BFG RV/5101131/2020

BFGRV/5101131/202029.3.2021

Operationskosten in einer Privatklinik als außergewöhnliche Belastung

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101131.2020

 

Beachte:
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/15/0059. Zurückweisung mit Beschluss vom 5.10.2021.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***2***, vertreten durch ***3***, über die Beschwerde vom 30.6.2020 gegen den Bescheid des Finanzamtes ***4*** vom 17.6.2020 betreffend Einkommensteuer 2018 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem dem Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf

Mit Schreiben vom 14.5.2020 wurde vom Beschwerdeführer im Hinblick auf eine Operation in einer Privatklinik im Jahr 2018 Folgendes ausgeführt:
Die zweite Operation an der Halswirbelsäule sei im öffentlichen Krankenhaus nicht durchgeführt worden (Grund: die Operation würde zu risikoreich gewesen sein aufgrund des Alters und der Narkosedauer von 4 Stunden).
Wegen der potentiellen Lähmungsgefahr und aus Angst, eine Lähmung zu erleiden, hätte der Beschwerdeführer den Facharzt der Privatklinik kontaktiert, da dieser langjährige Erfahrungen bei HWS-Operationen aufweise (insbesondere bei älteren Patienten). Die Operation sei deswegen am 15.5.2018 von diesem durchgeführt worden. Eine Ablehnung seitens des öffentlichen Krankenhauses hätte der Beschwerdeführer nicht (mündliche Ablehnung) und würde nachträglich bei dem dort behandelnden Facharzt beantragt werden müssen.

Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 vom 17.6.2020 wurden außergewöhnliche Belastungen vor Abzug des Selbstbehaltes iHv 1.908,43 € und tatsächliche Kosten der eigenen Behinderung iHv 6.387,07 € anerkannt und wie folgt begründet:
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 müsse die Belastung außergewöhnlich und zwangsläufig erwachsen sein, sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Diese Voraussetzungen müssten kumulativ vorliegen.
Als außergewöhnliche Belastungen würden unter anderem auch Krankheitskosten in Betracht kommen, wenn sie eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden, wie z.B. Kosten für Arzt oder Krankenhaus.
Nach der Rechtsprechung des VwGH (19.2.1992, 87/14/0116; 13.5.1986, 85/14/0181) sei die Zwangsläufigkeit bei Krankheitskosten, die die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen würden, jedoch nur dann gegeben, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen erfolgen würden. Die triftigen medizinischen Gründe müssten in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden. Diese Rechtsprechung sei auf Sonderklassengebühren, aber auch auf die Honorarnoten von Wahlärzten uneingeschränkt anzuwenden.
Laut der Diagnose des Facharztes (Facharzt für Neurochirurgie mit Ordination; operiere im medizinischen Zentrum ***5***) hätte der Steuerpflichtige eine Spinalkanalstenose im zervikalen Bereich.
Grundsätzlich würden die Kosten für notwendige medizinische Behandlungen durch den jeweiligen Krankenversicherungsträger übernommen bzw. zumindest teilweise Kostenersätze geleistet. Das medizinische Zentrum in ***5*** sei eine Privatklinik. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe hervor, dass der Krankenversicherungsträger hinsichtlich der medizinischen Behandlung in der Privatklinik für die allgemeine Gebührenklasse einen Kostenersatz in Höhe von 4.973,83 € geleistet hätte. Für die verbleibenden Kosten nach Abzug des gesetzlichen Anteils iHv 10.406,26 € sei vom Krankenversicherungsträger aufgrund gesetzlicher Bestimmungen kein weiterer Kostenersatz geleistet worden. Die gegenständlichen Kosten für die Privatklinik seien daher nur dann absetzbar, wenn durch ein eindeutiges medizinisches Attest nachgewiesen werden könne, dass der durchgeführte Eingriff nicht auch in einem allgemeinen Krankenhaus auf der normalen Gebührenklasse durchgeführt werden hätte können (BFG 20.1.2017, RV/5101640/2014). Es sei daher ein Nachweis notwendig, dass die Operation in einer Klinik auf der normalen Gebührenklasse nicht möglich gewesen sein würde.
Die Recherche auf https://www.netdoktor.de/krankheiten/spinalkanalstenose/ hätte Folgendes ergeben:
"Bei einer Spinalkanalstenose (Spinalstenose, spinale Stenose, Wirbelkanalstenose) ist der Kanal in der Wirbelsäule verengt, durch den das Rückenmark verläuft. Der entstehende Druck auf Rückenmark, Nerven und Blutgefäße kann Rückenschmerzen und bleibende Nervenschädigungen verursachen. Manchmal betrifft die Wirbelkanalverengung nicht den Lendenwirbelbereich, sondern den Halswirbelbereich (zervikale Spinalkanalstenose). Die Betroffenen haben oft Nackenschmerzen, die in die Arme ausstrahlen.
Mit der Zeit können sich dann auch hier Gefühlsstörungen in den Beinen, Mastdarm- und Blasenstörungen entwickeln. Insgesamt lässt sich die Spinalkanalstenose in den meisten Fällen gut mit konservativen Therapiemethoden behandeln, so dass die Betroffenen relativ beschwerdefrei leben können.
Behandlung:
Meist konservative Therapie mit einer Kombination aus Physiotherapie, Rückenschule, Wärmetherapie, Elektrotherapie, Stützkorsett (Orthese), Schmerzbewältigungstraining und Schmerztherapie. Selten ist eine Operation nötig, um den Spinalkanal zu entlasten.
Verlauf und Prognose: Auch ohne Therapie meist sehr langsamer Verlauf. Mit konsequenter konservativer Therapie lassen sich die typischen Beschwerden meist gut behandeln und lindern. Sie führt nicht zwangsläufig zu Beschwerden."
Die Beweislast für das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen für eine Anerkennung als außergewöhnliche Belastung obliegt dem Steuerpflichtigen.
Der Hinweis auf eine mündliche Ablehnung einer Operation an der Halswirbelsäule durch einen Facharzt für Neurochirurgie sei kein geeigneter Nachweis, dass die Operation in einer Klinik auf der normalen Gebührenklasse nicht möglich gewesen sein würde.
Die Kosten für die Privatklinik und für die damit im Zusammenhang stehenden Wahlarztkosten (einschließlich Kilometergelder) seien daher steuerlich nicht anzuerkennen.
Die Aufwendungen für den Treppenlift (4.540,00 €) und diverse bezogene Hilfsmittel (622,48 €) seien bei der Berechnung der außergewöhnlichen Belastung ohne Selbstbehalt anerkannt worden.
Die übrigen Aufwendungen, die alle nur mit Selbstbehalt zu berücksichtigen gewesen sein würden, würden die Selbstbehaltsgrenze nicht übersteigen.

