Kosten der psychotherapeutischen Behandlung in einem Privatklinikum
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101062.2018
Beachte:
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/15/0066. Zurückweisung mit Beschluss vom 27.09.2021.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache über die Beschwerde vom 06.03.2017 gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 08.02.2017, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2015 zu Recht:
- Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
- Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Im Rahmen ihrer Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2015 machte die Beschwerdeführerin unter anderem Krankheitskosten im Betrag von 14.877,31 Euro unter dem Titel "Außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt" steuerlich geltend.
Mit Vorhalt der belangten Behörde vom 9.12.2016 wurde die Beschwerdeführerin gebeten, die gesamten Krankheitskosten belegmäßig nachzuweisen, eine komplette Aufstellung der Kosten beizulegen und eventuelle Ersätze abzuziehen. Diesem Ersuchen kam die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 18.1.2017 nach. Der von der Beschwerdeführerin übermittelten Aufstellung zufolge beliefen sich die Krankheitskosten nach Abzug der seitens der OÖGKK erfolgten Erstattungen von Kosten der Krankenbehandlung auf 13.904,73 Euro.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 vom 8.2.2017 wurde die Veranlagung unter Berücksichtigung von Krankheitskosten im Betrag von 2.264,08 Euro, die sich jedoch mangels Übersteigung des Selbstbehaltes von 4.583,34 Euro nicht auf das steuerpflichtige Einkommen auswirkten, durchgeführt. Nicht berücksichtigt wurden zwei von der ***X*** Privatklinikum ***Ort1*** GmbH ausgestellte Rechnungen über 11.549,93 Euro bzw 89,99 Euro (in Summe somit 11.639,92 Euro). In der Bescheidbegründung wurde dazu wie folgt ausgeführt: "Die von Ihnen als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen wurden den vorgelegten Belegen abzüglich den Kostenersätzen durch die GKK entsprechend berücksichtigt. Nach § 34 (3) EStG 1988 muss eine außergewöhnliche Belastung (z.B. Krankheitskosten) zwangsläufig erwachsen. Aufwendungen bezüglich Behandlungen in einer Privatklinik sind jedoch nicht zwangsläufig, da in jedem Spital /bei jedem Arzt in Österreich ein dichtgewebtes medizinisches Netz, die gleiche Behandlung nach dem Stand der Wissenschaft, dem Patienten zukommen lässt. Die Vorteile von der freien Wahl des Krankenhauses und des behandelnden Arztes, stellt keinen gesundheitlichen Nachteil dar. Die beantragten Kosten betreffend ***X*** Privatklinikum ***Ort1*** konnten daher nicht anerkannt werden."
Gegen den oa Bescheid brachte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 8.7.2016 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein und führte begründend im Wesentlichen wie folgt aus: Die Beschwerdeführerin sei im August 2014 von ihrem Arzt "wegen Erschöpfungssyndrom mit akuter Belastungsreaktion" krankgeschrieben worden. Eine medikamentöse Behandlung habe keine Wirkung gezeigt. Im Oktober 2014 habe ihr Arzt ein Heilverfahren gemäß § 302 ASVG (Rehabilitation) beantragt. Im November 2014 sei ein Aufenthalt ab Juli 2015 für die Dauer von 43 Tagen in der Rehabilitationsklinik ***Ort2*** bewilligt worden. Die Wartezeit von 8 Monaten sei für die Beschwerdeführerin sowie aus Sicht ihres Arztes jedoch nicht tragbar gewesen. Anfang Dezember 2014 habe ihr Arzt eine Einweisung in das öffentliche ***X*** Klinikum ***Ort1*** ausgestellt. Ein Aufenthalt wäre allerdings - je nach Auslastung - frühestens Ende März 2015 möglich gewesen. Aufgrund der den Ausführungen der Beschwerdeführerin zufolge hierfür gegebenen Notwendigkeit habe sich die Beschwerdeführerin daraufhin für eine stationäre Aufnahme im ***X*** Privatklinikum ***Ort1*** Anfang Jänner 2015 entschieden.
Mit Vorhalt der belangten Behörde vom 30.3.2017 wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde darauf hingewiesen, dass höhere Aufwendungen als jene, die von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, nach der Rsp des VwGH nur dann als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen erfolgen. Darauf Bezug nehmend wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde dazu aufgefordert, die in der Beschwerde ins Treffen geführte Notwendigkeit "anhand eines Nachweises betreffend konkret abzeichnender ernsthafter gesundheitlicher Nachteile aufzuzeigen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eingetreten wäre."
