exil zurückgekehrt.
Quelle: U.S. Department of State, Egypt 2012 Human Rights Report, Seiten 15 und 16.
Medizinische Versorgung
In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 22.1.2015). Mit fast 30 Ärzten pro 10.000 Einwohner (regionaler Schnitt 10/10.000) hat Ägypten eine vergleichsweise gute medizinische Versorgung. In den letzten Jahren sind Kindersterblichkeit und Muttersterblichkeit gesunken; sowie die Infektionskrankheiten deutlich reduziert werden. Die weltweit höchste Prävalenz der Hepatitis C mit über 10 Millionen Infizierten ist allerdings immer noch ein weiterhin ansteigendes Problem.
Eine Vielzahl von privaten Belegkrankenhäusern findet sich verteilt über die einzelnen Stadtteile der Millionenmetropole. Einige der renommierteren Privatkliniken haben über hundert Belegärzte, die meisten von ihnen sind an mehreren Häusern tätig. Fachabteilungen im eigentlichen Sinn (Chefarzt, Oberärzte, Assistenten) sind nicht vorhanden, das Pflegepersonal arbeitet täglich mit einer großen Anzahl unterschiedlicher Fachärzte zusammen. Gezielte Eingriffe sind durchaus möglich, die Ausstattung mit modernen medizinischen Geräten ist gut, Hygiene und pflegerische Versorgung aber oft nicht auf europäischem Niveau. Die Möglichkeit der ambulanten Versorgung in privaten Kliniken oder Praxen ist in Kairo vielfältig. Etliche in Europa oder den USA ausgebildete Fachärzte und Professoren bieten oft nach ihrer Tätigkeit in den überlaufenen staatlichen Universitätskrankenhäusern, nachmittags oder abends, private Konsultationen an. Die Ausstattung der Praxen ist oft einfach, die Hygiene meistens nicht mit europäischen Verhältnissen vergleichbar. Das Fehlen der Allgemeinmedizin, des "praktischen Hausarztes" kann unter Umständen zur Überdiagnostik beim Facharzt führen und die ganzheitliche Versorgung des Kranken kann dabei zu kurz kommen (DBK 9.2014).
Quellen:
Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland, Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/AegyptenSicherheit_node.html , Zugriff 22.1.2015
Deutsche Botschaft Kairo: Medizinische Hinweise - Kairo, http://www.kairo.diplo.de/contentblob/3865926/Daten/3348611/regarzt_medizinische_hinweise.pdf , Zugriff 22.1.2015
Verfügbarkeit von Medikamenten
In Ägypten werden für bestimmte Gruppen Sonderbedingungen eingeräumt, die Medikamente gratis bekommen, dazu zählen:
Patientinnen, die es sich nicht leisten können; Kinder unter fünf Jahren und ältere Menschen. Von diesen Sonderbedingungen ausgeschlossen sind schwangere Frauen. Gleichzeitig stellen das öffentliche Gesundheitssystem bzw. soziale Gesundheitsversicherungen Medikamente unter bestimmten Konditionen kostenfrei zur Verfügung. Die Medikamente werden deswegen kostenfrei zur Verfügung gestellt, weil es sich dabei um endemisch-ähnliche Krankheiten wie z.B. Tuberkulose, Malaria, Hepatitis C, Bilharziose usw. handelt.
Quelle: WHO 7.2011.
Grundversorgung/Wirtschaft
Unruhen und Plünderungen haben zu wirtschaftlichen Einbrüchen geführt. Insbesondere sind die fehlenden Einnahmen aus dem Tourismus spürbar. Gleichzeitig wurde auf Streiks und soziale Unruhen mit Lohnerhöhungen und zahlreichen Subventionen, insbesondere im sozialen Bereich, reagiert. Die Finanzierung des Staatshaushalts sowie der Subventionen im sozialen Bereich stützt sich auf Kredite von Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds, der europäischen Bank für Wiederaufbau und auf Zuschüsse und Kredite aus arabischen Ölstaaten. Grundnahrungsmittel und Energie werden weiterhin staatlich subventioniert.
Quellen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Umsturz und Unruhen in der arabischen Welt, Aktuelle Lage und Entwicklung in den Ländern Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko, Syrien und Tunesien vom Januar 2012;
Konrad Adenauer Stiftung: Länderbericht Ägypten vom 25.01.2012.
1.2.2. Ergänzend wird die Anfragebeantwortung zu Ägypten von ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and
Documentation: Lage von koptischen ChristInnen [a-9300-1], 14 August 2015 (available at ecoi.net) als Grundlage der vorliegenden
Entscheidung herangezogen:
Die Minority Rights Group International (MRG), eine internationale Menschenrechtsorganisation, die sich für die Rechte von ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten und indigenen Völkern weltweit einsetzt, schreibt in ihrem im November 2013 aktualisierten World Directory of Minorities and Indigenous Peoples, dass die ägyptischen KoptInnen die größte christliche Gemeinschaft in der arabischen Welt seien. Schätzungen hinsichtlich ihrer Zahl würden zwischen 4,7 und 7,1 Millionen schwanken. Anteilsmäßig seien sie am stärksten in Oberägypten vertreten. KoptInnen seien in den meisten staatlichen Einrichtungen vertreten und es gebe koptische Mitglieder aller registrierten politischen Parteien:
"Egyptian Copts are the biggest Christian community in the Arab world. Estimates of their numbers vary, but generally range between
4.7 and 7.1 million. They are proportionately most numerous in Upper Egypt. Most Copts are working class peasants and labourers, although there is a Coptic business upper class and a middle class of urban professionals and small landowners. Copts are present in most institutions of the state, and there are Coptic members of all registered political parties." (MRG, November 2013)
Die österreichische Tageszeitung Kurier veröffentlicht im Juni 2014 in ihrer Online-Ausgabe ein Interview mit dem koptisch-katholischen Bischof Samaan:
"... die Lage der Christen nach dem Sturz von Präsident Mursi (Muslimbruderschaft) 2013 und der Wahl des neuen Staatschefs, General al-Sisi, Ende Mai
Es hat sich nicht viel getan. Die Christen sind seit Nassers Revolution 1952 Bürger zweiter Klasse. Sie sind von Posten ausgeschlossen, dürfen auf vielen Fakultäten nicht studieren. Wenn wir eine Kirche bauen wollen, brauchen wir eine Genehmigung des Staatspräsidenten. Es müssen auch zehn Bedingungen erfüllt werden, was fast unmöglich ist. Warum, wird nicht erklärt.
...Beispiele für Diskriminierung
Es gibt Festnahmen wegen ‚Blasphemie gegen den Islam', wenn z. B. jemand etwas auf Facebook schreibt. Dagegen machen jeden Tag muslimische Prediger blasphemische Äußerungen gegenüber Christen - und nichts passiert. Demonstrationen von Christen werden verboten. Bei Streitigkeiten gibt es Versöhnungskomitees (traditionelle Gerichtsverfahren). Es werden aber nur Christen, nie Muslime bestraft. Da zeigt sich die Schwäche des Staats. [...]
... Muslime im Land
Der Großteil ist moderat. Das Verhältnis zwischen ihnen und den Christen ist gut, wir sind ja eine Ethnie. Viele Muslime spenden für Kirchenrenovierungen und umgekehrt. Die Muslimbruderschaft dagegen sieht die Kopten als Sündenböcke für den Sturz Mursis. Sie wird aber immer schwächer, ihre Finanzierung schwieriger. Konten werden kontrolliert. Viele frühere Anhänger bereuen ihre Taten." (Kurier, 24. Juni 2014)
Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) berichtet im Jänner 2015, dass Bewaffnete kurz vor dem orthodoxen Weihnachtsfest zwei Polizisten getötet hätten, die eine koptische Kirche südlich von Kairo beschützt hätten. Vor den Feiertagen seien die Sicherheitsmaßnahmen rund um koptische Kirchen verstärkt worden.
ChristInnen würden ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung Ägyptens ausmachen und würden sich schon lange darüber beschweren, von der muslimischen Mehrheit des Landes diskriminiert zu werden. Seit der Absetzung des islamistischen Präsidenten Morsi im Juli 2013 hätten Angriffe auf ChristInnen in Ägypten zugenommen. Bei einer Welle von Angriffen im August 2013 seien Dutzende Kirchen zerstört, niedergebrannt oder geplündert worden, darunter auch Kirchen in Minya. Auch christliche Häuser und Geschäfte seien angegriffen worden. Auslöser der Gewalt sei das Auflösen von zwei Sitzstreiks von Morsi-UnterstützerInnen durch die Polizei gewesen, wobei Hunderte Personen getötet worden seien. Die christliche Minderheit Ägyptens habe sich auch darüber beschwert, dass es zu einem Anstieg von Entführungen, bewaffneten Raubüberfällen und Angriffen in den letzten drei Jahren gekommen sei. Die Islamisten würden behaupten, dass die ägyptischen ChristInnen eine überproportional große Rolle bei den Massenprotesten, die der Absetzung von Präsident Morsi vorausgegangen seien, gespielt hätten. Die KoptInnen hätten sich stark in der Anti-Morsi-Bewegung engagiert, in der Hoffnung, nach seiner Absetzung gleiche Rechte wie die Muslime im Land zu erhalten:
"Gunmen opened fire and killed two policemen guarding a Coptic church south of Cairo early on Tuesday, security officials said as the nation's minority Coptic Christians prepared to mark Orthodox Christmas Eve. [...]
Egypt has beefed up security around Coptic churches ahead of the Orthodox Christmas. Christians account for some 10 percent of the nation's 90 million people and have long complained of discrimination by the nation's Muslim majority.
Assaults on Christians have stepped up in Egypt since the ouster of Islamist President Mohammed Morsi in July 2013.
A wave of attacks in August 2013 left dozens of churches destroyed, burned or looted, including churches in Minya. Christian homes and businesses were also targeted. The wave of anti-Christian violence followed the breakup by security forces of two sit-in protests by Morsi's supporters, an operation that killed hundreds.
Egypt's Christian minority has also complained of a rise in kidnappings, armed robberies and assaults over the past three years, after the country was plunged into turmoil by the 2011 uprising that toppled longtime autocrat Hosni Mubarak.
Security forces have faced a series of deadly militant attacks since Morsi was overthrown.
Islamists claim that Egypt's Christians played a disproportionately large role in the mass protests that preceded Morsi's ouster. The Copts, who are mostly members of the Orthodox church, one of Christendom's oldest, were heavily invested in the anti-Morsi movement in the hope of gaining equal rights with their Muslim compatriots after his removal." (AP, 6. Jänner 2015)
Freedom House, eine in den USA ansässige NGO, die zu den Themen Demokratie, politische Freiheit und Menschenrechte forscht und sich für diese einsetzt, schreibt in ihrem im Jänner 2015 veröffentlichten Jahresbericht zu politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten im Jahr 2014, dass KoptInnen eine bedeutende Minderheit in Ägypten seien. Die ägyptische Verfassung von 2014 habe das Recht auf Religionsfreiheit für absolut erklärt und sei von den religiösen Minderheiten gut aufgenommen worden. Seit der Verabschiedung der Verfassung habe sich in der Praxis aber kaum etwas geändert. Einige UnterstützerInnen von Präsident Morsi hätten die koptische Gemeinschaft teilweise für seine Absetzung verantwortlich gemacht und als Vergeltung KoptInnen und ihre Besitztümer angegriffen. Nur geschätzte zehn Prozent der Dutzenden Kirchen und Geschäfte, die bei solchen Angriffen 2013 beschädigt worden seien, seien Ende 2014 wieder aufgebaut gewesen:
"Coptic Christians form a substantial minority, and there are very small numbers of Jews, Shiite Muslims, and Baha'is. The 2014 constitution made the right to freedom of religion ‚absolute' and was well received by religious minorities, though little has changed in practice since the document's adoption. Some Morsi supporters considered the Coptic community to be partly responsible for his overthrow and attacked Copts and their property in retaliation. Only an estimated 10 percent of the dozens of churches and businesses damaged in such attacks in 2013 had been rebuilt by late 2014."
(Freedom House, 28. Jänner 2015)
Der Österreichische Rundfunk (ORF) berichtet im Februar 2015 auf religion.ORF.at Folgendes:
"Mit der Ermordung von 21 aus Ägypten stammenden koptischen Christen durch die Terrormiliz IS in Libyen haben sich die Dschihadisten zum ersten Mal gezielt gegen Christen gerichtet. Die koptischen Christen rücken ins Blickfeld der bestürzten internationalen Gemeinschaft. Ägypten reagierte rasch auf die auf Film festgehaltenen Enthauptungen und bombardierte erstmals Stellungen des Islamischen Staates (IS) in Libyen. Kampfflugzeuge hätten Stützpunkte und Waffendepots der Extremisten bombardiert, teilte die ägyptische Armee am Montag mit. Das Land tut einiges, um seine große christliche Minderheit zu schützen, wie es scheint.
Die jungen koptischen Männer, die als Gastarbeiter in Ägypten waren, seien lediglich aus dem einem Grund getötet worden, dass sie Christen waren, sagte das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, Papst Franziskus. Das sieht auch der Bischof der koptisch-orthodoxen Kirche, Anba Gabriel, so. Der Terror richte sich vor allem gegen die Christen, sagte er zu religion.ORF.at. Dabei seien die Kopten in Ägypten wie überall auf der Welt gut integriert, so der Bischof. Lobend erwähnte er die TV-Ansprache des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi und die Luftschläge auf den IS. Für die Kopten sei unter Sisis Regierung vieles besser geworden. [...]
Die Filmemacherin Alexandra Schneider, die für ihren kürzlich angelaufenen Dokumentarfilm ‚Private Revolutions' zwei Jahre in Ägypten lebte, schilderte im Gespräch mit dem ORF die Lage der Kopten in dem Land aus ihrer Sicht: [...] Die koptische Minderheit in Ägypten nennt sie ‚sehr bedroht', doch auch die Kopten selbst ‚sind sehr radikal', sagte Schneider. Gleichzeitig sei es ‚faszinierend zu erleben, dass da ein Christentum gelebt wird, das wir aus Europa überhaupt nicht kennen'. Die Filmemacherin skizziert eine harte, paternalistische Gesellschaft: ‚Wenn eine Koptin einen Muslim heiraten will, wird sie gerne von der eigenen Community massiv daran gehindert oder auch getötet', so Schneider.