Mit Schreiben vom 30.6.2020 wurde gegen den oben angeführten Bescheid Beschwerde erhoben wie folgt:
Es werde beantragt, die Kosten für die durchgeführte Operation als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen wie erklärt. Beim Beschwerdeführer sei in der Klinik der allgemeinen Gebührenklasse eine hochgradige Sponyloosteochondrose und absolute Wirbelkanalstenose diagnostiziert worden. Nur aufgrund des fortgeschrittenen Alters von damals 91 Jahren hätte der behandelnde Arzt einen operativen Eingriff nicht durchführen wollen. Aufgrund der anhaltenden Beschwerden hätte der Beschwerdeführer in der Folge einen anderen Arzt konsultiert und dieser hätte den Eingriff dann im Klinikum ***5*** durchgeführt. Somit sei klar ersichtlich und durch ein ärztliches Attest nachgewiesen, dass entsprechende Beschwerden bestanden hätten und der Eingriff in einem Krankenhaus der allgemeinen Gebührenklasse nicht durchgeführt werden hätte können.
Beigelegt wurde eine Bestätigung für das Finanzamt vom 26.6.2020, ausgestellt durch den behandelnden Facharzt, in dem wie folgt ausgeführt wird:
Der Beschwerdeführer sei am 15.5.2018 an der Halswirbelsäule in der Privatklinik ***5*** operiert worden.
Da die Operation im öffentlichen Bereich nur sehr eingeschränkt durchgeführt werde und eine neurologische absolute Dringlichkeit vorgelegen hätte, hätte diese Operation in der Privatklinik erfolgen müssen.
Widrigenfalls hätte der Beschwerdeführer ein schweres neurologische Defizit mit Lähmungen bis zur Querschnittslähmung bekommen können.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 31.8.2020 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründet wurde unter anderem wie folgt:
Die Operation des Beschwerdeführers sei vom 14.5.2018 bis 24.5.2018 in der Privatklinik ***5*** durchgeführt worden. Von den dadurch entstandenen Kosten seien vom Krankenversicherungsträger bereits 4.973,83 € als Kostenersatz für die allgemeinen Gebührenklasse geleistet worden. Die restlichen Kosten in Höhe von 10.406,26 € seien vom Beschwerdeführer als außergewöhnliche Belastung in Form von Krankheitskosten geltend gemacht worden.
Der Beschwerdeführer hätte in seiner Beschwerde einen Ambulanzbefund des Klinikums vom 21.3.2018, ausgestellt von einem Facharzt, vorgelegt, woraus nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers ersichtlich sei, dass entsprechende Beschwerden bestanden haben würden und der Eingriff in einem Krankenhaus der allgemeinen Gebührenklasse nicht hätte durchgeführt werden können.
Zusammenfassend gehe aus dem Ambulanzbefund vom 21.3.2018 Folgendes hervor:
Derzeit sei die Sensibilitätsstörung und Feinmotorikstörung ohne Progredienz ("Verschlimmerung"). Der Facharzt würde bei einem 91-jährigen Patienten "von weiteren operativen Eingriffen Abstand nehmen" und empfehle weiter eine intensive Physiotherapie mit Feinmotorikübungen, das weitere Gehen mit dem Rollator und in weiterer Folge mit Nordic Walking Stecken. Des Weiteren solle die ab 8.5.2018 geplante Neurorehabilition (wenn möglich vorverschoben) wahrgenommen werden.
Die Operation in einer Klinik mit allgemeiner Gebührenklasse würde daher möglich gewesen sein, sie sei aufgrund des hohen Alters des Beschwerdeführers aber nicht als empfehlenswert erachtet worden. Eine Therapie in Form von Physiotherapie mit Feinmotorikübungen und Gang mit Rollator und Nordic Walking Stecken sowie Neurorehabilitation ab spätestens 8.5.2018 schien demnach auszureichen, um die Beschwerden des Patienten auch ohne das Eingehen von Operationsrisiken ausreichend abklingen zu lassen.
Der Beschwerdeführer hätte sich in der Folge aber für eine Operation entschieden und diese nicht in einem Krankenhaus der allgemeinen Gebührenklasse, sondern in der Privatklinik durchführen lassen. Er hätte in der Folge von der Gebietskrankenkasse einen Teilersatz seiner Kosten erhalten.
Die darüber hinaus gehenden Kosten für die Privatklinik und der damit in Zusammenhang stehenden Wahlarztkosten (einschließlich Kilometergelder) seien daher steuerlich nicht anzuerkennen.