Daraufhin übermittelte die Beschwerdeführerin eine am 25.4.2017 ausgestellte ärztliche Bestätigung, der zufolge der "stationäre Aufenthalt in der ***X*** Privatlinik im Jänner 2015 […] aus medizinischer Sicht indiziert und die Wartezeit auf einen öffentlichen Platz in einer psychischen Rehabilitation aus damaliger Sicht nicht tragbar [war]."
Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 4.5.2017 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass bei pflichtversicherten Steuerpflichtigen höhere Aufwendungen als jene, die von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, dem Steuerpflichtigen nach der Rsp des VwGH (Verweis auf VwGH 4.3.1986, 85/14/0149, und VwGH 13.5.1986, 85/14/0181) nur dann zwangsläufig erwachsen, sofern solche Aufwendungen aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind. Von der Beschwerdeführerin hätte jedoch das Vorliegen triftiger medizinischer Grunde für die Behandlung in der ***X*** Privatklinik "mangels Aufzeigen erheblicher gesundheitlicher Nachteile, die ohne die teurere Behandlung zu erwarten gewesen wären" nicht nachgewiesen werden können.
Mit Schreiben vom 24.5.2017 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Begründend wurde im Vorlageantrag in Ergänzung zu den bereits im Rahmen der Beschwerde erfolgten Ausführungen im Wesentlichen vorgebracht, dass psychische Erkrankungen einer sofortigen Behandlung bedürften, um das Krankheitsbild nicht noch weiter zu verschlechtern und somit die Krankenstandsdauer zu verlängern bzw eventuellen Folgeerkrankungen hintanzuhalten.
Mit Vorhalt der belangten Behörde vom 14.6.2017 wurde die Beschwerdeführerin ersucht, unter anderem folgende Unterlagen beizubringen:
- Bekanntgabe Dauer der Krankenstände aus 2014, 2015 und 2016
- Dienstvertrag der ***Arbeitgeberin***
- Kurantrag nach § 302 ASVG
- Genehmigung in die Rehaklinik in ***Ort2***
- Einweisung in das öffentliche ***X*** Klinikum in ***Ort1***
- Therapieplan des Privatklinikums ***X*** in ***Ort1***
Befunde
- Medikamentenverschreibungen vor Aufenthalt im Privatklinikum ***X*** in ***Ort1***
- ärztliche Anordnung für den Aufenthalt im Privatklinikum ***X*** in ***Ort1***
- Therapienachweise vor Aufenthalt im Privatklinikum ***X*** in ***Ort1***
Diesem Ersuchen kam die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 3.7.2017 weitgehend nach. Nicht vorgelegt wurden unter Verweis auf den besonderen gesetzlichen Schutz der sensiblen psychotherapeutischen Daten der Therapieplan des Privatklinikums ***X*** in ***Ort1***, Befunde, sowie Medikamentenverschreibungen. Ebenfalls nicht vorgelegt wurde der angeforderte "Kurantrag nach § 302 ASVG". Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin, denen zufolge eine "Genehmigung in die Rehaklinik in ***Ort2***" nicht mehr vorhanden sei, war dem Schreiben jedoch ein entsprechendes Bewilligungsschreiben der Pensionsversicherungsanstalt beigelegt.
Am 12.7.2018 wurde die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt. Im Rahmen des Vorlageberichts legte die belangte Behörde erneut die bereits in der Beschwerdevorentscheidung dargelegte Rechtsansicht dar und wies zudem darauf hin, dass im angefochtenen Bescheid Aufwendungen für Zahnprophylaxe in Höhe von 50,- Euro berücksichtigt worden seien (jedoch ohne steuerliche Auswirkung mangels Übersteigung des Selbstbehaltes). Nach der Rechtsprechung seien Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten sowie für die Erhaltung der Gesundheit allerdings nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:
Die Beschwerdeführerin befand sich aufgrund einer psychischen Erkrankung im Zeitraum ab tt.8.2014 bis tt.10.2015 durchgehend in Krankenstand.
Im Oktober 2014 reichte der behandelnde Arzt der Beschwerdeführerin einen Antrag auf Heilbehandlung gemäß § 302 ASVG (Rehabilitation) ein. Mit Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom tt.mm.2015 wurde der Beschwerdeführerin die Bewilligung eines Aufenthalts in der Rehabilitationsklinik ***Ort2*** für die Dauer von 43 Tagen mitgeteilt.