Der koptische Bischof Gabriel bestätigte gegenüber religion.ORF.at zwar, dass es Kopten ‚verboten' sei, außerhalb der Religionsgemeinschaft zu heiraten, er sieht die Gemeinschaft aber nicht als besonders streng an - es gebe unter Kopten seltener Scheidungen, weil die Familien eben stabiler seien.
Sie habe wenig Unterschied erlebt in der Ausübung ihres Glaubens zwischen den Muslimen und den Kopten, so Regisseurin Schneider. Eigentlich funktioniere das Zusammenleben ‚meistens sehr, sehr gut unter den Leuten selbst'. Traurig sei, dass der Konflikt zwischen Christen und Muslimen von den Machthabern häufig benutzt werde - und zwar vom alten Regime ebenso wie vom derzeitigen, um die starke Militärpräsenz zu rechtfertigen und überhaupt ein starkes staatliches Eingreifen. ‚Es kam immer wieder heraus, dass im Hintergrund von Momenten, wo dann Kirchen angezündet wurden, staatlich angeheuerte Spitzel dahinterstanden, die die Konflikte bewusst geschürt haben, damit man sagen kann: ‚Seht's, das habt ihr davon, wenn es keinen starken Staatsapparat gibt, der da eingreift und die Minderheiten schützt.'' [...]
Ängste in der koptischen Bevölkerung seien sehr bewusst genutzt worden, ‚damit die sich immer möglichst hinter Mubarak oder jetzt hinter das Militär stellen', so Schneider. ‚Es war eine Revolution in der Revolution, als im Oktober 2011 eine Gruppe junger Kopten gegen den Widerstand ihrer koptischen Anführer auf die Straße gegangen sind und Hand in Hand mit Muslimen gegen das Regime demonstriert haben', schildert sie weiter. Diese jungen Leuten seien dann auch getötet worden." (ORF, 17. Februar 2015)
Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) erwähnt in ihrem im Februar 2015 veröffentlichten Jahresbericht 2014/15 (Berichtszeitraum 2014 und wichtige Ereignisse von 2013) Folgendes:
"Diskriminierung religiöser Minderheiten
Die Behörden unternahmen nichts, um der Diskriminierung von religiösen Minderheiten wie den koptischen Christen, den schiitischen Muslimen und der Gemeinschaft der Baha'i Einhalt zu gebieten. Vor allem Gemeinden der Kopten berichteten von erneuten religiös motivierten Angriffen. Bau und Unterhalt ihrer Gotteshäuser wurden ihnen erschwert." (AI, 25. Februar 2015)
Der Egypt Independent, die englischsprachige Ausgabe der privaten ägyptischen Tageszeitung Al-Masry Al-Youm, berichtet im April 2015, dass nach Angaben von AugenzeugInnen neun Personen bei Zusammenstößen zwischen Muslimen und KoptInnen im Dorf al-Galaa in Minya verletzt worden seien. Ezzat Ibrahim, der Leiter des Al-Kalema-Zentrums für Menschenrechte, habe angegeben, dass die Zusammenstöße begonnen hätten, als Unbekannte Steine auf ein Auto geworfen hätten, in dem sich koptische Studentinnen befunden hätten. Ihre Eltern hätten herausfinden wollen, was los sei, als die Zusammenstöße begonnen hätten. Mehrere Dorfbewohner seien in Häuser eingedrungen und hätten Fenster eingeworfen. Die Extremisten, so Ibrahim, hätten versucht, Unruhen auszulösen, um den Kompromiss, der über den Bau einer Kirche im Dorf erreicht worden sei, zu Fall zu bringen. Derweil hätten koptische ChristInnen in der Stadt Maghagha dagegen protestiert, dass Sicherheitskräfte ein Gebäude räumen würden, das zur Diözese gehöre, und alles im Gebäude beschlagnahmen würden. Eine kirchliche Quelle in Maghagha habe angegeben, dass die Polizei das mit der Diözese verbundene Haus gestürmt habe, in dem seit 2007 religiöse Rituale praktiziert worden seien, obwohl davon ausgegangen worden sei, dass das Gebäude zu den Kirchen gehöre, die während Ostern geschützt werden sollten. Quellen in den Sicherheitskräften hätten angegeben, dass das Gebäude gestürmt worden sei, weil keine Lizenz vorgelegen habe, was auch der Grund für die Konfiszierung gewesen sei:
"Nine people have been injured during clashes between Muslims and Copts in al-Galaa village in Minya, according to eyewitness accounts. Security services have arrived at the site and the victims have been transferred to hospital. Ezzat Ibrahim, head of Al Kalema Center for Human Rights, said the clashes began on Saturday, as unknown attackers threw stones at a vehicle, in which Coptic female students were travelling. Their parents went out to check what was happening, when clashes erupted. Ibrahim added that several villagers broke into houses and smashed the windows. According to him, extremists were trying to spark communal riots to ruin the compromise reached over building a church in the village. Meanwhile, Coptic Christians in Maghagha city protested against ‚security forces evacuating a building that belongs to the diocese and confiscating its contents' A Church source from Maghagha said that police stormed the building affiliated to the diocese, where religious rituals have been carried out since 2007, ‚although the building was considered to be among the churches that should be secured during Easter.' However, security sources said the place was stormed for being unlicensed, which is why its possessions have been confiscated." (Egypt Independent, 5. April 2015)
Radio Vatikan berichtet im April 2015 Folgendes:
"Koptische Christen sollen ihre Häuser auf der Sinai-Halbinsel verlassen: Das fordern Islamisten-Gruppen über soziale Netzwerke. Ansonsten würden die Kopten Zielscheiben von Attentaten. Hintergrund der Drohung ist, dass die Kopten mehrheitlich hinter Präsident Abdel Fattah al Sisi stehen. Sisi geht massiv gegen Dschihadisten auf dem Sinai vor." (Radio Vatikan, 28. April 2015)
Die US-amerikanische Kommission für Internationale Religionsfreiheit (US Commission on International Religious Freedom, USCIRF), eine staatliche Körperschaft zur Beobachtung des Zustands der Meinungs- und Gewissens-, sowie der Religions- und Glaubensfreiheit im Ausland, schreibt in ihrem im April 2015 veröffentlichten Jahresbericht (Berichtszeitraum 31. Jänner 2014 bis 31. Jänner 2015), dass die Bedingungen für koptische ChristInnen weiterhin prekär gewesen seien, da die Täter der meisten Angriffe der letzten Jahre nicht verurteilt worden seien, auch nicht die Täter der großen Vorfälle aus den Jahren 2011 bis 2013. Im Jänner 2015 habe Präsident al-Sisi als erstes ägyptisches Staatsoberhaupt eine Weihnachtsmesse der KoptInnen besucht. Außerdem habe er dem koptischen Papst sein Beileid wegen der Enthauptung von 21 Kopten in Libyen durch den IS zum Ausdruck gebracht. Die koptische Gemeinschaft habe diese und andere symbolische Gesten im Allgemeinen begrüßt, es habe aber weiterhin repressive Gesetze und eine diskriminierende Politik gegenüber KoptInnen gegeben, beispielsweise Anschuldigungen und Verurteilungen wegen Blasphemie, Beschränkungen hinsichtlich des Konvertierens vom Islam und mangelndes Zur-Rechenschaft-Ziehen der Täter bei gewaltsamen Angriffen.
Im Lauf des vorangegangenen Jahres sei die Anzahl der gewaltsamen Vorfälle, die KoptInnen und ihre Besitztümer zum Ziel gehabt hätten, im Vergleich zum Jahr davor merklich zurückgegangen, es habe jedoch sporadische Vorfälle vor Gewalt gegeben, vor allem in Oberägypten. In einigen Teilen des Landes hätten die ägyptischen Sicherheitskräfte die Maßnahmen zum Schutz von Kirchen während bedeutender kirchlicher Feiertage erhöht, was das Niveau der Angst und Unsicherheit unter der koptischen Gemeinde gesenkt habe. Nach der beispiellosen Gewalt vom Sommer 2013, darunter auch gegen koptische Kirchen und Eigentümer, habe die ägyptische Regierung eine Fact-Finding-Kommission gebildet, um die Angriffe zu untersuchen, und habe geschworen, die Täter zur Verantwortung zu ziehen und die Dutzenden Kirchen, die zerstört worden seien, wieder aufzubauen. Im November 2014 habe die Regierung eine Kurzfassung ihres Berichts veröffentlicht, wonach 52 Kirchen komplett zerstört, zwölf beschädigt und zahlreiche Besitztümer im Eigentum von ChristInnen zerstört worden seien. Laut dem Bericht seien zudem 29 Personen bei religiös motivierten Tötungen ums Leben gekommen. Am Ende des Berichtszeitraums von USCIRF hätten sich laut Angaben von Menschenrechtsgruppen zehn Prozent der zerstörten Kirchen und christlichen Eigentümer im Wiederaufbau befunden.
Im Dezember 2014 seien ungefähr 40 Personen, die für Angriffe auf fünf Kirchen in Oberägypten schuldig befunden worden seien, zu Gefängnisstrafen zwischen einem Jahr und fünfzehn Jahren verurteilt worden. Einige andere Prozesse seien noch am Laufen gewesen und die Verantwortlichen müssten noch zur Rechenschaft gezogen werden. In einigen Fällen habe die Polizei nicht angemessen ermittelt, manchmal aus Angst vor Vergeltung von Seiten gewalttätiger Extremisten. Die Unfähigkeit, KoptInnen und andere religiöse Minderheiten zu schützen, habe weiterhin eine Atmosphäre der Straflosigkeit gefördert:
"Conditions for Coptic Orthodox Christians remained precarious, as most perpetrators of attacks in recent years have not been convicted, including from largescale incidents that occurred between 2011 and 2013. [...]
In January 2015, President al-Sisi became the first Egyptian head of state to attend a Coptic Christmas Eve mass at the St. Mark's Coptic Orthodox Cathedral in Cairo, and in February, he met with and offered condolences to Coptic Pope Tawadros at the cathedral after the killing by ISIL of 21 Copts in Libya. While the Coptic community in general welcomed these and other symbolic gestures, repressive laws and discriminatory policies against Copts remained in place, including blasphemy charges and convictions, limits on building and maintaining churches, limits on conversion from Islam, and lack of accountability for violent attacks.
Over the past year, the number and severity of violent incidents targeting Copts and their property decreased significantly when compared to the previous year; however, sporadic violence continued, particularly in Upper Egypt. In some parts of the country, Egyptian security services increased protection of churches during significant religious holidays, which lessened the level of fear and insecurity among members of the Coptic community. Following the unprecedented violence in the summer of 2013, including against Coptic churches and their property, the Egyptian government formed a fact-finding commission to investigate the attacks and pledged to hold accountable those responsible for the violence and to rebuild the dozens of churches that were destroyed. In November 2014, the Egyptian government released an executive summary of its report, which found 52 churches were completely destroyed, another 12 damaged, and numerous Christian- owned properties destroyed. The report also found that 29 people died in sectarian-related killings, without any specific details surrounding the deaths. At the end of the reporting period, according to human rights groups, 10 percent of the destroyed churches and Christian properties were in the process of being rebuilt.
In December 2014, some 40 perpetrators who were found responsible for attacks on five churches in Assiut, Upper Egypt, were sentenced to prison terms ranging from one to 15 years. Some other cases are ongoing, and perpetrators have yet to be brought to justice. In some cases, police have not conducted adequate investigations, sometimes due to fear of retribution against them by violent extremists. The inability to protect Copts and other religious minorities, and successfully prosecute those responsible for violence, continued to foster an atmosphere of impunity." (USCIRF, 30. April 2015, S. 90)
Die britische Tageszeitung The Independent berichtet im Mai 2015, dass einem Video des IS zufolge 21 ägyptische Kopten in Libyen enthauptet worden seien, woraufhin die ägyptischen Streitkräfte den IS in Libyen mit Luftschlägen angegriffen hätten. Die ägyptischen KoptInnen seien nach Angaben des Independent die größte christliche Gemeinschaft im Nahen Osten und würden etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen. Es gebe etwa sechs bis elf Millionen KoptInnen in Ägypten, von denen die meisten zur koptischen orthodoxen Kirche von Alexandria gehören würden. Der Rest gehöre zur koptischen katholischen und verschiedenen (kleineren) koptischen protestantischen Kirchen.
Die KoptInnen in Ägypten würden behaupten, sie würden heutzutage unter Diskriminierung und Verfolgung leiden. Die Gewalt und Instabilität in Ägypten in den letzten Jahren hätten sich unzweifelhaft negativ auf bereits marginalisierte Gruppen ausgewirkt, so die Zeitung. 2013 habe ein Bericht von Amnesty International (AI) angeführt, dass die Sicherheitskräfte dabei versagt hätten, christliche Kirchen, Schulen und wohltätige Einrichtungen vor einer wütenden Menschenmasse nach der Auflösung von zwei Sitzstreiks zur Unterstützung von Präsident Mohamed Morsi zu schützen. Es habe auch vereinzelte Beispiele gegeben, dass lokale muslimische Gemeinschaften KoptInnen verschiedener Vergehen beschuldigt und außerhalb des gesetzlichen Rahmens gehandelt hätten. Es habe kaum Wiedergutmachung für diese KoptInnen gegeben, und viele hätten behauptet, die Behörden hätten bewusst über ihre Beschwerden hinweggesehen. Mohamed Elmessiry, der Ägypten-Experte von AI, habe der Zeitung gegenüber angegeben, dass es nicht in allen Landesteilen Diskriminierung gebe, aber in manchen, beispielsweise, wenn es viele UnterstützerInnen der Muslimbrüder gebe. Es gebe öffentliche Diskriminierung, es hänge aber davon ab, wo genau, und es gebe Diskriminierung seitens der Regierung zwecks Versöhnung mit muslimischen Familien. Elmessiry habe angefügt, dass AI vier oder fünf Vorfälle aufgenommen habe, in denen es zur Verfolgung koptischer ChristInnen gekommen sei. AI habe Fälle dokumentiert, in denen KoptInnen beschuldigt worden seien, den Islam beleidigt zu haben. Daraufhin seien sie von muslimischen DorfbewohnerInnen angegriffen worden und die Regierung habe nichts dagegen unternommen:
"The latest video purportedly released by the terror organisation Isis claims to show the execution of 21 Egyptian Coptic Christians in Libya. The mass beheading prompted an immediate response from Egypt, who launched air strikes against the jihadist group in Libya.