Mit Schreiben vom 7.9.2020 wurde der Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung eingereicht und wie folgt begründet:
Beim Beschwerdeführer sei in der Klinik der allgemeinen Gebührenklasse eine hochgradige Spondyloosteochondrose und absolute Wirbelkanalstenose diagnostiziert worden. Am 13.2.2018 sei eine Operation durchgeführt worden. Eine weitere Operation würde der behandelnde Arzt aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Patienten von damals 91 Jahren abgelehnt haben.
Aufgrund der anhaltenden Beschwerden hätte der Beschwerdeführer in der Folge einen anderen Arzt konsultiert und dieser hätte den Beschwerdeführer dann am 15.5.2018 an der Halswirbelsäule in der Privatklinik operiert.
Der nunmehrige Facharzt hätte in seinem Schreiben vom 26.6.2020 bestätigt, dass diese Operation im öffentlichen Bereich nur sehr eingeschränkt durchgeführt würde und eine neurologisch absolute Dringlichkeit für die Operation vorgelegen wäre. Der Facharzt hätte sogar ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ohne diese Operation ein schweres neurologisches Defizit mit Lähmung bis zur Querschnittlähmung bekommen hätte können. Somit sei klar erwiesen, dass die Operation durch den Spezialisten in der Privatklinik erforderlich gewesen wäre, da andernfalls die von diesem oben beschriebenen Gesundheitsgefährdungen eintreten hätten können. Die Operation hätte zu einer wesentlichen Verbesserung des Gesundheitszustandes geführt (BFG 26.2.2018, RV/5100307/2018).
Aus dem Schreiben des Facharztes gehe auch hervor, dass diese Art der Operation im öffentlichen Bereich nur sehr eingeschränkt durchgeführt werde. Die Entscheidung des Beschwerdeführers, die Operation in einer Privatklinik durchführen zu lassen, sei daher als zwangsläufig zu qualifizieren. Es sei wohl nicht zumutbar, dass ein Patient, dem eine Lähmung drohe, sämtliche öffentlichen Kliniken konsultiere, bevor er sich in die Behandlung eines Spezialisten in einer Privatklinik begebe. Es wären daher aufgrund der drohenden gesundheitlichen Nachteile triftige medizinische Gründe vorgelegen, die Operation dort durchführen zu lassen. Insofern liege der Sachverhalt auch hier anders als jener, der der Entscheidung des BFG 14.4.2020, RV/5100412/2020, zugrunde gelegen wäre.