Aufgrund der Wartezeit bis zum Beginn der bewilligten Heilbehandlung im Juli 2015 stellte der behandelnde Arzt der Beschwerdeführerin Anfang Dezember 2014 eine Einweisung an das ***X*** Klinikum ***Ort1*** zwecks stationärer Aufnahme und Therapie wegen Erschöpfungssyndrom/Belastungsstörung aus.
Da der Beschwerdeführerin mitgeteilt wurde, dass ein Beginn der Heilbehandlung im ***X*** Klinikum ***Ort1*** - je nach Auslastung - frühestens Ende März 2015 möglich sei, unterzog sich die Beschwerdeführerin im Zeitraum tt.mm.2015 bis tt.mm.2015 einer Heilbehandlung im ***X*** Privatklinikum ***Ort1*** (stationärer Aufenthalt).
Das ***X*** Privatklinikum ***Ort1*** ist ein Fachkrankenhaus für Psychosomatik und Psychotherapie. Die vom ***X*** Privatklinikum ***Ort1*** der Beschwerdeführerin in Rechnung gestellten Kosten für den stationären Aufenthalt beliefen sich auf 11.639,92 Euro. Der in Rechnung gestellte Betrag wurde von der Beschwerdeführerin im Jahr 2015 beglichen; eine (anteilige) Erstattung dieser Kosten wurde der Beschwerdeführerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht zuteil.
Der stationäre Aufenthalt der Beschwerdeführerin im ***X*** Privatklinikum ***Ort1*** war medizinisch erforderlich; ein Zuwarten auf einen öffentlichen Platz in einer psychischen Rehabilitation war aus medizinischer Sicht nicht tragbar.
2. Beweiswürdigung
Gemäß § 167 Abs 1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises. Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde im übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Die Abgabenbehörde muss dieser Rsp zufolge den Bestand einer Tatsache nicht im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn nachweisen (vgl zB VwGH 31.5.2017, Ro 2014/13/0025; Ritz, BAO6 § 167 Rz 8 mwN).
Soweit im Folgenden nicht gesondert erörtert, sind die obigen Sachverhaltsfeststellungen aktenkundig bzw ergeben sich diese aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widerlegten Ausführungen der Beschwerdeführerin.
Die Feststellung, dass das ***X*** Privatklinikum ***Ort1*** ein Fachkrankenhaus für Psychosomatik und Psychotherapie ist, beruht auf den auf der Homepage dieser Einrichtung verfügbaren Informationen (***URL***; abgerufen am 10.3.2020).
Zu der Feststellung, dass der stationäre Aufenthalt der Beschwerdeführerin im ***X*** Privatklinikum ***Ort1*** medizinisch erforderlich war und ein Zuwarten auf einen öffentlichen Platz in einer psychischen Rehabilitation aus medizinischer Sicht nicht tragbar war, ist wie folgt auszuführen:
Der Steuerpflichtige, der eine Begünstigung, somit auch eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung, in Anspruch nimmt, hat im Allgemeinen selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann, wobei die Gründe dafür einzeln anzuführen und zumindest glaubhaft zu machen sind (vgl VwGH 10.8.2005, 2001/13/0191 mwN).
Dass der stationäre Aufenthalt der Beschwerdeführerin im ***X*** Privatklinikum ***Ort1*** medizinisch erforderlich war und ein Zuwarten auf einen öffentlichen Platz in einer psychischen Rehabilitation aus medizinischer Sicht nicht tragbar war, wurde von der Beschwerdeführerin durch Vorlage eines ihr eigenes Vorbringen stützenden, vom behandelnden Arzt der Beschwerdeführerin am 25.4.2017 ausgestellten "ärztlichen Gesundheitszeugnisses", dem zufolge der stationäre Aufenthalt in der ***X*** Privatlinik im Jänner 2015 "aus medizinischer Sicht indiziert und die Wartezeit auf einen öffentlichen Platz in einer psychischen Rehabilitation aus damaliger Sicht nicht tragbar" gewesen sei, glaubhaft gemacht.
Der Umstand, dass in der Bestätigung keine nähere Begründung ausgeführt wird, aus welchen Gründen die Wartezeit auf einen öffentlichen Platz in einer psychischen Rehabilitation aus der Sicht des die Bestätigung ausstellenden Arztes nicht tragbar gewesen sei, vermag die Beweiskraft der gegenständlichen Bestätigung nach Ansicht des erkennenden Gerichtes nicht zu erschüttern.
Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 34 Abs1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§2 Abs 2 EStG 1988) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss vor allem folgende Voraussetzungen erfüllen:
"1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4)."
Die im vorliegenden Fall strittige Voraussetzung der Zwangsläufigkeit ist gemäß § 34 Abs 3 EStG 1988 erfüllt, wenn sich der Steuerpflichtige der Belastung "aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann."
Im Beschwerdefall wird eine infolge einer psychischen Erkrankung mit dem Aufenthalt in einer Privatklinik einhergehende Belastung, somit eine aus tatsächlichen Gründen eingetretene Belastung geltend gemacht. Die belangte Behörde bestreitet im Ergebnis die Zwangsläufigkeit der in Rede stehende Aufwendungen.
Zu der insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem EStG 1953 hat der VwGH das Vorliegen des Elements der Zwangsläufigkeit für Fälle bejaht, in denen der krankenversicherte Steuerpflichtige aus triftigen Gründen sich selbst oder einen von der Versicherung miterfassten nahen Angehörigen in einer Privatkrankenanstalt oder durch einen Nichtkassenarzt behandeln lässt und ihm dadurch höhere Aufwendungen erwachsen (vgl VwGH 3.10.1960, Zl 168/58; VwGH 11.7.1961, Zl 531/59). Konkret wurden vom VwGH mit dieser Begründung etwa in seinem Erkenntnis vom 11.7.1961, Zl 531/59, Aufwendungen für die operative Entbindung der Ehefrau des Steuerpflichtigen in einer Privatkrankenanstalt als zwangsläufig anerkannt, da die strittigen Aufwendungen mit den bereits bei den vorangehenden Geburten des ersten und zweiten Kindes des Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau aufgetretenen Schwierigkeiten sowie mit den bei der Geburt des dritten Kindes erneut zu erwartenden Schwierigkeiten begründet wurden. Vor diesem Hintergrund erachtete der VwGH die in der Privatkrankenanstalt gegebene Möglichkeit, den bereits die operative Entbindung bei der Geburt des zweiten Kindes durchführenden Arzt frei zu wählen, als hinreichenden Grund für die Bejahung der Zwangsläufigkeit.
Auch zur vergleichbaren Rechtslage nach dem EStG 1972 hat der VwGH unter Verweis auf die oa Rsp zum EStG 1953 ausgesprochen, dass "triftige medizinische Gründe […] höhere Aufwendungen als die von den Sozialversicherungsträgern finanzierten durchaus zwangsläufig erscheinen [lassen]." Konkret bejahte der VwGH mit dieser Begründung die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen für eine Gebisssanierung, die einer Verschlechterung der Kauleistung und in weiterer Folge einer vermehrten Belastung (Schädigung) des Verdauungstraktes vorbeugen sollte (VwGH 4.3.1986, 85/14/0149).
In seinem Erkenntnis vom 13.5.1986, 85/14/0181, stellte der VwGH klar, dass "bloße Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen über eine bestimmte medizinische Behandlung sowie allgemein gehaltene Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung finanzierten medizinischen Betreuung noch keine triftigen medizinischen Gründe für Aufwendungen darstellen, welche die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen." Konkret qualifizierte der VwGH in diesem Zusammenhang Aufwendungen für die Entbindung in einer Privatklinik als nicht zwangsläufig, die vom Steuerpflichtigen weitgehend mit Bedenken der Ehegattin gegen die Entbindung in einem anonymen Großstadtspital, dem Wunsch der Ehegattin nach einer Geburt möglichst ohne Wehen- und Schmerzmittel, dem weiteren Wunsch der Ehegattin, das Kind möglichst von Anfang an zu stillen und während des Krankenhausaufenthaltes in ihrem Zimmer unterzubringen, und schließlich auch dem Wunsch, der Steuerpflichtige solle bei der Geburt anwesend sein können, begründet wurden. Weiters war in der Berufung ausgeführt worden, die Ehegattin des Steuerpflichtigen habe von mehreren Frauen aus ihrem Bekanntenkreis gehört, dass die Betreuung durch Ärzte und Pflegepersonal bei der Entbindung in der allgemeinen Gebührenklasse (öffentlicher) Krankenhäuser zu wünschen übriglasse.