[...]
Egyptian Copts form the largest Christian community in the Middle East, accounting for an estimated 10 per cent of the population. There are an estimated six to 11 million members. The majority belong to the Coptic Orthodox Church of Alexandria, which according to tradition was established by Saint Mark in the 1st Century, approximately AD 42, while the remainder are divided between the Coptic Catholic church and various (smaller) Coptic Protestant churches. [...]
Do they still face persecution today?
Copts in Egypt claim they still suffer discrimination and persecution today. The violence and instability that has engulfed Egypt in the past few years has undoubtedly adversely affected already marginalised communities. In 2013 an Amnesty International report condemned internal security forces for failing to protect Christian churches, schools, and charity buildings from an angry mob in the wake of the dispersal of two pro-Morsi sit-ins in Cairo. The former elected president was deposed by present leader Addel-Fattah al-Sisi in 2013. There have also been infrequent examples of local Muslim communities accusing Copts of various offences and acting outside of the law. There has been little redress for these Copts, with many claiming authorities turned a blind eye to their complaints.
Amnesty International's Egyptian research Mohamed Elmessiry told The Independent: ‚The discrimination is not in all parts of the country but it exist in some parts of the country.' ‚For example,' he continued, ‚where there is a big population of Muslim brotherhood supporters. There is discrimination from the public but it depends where exactly and there is discrimination from the government to reconciliation with Muslim families.' He added that Amnesty had recorded ‚four or five' separate incidences involving persecution against Copts. ‚We have documented cases when Copts were accused of insulting Islam and in these cases the Copts will be attacked by members of their villages and the government has done nothing,' he added. " (The Independent, 19. Mai 2015)
In ihrem im Mai 2015 veröffentlichten Bericht Peoples under Threat 2015 erwähnt die MRG, dass MenschenrechtsaktivistInnen in Ägypten weiterhin die Regierung kritisiert hätten, weil sie zu wenig getan habe, um die Sicherheit der KoptInnen und anderer christlicher Gemeinschaften zu gewährleisten, insbesondere in Oberägypten, wo Einzelpersonen, ihrer Häuser und Gebetsstätten regelmäßig angegriffen würden:
"Major Risers since 2014 [...] Egypt rose another three places in the index this year. [...] Human rights activists also continued to criticize the government for doing too little to provide security for Coptic and other Christian communities, especially in Upper Egypt, where individuals, their homes and places of worship regularly came under attack." (MRG, 20. Mai 2015, S. 3)
Die Tiroler Tageszeitung (TT) berichtet in Juni 2015 in ihrer Online-Ausgabe Folgendes:
"Spricht man in Ägypten mit koptisch-orthodoxen Bischöfen, zeigen sie sich erleichtert über den Präsidenten und Ex-General Abdel Fattah al-Sisi: Beinahe mit überschwänglicher Freude begrüßen sie dessen politische Führung. Aber nicht alle Kopten denken so. Der koptische Journalist und Menschenrechtsaktivist Wael Eskandar sagte kürzlich in Kairo: ‚Die Zeit, in der wir gerade leben, ist ein Albtraum.' [...]
‚Die koptische Kirche steht voll und ganz hinter Sisi.' Das zeigten auch die offiziellen Positionen von koptisch-religiösen Vertretern. ‚Deshalb wird zurzeit weniger gegen kritische Kopten vorgegangen - auch wenn sie zu Führungsfiguren innerhalb der Aktivisten oder Oppositionellen zählen. Alle Kritiker, die ich kenne, die noch frei sind, sind Kopten', sagte Eskandar.
Erst kürzlich hatte der hinter dem koptischen Papst Tawadros II. hochrangigste Bischof des Landes, Anba Moussa, zu Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) in Kairo gesagt, die Kopten fühlten sich ‚unterstützt und gut aufgehoben'. Ein anderer religiöser Vertreter der koptischen Christen bezeichnete Sisi im Gespräch mit Journalisten in Kairo als ‚sehr gerecht' und als jemand, der sich sehr bemühe.
Die Strategie, die der autoritäre Präsident im Juli 2013 bei der Machtübernahme des Militärs anwandte, scheint aufgegangen zu sein:
Sisi umgab sich damals mit mehreren symbolträchtigen Personen. Unter ihnen befanden sich der Al-Azhar-Scheich Ahmed al-Tayeb und Papst Tawadros II. - so sollte der politische Wille zur Einheit des gesamten ägyptischen Volkes demonstriert werden. Immerhin machen die Kopten in dem arabischen Land rund zehn Prozent der rund 90 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung aus." (TT, 1. Juni 2015)
Der Egypt Independent berichtet im Juni 2015, dass lokale Sicherheitsverantwortliche und die Kirche in der Provinz Beni Suef in Oberägypten übereingekommen seien, eine koptische Familie, deren Sohn für Empörung auf Seiten der ortsansässigen Muslime gesorgt habe, weil er einen anti-islamischen Eintrag auf Facebook veröffentlicht haben soll, an einem anderen Ort anzusiedeln. Zwei lokale Muslime in dem Dorf Mayyana hätten Maher Hanna, einen 18-jährigen Studenten, beschuldigt, anti-islamische Slogans auf seiner Facebook-Seite zu veröffentlichen. Eine Versöhnungssitzung, an der VertreterInnen der Kirche und lokale muslimische Familien teilgenommen hätten, habe mit einer schriftlichen Entschuldigung der Kirche geendet und der Entscheidung, die vierköpfige Familie umzusiedeln. Beni Suef sei unlängst auch der Schauplatz einer anderen Auseinandersetzung zwischen Muslimen und ChristInnen wegen Blasphemie im Internet gewesen, die zur Deportation von fünf Familien geführt habe, die nach einer Versöhnungskonferenz wieder nach Hause hätten dürfen. In Ägypten gebe es gelegentlich Auseinandersetzung zwischen der muslimischen Mehrheit und der koptischen Minderheit wegen einer Vielzahl von Gründen, die von interkonfessionellen Ehen bis hin zu blasphemischen Graffiti auf Kirchengebäuden reichen würden:
"Local church and security leaderships in the Upper Egyptian province of Beni Suef agreed on Thursday to evict and relocate a Coptic family whose son triggered local Muslims outrage after allegedly posting anti-Islamic Facebook posts. Two local Muslims in Mayyana village had accused Maher Hanna, 18, a student, of posting ani-Islamic slogans on his Facebook page. A security-sponsored reconciliation session attended by church representatives and local muslim families ended Thursday with a written church apology and a decision to relocate the four-member family which had already left their homes on May 14. Beni Suef had been the scene of similar recent feuds between Muslims and Christians over another case of online blasphemy which resulted into the deportation of five families who were returned home Wednesday after a reconciliation conference. Egypt has witnessed occasional feuds between the Muslim majority and the Egyptian Coptic minority over multiple reasons ranging from inter-religious marriages to blasphemic graffiti on church buildings." (Egypt Independent, 4. Juni 2015)
Das Immigration and Refugee Board of Canada (IRB) führt in einer Anfragebeantwortung vom Juni 2015 zur Lage der koptischen ChristInnen in Ägypten Informationen eines Assistenzprofessors für Nahoststudien an der Universität Kiel vom April 2015 an. Dieser habe angegeben, dass das Risiko für KoptInnen in Ägypten, Gewalt ausgesetzt zu sein, 2014 und seit der Wahl von Präsident al-Sisi gleich gewesen seien. Die religiöse motivierte Gewalt habe im Vergleich zu 2013 abgenommen, Spannungen und die Gefahr potentieller religiös motivierter Gewalt seien jedoch ein konstantes Problem. Ein Professor für Geschichte des Nahen Ostens an der American University in Kairo habe im April 2015 angegeben, dass die KoptInnen nach der Wahl von Präsident al-Sisi mehr Hoffnung in Bezug auf ihre Situation gehabt hätten, die Gefahr religiös motivierter und terroristischer Gewalt bleibe aber ein generelles Problem. Der Assistenzprofessor von der Universität Kiel habe erläutert, dass es hauptsächlich zwischen "einfachen Muslimen und KoptInnen" zu religiös motivierter Gewalt komme und dass diese Gewalt Angriffe von Mobs auf koptisches Eigentum, Läden und private Häuser beinhalte. Das Level der Gewalt reiche dabei von Beschädigung und Plünderung bis hin zu Anzünden und vollkommener Zerstörung des Besitzes und es komme auch zu verbalen und / oder physischen Angriffen auf Einzelpersonen, die manchmal zu einer "Handvoll" Toten führen würden. Weiters habe der Assistenzprofessor erklärt, dass das Ziel derartiger Angriffe vor allem sei, ChristInnen einzuschüchtern und zu demütigen, ihre Lebensgrundlage zu zerstören und sie möglicherweise dazu zu zwingen, wegzuziehen. Terroristische Gewalt gegenüber KoptInnen in Form von Schießereien oder Autobomben werde hingegen von einer kleinen Gruppe von Leuten verübt und geplant und habe das Ziel, größere Anzahlen von Menschen zu töten. Laut dem Professor an der American University in Kairo habe diese Gewalt tendenziell das Ziel, Personen zu treffen, die mit einem hohen Level an Armut und Arbeitslosigkeit konfrontiert seien und in Regionen mit relativ großen koptischen Gemeinden oder in Gebieten am Stadtrand, wo es eine große "salafistische fundamentalistische Präsenz" gebe, leben würden.
Unter Bezugnahme auf mehrere Quellen gibt das IRB an, dass KoptInnen in den folgenden Gebieten Ziel von Gewalt und Drohungen seien:
Oberägypten, vor allem die Gouvernements Al Minya, Sohag und Asyut
Gebiete von Kairo, die von armen koptischen MigrantInnen aus Oberägypten besetzt seien
Nordsinai, wo KoptInnen zur Zielscheibe von Milizen, die dem IS die Treue geschworen hätten, geworden und stark bedroht worden seien.
Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Entwicklungsstudien der Universität Sussex, der sich seit 1996 mit KoptInnen befasse, habe angegeben, dass es eine ständige Ungewissheit gebe, wann ein Schlag gegen KoptInnen verübt werden könne, und man könne nicht sagen, dass KoptInnen nicht ständig einem Risiko ausgesetzt seien, selbst wenn sie nicht an Brennpunkten, beispielsweise in Oberägypten, leben würden.
Was Entführungen von KoptInnen angeht, berichtet das IRB unter Bezugnahme auf mehrere Quellen, dass 550 koptische Mädchen zwischen Jänner 2011 und März 2014 entführt, zur Konversion zum Islam gezwungen und zur Heirat mit ihren Entführern gezwungen worden seien. 40 Prozent dieser Mädchen seien vor der Konversion und der Heirat vergewaltigt worden. Der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität Sussex habe angegeben, dass koptische Frauen, die entführt worden seien, in manchen Fällen von mehreren Personen vergewaltigt worden seien.
Der Assistenzprofessor an der Universität Kiel habe hinsichtlich der Bemühungen der Regierung seit 2014 erläutert, dass die koptische Kirche nach der Wahl von al-Sisi optimistisch gewesen sei, was Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen in Ägypten angehe. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen seien jedoch weniger das Problem als ein Mangel an Effektivität bei staatlichen Einrichtungen in Bezug auf die Durchsetzung von Gesetzen und Vorschriften. Mehrere Quellen würden laut dem IRB darauf hindeuten, dass in Zeiten christlicher Feiern spezielle Maßnahmen von den Behörden ergriffen würden, um Kirchen zu bewachen.
Der Professor an der American University in Kairo und der Assistenzprofessor an der Universität Kiel hätten sich hinsichtlich der staatlichen Reaktion auf Spannungen und Vorfälle dahingehend geäußert, dass es in größeren Städten eine geringere Wahrscheinlichkeit von Vorfällen religiös motivierter Gewalt gebe. Laut dem Assistenzprofessor könne dies eventuell auf eine im Gegensatz zu ländlichen Gebieten höhere Polizeipräsenz und -effektivität in urbanen Zentren zurückzuführen sein. Weiters habe der Assistenzprofessor angegeben, dass sich KoptInnen darüber beschwert hätten, dass die Polizei langsam reagiere und dass man sich nicht auf sie verlassen könne was den Schutz von KoptInnen bei gezielten Angriffen angehe. Die Täter würden meistens nicht strafrechtlich verfolgt, weil die Regierung sich für Versöhnungstreffen entscheide und die Anschuldigungen fallengelassen oder nicht verfolgt würden. In fast allen Fällen müssten die Opfer die Anklagen gegen diejenigen, die ihr Eigentum beschädigt hätten, fallenlassen, um "Frieden zu kaufen", und manchmal würden Leute auch entscheiden, das Gebiet zu verlassen, und dann üblicherweise in Städte ziehen. Der Assistenzprofessor an der Universität Kiel und der Professor an der American University in Kairo hätten angegeben, dass die Behörden in Zeiten religiös motivierter Gewalt zu Versöhnungstreffen aufrufen und Personen von beiden Seiten vorübergehend festnehmen würden. Diese würden jedoch später wieder freigelassen. Laut dem Assistenzprofessor würden ZeugInnen oft angeben, dass die Reaktion der Behörden mehr darin bestehe, die Situation zu beruhigen, als zu ermitteln und die Verantwortlichen ausfindig zu machen. Der Professor habe in ähnlicher Weise angegeben, dass dieses Reaktionsmuster darauf abziele, Spannungen für eine Zeit lang zu beseitigen, dass dies aber keine dauerhafte Lösung für die Probleme der religiös motivierten Gewalt sei. Der wissenschaftliche Mitarbeiter habe darauf hingewiesen, dass es durch diese Treffen eine "Ungleichheit in Bezug auf die Gerechtigkeit" gebe und die KoptInnen dazu gebracht würden, Zugeständnisse zu machen, wobei die Bedingungen der Versöhnung grobes Unrecht für die KoptInnen seien:
"2. Treatment [...]
