VwGH 2007/13/0051

VwGH2007/13/005126.5.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der L in W, vertreten durch Dr. Rebekka Stern, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 15/1/30, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 15. März 2007, Zl. RV/0414-W/06, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2003, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §34 Abs6;
EStG §35 Abs1;
EStG §35 Abs3;
EStG §35 Abs5;
EStG §34 Abs6;
EStG §35 Abs1;
EStG §35 Abs3;
EStG §35 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Beschwerdefall ist die Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung bei der Einkommensermittlung für das Jahr 2003 wegen von der Beschwerdeführerin geltend gemachter Pflegeheimkosten strittig.

Nachdem das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid 2003 als außergewöhnliche Belastungen u.a. nur den Freibetrag wegen Behinderung nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 im Betrag von 243 EUR abgezogen hatte, machte die Beschwerdeführerin in der Berufung geltend, dass sie wegen Betreuungsbedürftigkeit auf Grund ihrer Behinderung ("Grad der Behinderung = 50 %") in einem Pflegeheim wohne, sodass um Berücksichtigung der für 2003 geltend gemachten Pflegeheimkosten laut "beiliegender Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2003" ersucht werde.

Die in der Berufung erwähnten Pflegeheimkosten waren in der "Beilage zur Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2003" mit einem Betrag von 13.856 EUR ausgewiesen, wobei sich dieser Betrag aus den "Pflegeheimkosten" von 14.124 EUR abzüglich eines Betrages für Pflegegeld in Höhe von 268 EUR errechnete. Zu den Pflegeheimkosten enthielt die Beilage weiters den Vermerk: "Die Pflegeheimkosten werden ohne Verpflegung verrechnet; des weiteren hat die Steuerpflichtige noch einen aufrechten Haushalt - daher keine Kürzung um eine Haushaltsersparnis".

In den Verwaltungsakten liegt eine Bestätigung des Heimbetreibers ein, in der u.a. ausgeführt wird:

"Die Kosten für das Jahr 2003 betrugen:

von 01.01.2003 bis 31.12.2003

EUR 14.208,--

Schwesternhilfen

 

Die sonstigen Kosten wie elektrische Energie und Medikamente

werden gesondert verrechnet.

Die ärztliche Hilfe und ständige Pflege war und ist jederzeit gewährleistet."

In einer der Berufung teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass die Kosten für eine Unterbringung in einem Alters- oder Pflegeheim dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden könnten, wenn die Aufwendungen durch Krankheit, Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit verursacht seien. Von einer "besonderen Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit" könne bei einem Anspruch auf ein Pflegegeld ab der Pflegestufe 1 ausgegangen werden. Die Beschwerdeführerin beziehe ab Dezember 2003 Pflegegeld der Pflegestufe 2. Die "Pflegeheimkosten werden daher auch erst ab Dezember 2003 als außergewöhnliche Belastung ohne Abzug eines Selbstbehaltes (gekürzt um das Pflegegeld) anerkannt".

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wies die für die Beschwerdeführerin einschreitende Beschwerdevertreterin darauf hin, dass die Beschwerdeführerin wegen ihrer Behinderung seit 1998 in einem Alters- und Pflegeheim lebe. Wegen ihrer besonderen Pflege- bzw. Betreuungsbedürftigkeit liege rechtlich schon seit Jahren ein Anspruch auf das Pflegegeld vor, der jedoch wegen Unkenntnis der Beschwerdeführerin nicht früher geltend gemacht worden sei. Der Grad der Behinderung in Höhe von 50 % entspreche der Pflegestufe 2.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung "im Umfang der Berufungsvorentscheidung" teilweise Folge.

Strittig sei - so die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides -, ob die von der Beschwerdeführerin für das gesamte Jahr 2003 geltend gemachten Aufwendungen für den Aufenthalt im Heim als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt anzuerkennen seien, "obwohl die Bw. erst ab Dezember 2003 Pflegegeld der Stufe 2 in Höhe von monatlich EUR 268,- bezogen hat". Der im Jahr 1920 geborenen Beschwerdeführerin sei im Jahr 1995 amtsärztlich eine Erwerbsminderung in Höhe von 50 % bestätigt worden. Seit 1998 lebe sie in einem Alters- und Pflegeheim. Auf Grund "der Rechtsprechung und der Lohnsteuerrichtlinien" seien die Kosten für einen Aufenthalt in einem Alters- oder Pflegeheim nur dann als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wenn der Aufenthalt im Heim aus Gründen der Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit gegeben sei, "wobei von einer solchen Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit ausgegangen wird, wenn ein Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 1 gegeben ist". Die Beschwerdeführerin habe erst am 1. Dezember 2003 den Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 2 bescheidmäßig zuerkannt bekommen, "weshalb erst ab Dezember 2003 die Kosten des Heimaufenthaltes als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können". Dass möglicherweise bereits zu einem früheren Zeitpunkt Anspruch auf Pflegegeld bestanden habe, dieser jedoch aus Unwissenheit nicht früher geltend gemacht worden sei, "vermag nichts daran zu ändern, dass von Jänner bis November 2003 rechtlich kein Pflegegeldanspruch bestanden hat und daher die Voraussetzung für die Anerkennung der Heimkosten in diesem Zeitraum nicht gegeben war".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

§ 34 Abs. 6 EStG 1988 idF StruktAnpG 1996, BGBl. Nr. 201/1996, und AbgÄG 1997, BGBl I Nr. 9/1998, lautet auszugsweise:

"Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

(...)

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