Vorliegend ist ein Ambulanzbefund vom 21.3.2018 eines öffentlichen Krankenhauses, wonach der Beschwerdeführer über einen gleichbleibenden Zustand berichtet hätte und wie folgt zusammengefasst wurde:
Derzeit sei die Sensibilitätsstörung und Feinmotorikstörung ohne Progredienz.
Unter diesem Aspekt würde man bei einem 91-jährigen Patienten von weiteren operativen Eingriffen Abstand nehmen. Es werde weiter intensive Physiotherapie mit Feinmotorikübungen empfohlen. Weiterer Gang mit Rollator, in weiterer Folge mit Nordic Walking Stecken. Die ab 8.5.2018 geplante Neurorehabilitation solle auf jeden Fall wahrgenommen werden, eventuell solle man wenn möglich den Anfang der Rehabilitation vorverschieben.
Des Weiteren ein Schreiben der Gebietskrankenkasse vom 27.11.2019, wonach für den gegenständlichen stationären Aufenthalt im gesetzlich vorgesehenen Ausmaß (Allgemeine Gebührenklasse) in Höhe von 4.973,83 € Ersatz geleistet worden wäre.
Die Honorarnote über 10.406,26 € würde die verbleibenden Kosten betreffen, der Sozialversicherungsanteil sei bereits abgezogen.

Mit Vorlagebericht vom 14.9.2020 wurde die gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und unter anderem wie folgt ausgeführt:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer hätte gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 Beschwerde erhoben mit der Begründung, die Kosten für eine durchgeführte Operation in der Privatklinik ***5*** seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Beim Beschwerdeführer sei im Klinikum im Jahr 2018 (Klinik der allgemeinen Gebührenklasse) eine hochgradige Sponyloosteochondrose und absolute Wirbelkanalstenose diagnostiziert worden.
Aufgrund des fortgeschrittenen Alters von damals 91 Jahren hätte der behandelnde Arzt von einem operativen Eingriff abgeraten. Laut Angaben des Beschwerdeführers hätte er aufgrund der anhaltenden Beschwerden einen anderen Arzt konsultiert, welcher den Eingriff im Klinikum ***5*** durchgeführt hätte.
Strittig seien weiterhin die geltend gemachten Krankheitskosten als agB im Zusammenhang mit der Operation in der Privatklinik ***5*** (Operationskosten/Sondergebühren, Kilometergelder, Facharztkosten).
Stellungnahme:
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 müsse die Belastung außergewöhnlich und zwangsläufig erwachsen sein, sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Diese Voraussetzungen müssten kumulativ vorliegen.
Am Ergebnis hätte die zeitlich erst nach der Beschwerde vorgelegte ärztliche Bestätigung des Facharztes von der Privatklinik ***5*** vom 26.6.2020 nichts zu ändern vermocht, zumal auch in dieser nur bestätigt werde, dass eine Operation wohl nicht in jedem Krankenhaus ("nur sehr eingeschränkt im öffentlichen Bereich möglich"), demnach sehr wohl aber in einem öffentlichen Krankenhaus möglich gewesen sein würde. Dahingehend sei auch der Kostenersatz des Sozialversicherungsträgers gewährt worden.

Mit Ergänzungsvorhalt vom 7.12.2020 wurden folgende Fragen an den Beschwerdeführer gerichtet:
"1.
Laut Ihrem Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung machen Sie tatsächliche Kosten als außergewöhnliche Belastung bei Behinderung in Höhe von 16.749,37 € geltend.
Laut gegenständlichem Bescheid wurden durch die Amtspartei außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt in Höhe von 1.908,43 € und solche bei Behinderung in Höhe von 6.387,07 € anerkannt.
Legen Sie dar, welche Kosten in welcher Höhe aufgrund welcher Bestimmung des Einkommensteuergesetzes 1988 nunmehr als Beschwerdeantrag geltend gemacht werden.

2.
§ 34 EStG 1988 lautet auszugsweise:
"Abs. 1
Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1.
Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2.
Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3.
Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgabe, Werbungskosten noch Sonderausgabe sein.
(...)
Abs. 2
Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(...)
Abs. 6
Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5)
(...)
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind."

Aufgrund der §§ 34 und 35 EStG 1988 erließ der Bundesminister für Finanzen die VO BGBl. Nr. 303/1996, die idF BGBl. II Nr. 430/2010 auszugsweise wie folgt lautet:
"§ 1
Abs. 1
Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
(...)
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
(...)
Abs. 3
Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.
(…)
§ 4.
Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
(...)"

Kosten der Heilbehandlung sind Kosten für den Arzt, das Spital, ärztlich verordnete Kuren, Therapien oder Medikamente, sofern sie mit der Behinderung im Zusammenhang stehen (Jakom EStG12, § 35 Rz 27; UFS 11.12.2006, RV/0427-G/06; 26.3.2013, RV/0405-G/08; VwGH 23.1.2019, Ro 2016/13/0010).