Im Hinblick auf die hier in Rede stehende Aufwendungen für eine medizinische Betreuung in einer Privatklinik müssen vor dem Hintergrund der oa Rsp des VwGH somit triftige medizinische Gründe vorliegen. Dies ergibt sich sowohl aus den oa Erkenntnissen zum EStG 1953 (VwGH 3.10.1960, Zl 168/58; VwGH 11.7.1961, Zl 531/59), wenn man die dort maßgeblichen Gründe betrachtet, als auch ausdrücklich aus den oa zum EStG 1972 ergangenen Erkenntnissen (VwGH 4.3.1986, 85/14/0149; VwGH 13.5.1986, 85/14/0181).
Zwar ist der belangten Behörde vor diesem Hintergrund insoweit zuzustimmen, als die Zwangsläufigkeit der in Rede stehenden Aufwendungen zu verneinen wäre, wenn diese lediglich auf bloße Wünsche und Vorstellungen der Beschwerdeführerin über eine bestimmte medizinische Behandlung zurückzuführen wären.
Soweit die belangte Behörde die Zwangsläufigkeit der in Rede stehenden Aufwendungen verneint, setzt sie sich jedoch über den Inhalt der vorliegenden ärztlichen Bestätigung vom 25.4.2017 hinweg (vgl in diesem Zusammenhang auch VwGH 11.2.2016, 2013/13/0064). Im Unterschied zu dem vom VwGH mit seinem Erkenntnis vom 13.5.1986, 85/14/0181, entschiedenen Fall, in dem auch der behandelnde Arzt in der vom Steuerpflichtigen beigebrachten Bestätigung bloß von Wünschen der Ehegattin, deren Erfüllung die Möglichkeiten eines öffentlichen Krankenhauses bei allgemeiner Gebührenklasse überfordert hätten, sprach, liegt im gegenständlichen Beschwerdefall eine ärztliche Bestätigung vor, aus der hervorgeht, dass der stationäre Aufenthalt der Beschwerdeführerin im ***X*** Privatlinikum ***Ort1*** im Jänner 2015 medizinisch erforderlich war; insbesondere weil die die Wartezeit auf einen öffentlichen Platz in einer psychischen Rehabilitation aus der Sicht des die Bestätigung ausstellenden Arztes nicht tragbar war.
Wie bereits unter Punkt 2.1. ausgeführt wurde, vermag der von der belangten Behörde sinngemäß monierte Umstand, dass in der ärztlichen Bestätigung keine nähere Begründung dahingehend ausgeführt wird, welche gesundheitlichen Nachteile bei einem Zuwarten auf einen öffentlichen Platz in einer psychischen Rehabilitation in concreto zu erwarten gewesen wären, die Beweiskraft der gegenständlichen Bestätigung nicht zu erschüttern. Ein Vorliegen "triftiger medizinischer Gründe" iSd oa Rsp des VwGH kann somit nach Ansicht des erkennenden Gerichtes nicht in Abrede gestellt werden.
Zu den Darstellungen der belangten Behörde, wonach die vorliegende ärztliche Bestätigung circa 28 Monate nach Antritt des Klinikaufenthaltes ausgestellt worden sei und die Beschwerdeführerin sich geweigert habe, den Therapieplan des ***X*** Privatklinikums ***Ort1*** vorzulegen, ist wie folgt auszuführen:
Nach der stRsp des Verwaltungsgerichtshofes sind bei Kurreisen an den Nachweis der Zwangsläufigkeit "wegen der im Allgemeinen schwierigen Abgrenzung solcher Reisen von den ebenfalls der Gesundheit und Erhaltung der Arbeitskraft dienenden Erholungsreisen" strenge Anforderungen zu stellen. Zum Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Reise sei es daher "regelmäßig" erforderlich, dass der Steuerpflichtige ein vor Antritt der Kur ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Zeugnis vorlege (vgl zB 25.4.2002, 2000/15/0139; VwGH 4.9.2014, 2012/15/0136). Zudem kommt die Berücksichtigung der Aufwendungen für einen Kuraufenthalt als außergewöhnliche Belastung dem Grunde nach der Rsp des VwGH zufolge nur dann in Betracht, wenn eine kurgemäß geregelte Tages- und Freizeitgestaltung vorliegt und der Aufenthalt somit seinem Gesamtcharakter nach kein Erholungsurlaub ist (vgl an Stelle Vieler zB VwGH 24.9.2008, 2006/15/0120 mwN).