In a telephone interview with the Research Directorate, an assistant professor of Middle Eastern studies at the University of Kiel, who specializes in contemporary Egypt, expressed his view that the risk of violence for Copts were the same in 2014 and ‚since the election of President al-Sisi,' noting that, although sectarian violence has decreased in comparison to 2013, ‚tensions and the threat of potential sectarian violence remain a constant problem' (Assistant Professor 14 Apr. 2015). In a telephone interview with the Research Directorate, a professor of Middle Eastern history at the American University in Cairo expressed the opinion that Copts have felt ‚more hopeful about their situation' with the election of President al-Sisi but that ‚the threat of sectarian violence and terrorist violence remains a general problem' (17 Apr. 2015).
The Assistant Professor explained that ‚sectarian violence' is a problem occurring mostly among ‚regular Muslims and Copts,' involving mob attacks on Coptic property, shops, and private homes, with the degree of violence ranging from damage and looting to arson and complete destruction of property, as well as verbal and/or physical assaults against individuals, sometimes leading to up to a ‚handful' of fatalities (Assistant Professor 14 Apr. 2015). He further explained that the purpose of such attacks is mostly to ‚intimidate and humble Christians, to destroy their livelihoods and possibly force them to migrate' (ibid.). The same source explained that, in contrast to sectarian violence, ‚terrorist attacks' against Copts are perpetuated and planned by a small group of people involving shootings or car bombs and are intended to target and kill larger numbers of people (ibid.). According to the Professor at the American University in Cairo, this violence tends to affect people who experience high levels of poverty and unemployment, and who are living in areas with relatively large Coptic populations or in peripheral urban areas where there is a high ‚Salafist fundamentalist presence' (Professor 17 Apr. 2015). [...]
2.1 Regions Where Coptic Christians Have Been Targeted
Sources report that Copts have been the target of violence and threats in the following locations:
Upper Egypt, particularly the governorates of Al Minya, Sohag (CSW 26 Sept. 2014; Professor 17 Apr. 2015; Assistant Professor 14 Apr. 2015), and Asyut [Asiut] (ibid.; CSW 26 Sept. 2014). Al-Monitor reports that sectarian problems have been ‚rampant' in Minya, particularly in the village of Delga (Al-Monitor 24 Apr. 2014).
Areas of Cairo (Research Fellow 1 May 2015; Assistant Professor 14 Apr. 2015) occupied by poor Coptic migrants arriving from Upper Egypt (ibid.).
North Sinai (Al-Monitor 7 Jan. 2014; Assistant Professor 14 Apr. 2015), where Copts have been targeted and 'severely threatened' by militias swearing allegiance to Islamic State (ibid.).
In a telephone interview with the Research Directorate, a Research Fellow at the Institute of Development Studies at University of Sussex, who has been researching Coptic issues since 1996, gave the view that ‚there is a constant unknown as to when a strike against [Copts] might occur and we cannot say that they are not always at risk even if they are not located in hotspots such as Upper Egypt'
[...]
2.3 Abductions [...]
According to the Egyptian NGO Association of Victims of Abduction and Forced Disappearance, cited by the Christian Post, between January 2011 and March 2014, 550 Coptic girls have been kidnapped, forced to convert to Islam, and forced to marry their captors (Christian Post 18 June 2014). The same source indicates that 40 percent of the girls were raped prior to the conversions and marriages (ibid.). The Research Fellow said that Coptic women who have been kidnapped have also been raped, in some cases by multiple perpetrators (1 May 2015). (Research Fellow 1 May 2015). [...]
3. Government Efforts Since 2014 [...]
The Assistant Professor explained that the Coptic Church has been 'optimistic' about changes to the legal framework in Egypt since al-Sisi was elected, but that the legal framework is less of a problem than the lack of effectiveness of state institutions in enforcing laws and regulations (Assistant Professor 14 Apr. 2015).
Sources indicate that in periods around Christian celebrations, authorities will take special measures to guard churches (Professor 17 Apr. 2015; EOHR 6 Jan. 2015; Ahram Online 13 Apr. 2015). [...]
3.1 Government Response to Tensions and Incidents
Sources indicate that there is less likelihood of instances of sectarian violence in larger cities (Professor 17 Apr. 2015; Assistant Professor 14 Apr. 2015). According to the Assistant Professor, this could be a ‚result of higher police presence and effectiveness in urban centers, as opposed to the countryside' (ibid.). [...]
According to the Assistant Professor, there have been complaints by Copts that the police are slow to respond, and ‚cannot be relied upon to protect Copts in situations of targeted violence' (Assistant Professor 14 Apr. 2015). The Assistant Professor indicated that, ‚[m]ostly, the perpetrators do not get prosecuted because the government opts for conciliation meetings and the charges are dropped or not pursued' (ibid.). The same source indicated that ‚in almost all cases' victims must drop charges against those who damaged their properties or assaulted them in order to ‚buy peace' and sometimes people also choose to leave the area, usually moving to cities (ibid.). [...]
Sources report that during periods of sectarian violence, authorities will call for conciliation meetings between sides, and make temporary arrests on both sides of the conflict (Professor 17 Apr. 2015; Assistant Professor 14 Apr. 2015), and those arrested are then later released (ibid.). [...]
According to the Assistant Professor, ‚witnesses often say that the [authorities'] response is more about calming the situation down than investigating and locating the people responsible' (Assistant Professor 14 Apr. 2015). Similarly, the Professor stated that this pattern of response tends to settle tensions for a time, but is ‚not a permanent solution' to the problems of sectarian violence (Professor 17 Apr. 2015). The Research Fellow indicated that ‚there is an inequality of justice' through these meetings and ‚Copts are made to make concessions' with the terms of the conciliation being a ‚gross injustice' for Copts (1 May 2015)." (IRB, 8. Juni 2015)
Die ägyptische koptische Wochenzeitung Watani berichtet im Juni 2015, dass es keine Anzeichen dafür gebe, dass die KoptInnen aus dem Dorf Kafr Darwish (100 Kilometer südlich von Kairo) Entschädigungszahlungen erhalten würden für die Schäden, die ihnen durch die Angriffe muslimischer Dorfbewohner im Vormonat entstanden seien. Radikale muslimische Jugendliche hätten am 24. Mai 2015 die KoptInnen in dem Dorf angegriffen, nach Behauptungen, dass Ayman Youssef Tawfiq, der derzeit in Jordanien arbeite, Cartoons auf Facebook veröffentlicht habe, die den Propheten Mohammed beleidigen würden. Die Familie von Ayman Youssef Tawfiq habe darauf bestanden, dass die Anschuldigungen falsch gewesen seien. Um die Gewalt einzudämmen seien schnell "Versöhnungssitzungen" abgehalten worden. Es sei entschieden worden, dass die Tawfiq-Familie das Dorf verlassen solle, damit sich die Situation beruhige. Letztendlich seien die vertriebenen KoptInnen am 2. Juni 2015 in das Dorf zurückgekehrt:
"There is no indication whatsoever as yet of any compensation to be paid to the Copts of the village of Kafr Darwish in al-Fashn, Beni Sweif 100km south of Cairo, for the losses they incurred on account of the attack waged against them by the village Muslims last month.
[...]
Radical Muslim youth attacked the Copts in Kafr Darwish on Sunday 24 May on account of claims that Ayman Youssef Tawfiq, who currently works in Jordan while his wife and children remain in Kafr Darwish, posted cartoons offensive to the Prophet Muhammad on his Facebook page. The family insist Ayman Tawfiq did not do that but was framed. In an attempt to contain the violence, a 'conciliation session' was quickly held by the local elders and security staff at the Fashn police station, and a later one at the house of the Mayor Ahmed Maher. It was decided that the Tawfiq family should leave the village in order for matters to calm down.
After the collective efforts of the Beni Sweif governor, Muhammad Selim and the Beit al-A'ila Organisation - a nation-wide State-sponsored organisation which includes as members Christian and Muslim clerics and laymen and which works to evade, abort, and dissipate sectarian conflict - the evicted Copts finally returned to their homes on 2 June." (Watani, 13. Juni 2015)
Der Fidesdienst, der missionarische Nachrichtendienst des Vatikans, berichtet im Juli 2015 Folgendes:
"Nach den gestrigen dschihadistischen Anschlägen gegen 18 Stellungen der ägyptischen Armee auf dem Nordsinai, bekundet die koptisch-orthodoxe Kirche ihre Verbundenheit mit den Soldaten und würdigt deren Kampf ‚gegen Kräfte des Bösen, die die Sicherheit der Region und der Welt bedrohen'.
Bei den Anschlägen starben rund ein Dutzend Soldaten. Wie die ägyptische Regierung mitteilt, sollen auch über einhundert dschihadistische Kämpfer ums Leben gekommen sein. Trotz einer seit Jahren anhaltenden Kampagne der Armee, gibt es im Norden des Sinai immer noch zahlreiche dschihadistische Gruppen, die nach eigenen Angaben mit dem Islamischen Staat in Verbindung stehen und deren Zielscheibe insbesondere koptische Christen sind. Nach Angaben des Patriarchats leben auf dem Sinai mindestens 400 koptische Familien, von denen viele bereits aus Sicherheitsgründen die Region verließen.
Insbesondere nahmen Übergriffe auf koptische Christen zu nachdem der Patriarch die Operationen unterstützte, die Anfang Juli 2013 zum Sturz des islamistischen Präsidenten Mursi führten. Am 6. Juli wurde der Priester und direkte Mitarbeiter von Bischof Kosman Mina Abud in el-Arish ermordet. Seither kam es immer wieder zu Morden und Entführungen unter den koptischen Christen. Unterdessen berichten lokale Medien, dass nach dem Mordanschlag gegen den Generalstaatsanwalt Hisham Barakat auch die Sicherheitsmaßnahmen für den koptisch-orthodoxen Patriarchen Tawadros II. verstärkt wurden."
(Fidesdienst, 2. Juli 2015)
Die britischen Tageszeitung The Guardian beschreibt im Juli 2015 in einem Artikel den Fall eines Mannes namens Fayek, der als Junge Fußball gespielt habe, dann aber die Sportart gewechselt habe, weil er es als Christ nie in die erste Mannschaft geschafft hätte. Fayek sei der Ansicht, dass ihn sein sozialer Status vor den schlimmsten Formen der Diskriminierung, denen ärmere ägyptische ChristInnen ausgesetzt seien, bewahrt habe. Er sei einer subtileren Form der Diskriminierung ausgesetzt gewesen, die dadurch zum Ausdruck gekommen sei, dass die höchsten Ebenen der Macht und in Bezug auf den Status für ihn unzugänglich gewesen seien. Während seines Wehrdienstes habe er SoldatInnen und Offiziere am Computer geschult. Als koptischer Christ habe er gewusst, dass er niemals zur Geheimdienst-Abteilung kommen würde. Es gebe keine ChristInnen im Oberste Rat der Streitkräfte. Laut Fayek sei es für KoptInnen weder möglich Militärkommandant noch Polizeichef zu werden.
Laut dem Guardian werde in Ägypten weithin angenommen, dass die KoptInnen zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen würden. Nach Angaben der KoptInnen seien sie heute sowohl mit offizieller Diskriminierung als auch mit der Gefahr gewalttätiger Angriffe durch Militante konfrontiert. Viele koptische ChristInnen hätten 2011 an den Aufständen teilgenommen, die zum Rücktritt von Präsident Hosni Mubarak geführt hätten. Seitdem seien KoptInnen in Schlüsselmomenten der turbulenten Jahre zum Ziel von gewalttätigen Angriffen geworden. Im Oktober 2011 seien 28 Personen getötet worden, als das Militär eine Menge koptischer DemonstrantInnen vor dem Gebäude des staatlichen Fernsehens in Kairo angegriffen habe. Religiöse motivierte Angriffe hätten im August 2013 nach dem staatlichen Vorgehen gegen die Muslimbrüder und der Absetzung von Präsident Mohamed Morsi ihren Höhepunkt gehabt. Mindestens 42 Kirchen seien im ganzen Land angegriffen worden, was Islamisten angelastet worden sei. Die Muslimbrüder hätten die Verantwortung für die Angriffe abgelehnt. Der jetzige ägyptische Präsident, Abdel-Fatah al-Sisi, habe geschworen, gegen Extremismus vorzugehen und eine neue Zeit der religiösen Einheit eingeleitet. Viele einfache KoptInnen und die offizielle Kirche würden ihre Unterstützung für Sisi öffentlich zum Ausdruck bringen. Einige koptische ExpertInnen seien jedoch besorgt wegen der Sicherheit und der Perspektiven in Bezug auf die Bürgerrechte der koptischen ChristInnen. Man werde jetzt von Extremisten und von Sicherheitskräften angegriffen, und das zusätzlich zu der althergebrachten Diskriminierung in staatlichen Einrichtungen, so Fayek. Es werde also schlimmer:
"Egypt: 'It pushes you to feel disengaged'
As a boy growing up in a country where football is a national passion, Mina Fayek joined a youth programme at a local sports club in the wealthy Cairo neighbourhood of Heliopolis. He started training, but one day he overheard his coach make an offhand remark:
no Christians would join the first team, or make it to the championships.
‚My parents and I knew this is not going anywhere, and I had to choose another game,' Fayek, 26, a software engineer and blogger, recalled. He tried handball and basketball, two sports seen as more acceptable for Egyptian Christians to play.