Es ist ein ärztliches Sachverständigengutachten (bezogen auf das Jahr 2018) des Bundessozialamtes einzureichen, aus dem der Grad der Behinderung sowie diejenigen Einschränkungen, die diesem zugrunde liegen, hervorgeht."

Mit Schreiben vom 15.12.2020 wurde vom Beschwerdeführer wie folgt geantwortet:
In der Arbeitnehmerveranlagung 2018 seien außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 16.749,37 € geltend gemacht worden. Vom Finanzamt seien davon aber nur 6.387,07 € steuerlich als Kosten aus eigener Behinderung anerkannt worden, 1.908,43 € seien als außergewöhnliche Belastungen, die dem Selbstbehalt unterliegen würden, steuerlich berücksichtigt worden.
Ein ärztliches Sachverständigengutachten, aus dem der Grad der Behinderung hervorgehe, könne nicht beigebracht werden.
Es werde daher ersucht, die Kosten entsprechend nachfolgender Aufstellung als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt anzuerkennen wie folgt:

Aufstellung Krankheitskosten

1

Reha NTZG Eigenbehalt

561,48

2

Reha ***5*** Eigenbehalt

466,11

3

5 Zahlungen für Krankenhausaufenthalte

291,60

4

Dr. ***6*** abzüglich Rückvergütung

204,00

5

Dr. ***7*** abzüglich Rückvergütung

308,57

6

Dr. ***8*** abzüglich Rückvergütung

183,72

7

Masseur abzüglich Rückvergütung

380,68

8

Operation HWS ***5***

10.406,26

9

Prüfhilfe Rotes Kreuz

163,53

10

Trepppenlift

4.540,00

11

Diverses laut Belegen (Behindertenhilfen)

622,48

12

Halskrause

21,37

13

Batterien Hörgerät

79,80

14

Medikamente

1.095,05

15

Hilfswerk (Pflegegeld Stufe 3)

233,08

16

Essen auf Rädern

961,20

abzgl.

Essen auf Rädern Haushaltsersparnis

-282,42

 

Gesamt

20.236,51

 

abzüglich Pflegegeldbezug

-3.433,70

 

abzüglich Haushaltsersparnis KH und Kur

-533,46

 

inkl. KM-Gelder laut Aufstellung

480,02

 

Außergewöhnliche Belastungen gesamt

16.749,37

 

Mit Schreiben vom 15.1.2021 wurden die obigen Ermittlungsergebnisse der Amtspartei zur Stellungnahme übersendet.

Mit Schreiben vom 21.1.2021 wurde durch die Amtspartei wie folgt geantwortet:
Krankheitskosten mit Selbstbehalt
Mit Schreiben vom 15.12.2020 sei vom Beschwerdeführer die Aufstellung Krankheitskosten erneut übermittelt worden, diese würden jedoch nunmehr zur Gänze als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt beantragt werden.
Der Grund für die Anerkennung gewisser Kosten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt (wie z.B. Treppenlift, Halskrause etc.) wäre gewesen, dass nach der Verwaltungspraxis bei Zuerkennung von Pflegegeld, sofern ein Behindertenpass (noch) nicht ausgestellt worden wäre, von einem mindestens 25%igen Grad der Behinderung auszugehen sei, sodass in diesen Fällen ein Nachweis nicht erforderlich sei (Peyerl in Jakom, EStG 2020, § 35 Rz 8; BFG 30.5.2017, RV/5100324/2017).
Hierzu verweise das Finanzamt auf die von ihm erstellte und vorgelegte Kostenberechnung vom 10.6.2020.
Aufgrund der gängigen Verwaltungspraxis würden in diesem Fall seitens des Finanzamtes keine Einwände gegen die Anerkennung der in der vorgelegten Kostenberechnung vom 10.6.2020 angeführten Kosten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt erhoben werden. Alle übrigen Aufwendungen, die nur mit Selbstbehalt zu berücksichtigen sein würden, würden nach Ansicht des Finanzamtes die Selbstbehaltsgrenze nicht übersteigen.
Es erfolge inhaltlich hierzu keine weitere Stellungnahme, da sich damit das Finanzamt sowohl dem Grunde nach, als auch der Höhe nach bereits ausreichend im Einkommensteuerbescheid 2018 sowie im weiteren Beschwerdeverfahren auseinandergesetzt hätte.