Im vorliegenden Fall fielen jedoch nicht Aufwendungen für eine "Kurreise" iSd oa Rsp des VwGH an; vielmehr wurden Aufwendungen getätigt für den stationären Aufenthalt in einem Fachkrankenhaus für Psychosomatik und Psychotherapie. Eine Übertragung der oben angeführten Judikatur, die nicht zu Aufenthalten in Krankenanstalten erging, auf die Inanspruchnahme einer solchen Einrichtung durch die Beschwerdeführerin nähme auf die Begründung der zitierten Judikatur mit besonderen Abgrenzungsschwierigkeiten nicht Bedacht und wäre daher verfehlt (vgl VwGH 31.3.2017, Ra 2015/13/0042). Dass die vorliegende ärztliche Bestätigung circa 28 Monate nach Antritt des Klinikaufenthaltes ausgestellt wurde und die Beschwerdeführerin den Therapieplan des ***X*** Privatklinikums ***Ort1*** nicht vorgelegt hat, ist somit für die Frage der Anerkennung der in Rede stehenden Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung ohne Bedeutung.
Wie im Rahmen der hier erfolgten Ausführungen bereits dargelegt wurde, sind die mit dem stationären Aufenthalt der Beschwerdeführerin im ***X*** Privatklinikum ***Ort1*** verbundenen, im Vergleich zu den von den Sozialversicherungsträgern finanzierten höheren Aufwendungen als zwangsläufig zu qualifizieren, weil der stationäre Aufenthalt im ***X*** Privatklinikum ***Ort1*** nicht auf bloße Wünsche und Vorstellungen der Beschwerdeführerin über eine bestimmte medizinische Behandlung, sondern auf den Umstand, dass ein Zuwarten auf einen öffentlichen Platz in einer psychischen Rehabilitation aus medizinischer Sicht nicht tragbar war, zurückzuführen ist. Die der Beschwerdeführerin aufgrund des stationären Aufenthaltes im ***X*** Privatklinikum ***Ort1*** erwachsenen Kosten sind vor diesem Hintergrund aufgrund der hierfür gegebenen medizinischen Notwendigkeit dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind demgegenüber - wie die belangte Behörde zutreffend im Rahmen des Vorlageberichtes ausgeführt hat - die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Kosten für ein zahnmedizinisches Prophylaxeprogramm. Dies ist damit zu begründen, dass nach der Rsp des VwGH nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme zu einer außergewöhnlichen Belastung führt. Die Aufwendungen müssen vielmehr zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (vgl VwGH 4.9.2014, 2012/15/0136). Krankheitskosten können nach der Rsp des VwGH nur dann als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden, wenn sie mit einer konkreten Heilbehandlung verbunden sind, nicht hingegen, wenn sie bloß der Vorbeugung von Krankheiten dienen sollen (VwGH 10.2.2016, 2013/15/0254; VwGH 24.6.2004, 2001/15/0109). Aufwendungen für zahnmedizinische Prophylaxe sind nach der Rsp des UFS grundsätzlich keine mit einer konkreten Heilbehandlung verbundene Krankheitskosten, da sie zur Vorbeugung von Krankheiten sowie zur Erhaltung der Gesundheit aufgewendet werden (vgl zB UFS 25.9.2008 RV/2463-W/08 und dazu Fischerlehner, ecolex 2008, 1161).
Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs4 EStG 1988 idF BGBl I 2012/112 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, "soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt." Die im gegenständlichen Fall anzuerkennenden Belastungen sind demnach um den nach der Maßgabe des § 34 Abs4 EStG 1988 berechneten Selbstbehalt im Betrag von 4.583,34 Euro zu vermindern. Betreffend die steuerliche Auswirkung der nach der Maßgabe der vorstehenden Ausführungen anzusetzenden außergewöhnlichen Belastung wird auf das als Beilage angeschlossene Berechnungsblatt verwiesen.
4. Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Soweit im Beschwerdefall Rechtsfragen zu lösen sind, folgt das Bundesfinanzgericht der im Rahmen der erfolgten rechtlichen Beurteilung (Punkt 3.) zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb gemäß § 25a Abs1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.
Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz
Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung - sofern diese vor dem 1. Mai 2020 zugestellt wurde - nicht mit Zustellung, sondern mit 1. Mai 2020 zu laufen (§ 6 Abs 2 iVm § 1 Abs 1 Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes [Art 16 2. COVID-19-Gesetz, BGBl I 2020/16]).
Linz, am 2. April 2020
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 34 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | VwGH 10.02.2016, 2013/15/0254 |