Fayek, an affable young man, believes his social status shielded him from the worst forms of persecution inflicted on poorer Egyptian Christians. Instead, he was subject to a more subtle form of discrimination: the sense that the highest echelons of power and status in his country were off limits because of his religion. During his 13 months of compulsory military service, he trained soldiers and officers in computer skills. As a Coptic Christian, he knew he could never serve in the intelligence branch. No Christians sit on the supreme council of armed forces. ‚It pushes you to feel disengaged from your country,' Fayek said. ‚How could someone maintain his love for his country - and be passionate about building it - while at the same time he can't be whatever he wants to be, whether a military commander or a police commander.'
Egypt is home to the largest Christian community in the Middle East, with the Copts widely estimated to be about 10% of the population. The exact figure is a matter of dispute, with the government and Coptic church offering varying estimates. In spite of a history of cooperation between the church and the Egyptian state, Copts today say they face both official discrimination and the threat of violent attacks by militants.
Numerous Egyptian Copts participated in the 2011 uprising that removed President Hosni Mubarak from power, and Copts have been targets of violence at key moments in the turbulent years since then. In October 2011, 28 people were killed when the military attacked a crowd of mainly Coptic demonstrators outside the state TV building in Cairo.
Sectarian attacks peaked in August 2013 in the wake of state crackdown on the Muslim Brotherhood after the removal of the Islamist president, Mohamed Morsi. Crowds of men attacked at least 42 churches across the country in a massive assault blamed on Islamists. The Muslim Brotherhood denied responsibility for the attacks.
Egypt's president, Abdel-Fatah al-Sisi, the former military chief who led Morsi's removal, has vowed to fight extremism and launch a new era of religious unity. Many ordinary Copts and the official church are vocal in their support for Sisi. But some Coptic analysts are concerned about both security and the prospects for Copts' civil rights.
‚You're getting attacked now by extremists and by security, so in addition to the old-time discrimination in state bodies. It's getting worse,' said Fayek." (The Guardian, 27. Juli 2015)
Die Wochenzeitung Watani veröffentlicht im August 2015 einen Meinungsartikel ihres Chefredakteurs Youssef Sidhom, in dem dieser erwähnt, dass viele Forderungen der KoptInnen in Ägypten nach wie vor nicht erfüllt seien. Die Forderungen würden vor allem die Ungleichheit zwischen KoptInnen und anderen ÄgypterInnen in Bezug auf Bürgerrechte betreffen. Darüber hinaus werde ein Familienrecht für ChristInnen gefordert. Zudem seien KoptInnen in Ägypten weiterhin Unterdrückung und terroristischer Gewalt ausgesetzt, vor allem in Oberägypten:
"Copts in Egypt have specific demands many of which remain unfulfilled. These demands pertain in the major part to rectifying the inequality between Copts and other Egyptians where citizenship rights are concerned. Not least among the unfulfilled demands are the Coptic Church's requirement of a just law for the building and restoration of churches and a family law for Christians. All these demands are backed by the Constitution and are not open to negotiation, but we all know that they remain unfulfilled because they await a new parliament to pass them as law.
Copts thus anticipate legislative reform that would realise their aspirations for equality and full citizenship rights. This goes hand in hand with respect for the law, and equality in duties as well as rights. True, Copts still suffer from oppression and terrorist violence especially in Upper Egypt, but this is expected to come to an end once terrorism is defeated and the country attains security and stability under the rule of law." (Watani, 1. August 2015)
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 14. August 2015)
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Ägypten: Informationen zur Lage von KoptInnen [a-8837-2 (8838)], 10. September 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/286117/418043_de.html
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Ägypten: Lage koptischer ChristInnen seit dem Sturz von Präsident Mursi im Juli 2013 [a-8643], 18. März 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/273675/402708_de.html
AI - Amnesty International: Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Egypt, 25. Februar 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/297400/444521_de.html
AP - Associated Press: Gunmen Kill 2 Egyptian Policemen Guarding Coptic Church, 6. Jänner 2015 (veröffentlicht von der New York Times)
http://www.nytimes.com/aponline/2015/01/06/world/middleeast/ap-ml-egypt.html
Egypt Independent: Nine injured in sectarian clashes in Minya, 5. April 2015
http://www.egyptindependent.com/news/nine-injured-sectarian-clashes-minya
Egypt Independent: Church approves eviction of Coptic family following blasphemy feud, 4. Juni 2015
http://www.egyptindependent.com/news/church-approves-eviction-coptic-family-following-blasphemy-feud
Fidesdienst: Nach dschihadistischen Anschlägen würdigt koptische Kirche den Kampf der Armee "gegen die Kräfte des Bösen", 2. Juli 2015
Freedom House: Freedom in the World 2015 - Egypt, 28. Jänner 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/295963/431395_de.html
IRB - Immigration and Refugee Board of Canada: Egypt: Situation of Coptic Christians, including treatment; state protection available (2014-May 2015) [EGY105152.E], 8. Juni 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/local_link/305158/442330_de.html
Kurier: "Revolution hat unsere Angstbarriere beseitigt", 24. Juni 2014
MRG - Minority Rights Group International: World Directory of Minorities and Indigenous Peoples, November 2013
http://www.minorityrights.org/3933/egypt/copts.html
MRG - Minority Rights Group International: Peoples under Threat 2015, 20. Mai 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1432891007_mrg-swm15-putbrief-comb-8.pdf
ORF: Kopten: Spielball der Mächte in Ägypten, 17. Februar 2015
http://religion.orf.at/stories/2695138/
Radio Vatikan: Ägypten: Islamisten drohen Kopten, 28. April 2015
http://de.radiovaticana.va/news/2015/04/28/ägypten_islamisten_drohen_kopten/1140263
The Guardian: Christians under pressure: from bigotry at school to imprisonment and murder, 27. Juli 2015
The Independent: Coptic Christians: Who Are They - And Why Have They Been Targeted by ISIS in Beheading Video? 19. Mai 2015 (verfügbar auf Factiva)
TT - Tiroler Tageszeitung: Nicht alle Kopten stehen hinter Ägyptens Präsident Sisi, 1. Juni 2015
http://www.tt.com/home/10089746-91/nicht-alle-kopten-stehen-hinter-ägyptens-präsident-sisi.csp
USCIRF - US Commission on International Religious Freedom: USCIRF; Annual Report 2015; 2015 Country Reports: Tier 1 CPCS recommended by USCIRF; Egypt, 30. April 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1432895459_egypt-2015.pdf
Watani: No compensation for Copts in Kafr Darwish, 13. Juni 2015
Watani: Not only churches, mosques too, 1. August 2015
http://en.wataninet.com/opinion/editorial/not-only-churches-mosques-too/14340/
2. Beweiswürdigung:
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerden folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführer:
2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Die Beschwerdeführer gelangten mit gültigen Reisepässen und einem Visum in das Gebiet der Europäischen Union.
2.2.2. Die Beschwerdeführer befinden sich in der Grundversorgung. Das ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten GVS-Auszug.
2.2.3. Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
2.2.4. Die Feststellung zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer ergibt sich aus den Aussagen der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes. Zudem wurden vom Erstbeschwerdeführer ärztliche Befunde (insb. Bestätigung des XXXX XXXX vom 16.09.2015) nachgereicht, welchen zu entnehmen ist, dass der Erstbeschwerdeführer wegen hypertensiven Entgleisungen und einem Verdacht auf sekundäre Hypertonie für zwei Tage stationär aufgenommen worden war.
2.2.5. Die Feststellung zum gemeinsamen Familienleben ergibt sich aus den Aussagen der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung und den Auszügen aus dem Zentralen Melderegistern.
2.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführer:
2.3.1. Die Beschwerdeführer hatten vorgebracht, in Ägypten finanziell abgesichert ein zufriedenstellendes Leben geführt zu haben, ehe sie in den Fokus eines Nachbarn, welcher fundamentalistische islamische Ansichten habe und über ein umfassendes soziales Netzwerk verfüge, gerieten. Die Belästigungen, welche auf der Ablehnung des koptischen Glaubens der Beschwerdeführer basierten, würden sich zusehends gesteigert haben, bis hin zu Bedrohungen gegenüber der minderjährigen Tochter, als unter dem Vorwand einer gesundheitlichen Aktion die Frage der weiblichen Genitalverstümmelung der Tochter in den Raum gestellt worden war. Als die Beschwerdeführer versuchten haben würden, gegen die Belästigungen mit einer Anzeige bei der Polizei vorzugehen, seien sie dort schikaniert worden und würden keinen Schutz bekommen haben. Die Verfolgungshandlungen würden in der Vergewaltigung der Zweitbeschwerdeführerin durch den Nachbarn ihren Höhepunkt erreicht haben. Die Beschwerdeführer würden sich in der Folge in einem kleinen Dorf versteckt haben. Sie würden den Kontakt zu ihrer Familie abgebrochen haben, da der Nachbar nach der Vergewaltigung seinen Anspruch auf die Zweitbeschwerdeführerin geltend gemacht habe und sowohl bei der koptischen Kirche wie auch bei der Familie der Zweitbeschwerdeführerin und bei den Behörden mithilfe eines gefälschten Dokumentes die Zweitbeschwerdeführerin zu seiner Ehefrau erklärt habe.
2.3.2. Das Bundesamt hatte dieses Vorbringen der Beschwerdeführer als unglaubhaft qualifiziert und dies insbesondere damit begründet, dass die Verfolgung durch Privatpersonen nicht zur Gewährung von internationalem Schutz führen könne. Darin irrt das Bundesamt, kann dies doch der Fall sein, wenn die staatlichen Behörden aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention keinen Schutz vor privaten Verfolgungshandlungen bieten. Das Bundesamt argumentierte weiter, dass die Vergewaltigung von Frauen in Ägypten unter Strafe stehe. Dies alleine vermag aber noch keinen Schutz des Staates darzulegen, wenn eine tatsächliche Verfolgung dieser Straftat aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention nicht erfolgt.
2.3.3. Die Vergewaltigung als solche wurde vom Bundesamt auch als nicht glaubhaft gewertet und dies mit dem Argument, dass dies im Widerspruch dazu stehe, dass die Zweitbeschwerdeführerin "kurze Zeit später wieder in der Lage [gewesen sei] Geschlechtsverkehr zu haben und ein Kind zu zeugen." Die sei nach allgemeiner Denklogik eines durchschnittlichen Menschen nicht nachvollziehbar. Unabhängig von der auch in der Beschwerde getroffenen Feststellung, dass die zweite Tochter vier Jahre nach der Vergewaltigung geboren wurde, verbietet sich allerdings in diesem Bereich aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes eine "nach allgemeiner Denklogik" getroffene Feststellung, welche wohl selbst für einen psychologischen Fachexperten schwer zu treffen wäre.
2.3.4. Wenn das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zur Feststellung gelangt, "dass es keine nennenswerten Probleme zwischen Christen und Muslime im Alltag gebe" und dies darauf stützt, dass Zivilpersonen befragt worden seien, "die deutlich angaben, dass alle gut miteinander auskommen würden und es keine derartigen Vorfälle gäbe", steht dies in fundamentalen Widerspruch zu den ebenfalls im angefochtenen Bescheid zitierten Länderfeststellungen, welche davon sprechen, dass die interkonfessionelle Gewalt vor allem gegen Christen zugenommen. Diese Feststellung steht auch in Widerspruch zum Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes und scheint auf folgender Passage des Berichtes des Vertrauensanwaltes vom XXXX zu basieren, in welcher in der Wohngegend der Beschwerdeführer ein Ladeninhaber nach dem Vater des Erstbeschwerdeführers gefragt wurde:
"Er führte weiter aus, dass es in dieser Gegend wenige Christen gibt, dass diese sich alle kennen und dass er es nicht wisse und er einen Christen fragen müsse. Überrascht wurde die Frage gestellt warum es nur so wenige gäbe und ob es Probleme geben würde. Da lachte er nur und sagte, nein, wir haben uns sehr gerne." Allein auf Basis dieser Aussage die Feststellung zu treffen, dass es in Ägypten keine Probleme für Kopten geben würde, erscheint aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes unangemessen.
2.3.5. Das Bundesamt stützt sich in seiner Beweiswürdigung wesentlich auch auf den Umstand, dass in den zwei Vorortrecherchen des Vertrauensanwaltes die Adresse der Beschwerdeführer nicht habe verifiziert werden können und man auch am Arbeitsplatz des Erstbeschwerdeführers behauptet habe, diesen nicht zu kennen. Damit sei das ganze Vorbringen als unglaubhaft zu qualifizieren. Diesbezüglich ist allerdings darauf zu verweisen, dass ein Bericht eines Vertrauensanwaltes nicht mit einem Sachverständigenbeweis gleichzusetzen ist, sondern als Beweis sui generis in die Beweiswürdigung miteinzubeziehen ist. Eine Analyse der gegenständlichen Berichte des Vertrauensanwaltes zeigt allerdings einige Unstimmigkeiten auf. So gab der Vertrauensanwalt in beiden Berichten an, die Adresse der Beschwerdeführer nicht zu finden. Von Seiten der Beschwerdeführer wurden allerdings verschiedene Verträge, wie etwa Stromrechnungen, und ein Konvolut an Fotos vorgelegt, welche aufzeigen würden, dass der Vertrauensanwalt in der Nachbarschaft der Beschwerdeführer war. Die Beschwerdeführer waren in Bezug auf die Recherchen des Vertrauensanwaltes zu ihrer Wohnung durchaus in der Lage, überzeugende Gegenargumente darzulegen. Der Vertrauensanwalt erklärt darüber hinaus, dass der Arbeitsplatz des Beschwerdeführers, ein Lokal, existiere, dass man ihn dort aber nicht kenne. Dies mag einer natürlichen Abwehr gegenüber Fragen der Behörden geschuldet sein und ist darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer sowohl im Reisepass diesen Arbeitsplatz angegeben hat als auch einen entsprechenden Sozialversicherungsauszug vorweisen konnte. Die sonstigen Angaben des Vertrauensanwaltes erscheinen wenig hilfreich, etwa wenn erklärt wird, es liege keine Anzeige einer Christin wegen einer Vergewaltigung vor. Dies wurde von den Beschwerdeführern ja gerade nicht behauptet. Es spricht auch nicht gegen das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin, wenn der Vertrauensanwalt erklärt, dass er im Internet keine Berichte über die Vergewaltigung gefunden habe. Aus Sicht der erkennenden Richterin tragen die gegenständlichen Berichte des Vertrauensanwaltes kaum zu einer tragfähigen Beurteilung der Glaubhaftmachung des Vorbringens bei; es erscheint kaum möglich, sie zugunsten oder zu Ungunsten des Vorbringens der Beschwerdeführer zu verwerten und bleiben sie daher für die vorliegende Entscheidung großteils unberücksichtigt.