Mit Ergänzungsvorhalt an die Amtspartei vom 27.1.2021 wurde wie folgt ausgeführt:
"1.
In der bereits mit Schreiben vom 15.1.2021 übermittelten Vorhaltsbeantwortung des Beschwerdeführers vom 15.12.2020 wurde das Beschwerdebegehren dahingehend geändert, dass sämtliche aufgelisteten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt beantragt werden.
Sie werden nun aufgefordert, anzugeben, welche der Kosten (abgesehen von den 10.406,26 € für die Operation) in welcher Höhe aus welchen Gründen nach Ansicht der Amtspartei keine Anerkennung finden sollen.
2.
In Ihrem Schreiben vom 21.1.2021 wird Bezug genommen auf eine Kostenberechnung vom 10.6.2020. Ist diese ident mit der im vorgelegten Akt hochgeladenen Nummer 12 "Berechnung agB Aufwendungen"?
Wurde diese Aufstellung dem Beschwerdeführer übermittelt?
3.
In der Mail des steuerlichen Vertreters vom 14.5.2020 wird verwiesen auf ein Gutachten über den Pflegegeldbezug. In den vorgelegten Aktenteilen findet sich dieses nicht. Sie werden daher ersucht, das Gutachten nachzureichen.
Sollten weitere für die Sachverhaltsermittlung wesentliche Aktenteile bisher nicht vorgelegt worden sein, werden sie ebenfalls ersucht, diese nachzureichen."

Mit Schreiben vom 4.2.2021 wurde wie folgt geantwortet:
"1. Krankheitskosten mit Selbstbehalt:
Zur Berechnung der Krankheitskosten mit Selbstbehalt wird auf die "Berechnung agB Aufwendungen" vom 10.06.2020 verwiesen. Folgende Kosten werden seitens des Finanzamtes nicht als Krankheitskosten mit Selbstbehalt (abgesehen von den Operationskosten in Höhe von 10.406,26 € in der Privatklinik ***5***) anerkannt:

Krankheitskosten mit Selbstbehalt

Betrag €

Gründe für die Nichtanerkennung der Krankheitskosten

14.05.-24.05.2018

KM Gelder Privatklinik ***5***

87,28

Die Kilometergelder stehen im Zusammenhang mit den geltend gemachten Kosten für die Privatklinik ***5***.

08.08.-29.08.2018

KM Gelder Privatklinik ***5***

87,28

Die Kilometergelder stehen im Zusammenhang mit den geltend gemachten Kosten für die Privatklinik ***5***.

29.10.2018

KM Gelder Dr. ***6*** Privatklinik ***5***

87,28

Die Kilometergelder stehen im Zusammenhang mit den geltend gemachten Kosten für die Privatklinik ***5***.

29.10.2018

KM Gelder Dr. ***8*** Privatklinik ***9***

5,21

Die Kilometergelder stehen im Zusammenhang mit der Privatklinik ***9***

29.10.2018

REHA ***5***

466,11

Die geltend gemachten Kosten stehen im Zusammenhang mit der Privatklinik ***5***.

 

Krankenhausaufenthalte

291,60

Es wurden keine Belege übermittelt bzw. Nachweise erbracht.

23.04.-25.06.2018

Dr. ***6***

204,00

Diese Kosten stehen im Zusammenhang mit der Privatklinik ***5***.

18.01-30.01.2018

Dr. ***8***

183,72

Die geltend gemachten Kosten stehen im Zusammenhang mit der Privatklinik ***9***

 

Essen auf Rädern (abzügl. Haushaltsersparnis)

678,78

Sind als Kosten der privaten Lebensführung gem. § 20 Abs. 1 EStG nicht abzugsfähig.

Gesamtkosten

 

2.091,26

 

 

Berechnung verbleibende Gesamtkosten mit Selbstbehalt:

118,20

Aufstellung KM-Gelder KH, Reha, Geriatrie

10,06

Aufstellung KM-Gelder Arztbesuche

561,48

Reha Neurolog. Therapiezentrum

308,57

Augenärztin Dr. ***7***

380,68

Physiotherapie

163,53

Rufmittel Rotes Kreuz

4.540,00

Treppenlift

622,48

Diverses It. Belegen

21,37

Halskrause (HWS)

79,80

Hörgeräte Batterien

1.095,05

Medikamente

233,08

Hilfswerk

8.134,30

verbleibende Gesamtkosten

 

Steuerliche Anerkennung - Krankheitskosten mit Selbstbehalt:

8.134,30

verbleibende Gesamtkosten

-3.433,70

abzügl. Pflegegeldbezug

-533,46

abzügl. Haushaltsersparnis Krankenhaus und Kur

4.167,14

anzuerkennende Krankheitskosten mit Selbstbehalt

 

