Normen
EStG §34 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.130,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die im Jahr 1945 geborene, seit 1963 querschnittgelähmte Revisionswerberin machte in ihrer Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2013 u.a. eine Ausgabe in der Höhe von EUR 676,-- für den Aufenthalt (EUR 546,--) und Massagen (EUR 130,--) in einem am Meer gelegenen Krankenhaus in Kroatien als außergewöhnliche Belastung geltend. Streitgegenständlich sind die vom Finanzamt und vom Bundesfinanzgericht nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannten Aufenthaltskosten (abzüglich eines Zuschusses des Behindertenverbandes von EUR 294,--) in der Höhe von EUR 546,--.
2 Aus den vorgelegten Akten geht dazu hervor, dass die Sozialversicherungsanstalt der Bauern in den Jahren 1973, 1974, 1977, 1981, 1983, 1985, 1987, 1988, 1990, 1993, 1996 und 2003 die Kosten von Aufenthalten der Revisionswerberin in offenbar demselben Krankenhaus übernommen hatte. In einem die Einkommensteuer für das Jahr 2011 betreffenden Verfahren, in dem die Bestätigung darüber vorgelegt wurde, unterlag die Revisionswerberin mit der Geltendmachung der ihr durch den Aufenthalt in dieser Einrichtung im Jahr 2011 entstandenen Kosten, weil sie, wie sie vorbrachte, von dem "Formalakt" einer ärztlichen Verordnung in diesem Jahr Abstand genommen hatte und ihr das Bundesfinanzgericht unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 2002, 2000/15/0139, entgegen hielt, es sei "ein vor Antritt der Kur ausgestelltes ärztliches Zeugnis vorzulegen". Schon das Finanzamt hatte auf dieses Erfordernis verwiesen.
3 Vor dem nunmehr strittigen Aufenthalt im Jahr 2013 holte die Revisionswerberin daher ein ärztliches Zeugnis eines Arztes für Allgemeinmedizin ein, das wie folgt lautete:
"Meine Patientin (...) leidet seit vielen Jahren unter den Auswirkungen einer Querschnittlähmung und ist somit an einen Rollstuhl gefesselt. - im Rahmen der Rehabilitation und vorallem als Prävention der daraus resultierenden Begleiterkrankungen der Muskulatur und des Skeletts - wird der Patientin ein jährlicher Kuraufenthalt mit intensiven, physiotherapeutischen Einheiten in einer spezialisierten Klinik wie z.b. von der AUVA empfohlenen orthopädischen Klinik (...) aus hausärztlicher Sicht ans Herz gelegt."
4 Im Verfahren über ihre Beschwerde gegen den das Streitjahr betreffenden Bescheid des Finanzamtes, mit dem die Aufenthaltskosten nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt wurden, erstattete die Revisionswerberin über Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes u.a. ein Vorbringen über den täglichen Stundenplan des Therapieprogramms in dem kroatischen Krankenhaus. Sie legte auch eine Bestätigung des Ärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom Februar 2013 vor, wonach die nach ihrem "Arbeitsunfall notwendigen Behandlungen und Rehabilitationmaßnahmen auch regelmäßige, jährliche Aufenthalte" in dem kroatischen Krankenhaus beinhalteten und die "dort durchgeführten fachinternen, gynäkologischen, urologischen und neurologischen Untersuchungen, ergänzt durch dermatologische Konsiliarbefunde, psychologische Diagnostik (...) eine medizinisch notwendige Maßnahme in Folge" ihrer Querschnittlähmung seien. Leider sei aber "die Teilnahme durch den Veranstalter, die AUVA, kontingentiert, sodass wir nicht jährlich die entsprechende Einweisung nach (...) durchführen können".
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab, wobei es sich auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Kurreisen stützte und davon ausgehend die Vorlage eines vor Antritt der Kur ausgestellten ärztlichen Zeugnisses als "unerlässlich" bezeichnete. Einem ärztlichen "Gutachten" könne es gleichgehalten werden, wenn zu einem Kuraufenthalt von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung oder auf Grund beihilfenrechtlicher Bestimmungen Zuschüsse geleistet würden, da zur Erlangung dieser Zuschüsse ebenfalls in der Regel ein ärztliches Gutachten vorgelegt werden müsse (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 2002, 2000/15/0139).
6 Im vorliegenden Fall sei das vorgelegte Schreiben des Hausarztes nur als Vorschlag und nicht als ärztliche Verordnung des Aufenthaltes zu werten, und es liege - wie von der Revisionswerberin mit dem die Kontingentierung der Teilnahme betreffenden Schreiben dargelegt - "für das Jahr 2013" auch keine Bewilligung seitens der Sozialversicherungsanstalt vor. Im Hinblick auf die "strengen Anforderungen, die an den Nachweis der Zwangsläufigkeit eines Kuraufenthaltes zu stellen sind", sei eine Berücksichtigung der Aufenthaltskosten als außergewöhnliche Belastung daher nicht möglich.