2.3.6. Die vom Bundesamt dargelegten Widersprüche und Ungereimtheiten erscheinen aus Sicht der erkennenden Richterin nicht unbedingt geeignet, das Vorbringen der Beschwerdeführer von vornherein als unglaubhaft zu qualifizieren. Da im gegenständlichen Verfahren die Aussagen der Beschwerdeführer die zentrale Erkenntnisquelle darstellen, müssen die Angaben der Beschwerdeführer bei einer Gesamtbetrachtung auf ihre Glaubhaftmachung überprüft werden. Generell ist zur Glaubhaftmachung eines Vorbringens auszuführen, dass eine Aussage grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren ist, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Beschwerdeführer sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.
h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Beschwerdeführer den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Beschwerdeführer nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.
2.3.7. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.12.2015 und genauem Studium der bisherigen Aussagen der Beschwerdeführer kommt die erkennende Richterin aber ebenfalls zum Schluss, dass das Vorbringen - zumindest in wesentlichen Teilen - konstruiert ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.12.2015 wurden Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin getrennt befragt. Beide antworteten durchaus gleichlautend und detailreich. Das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung erschien auf den ersten Blick widerspruchsfrei und konsistent. Ein genauer Abgleich mit den vorher getroffenen Aussagen der Beschwerdeführer offenbart allerdings nicht zu erklärende Widersprüche.
2.3.8. Der erste Vorfall mit dem Nachbarn sei die Belästigung im Rahmen einer Gebets- bzw. Tauffeier gewesen. Der Nachbar sei, herangelockt durch den Weihrauch, in die Wohnung gestürmt und habe sie als Zauberer beschimpft und sich darüber beschwert, dass auch ein muslimischer Gast, dessen Vater er gekannt habe, zugegen gewesen sei. Bereits bei diesem Vorfall zeigen sich gewisse Abweichungen in den jeweiligen Darstellungen. So wurde in der Erstbefragung sowohl vom Erstbeschwerdeführer als auch von der Zweitbeschwerdeführerin erklärt, diese Feier habe am XXXX stattgefunden, während in allen späteren Einvernahmen vom XXXX die Rede war. Dies wurde von den Beschwerdeführern mit Übersetzungsproblemen begründet. Darüber hinaus wurde bei der Erstbefragung von beiden erklärt, dass der Erstbeschwerdeführer den Nachbarn beruhigt habe. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt am 31.10.2014 meinten dagegen beide, dass der Vater der Zweitbeschwerdeführerin und der Priester den Nachbarn beruhigt haben würden. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.12.2015 meinte der Erstbeschwerdeführer, dass sein islamischer Freund, sein Schwager und der Priester mit dem Nachbarn hinausgegangen seien. Es wird von der erkennenden Richterin nicht verkannt, dass es in Asylverfahren tatsächlich immer wieder zu Ungereimtheiten aufgrund von Übersetzungsproblemen - trotz Rückübersetzung, welche auch im vorliegenden Verfahren immer vorgenommen worden war - kommen kann; dennoch fällt auf, dass die Darstellung der beiden Beschwerdeführer zwischen den jeweiligen Einvernahmen voneinander abweicht, zu den jeweiligen Einvernahmen aber von beiden die gleichen Aussagen getätigt werden, was auch der Fall wäre, wenn die Geschichte im Vorfeld abgesprochen wäre. Die dargelegten Ungereimtheiten alleine wären aber sicherlich nicht ausreichend, um das Vorbringen als unglaubhaft einzuordnen.
2.3.9. Unstimmigkeiten werden aber auch in Bezug auf den nächsten Vorfall deutlich. Dabei ging es darum, dass von der Frau des Nachbarn nach der Genitalverstümmelung der Tochter (Drittbeschwerdeführerin) gefragt worden sei. In der Erstbefragung wurde dies sowohl vom Erstbeschwerdeführer als auch von der Zweitbeschwerdeführerin folgendermaßen geschildert: "Am XXXX bei unserer Weihnachtsfeier kam die Frau vom Salafisten und fragte mich/meine Frau, ob unsere Tochter beschnitten ist. Ich/meine Frau verneinte und sagte ihr, dass wir Christen sind und so etwas nicht machen." Ab der Einvernahme durch das Bundesamt am 30.10.2014 wurde dieser Vorfall dann aber von beiden anders geschildert; es war keine Rede mehr von der Weihnachtsfeier und zudem wurden weitere Frauen ins Spiel gebracht. Es wurde nun so geschildert, dass zwei als Krankenschwestern gekleidete Frauen gekommen seien und unter dem Vorwand, die Tochter impfen zu wollen, in die Wohnung gekommen seien. Die Frau des Nachbarn sei dazu gekommen und habe gefragt, ob die Tochter beschnitten sei. Man habe dann versucht, die Tochter zu nehmen, sie sei auf den Boden gefallen und die Frauen in der Folge weggerannt. Die Zweitbeschwerdeführerin sei dann mit dem Taxi zu ihren Eltern gefahren und habe von unterwegs ihren Mann angerufen. Der Umstand, dass ausgesagt wurde, dass der Erstbeschwerdeführer bei der Arbeit gewesen war, passt nicht unbedingt damit zusammen, dass dieser Vorfall bei der Erstbefragung auf den Weihnachtstag datiert worden war und die Rede davon war, dass der Vorfall sich bei der Weihnachtsfeier ereignet habe. Auch dies würde für sich genommen aber noch nicht ausreichen, um das Vorbringen als unglaubhaft zu qualifizieren.
2.3.10. Als schwerwiegendste Verfolgungshandlung wurde die Vergewaltigung der Zweitbeschwerdeführerin durch den islamistischen Nachbarn vorgebracht. In der Einvernahme durch das Bundesamt am 30.10.2014 erklärte der Erstbeschwerdeführer, dieser Vorfall habe sich am XXXX ereignet. In der Folge spricht er aber von Demonstrationen, der Absetzung des Präsidenten und des Brandes von Polizeistationen. Ganz offensichtlich war der XXXX gemeint, wie dies auch in der schriftlichen Stellungnahme vom 19.12.2014, in der Stellungnahme vom Mai 2015 ("Der Vorfall der Vergewaltigung liegt 4 Jahre zurück") und im Beschwerdeschriftsatz ausgeführt wird. Auch in der mündlichen Verhandlung betonte die Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen der Rückübersetzung, dass es sich um Geschehnisse im Jahr 2011 handeln würde. Das Bundesamt scheint im angefochtenen Bescheid allerdings vom Jahr 2012 auszugehen, wird dort doch ausgeführt:
"Weiter ist nicht nachvollziehbar, wieso Sie sich mit der gesamten Familie nach dem geschilderten Vorfall noch sechs Monate in Ägypten aufgehalten haben, um Ihre Ausreise (Anmerkung der erkennenden Richterin: Die Ausreise erfolgte im XXXX XXXX .) vorzubereiten. Wären Sie aufgrund der Bedrohung, wie von Ihnen vorgebracht, tatsächlich nirgendwo in Ägypten in der Lage zu leben, hätten Sie auch nicht noch ein halbes Jahr in Ägypten verbleiben können, um Ihre Ausreise zu organisieren, sondern hätten Ägypten unverzüglich nach dem Vorfall, wenigstens in ein Nachbarland, verlassen." In der Beschwerde wird diesem Argument entgegengehalten: "Mir wird vorgeworfen, dass ich mich mit meiner Familie nach dem Vorfall, den wir erlebt haben, noch weitere sechs Monate in Ägypten aufgehalten habe, um unsere Ausreise vorzubereiten. Diesbezüglich möchte ich anführen, dass wir nie gedacht haben, dass wir unsere Heimat einmal verlassen müssten. [...] Als ich das Telefonat mit dem Priester beendet habe, habe ich mich dazu entschieden, mit meiner Familie nach Loksor (liegt zwölf Stunden von Kairo entfernt) zu anderen Verwandten meiner Ehefrau zu fahren. Wir waren etwa eine Woche bei den Verwandten meiner Frau, bis wir eine Wohnung in einem kleinen Dorf in der Nähe von Loksor gefunden haben. Wir kannten in diesem Dorf niemanden und haben den Kontakt mit den Einwohnern vermieden, weil wir große Angst um unser Leben hatten. [...] Schließlich haben wir ein österreichisches Visum bekommen und haben Ägypten auf legalem Weg verlassen. Bereits vorher in ein Nachbarland auszureisen, wie es die belangten Behörde auf S. 39 des ggst. Bescheides schreibt, war nicht möglich. Alle Nachbarländer Ägyptens sind streng islamisch, wodurch das Leben eines Christen (Orthodox) ständig in großer Gefahr ist und ebenso herrschen in allen angrenzenden Ländern Unruhen." Diesen Argumenten des Erstbeschwerdeführers ist durchaus etwas abzugewinnen, solange man davon ausgeht, dass zwischen Vergewaltigung und Ausreise sechs Monate liegen. Im Übrigen ist es auch bemerkenswert, dass in der Beschwerde dieser Fehler der belangten Behörde nicht korrigiert, sondern fortgesetzt wird. Tatsächlich liegen aber zwischen der Vergewaltigung am XXXX und der Ausreise am XXXX eineinhalb Jahre. Der Zeitpunkt der Vergewaltigung muss auch - abgesehen davon, dass er mit der Ausnahme einer Einvernahme am 30.10.2014 immer auf das Jahr 2011 datiert wurde - deswegen jedenfalls mit dem XXXX angenommen werden, weil die Erzählung zu den Geschehnissen rund um die Vergewaltigung immer wieder darum kreist, dass in diesen Tagen die Unruhen ausgebrochen seien, die zum Sturz des Präsidenten geführt haben würden und dass an diesen Tagen auch Polizeistationen gebrannt haben würden. Diese Geschehnisse fanden im Jahr 2011 statt (vgl. etwa die Chronologie der Ereignisse auf Wikipedia;
https://de.wikipedia.org/wiki/Revolution_in_Ägypten_2011 ;
Zugriff am 28.12.2015: "Am 25. Januar 2011 begannen in den großen Städten Ägyptens Demonstrationen, die am Freitag, dem 28. Januar 2011, bezeichnet als "Tag des Zorns", einen ersten Höhepunkt erlebten. Die Demonstranten wendeten sich vor allem gegen das von Oktober 1981 bis Februar 2011 bestehende Regime des damals noch amtierenden ägyptischen Präsidenten Muhammad Husni Mubarak, dem Korruption und Amtsmissbrauch vorgeworfen wurde. Am 29. Januar 2011 berief Mubarak mit Omar Suleiman einen Vizepräsidenten, dem jener Teile seiner Macht übertrug. Dennoch wurde Mubarak am 11. Februar 2011 zum Rücktritt gezwungen."). Wenn man nun von einem Zeitraum von eineinhalb Jahren ausgeht, welchen die Familie in Ägypten noch verbrachte, ist dem Bundesamt zuzustimmen, dass dies tatsächlich dagegen spricht, dass die Beschwerdeführer Angst um ihr Leben hatten bzw. haben mussten. Der ägyptische Reisepass für die Familienmitglieder wurde jeweils am XXXX ausgestellt. Dies würde bedeuten, dass erst mehr als ein Jahr nach dem Vorfall der Reisepass ausgestellt wurde. Es wurde nie vorgebracht, dass es außerordentlich schwierig gewesen wäre, den Reisepass zu besorgen. Auf die Frage an den Erstbeschwerdeführer in der Einvernahme am 30.10.2014, warum die ganze Familie sich am XXXX neue Reisepässe habe ausstellen lassen, antwortete dieser nur: "Das war genau diese Zeit, als sie Angst hatte, meine Frau wollte weg, deshalb hat sie neue Pässe machen lassen." Zudem steht die Ausstellung der Reisepässe mehr als ein Jahr nach der Vergewaltigung im Widerspruch zu der - von den Beschwerdeführern behaupteten - sofort nach der Vergewaltigung begonnenen Suche des Nachbarn nach der Zweitbeschwerdeführerin und der Einschaltung der Behörden durch den Nachbarn. Nach dem von den Beschwerdeführern erstatteten Vorbringen habe dieser ja bereits zwei Tage nach der Vergewaltigung bei der Kirche einen "Zettel" gezeigt und behauptet, die Zweitbeschwerdeführerin sei seine Frau. Wenn er tatsächlich die von den Beschwerdeführern behauptete Macht hätte, die Behörden dazu zu bewegen, die Zweitbeschwerdeführerin festzunehmen und ein Reiseverbot zu erlassen, wäre es doch erstaunlich, dass er seine Macht erst eineinhalb Jahre nach dem Vorfall geltend machte, so dass die Zweitbeschwerdeführerin, ihr Mann und ihre Tochter im XXXX XXXX noch problemlos neue Reisepässe bekamen, mit denen sie im XXXX XXXX ausreisten.
2.3.11. Ein weiteres Indiz, dass sich die Familie nicht wie behauptet eineinhalb Jahre versteckt gehalten hatte, liegt in dem vom Erstbeschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten Sozialversicherungsauszug (AS 259). Dieser nennt als Arbeitsbeginn des Erstbeschwerdeführers beim Restaurant A. den 20.02.2012. In der dazugehörigen Stellungnahme vom 18.12.2014 schreibt der Erstbeschwerdeführer: "Als Beweis lege ich eine Kopie des Sozialversicherungsauszuges vor. Zu meinem Namen wird angegeben, dass ich im Lokal A. mit XXXX begonnen habe zu arbeiten.". Dies ist absolut nicht in Einklang damit zu bringen, dass sich der Erstbeschwerdeführer seinen eigenen Angaben nach zu diesem Zeitpunkt bereits seit über einem Jahr versteckt gehalten habe und nie mehr in seinem Restaurant gewesen sei.
