VwGH 2012/15/0117

VwGH2012/15/01171.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des C H in L, vertreten durch Dr. Robert Aflenzer, Rechtsanwalt in 4050 Traun, Neubauerstraße 14/1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 10. April 2012, Zlen. RV/1353-L/10 und RV/1354-L/10, betreffend

u. a. Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2009 (Arbeitnehmerveranlagung), zu Recht erkannt:

Normen

EStG §34 Abs7 Z4;
EStG §34 Abs7;
EStG §34 Abs7 Z4;
EStG §34 Abs7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer machte im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagungen 2007 bis 2009 außergewöhnliche Belastungen in der Höhe von je 6.600 EUR geltend.

Über Vorhalt des Finanzamtes gab er bekannt, er sei laut ABGB für seine Eltern sorgepflichtig, soweit sie nicht in der Lage seien, den notwendigen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren. Diese Verpflichtung bestehe aus moralischer Sicht. Seine Eltern hätten im Jahr 2007 ein gemeinsames Durchschnittseinkommen von 1.333,23 EUR pro Monat erzielt. In den Jahren 2008 und 2009 habe sich das gemeinsame Durchschnittseinkommen auf 1.213,52 EUR (2007) bzw. 897,15 EUR (2008) pro Monat belaufen. Damit seien zusätzliche unvermeidbare Ausgaben z.B. für Heizung und Warmwasser durchschnittlich 62 EUR p.m., Strom 100 EUR p.m., Betriebskosten der Wohnung rund 230 EUR p.m. und diverse Versicherungen bezahlt worden. Aufgrund des kleinen Einkommens und der großen unvermeidbaren Ausgaben seien die Eltern nicht in der Lage gewesen, den Lebensunterhalt und notwendige soziale Kontakte selbst zu finanzieren, weshalb sie der Beschwerdeführer mit 550 EUR p.m. unterstützen musste. Der Vorhaltsbeantwortung waren Überweisungsbelege und Kontoauszüge zum Nachweis der in den Jahren 2007 bis 2009 getätigten monatlichen Überweisung und die Einkommensteuerbescheide der Eltern für die Jahre 2007 bis 2009 beigelegt.

Gegen die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2009, mit denen das Finanzamt die Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen versagte, erhob der Beschwerdeführer Berufung und führte aus, dass die Aufwendungen für seine Eltern, aufgrund der bestehenden Krankheiten und "Gesundheitsschäden" notwendig seien. Die Nichtbereitstellung der vom Beschwerdeführer geleisteten Beträge würde die gesundheitliche Versorgung unmöglich machen. Wie aus der bereits vorgelegten Aufstellung über die Einkommensverhältnisse der Eltern ersichtlich sei, "ist die Selbsterhaltung - unter Berücksichtigung der Aufwendungen für die Gesundheit - nicht sichergestellt bzw. nicht gewährleistet." Die Zahlungen seien "nach § 143 ABGB rechtlich begründet und verpflichtend". Sie könnten auch nicht aufgeteilt werden, weil die Brüder des Beschwerdeführers "derzeit nicht in der Lage sind einen entsprechenden Beitrag zu leisten ((M) Hausbau; (T) große Aufwendungen für seine Gesundheit)". Das Finanzamt habe die Einkommensteuerbescheide der Eltern nicht berücksichtigt und seiner Beurteilung falsche Einkommensverhältnisse zugrunde gelegt. Es sei noch darauf hinzuweisen, dass die Zahlungen, "die in erster Linie für die Finanzierung der Kranken- und Gesundheitskosten sowie der Mehrbelastungen aufgrund der Behinderung meiner Eltern (Vater und Mutter) verwendet werden, unvermeidbar sind. Diese hohen Mehrkosten bzw. Aufwendungen können von meinen Eltern unmöglich selbst finanziert werden."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und führte aus, der Beschwerdeführer leiste Unterhaltszahlungen an seine Eltern, weil diese nach Bezahlung von Miete, Betriebskosten, Versicherungen, Strom, Heizung etc. nicht in der Lage seien, den nötigen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren und sonst deren gesundheitliche Versorgung unmöglich wäre. Nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 könnten nur Aufwendungen, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellten, beim Unterhaltsverpflichteten zu außergewöhnlichen Belastungen führen. Zahlungen der Eltern für den hier in Rede stehenden "Themenbereich (wie Miete, Betriebskosten, Versicherungen, Strom, Heizung, Gesundheitspflege uä.) stellen auch bei ihnen selbst keine außergewöhnliche Belastung dar". Sie führten daher, selbst wenn sie aufgrund rechtlicher oder sittlicher Verpflichtungen geleistet würden, auch beim Beschwerdeführer zu keiner außergewöhnlichen Belastung. "Dass es nichts für das Berufungsbegehren bringt, wofür die vom (Beschwerdeführer) geleisteten Zahlungen von den Eltern eingesetzt werden (ob für Lebensmittel, Miete oä., Gesundheitspflege und - versorgung etc.) braucht wohl nicht näher erörtert werden. Es waren aus den angeführten Gründen die beantragten Unterhaltszahlungen nicht als außergewöhnliche Belastung zu qualifizieren und in der Folge auch nicht auf die Höhe der Pensionen der Eltern einzugehen, ebenso wie ein Diskurs des § 143 ABGB entfallen konnte."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich im "Recht auf Abzug von außergewöhnlichen Belastungen bei der Ermittlung des Einkommens" verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Abzug von Belastungen bei Ermittlung des Einkommens setzt gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 voraus, dass die Belastung außergewöhnlich ist, zwangsläufig erwächst und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt. Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (§ 34 Abs. 2 EStG 1988). Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn sich der Steuerpflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 34 Abs. 3 EStG 1988). Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie den nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

