VwGH 2001/13/0191

VwGH2001/13/019110.8.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M., über die Beschwerde des Mag. Dr. H C, Wirtschaftsprüfer in 1230 Wien, Kanitzgasse 50, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, vom 10. Mai 2001, Zl. RV/91- 15/01/2000, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1997, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §119 Abs1;
EStG §34 Abs1;
BAO §119 Abs1;
EStG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In einer Beilage zur Einkommensteuererklärung 1997 führte der Beschwerdeführer aus, sein am 25. Juni 1985 geborener Sohn Clemens, für den er nach der Scheidung seiner Ehe allein erziehungsberechtigt gewesen sei, sei am Ostermontag 1997 von dessen Mutter nach Südfrankreich (Toulouse) entführt worden. Durch dieses rechtswidrige Handeln sei das Kind am weiteren Schulbesuch (es habe damals die zweite Klasse Mittelschule besucht) gehindert worden. Der Beschwerdeführer habe in der Folge versucht, das Kind mit Unterstützung des österreichischen Justizministeriums unter Inanspruchnahme der Haager Konvention über die Rückführung entführter Kinder zurück zu bekommen. Die diesbezüglich unternommenen Schritte seien jedoch mangels Vollstreckung durch die französischen Behörden erfolglos geblieben. Im Zusammenhang mit der Entführung des Kindes seien dem Beschwerdeführer Kosten von insgesamt 692.385,74 S (Belegkopien seien angeschlossen) erwachsen, deren Abzug als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG 1988 beantragt werde (die näher aufgegliederten Kosten umfassten u.a. Zahlungen an beauftragte Rechtsanwälte in Toulouse sowie Ausgaben für ein international tätiges Detektivbüro, das den Aufenthaltsort des Kindes für den Beschwerdeführer festgestellt habe).

Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 berücksichtigte das Finanzamt die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Ausgaben mit einem Gesamtbetrag von 143.881 S. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, nach den Erhebungen lt. Pflegschaftsakt des Bezirksgerichtes sei für die mit dem Verfahren der Rückführung des Kindes befassten französischen Behörden (dem Familienrichter in Toulouse und dem Berufungsgericht) der Aufenthalt von Mutter und Kind nie unbekannt gewesen. Innerhalb kürzester Zeit sei daher auch der Abschluss dieses Verfahrens erfolgt (Antrag vom 1. April 1997, Berufungsentscheidung hinsichtlich der künftigen Obsorge der Mutter vom 11. August 1997). Ein "Untertauchen der Kindesmutter mit dem Kind" sei daher nie gegeben gewesen. Die für die Ermittlung des Aufenthaltes des Kindes aufgewendeten Kosten der Detektei in Höhe von 548.505,48 S stünden daher in keinem Zusammenhang mit den in Frankreich geführten Prozessen. Sie seien für dieses Verfahren nicht erforderlich gewesen und seien daher auch nicht zwangsläufig entstanden.

In der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid brachte der Beschwerdeführer vor, im Bescheid sei ohne Begründung zu seinen Lasten von seinen Anträgen in der Einkommensteuererklärung abgewichen und die Zusammensetzung bzw. Berechnung des anerkannten Betrages von 143.881 S nicht erläutert worden. Außerdem sei bei Erlassung des Bescheides das Recht auf Parteiengehör verletzt worden, weil dem Beschwerdeführer keine weitere Gelegenheit zur Geltendmachung seiner Rechte und rechtlichen Interessen gegeben worden sei. Es werde beantragt, MR Sch. vom Bundesministerium für Justiz als seinerzeit zuständigen Sachbearbeiter des betreffenden Kindesentführungsfalles als Zeugen zur Berufungsverhandlung zu laden.

Die belangte Behörde vernahm diesen Zeugen am 16. Mai 2000 und stellte die darüber angefertigte Niederschrift dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme zu.