2.3.12. Das Vorbringen bleibt aus Sicht der erkennenden Richterin nicht nachvollziehbar, wenn es sich auf jene Geschehnisse bezieht, welche nach der Ausreise der Beschwerdeführer aus Ägypten stattgefunden haben sollen. So findet sich im Einvernahmeprotokoll des Erstbeschwerdeführers beim Bundesamt die Aussage, dass sein Schwiegervater nach einer Anzeige des Nachbarn für zwei Tage festgehalten worden sei. Vor dem Bundesverwaltungsgericht spricht der Erstbeschwerdeführer - ebenso wie seine Frau bereits vor dem Bundesamt - davon, dass der Schwiegervater am selben Tag wieder entlassen worden sei und erklärt den Widerspruch mit einer falschen Protokollierung beim Bundesamt. Allerdings ist dies wenig glaubhaft, wenn man sich das Protokoll der Einvernahme vom 30.10.2014 ansieht, bei dem die Aussage des Erstbeschwerdeführer folgendermaßen protokolliert wurde: "Ich habe eine gewisse Zeit lang immer bei meinen Schwiegereltern angerufen und mein Schwiegervater war nie da. Meine Schwiegermutter hat dann gesagt, dass er seit zwei Tagen nicht mehr nach Hause gegangen ist. [...] Man hat meinen Schwiegervater zwei Tage lang verhaftet." Dass es sich hierbei um einen Übersetzungs- oder Protokollierungsfehler handelt, ist wenig plausibel, vor allem da die Aussage, er habe seinen Schwiegervater nie telefonisch erreicht, nicht in Einklang mit einer Abwesenheit von weniger als einem Tag gebracht werden kann.
2.3.13. Es erscheint auch fragwürdig, dass der Nachbar tatsächlich mit einer gefälschten Heiratsurkunde seinen Anspruch auf die Zweitbeschwerdeführerin bei den Behörden geltend gemacht haben soll. Vielmehr scheint diesbezüglich auch die Zweitbeschwerdeführerin sehr vage in ihrer Erklärung, wie sich aus dem folgenden Ausschnitt aus dem Verhandlungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.12.2015 zeigt (RI=Richterin;
BF=Zweitbeschwerdeführerin):
"RI: Wie kommt XXXX zu dieser Heiratsurkunde?
BF: Ich weiß es nicht. Er ist so ein Mensch, der alles machen kann. In der letzten Zeit war es in Ägypten immer mehr normal, Frauen zu entführen und zu vergewaltigen und sie zwangsweise zum Islam konvertieren zu lassen.
RI: Was glauben Sie, wenn Sie sich an die ägyptischen Behörden wenden würden und erklären würden, dass diese Heiratsurkunde eine Fälschung ist, was würden die Behörden machen?
BF: Sie hätten das damals schon machen können, als er damals zur Polizei gegangen ist. Er ist nicht nur zur Polizei gegangen, sondern auch zur nationalen Sicherheitsbehörde, die an der Spitze steht. Er wäre nicht dorthin gegangen, wenn die Urkunde eine Fälschung wäre.
RI: Ich gehe davon aus, dass auch in Ägypten die Heiratsurkunde die Unterschrift der Frau braucht.
BF: Richtig.
RI: Wenn Sie nicht unterschrieben haben, muss es eine Fälschung sein.
BF: Ich hatte Angst, weil ich wusste, dass ich in Ägypten keine Rechte habe. Ich hatte auch Angst, dass ich nicht bei meiner Familie bleiben kann, deswegen habe ich keine Anzeige gemacht.
RI: Haben Sie jemals etwas unterschrieben?
BF: Nein, niemals.
RI: Dann ist diese Heiratsurkunde eine Fälschung?
BF: Ja natürlich."
2.3.14. Weitere Ungereimtheiten zeigen sich in der Schilderung des Brandes, den der Nachbar in der Wohnung der Beschwerdeführer gelegt haben soll. In der Einvernahme durch das Bundesamt am 30.10.2014 erklärte der Erstbeschwerdeführer: "Ich möchte noch ergänzen, dass, als ich in Frankreich war, hatte ich Kontakt mit meiner Familie in Ägypten. Ich sagte ihnen, sie sollen mir alles bringen, was ich an Papieren noch in meiner Wohnung habe. Sie haben aber immer Ausflüchte gefunden und Ausreden gebracht. Sie sagten mir dann, dass A. [der Nachbar] in meiner Wohnung war und alles verbrannt hat und vom Balkon im fünften Stock geschmissen hat." Seine Ehefrau, die Zweitbeschwerdeführerin, meinte am selben Tag: "Ich habe noch Beweise, dass es gegen mich eine Anzeige vom Staat gibt und dass von der Polizei ein Ausreiseverbot gegen mich besteht. Diese Sachen sind in der Wohnung, die verbrannt ist. Leider kann ich ihnen die anderen Sachen nicht vorlegen, die sind in der Wohnung verbrannt. [...] Als wir in Frankreich waren, sind wichtige Sachen passiert. Ich habe genau mitbekommen, dass er gegen mich eine Anzeige erstattet hat und dass er mich sucht und ich habe noch mitbekommen, wir wollten nämlich Papiere und Beweise aus unserer Wohnung haben, aber als ich angerufen habe, haben sie immer Ausreden gesucht, danach haben wir mitbekommen, dass dieser XXXX unsere Wohnung verbrannt hat, er hat alles verbrannt und weggeschmissen." Dies klingt nach einem Brand, der eine große Verwüstung nach sich zog und wichtiges Beweismaterial vernichtete. Auf die Frage der erkennenden Richterin, dass es verwunderlich sei, dass der Nachbar eine Wohnung anzünde, über der er selber wohne, wurde das Geschehen vom Erstbeschwerdeführer dann abgemildert geschildert: "Ich weiß auch nicht, was er genau angezündet hat. Ob er zum Beispiel nur die Bibel und religiöse Symbole angezündet hat. Ich kann das leider nicht genau sagen." Es ist auch gänzlich unlogisch, dass sich in der Wohnung Beweise für die Anzeige bei den Behörden und das Ausreiseverbot befunden haben sollten, wenn die Familie die Wohnung doch unmittelbar nach der Vergewaltigung - und damit vor dem angeblichen Kontakt des Nachbarn mit den Behörden - verlassen haben will.
2.3.15. Zusammengefasst kommt das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der soeben dargelegten Ungereimtheiten zum Schluss, dass sich die Ereignisse jedenfalls nicht in der dargestellten Form zugetragen haben. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Familie nicht Opfer von Diskriminierung war, es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Zweitbeschwerdeführerin Opfer einer Vergewaltigung war, die behauptete Chronologie der Ereignisse sowie die Behauptung, man habe sich versteckt gehalten und werde von der Polizei gesucht, sind aber aus Sicht der erkennenden Richterin jedenfalls nicht glaubhaft.
2.3.16. Die Beschwerdeführer hatten dem Bundesverwaltungsgericht - wie auch schon im erstinstanzlichen Verfahren dem Bundesamt - Aufnahmen (auf CD-Rom bzw. USB-Stick) von Nachbarn der Beschwerdeführer in Ägypten zur Verfügung gestellt, von welchen der Wohnort bestätigt werden sollte. Das erstinstanzliche Verfahren hatte sich großteils um die Frage gedreht, ob die Beschwerdeführer tatsächlich an der behaupteten Adresse wohnhaft waren. Der Erstbeschwerdeführer hatte diesbezügliche Bescheinigungen (Stromrechnung, Mietvertrag, etc.) vorgelegt, der Vertrauensanwalt hatte allerdings die Adresse nicht finden können. Aus Sicht der erkennenden Richterin handelt es sich hierbei aber um keine zentrale Frage des Verfahrens und spricht tatsächlich auch einiges dafür, dass der Wohnort der Familie korrekt angegeben wurde. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Familie tatsächlich an diesem Ort von einem islamistischen Nachbarn schikaniert und verfolgt worden war. Dies wäre allerdings als Verfolgung durch Privatpersonen zu qualifizieren, welche nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumiieren ist. Dies wäre nur der Fall, wenn der ägyptische Staat aus einem Konventionsgrund keinen Schutz gegen diese Verfolgung bieten würde. Die Beschwerdeführer versuchten dies glaubhaft zu machen, doch ist das Vorbringen, sobald es zu den Punkten der fehlenden Schutzfähigkeit kommt, nicht mehr plausibel:
weder bei der Frage der Inhaftierung des Vaters der Zweitbeschwerdeführerin, noch beim nach der Ausreise erfolgten Brand, der alle Beweismittel vernichtet habe, und auch nicht in Bezug auf die angeblich vom Nachbarn vorgewiesene Heiratsurkunde. Auch das Versteckt-Halten in einem kleinen Dorf ist nicht glaubhaft, insbesondere da in diese Zeit der Arbeitsbeginn des Beschwerdeführers laut Sozialversicherungsauszug fällt und zudem in dieser Zeit für alle Mitglieder der Familie Reisepässe ausgestellt worden waren.
2.3.17. Die Zweitbeschwerdeführerin erklärt, dass sie landesweit von den Behörden gesucht werde, da der Nachbar behaupten würde, dass er mit ihr verheiratet sei. Wie dargelegt ist dies nicht glaubhaft. Eine Verfolgung durch den ägyptischen Staat kann nicht angenommen werden und sprechen gerade Aussagen wie jene, dass die Beweise ("Anzeige", "Ausreiseverbot") alle in der Wohnung verbrannt seien - obwohl die Beschwerdeführer sich dort nicht mehr aufhielten, dagegen, dass es tatsächlich eine staatliche Verfolgung gibt.
2.3.18. Selbst wenn es den Beschwerdeführern unmöglich wäre, sich aufgrund des Nachbarn in ihrer früheren Wohngegend anzusiedeln, könnten sie sich an einem anderen Ort Ägyptens niederlassen, insbesondere auch da sie in Ägypten über einen familiären und finanziellen Rückhalt verfügen und beide eine gute Ausbildung haben. Aufgrund der Möglichkeit sich versteckt zu halten, kann nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen werden (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0295 oder auch 29.10.1998, 96/20/0069). Doch ist im konkreten Fall eben nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer sich bei einer Rückkehr nach Ägypten verstecken müssten. Dass sie sich eineinhalb Jahre nach der behaupteten Vergewaltigung in Ägypten aufhielten und in dieser Zeit Reisepässe ausgestellt bekamen, spricht auch dagegen, dass sie untertauchen müssten. Wie bereits ausgeführt ist auch nicht glaubhaft, dass sie sich zwischen der behaupteten Vergewaltigung und der Ausreise versteckt gehalten hatten, spricht doch etwa der Sozialversicherungsauszug dagegen.
2.3.19. Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher - wie bereits die belangte Behörde, wenn auch aufgrund anderer Schlussfolgerungen - zu dem Ergebnis, dass es den Beschwerdeführern nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen ihre Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.
2.4. Zu den Länderfeststellungen
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatliche Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, Zl. 99/01/0210). Die Beschwerdeführer traten den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht entgegen, sondern ergänzten sie durch Hinweise auf Anfragebeantwortungen von ACCORD, welche durch Aufnahme der aktuellsten Anfragebeantwortung zu Ägypten von ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Lage von koptischen ChristInnen [a-9300-1], 14 August 2015 Eingang ins Verfahren fanden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Verfahrensbestimmungen:
3.1.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.1.3. § 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
3.1.4. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
3.1.5. Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
3.2. Zum Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide):
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren. Zentraler Aspekt der dem § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zugrunde liegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.9.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.4.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 9.3.1999, Zl. 98/01/0318). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.3.1999, Zl. 98/01/0352; VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401; VwGH 22.5.2003, Zl. 2001/20/0268, mit Verweisen auf Vorjudikatur).
3.2.2. Es kann nicht generell davon ausgegangen werden, dass alle koptischen Christen im Falle einer Rückkehr nach Ägypten mit Verfolgungshandlungen zu rechnen hätten, die eine Asylrelevanz entfalten. Eine Gruppenverfolgung würde vorliegen, wenn entweder sichere Anhaltspunkte für ein an asylerhebliche Merkmale anknüpfendes staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder unmittelbar bevorsteht, oder wenn die Übergriffe, von denen Angehörige einer Gruppe in Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal getroffen werden, so zahlreich sind, dass für jedes Gruppenmitglied begründete Furcht besteht, in eigener Person Opfer von Übergriffen zu werden. Darauf, dass diese Voraussetzungen hinsichtlich der koptischen Christen in Ägypten vorliegen, haben sich die Beschwerdeführer nicht berufen. Dem Bundesverwaltungsgericht liegen auch keine Hinweise auf ein die koptischen Christen als Gruppe betreffendes staatliches Verfolgungsprogramm vor. Die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte wird ebenfalls nicht erreicht. Zwar haben Diskriminierungen und gewalttätige Übergriffe gegen koptische Christen seit dem Sturz der Regierung Mubarak zugenommen, insbesondere im ländlichen Oberägypten. Auch mangelt es seitens des Staats sowohl an der Bereitschaft, koptische Christen vor solchen Angriffen zu schützen, als auch an konsequenter Strafverfolgung der muslimischen Täter. Polizei, Armee und Behörden verhalten sich weitgehend passiv und schauen oft weg, wenn es zu Übergriffen auf Ägyptens größte religiöse Minderheit kommt. Jedoch wird angesichts der Anzahl der in Ägypten lebenden koptischen Christen die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte nicht erreicht und kann keine Rede davon sein, dass Übergriffe auf koptische Christen so zahlreich sind, dass für jeden Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft begründete Furcht besteht, in eigener Person Opfer von Übergriffen zu werden (vgl. etwa Urteil des Verwaltungsgerichtes Minden vom 02.12.2014, AZ. 10 K777/14.A; abrufbar unter https://openjur.de/u/755833.html ). Dies steht in Einklang mit dem Urteil M.E. gegen Frankreich vom 6.6.2013, Zl. 50.094/10 des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: "Was die Situation der koptischen Christen in Ägypten anbelangt, ist zu vermerken, dass in den vom GH eingesehenen Berichten von zahlreichen Gewalt- und Verfolgungsakten in den Jahren 2010 und 2011 die Rede ist. Ferner ist eine Zurückhaltung seitens der nationalen Behörden zu beobachten, strafrechtliche Schritte gegen die Urheber dieser Taten zu setzen. Es bestehen keinerlei Hinweise, dass sich die Situation der koptischen Christen im Land 2012 gebessert hätte. Der GH ist jedoch nicht der Überzeugung, dass von einem allgemeinen Risiko für alle koptischen Christen im Fall einer Rückkehr in ihr Heimatland ausgegangen werden kann." Eine Verschlechterung der Situation im Laufe der Jahre 2014 bzw. 2015 kann nicht angenommen werden, zumal von Seiten der neuen Regierung verschiedene Schritte in Richtung Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen gesetzt wurden. Die Aussage des EGMR besitzt daher auch zum Entscheidungszeitpunkt Gültigkeit und es kann nicht alleine aufgrund der Zugehörigkeit zur koptischen Minderheit damit gerechnet werden, dass man mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen ausgesetzt wäre.