2. Vorgelegte Aktenteile Nr. 12 "Berechnung agB Aufwendungen":
Der Verweis auf "Berechnung agB Aufwendungen" vom 10.06.2020 wurde in der ersten
Stellungnahme vom 21.01.2021 fälschlicherweise als "Kostenberechnung" tituliert. Diese
Aufstellung wurde dem Beschwerdeführer nicht übermittelt, allerdings wurde die vom Finanzamt zu den einzelnen Sachverhaltselementen vertretene Rechtsansicht im Erstbescheid bzw. in der Beschwerdevorentscheidung dargelegt.
3. Gutachten Pflegegeldbezug:
Ein derartiges "Gutachten", woraus sich die Leiden des Beschwerdeführers ergeben sollten, wurde auch nach dem zweiten Ergänzungsersuchen vom 04.05.2020 (Aktenteil Nr. 9) dem Finanzamt nicht übermittelt. Im Antwortschreiben hiezu vom 04.05.2020 (Aktenteil Nr. 10) sowie vom 13.05.2020 (Aktenteil Nr. 11) findet sich lediglich der Pflegegeldbescheid samt Verständigung. Alles wurde dem BFG übermittelt."

Mit Ergänzungsvorhalt vom 16.3.2021 wurden dem Beschwerdeführer die oben angeführten Ermittlungsergebnisse übersendet. Zudem wurde wie folgt ausgeführt:
Im Hinblick auf die durch die Amtspartei als nichtabzugsfähig eingestuften Aufwendungen in Höhe von 2.091,26 € sei anzugeben, ob die Beschwerde in den jeweiligen Punkten aufrecht bleibe. Zudem würde zu den angeführten Gründen der Nichtabzugsfähigkeit Stellung zu nehmen sein.

Mit Schreiben vom 22.3.2021 wurde wie folgt geantwortet:
Es würde beantragt werden, dass Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt anerkannt würden wie folgt:

Kosten für Operation HWS

10.406,26 €

Kilometergeld iZm Operation

261,84 €

Krankheitskosten laut Stellungnahme Amtspartei vom 4.2.2021

4.167,14 €

Summe

14.835,24 €

 

Dem Erkenntnis zugrunde liegender Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Geburtsjahr 1927) leidet unter einer hochgradigen Spondyloosteochondrose und absoluter Wirbelkanalstenose und unterzog sich im Jahr 2018 einer Wirbelsäulenoperation in einer Privatklinik, wofür dem Beschwerdeführer im Jahr 2018 - nach Abzug eines Kostenersatzes durch den Krankenversicherungsträger in Höhe von 4.973,83 € - Aufwendungen in Höhe von 10.406,26 € plus Kilometergeld in Höhe von 87,28 € angefallen sind.
Vorliegend ist die Bestätigung eines Facharztes vom 26.6.2020, wonach die gegenständliche Operation im öffentlichen Bereich nur sehr eingeschränkt durchgeführt wird und eine neurologische absolute Dringlichkeit vorlag, weshalb die gegenständliche Operation in einer Privatklinik erfolgen habe müssen. Widrigenfalls hätte es zu einem schweren neurologischen Defizit mit Lähmungen bis zur Querschnittlähmung kommen können.
Der Beschwerdeführer hat sich im Februar 2018 bereits einer Operation in einem öffentlichen Krankenhaus unterzogen.
Laut Ambulanzbefund des öffentlichen Krankenhauses vom 21.3.2018 wurde durch den behandelnden Facharzt von weiteren operativen Eingriffen Abstand genommen und eine intensive Physiotherapie sowie eine alsbaldige Neurorehabilitation empfohlen.

Strittig in Bezug auf die Abzugsfähigkeit als außergewöhnliche Belastung (mit Selbstbehalt) der Aufwendungen in Höhe von 10.493,51 € ist das Vorliegen einer Zwangsläufigkeit in Form von triftigen medizinischen Gründen.
Zudem wurde durch den Beschwerdeführer zusätzlich Kilometergeld in Höhe von 174,56 € ohne weitere Begründung geltend gemacht.
Unstrittig ist die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen in Höhe von 4.167,14 € als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt.

Rechtliche Begründung

Nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss dabei außergewöhnlich sein (Abs. 2), zwangsläufig erwachsen (Abs. 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst dem Steuerpflichtigen eine Belastung zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Solche tatsächlichen Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in der Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen gelegen sein (VwGH 1.9.2015, 2012/15/0117; 4.9.2014, 2012/15/0136; 26.5.2010, 2007/13/0051).