7 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für unzulässig, weil "die streitgegenständliche Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutig gelöst" sei.
8 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, zu der das Finanzamt keine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 Die Revision ist zulässig und begründet. Das Bundesfinanzgericht hat auf den Krankenhausaufenthalt der Revisionswerberin Maßstäbe aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes angelegt, deren Strenge sich darauf gründet, dass es um Aufwendungen geht, die ihrer Natur nach nicht ausschließlich von Kranken, sondern mitunter auch von Gesunden getätigt werden (vgl. unter Hinweis auf Judikatur des BFH das Erkenntnis vom 4. September 2014, 2012/15/0136).
11 Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss vor allem folgende Voraussetzungen erfüllen:
- "1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
- 2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
- 3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4)."
12 Die im vorliegenden Fall strittige Voraussetzung der Zwangsläufigkeit ist gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erfüllt, wenn sich der Steuerpflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Im Streitfall wird eine aus tatsächlichen Gründen, nämlich infolge einer seit Jahrzehnten bestehenden Querschnittlähmung, eingetretene Belastung geltend gemacht.
13 Bei der Beurteilung der Frage, ob es der Revisionswerberin trotz ihrer Querschnittlähmung möglich gewesen wäre, sich dieser Belastung zu entziehen, hat sich das Bundesfinanzgericht auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gestützt, wonach bei Kurreisen an den Nachweis der Zwangsläufigkeit "wegen der im Allgemeinen schwierigen Abgrenzung solcher Reisen von den ebenfalls der Gesundheit und Erhaltung der Arbeitskraft dienenden Erholungsreisen" strenge Anforderungen zu stellen sind. Im diesbezüglichen Erkenntnis vom 22. Februar 2001, 98/15/0123, VwSlg 7588/F, verwies der Verwaltungsgerichtshof u.a. auf das zur vergleichbaren deutschen Rechtslage ergangene Urteil des BFH vom 12. Juni 1991, III R 102/89, BStBl II 1991, 763, in dem es u. a. hieß, zum Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Reise sei es "regelmäßig" erforderlich, dass der Steuerpflichtige ein vor Antritt der Kur ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Zeugnis vorlege. In dem vom Bundesfinanzgericht zitierten Erkenntnis vom 25. April 2002, 2000/15/0139, betonte dann auch der Verwaltungsgerichtshof dieses Erfordernis (vgl. danach etwa noch die Erkenntnisse vom 28. Oktober 2004, 2001/15/0164, vom 22. Dezember 2004, 2001/15/0116, vom 24. September 2008, 2006/15/0120, vom 22. April 2009, 2007/15/0022, VwSlg 8433/F, und vom 4. September 2014, 2012/15/0136). In dem zuletzt genannten Erkenntnis - das unmittelbar keine Reise, sondern den Besuch eines Sportstudios betraf - knüpfte der Verwaltungsgerichtshof auf die schon dargestellte Weise auch noch einmal an Judikatur des BFH an. Er bezog sich dabei auf das Urteil vom 14. August 1997, III R 67/96, BStBl II 1997, 732, zur steuerlichen Berücksichtigung privater Aufwendungen, die "ihrer Art nach nicht ausschließlich von Kranken, sondern mitunter auch von Gesunden getätigt werden, um ihre Gesundheit zu erhalten, ihr Wohlbefinden zu steigern oder ihre Freizeit sinnvoll und erfüllt zu gestalten". Die "Schwierigkeit der Beurteilung der medizinischen Indikation von Maßnahmen, die nicht ihrer Art nach eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können", so der BFH, erfordere eine ärztliche Begutachtung im Vorhinein.
14 Alle hier erwähnten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes betrafen - abgesehen von dem Erkenntnis zum insoweit aber gleich gelagerten Besuch eines Sportstudios - in diesem Sinn auch Aufenthalte in Hotels oder Privatquartieren.
15 Im vorliegenden Fall handelt es sich nach Unterlagen in den vorgelegten Akten um ein "Orthopaedic and Rehabilitation Hospital" für "handicapped patients". Die Revision spricht von einer "Spezialanstalt für die Rehabilitation Schwerversehrter (Querschnittgelähmter und Amputierter)", und auch die im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebene Bestätigung des Hausarztes bezieht sich auf eine "spezialisierte Klinik".
16 Die Übertragung der oben angeführten Judikatur, die nicht zu Aufenthalten in Krankenanstalten erging, auf die Inanspruchnahme einer solchen Einrichtung durch eine querschnittgelähmte Patientin nimmt auf die Begründung der zitierten Judikatur mit besonderen Abgrenzungsschwierigkeiten nicht Bedacht und ist auch dann verfehlt, wenn ein wesentlicher Teil der in der Einrichtung angebotenen Maßnahmen darin besteht, dass die querschnittgelähmten Patienten unter Aufsicht in Meerwasser schwimmen.
17 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz im Ausmaß des Begehrens gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 31. März 2017
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