3.2.3. Im gegenständlichen Fall mag es durchaus stimmen, dass die Beschwerdeführer Schikanen eines islamistischen Nachbarn ausgesetzt gewesen waren, wenn sich auch bereits - wie in der Beweiswürdigung dargelegt wurde - bei der Schilderung dieser Vorfälle erste Unstimmigkeiten entdecken ließen. Selbst wenn man annehmen würde, dass die von der Zweitbeschwerdeführerin behauptete Vergewaltigung durch den Nachbarn der Realität entspricht und diese Vergewaltigung in einen Zusammenhang damit zu setzen wäre, dass sie koptischen Glaubens ist, kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nach st Rsp des VwGH nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. (ua VwGH 28.6.2011, 2011/01/0102; VwGH 24.3.2011, 2011/23/0064; VwGH 28.10.2009, 2006/01/0191).
3.2.4. Laut Verwaltungsgerichtshof kann auch erst dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor Übergriffen bei staatlichen Stellen gesucht hat und ihm dieser nicht zu teil geworden ist, davon ausgegangen werden, dass die ihm drohenden Übergriffe Dritter von staatlicher Stelle geduldet werden (VwGH vom 17.02.1994, 94/19/0043; Asylgerichtshof 29.01.2009, B9 316.508-1/2008). Wenn allerdings bereits von vornherein klar wäre, dass die staatlichen Stellen vor Verfolgung nicht schützen können oder wollen, so ist es nicht erforderlich, den - aussichtslosen - Versuch zu unternehmen, bei staatlichen Stellen Schutz zu suchen (VwGH 11.06.2002, 98/01/0394; 4.3.2010, 2006/20/0832). Es wird von der erkennenden Richterin nicht verkannt, dass die ägyptischen Behörden insbesondere auf den unteren Ebenen Teil des Systems sind, das für die Diskriminierung von Kopten verantwortlich ist. In diesem Sinne ist auf die Feststellung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR, M.E. gg. Frankreich, Urteil vom 6.6.2013, Kammer V, Bsw. Nr. 50.094/10) zu verweisen: "Angesichts der bisherigen Zurückhaltung seitens der Polizei, von koptischen Christen erstattete Strafanzeigen entgegenzunehmen, sind ernste Zweifel angebracht, dass er von Seiten der ägyptischen Behörden adäquaten Schutz erhalten wird."
Im vorliegenden Fall wird behauptet, wegen eines anderen Vorfalles eine Anzeige bei der Polizei erstattet und keine Hilfe bekommen zu haben, doch kann dennoch nicht automatisch angenommen werden, dass der Zweitbeschwerdeführerin polizeilicher Schutz verweigert worden wäre, zumal es nach Aussage der Beschwerdeführer - auch muslimische - Zeugen für den Vorfall gegeben habe.
3.2.5. Selbst wenn man aber annehmen würde, das Vorbringen der Vergewaltigung entspreche der Realität und wenn man auch noch annehmen würde, dass die ägyptischen Behörden der Zweitbeschwerdeführerin als koptischer Christin keinen effektiven Schutz gewähren würden, wäre ihr dennoch nicht der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen. Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 9.3.1999, Zl. 98/01/0318). Für den Fall einer Rückkehr nach Ägypten ist im Falle der Zweitbeschwerdeführerin aber keine Verfolgungshandlung zu befürchten. Es wäre den Beschwerdeführern zumutbar, sich an einem anderen Ort Ägyptens niederzulassen, wo sie vom Nachbarn nicht gefunden würden. Das Vorbringen, dass ein "Ausreiseverbot" gegen die Zweitbeschwerdeführerin bestehe und sie als "Ehefrau" des Nachbarn von den Behörden gesucht werde, ist, wie bereits ausgeführt wurde, nicht glaubhaft. § 11 Abs. 1 AsylG 2005 idgF behandelt die innerstaatliche Fluchtalternative und bestimmt das Nachfolgende:
Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Die Beschwerdeführer müssten bei einer Rückkehr nach Ägypten und Ansiedelung in einem anderen Landesteil eventuell mit einem Absinken des Lebensstandards rechnen. Schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil schließen die innerstaatliche Fluchtalternative aber nicht grundsätzlich aus (siehe VwGH 08.09.1999; 98/01/0620; 26.06.1996, 95/20/0427). Es wäre ihnen zuzumuten und ist es in Ägypten auch ohne Gefahr möglich, sich außerhalb ihres Heimatortes niederzulassen. Es wäre davon auszugehen, dass sie sich für eine Region außerhalb Oberägyptens entscheiden würden, da dort die Diskriminierung der Kopten ein im Vergleich zu anderen Regionen hohes Ausmaß hat. Auch wenn in keinem Teil Ägyptens eine Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit völlig ausgeschlossen werden kann, ist dies doch nicht in einem Ausmaß anzunehmen, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht anzunehmen wäre. Die Beschwerdeführer leiden auch an keinen derart schwerwiegenden Erkrankungen, dass ihnen eine Eingliederung in die ägyptische Gesellschaft und den dortigen Arbeitsmarkt nicht wieder möglich wäre. Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist im gegenständlichen Fall daher gegeben.
3.2.6. Abgesehen von den Vorfällen mit dem Nachbarn wurden keine Fluchtgründe genannt bzw. kamen keine im Verfahren hervor. Weder in Bezug auf den Erstbeschwerdeführer noch die Dritt- und Viertbeschwerdeführerin wurden sonstige bzw. eigene Fluchtgründe vorgebracht. Wie bereits ausgeführt wurde, wird nicht verkannt, dass die koptische Bevölkerung in Ägypten Repressionen ausgesetzt ist, doch kann nicht automatisch aufgrund der Glaubenszugehörigkeit von einem Fluchtgrund ausgegangen werden.
3.2.7. Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass den Beschwerdeführern im Herkunftsstaat Ägypten keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und der erstinstanzliche Ausspruch in Spruchteil I. der angefochtenen Bescheide zu bestätigen ist.
3.3. Zum Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide):
3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
3.3.2. Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.
3.3.3. Gemäß § 8 Abs. 3 leg. cit. sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht (VwGH, 23.6.1994, 94/18/0295; VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; VwGH 25.1.2001, 2000/20/0438). Wie bereits oben ausgeführt wurde, steht den Beschwerdeführern eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Von einer Gefahr im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK ist nicht auszugehen, da es den Beschwerdeführern - selbst bei Wahrunterstellung der Bedrohung durch den Nachbarn - möglich wäre, sich fernab von ihm niederzulassen. Es handelt sich um zwei akademisch gebildete Personen, die in Ägypten hochwertige berufliche Positionen innehatten und beide über familiären Rückhalt verfügen. Es ist daher im Falle einer Rückkehr auch nicht von einer existenziellen Notlage auszugehen.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide):
3.4.1. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 Abs. 2 FPG lautet:
"§ 52. (1) ...
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige."
Die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz werden mit gegenständlicher Entscheidung abgewiesen.
§ 10 Abs. 1 Asylgesetz lautet:
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer
Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
Daher sind gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz Rückkehrentscheidungen zu erlassen.
3.4.2. Gemäß § 58 Abs. 1 Z. 5 Asylgesetz hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt. Die formellen Voraussetzungen des § 57 Asylgesetz sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war den Beschwerdeführern daher nicht zuzuerkennen. Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist gemäß § 10 Abs. 2 Asylgesetz diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
3.4.3. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."
Im gegenständlichen Fall verfügen die Beschwerdeführer über kein Familienleben in Österreich. Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, so greift sie wohl in das Privatleben der Familienmitglieder ein, nicht aber in ihr Familienleben (EGMR, 9.10.2003, 48321/99, Slivenko gg Lettland, EGMR, 16.6.2005, 60654/00 Sisojeva gg Lettland oder auch VwGH 22.11.2012, 2011/23/067; 26.02.2013, 2012/22/0239; 19.02.2014, 2013/22/0037). Ein Bruder des Erstbeschwerdeführers lebt in Frankreich, doch ist nicht ersichtlich, dass ein besonders enges Abhängigkeitsverhältnis bestehen sollte, welches eine Rückkehrentscheidung zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Familienleben des Erstbeschwerdeführers machen würde.
Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführer. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff). Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes davon ausgegangen werden, dass im gegenständlichen Fall das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse an der Achtung des Privatlebens überwiegt. Die Beschwerdeführer waren im XXXX XXXX nach Frankreich gereist und am XXXX , d.h. vor weniger als drei Jahren, in das österreichische Bundesgebiet. Damit ist der Aufenthalt als kurz zu qualifizieren und kann nicht von einer nachhaltigen Aufenthaltsverfestigung ausgegangen werden.
Es wird allerdings nicht verkannt, dass die Beschwerdeführer bereits außerordentliche Integrationsschritte geleistet haben. Dem Erstbeschwerdeführer ist es innerhalb kürzester Zeit gelungen, sich am Arbeitsmarkt zu integrieren. Er war
* im Jänner/Februar 2014 bei der XXXX in der Küche
* von Mai bis September 2014 bei der XXXX als Koch
* im Oktober 2014 im Rahmen der Nachbarschaftshilfe als Koch
* mit AMS-Saisonbewilligung vom XXXX
* mit AMS-Saisonbewilligung von XXXX
(...)
beschäftigt. Ihm wurden Arbeitszeugnisse ausgestellt, welche von seinem hohen Engagement und seinem vorbildlichen Verhalten sprechen. Der Erstbeschwerdeführer konnte auch zwei Arbeitsplatzzusagen für unbefristete Vollanstellungen vorlegen und ist davon auszugehen, dass er selbsterhaltungsfähig ist. Sowohl Erstbeschwerdeführer als auch Zweitbeschwerdeführerin wie auch die den Kindergarten besuchende Drittbeschwerdeführerin können gute Deutschkenntnisse vorweisen.
Trotz dieser bemerkenswerten Anstrengungen und Erfolge kann - in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Judikatur - bei einem etwa zweieinhalbjährigen Aufenthalt noch nicht davon ausgegangen werden, dass eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung vorliegt und eine Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben und somit eine Verletzung der in Art. 8 EMRK geschützten Rechte der Beschwerdeführer darstellen würde.
In Hinblick auf die zwei minderjährigen Kinder, geboren am XXXX in Ägypten und am XXXX in Österreich, ist auch zu beachten, dass Kinder anpassungsfähiger sind als Erwachsene und meist in Begleitung ihrer Eltern in ihren Herkunftsstaat zurückkehren, wodurch ihnen die neuerliche Eingliederung erleichtert wird (VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216-0219 oder VwGH 25.3.2010, 2009/21/0216). So attestierte der EGMR Kindern im Alter von 7 und 11 eine große Anpassungsfähigkeit, die eine Rückkehr mit ihren Eltern von England, wo sie geboren waren, nach Nigeria keine unbillige Härte erschienen ließ (EGMR, 26.1.1999, 43279/98, Sarumi gg Vereinigtes Königreich). Auch in Hinblick auf die minderjährigen Kinder kann daher noch nicht von einer nachhaltigen Aufenthaltsverfestigung ausgegangen werden, auch wenn das jüngste Kind in Österreich geboren worden ist.
Zudem stehen die Beschwerdeführer in Kontakt mit ihren Familien in Ägypten und haben sie nicht alle Bindungen zu ihrem Herkunftsland abgebrochen.
Vor diesem Hintergrund überwiegen die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet, sodass der damit verbundene Eingriff in ihr Privatleben nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes als verhältnismäßig qualifiziert werden kann. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die in den angefochtenen Bescheiden angeordneten Rückkehrentscheidungen aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Ägypten keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellen.
3.3.4. Daher waren keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Asylgesetz zu erteilen.
3.3.5. Mit den angefochtenen Bescheiden wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Ägypten zulässig sei. § 50 FPG legt fest, in welchen Fällen eine Abschiebung unzulässig ist:
Verbot der Abschiebung
§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
(4) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)
Wie sich aus den Länderfeststellungen und den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer ergibt, besteht keine Gefahr, dass durch eine Abschiebung Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würden oder für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen mit der Abschiebung eine ernsthafte Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konflikts verbunden wäre. Auch sonst besteht kein Abschiebehindernis gemäß § 50 Abs. 2 oder Abs. 3 FPG, so dass die Abschiebung nach Ägypten für zulässig zu erklären ist.
3.3.6. In den angefochtenen Bescheiden wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
Gesonderte Gründe für die allfällige Rechtswidrigkeit der gesetzten Frist für die freiwillige Ausreise wurden von den beschwerdeführenden Parteien - über die behauptete Rechtswidrigkeit der Rückkehrentscheidung hinaus - nicht vorgebracht.
Die in den angefochtenen Bescheiden festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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