Wie auch der VwGH in 11.2.2016, 2003/13/0064, ausgeführt hat ist die Zwangsläufigkeit des Aufwands stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen (VwGH 21.11.2013, 2010/15/0130). Bloße Wünsche, Befürchtungen oder Standesrücksichten der Betroffenen reichen nicht, um die Zwangsläufigkeit zu rechtfertigen. Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (VwGH 4.9,2014, 2012/15/0136; 22.12.2004, 2001/15/0116). Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (vgl. Fuchs/Unger in Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar, § 34 EStG 1988 Anhang II - ABC Tz 35, mit Judikaturhinweisen).
Die triftigen medizinischen Gründe müssen in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (VwGH 13.5.1986, 85/14/0181; BFG 26.2.2018, RV/5100307/2018; 2.4.2020, RV/5101062/2018).

Unter Krankheit ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu verstehen, die eine Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung erfordert. Liegt eine Krankheit vor, so sind jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglichmachen einer Krankheit dienen. Nicht absetzbar sind Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten und die Erhaltung der Gesundheit, für Verhütungsmittel, eine künstliche Befruchtung, eine Frischzellenkur oder eine Schönheitsoperation, weil in diesen Fällen keine oder keine unmittelbare Verbindung zwischen den Aufwendungen und einer Krankheit besteht.
Absetzbar sind v.a. Arzt- und Krankenhaushonorare, Aufwendungen für Medikamente einschließlich medizinisch verordneter homöopathische Präparate und Aufwendungen für Heilbehelfe (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78).

Im Beschwerdefall werden die triftigen medizinischen Gründe aufgrund folgender Tatsachen als gegeben angesehen:

1. Der Beschwerdeführer leidet unter einer hochgradigen Spondyloosteochondrose und absoluter Wirbelkanalstenose. Ohne gegenständlicher Operation hätte es zu einem schweren neurologischen Defizit mit Lähmungen bis zur Querschnittlähmung kommen können. Mit ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen war zu rechnen.

2. Die im Februar 2018 im öffentlichen Krankenhaus durchgeführte Operation hat nicht zur angestrebten Verbesserung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers geführt. (Eine weitere Operation wurde im öffentlichen Krankenhaus durch den behandelnden Facharzt abgelehnt.)

3. Die Konsultation des Facharztes für Neurologie und die nachfolgende neuerliche Operation durch diesen stellte für den Beschwerdeführer die einzige Möglichkeit dar, seine Lebensqualität zu verbessern.

4. Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Durchführung der gegenständlichen Operation bereits 91 Jahre alt. Es ist davon auszugehen, dass das Operationsrisiko mit höherem Alter zunimmt und daher eine alsbaldige Operation auch aus diesem Grund geboten war.

Die Behandlung in der Privatklinik war folglich aus triftigen medizinischen Gründen notwendig, die Zahlung der nicht durch die Krankenkasse übernommenen Kosten samt Kilometergeld stellt grundsätzlich eine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1998 dar.

Dass die Bestätigung des Facharztes betreffend medizinischer Notwendigkeit erst nach der Operation ausgestellt worden ist kann nach Ansicht des Senates nicht dazu führen, dass die oben angeführten triftigen medizinischen Gründe negiert werden.
Der VwGH hat etwa im Erkenntnis vom 13.5.1986, 85/14/0181, einen Bescheid infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil sich die belangte Behörde nicht mit einem bestimmten Vorbringen auseinandergesetzt hat. Das Vorbringen wurde im zitierten Verfahren in Form einer Bestätigung eingebracht, die nach der erfolgten medizinischen Behandlung ausgestellt worden ist.
Daraus ist zu schließen, dass auch ärztliche Bestätigungen über triftige medizinische Gründe, die im Nachhinein ausgestellt werden, im Rahmen der Beweiswürdigung Berücksichtigung finden müssen (siehe auch BFG 31.3.2018, RV/1100554/2016; 2.4.2020, RV/5101062/2018).
Der Beschwerde war in diesem Punkt statt zu geben.

Über die Fahrtkosten in Form von Kilometergeld in Höhe von 87,28 € betreffend die gegenständliche Operation hinausgehende Fahrtkosten, die nicht in den unstrittig anzuerkennenden Aufwendungen in Höhe von 4.167,14 € enthalten sind, waren nicht anzuerkennen. Vom Beschwerdeführer wurde das Vorliegen die Voraussetzungen iSd § 34 EStG 1988 nicht glaubhaft gemacht.

In Summe war der Beschwerde daher teilweise Folge zu geben.

Die Krankheitskosten, die als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt einzustufen sind, errechnen sich wie folgt:

Operation

10.406,26 €

Kilometergeld iZm Operation

87,28 €

Unstrittig laut Aufstellung Amtspartei

4.167,14 €

Summe

14.660,68 €

 

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob triftige medizinische Gründe für die Anerkennung von Krankheitskosten vorliegen, oder ob die Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung glaubhaft gemacht worden sind, sind auf Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu lösende Tatfragen, die zu keiner Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung führen.

 

Linz, am 29. März 2021

 

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