§ 34 Abs. 7 EStG 1988 regelt die Voraussetzungen, unter denen Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden können. In den Z 1 bis 3 dieser Bestimmung sind dazu Regelungen betreffend Unterhaltsleistungen an Kinder und (Ehe)Partner enthalten. Nach § 34 Abs. 7 Z 4 in der Fassung BGBl. 818/1993 sind Unterhaltsleistungen darüber hinaus nur insoweit abziehbar, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Die vom Gesetzgeber in § 34 Abs. 7 EStG 1988 gewählte Umschreibung schließt beispielsweise die Anerkennung laufender Unterhaltszahlungen von Kindern an mittellose Eltern und sonstige nahe Angehörige von einer Begünstigung nach § 34 EStG 1988 aus (vgl. Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar, Tz 23 zu § 34 Abs. 6 bis 9 EStG 1988). Nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 bleiben Unterhaltsleistungen aber jedenfalls insoweit abziehbar, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltspflichtigen selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Dazu zählen vor allem Krankheits- oder Pflegekosten (vgl. Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar, Tz 33 zu § 34 Abs. 6 bis 9 EStG 1988, mit weiteren Nachweisen).

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren unter anderem vorgebracht, dass sich seine Eltern "- unter Berücksichtigung der Aufwendungen für die Gesundheit -" nicht selbst erhalten könnten und zum Nachweis dafür die Einkommensteuerbescheide der Eltern für die Jahre 2007 bis 2009 vorgelegt. Weiters hat er vorgebracht, dass die von ihm geleisteten Zahlungen, "in erster Linie für die Finanzierung der Kranken- und Gesundheitskosten sowie der Mehrbelastungen aufgrund der Behinderung meiner Eltern (Vater und Mutter) verwendet werden".

Wie eingangs dargelegt, bleiben zwangsläufig erwachsene Unterhaltsleistungen nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 jedenfalls insoweit abziehbar, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltspflichtigen selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Dazu zählen vor allem Krankheits- oder Pflegekosten. Die belangte Behörde ging in Verkennung der Rechtslage davon aus, "dass es nichts für das Berufungsbegehren bringt, wofür die vom (Beschwerdeführer) geleisteten Zahlungen von den Eltern eingesetzt werden (ob für Lebensmittel, Miete oä., Gesundheitspflege und -versorgung etc.)". Im Hinblick darauf hat sie sich mit den Einkommensverhältnissen der Eltern und mit dem - vom Beschwerdeführer im fortgesetzten Verfahren noch unter Beweis zu stellenden - Berufungsvorbringen, wonach die vom Beschwerdeführer geleisteten Zahlungen in erster Linie zur Abdeckung der Krankheitskosten verwendet wurden, nicht auseinandergesetzt. Ob und inwieweit allfällige Krankheits- und Pflegekosten - wie in der Gegenschrift vorgebracht - bereits von den Eltern des Beschwerdeführers als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht wurden, hat die belangte Behörde ebenfalls nicht erhoben.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 1. September 2015

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