In der Stellungnahme vom 7. Juni 2000 machte der Beschwerdeführer geltend, die Kindesmutter habe im Juli 1997 nach seinem erfolglosen Versuch der Vollstreckung der Verfügung zur Rückführung seines Kindes vom 12. Juni 1997 den Wohnort unangekündigt gewechselt und dem Beschwerdeführer nicht mitgeteilt, wohin dieser verlegt worden sei. Der Beschwerdeführer habe trotz erheblicher Anstrengungen zunächst nicht in Erfahrung bringen können, wohin die Mutter den Wohnsitz verlegt gehabt und sich das Kind aufgehalten habe. Die Kenntnis dieser Umstände sei für den Beschwerdeführer insofern von wesentlicher Bedeutung gewesen, als er als alleinerziehungsberechtigter Elternteil unter gesetzlicher Strafdrohung für die Einhaltung der Schulpflicht seines Sohnes habe Sorge tragen müssen. Tatsache sei jedenfalls, dass der Beschwerdeführer erst durch die Inanspruchnahme des Detektivbüros am 28. Oktober 1997 die neue Wohnanschrift seines Sohnes in Frankreich habe in Erfahrung bringen können. Erst dadurch sei es ihm möglich gewesen, mit der Kindesmutter und seinem Sohn kurz vor Weihnachten 1997 in Kontakt zu treten und mit der Mutter eine für alle Teile akzeptable Lösung auszuverhandeln. Der rechtlich untragbare Zustand habe erst um Ostern 1998 dadurch beendet werden können, dass der Beschwerdeführer vor dem Bezirksgericht einer Übertragung der elterlichen Obsorgepflichten auf die Mutter zugestimmt und mit der Mutter eine vom Gericht akzeptierte Unterhaltsvereinbarung getroffen habe.

Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gab die belangte Behörde der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid teilweise Folge. Strittig sei im vorliegenden Fall die vom Finanzamt abgelehnte Berücksichtigung von Kosten eines israelischen, vom Beschwerdeführer als Detektivbüro bezeichneten Unternehmens für die Ausforschung des Aufenthaltsortes (bzw. Gesundheitszustandes) seines von der vom Beschwerdeführer geschiedenen Ehefrau in Frankreich zurückbehaltenen Kindes Clemens in Höhe von rd. 550.000 S. Der an ein österreichisches Detektivunternehmen geleistete Aufwandersatz in Höhe von 5.000 S sei ebenfalls unberücksichtigt geblieben (die verschiedenen weiteren in diesem Zusammenhang geltend gemachten Reise-, Übersetzungs- und Anwaltskosten seien vom Finanzamt anerkannt worden und daher nicht strittig). Der Beschwerdeführer habe im Wesentlichen vorgebracht, es sei ihm unmöglich gewesen, mit dem Sohn zu telefonieren. Die Mutter habe nach dem Beschluss des französischen Familienrichters, der die Rückgabe des Kindes angeordnet habe, den Wohnsitz gewechselt. Erst am 28. Oktober 1997 habe er den neuen Wohnsitz der geschiedenen Frau bzw. den seines Sohnes durch die Einschaltung der Detektei erfahren. Er habe in der Folge in Frankreich mit der geschiedenen Ehefrau und seinem Sohn Kontakt aufnehmen können, wodurch es schließlich zum Vergleich vor dem Pflegschaftsgericht im Jahr 1998 gekommen sei. Wie bereits vom Finanzamt ausgeführt worden sei, ergäben sich zwar aus den Gerichtsakten und dem darin enthaltenen Schriftverkehr des Bundesministeriums für Justiz keinerlei Hinweise für die Behauptung des Beschwerdeführers, wonach die Kindesmutter nach dem Beschluss des Familienrichters vom 12. Juni 1997 auf Rückführung des Sohnes "untergetaucht" sei. Dass die Urteile bzw. Beschlüsse der französischen Gerichte die ehemalige Adresse der geschiedenen Ehefrau auswiesen, spreche allerdings entgegen der Annahme des Finanzamtes auch nicht zwangsläufig für den Umstand, dass den Gerichten der jeweilige Aufenthalt bekannt gewesen sei, zumal die Gerichtsstücke der französischen Rechtsanwältin der Ehefrau hätten zugestellt werden können. Nicht im Einklang mit der Behauptung, "die geltend gemachten Kosten seien für die Ausforschung des Aufenthaltsortes und den Gesundheitszustand des Kindes erforderlich gewesen, stehen nach Auffassung des Senates dagegen jene an das Detektivbüro geleisteten Zahlungen, die erst lange nach der Bekanntgabe des Aufenthaltsortes anfielen, und zwar die Kosten lt. den beiden Rechnungen 14. und 16. Dezember in Höhe von S 1.661,00 und S 164.473,48". Dagegen beurteile die belangte Behörde die Kosten für die Ausforschung des Aufenthaltes des Sohnes - einschließlich der Rechnung vom 7. November 1997 - für zwangsläufig erwachsen. Der Berufung habe daher teilweise Folge gegeben werden können.

In der Beschwerde wird geltend gemacht, bei "richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde antragsgemäß unter voller Anerkennung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen (also auch hinsichtlich jener nicht anerkannter Zahlungen betreffend Rechnungen vom 14.12.1997 und 16.12.1997 über ATS 164.473,48 und ATS 1.661,00) gemäß § 34 EStG erklärungsgemäß veranlagen müssen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird zum Sachverhalt ausgeführt, im angefochtenen Bescheid werde zwar richtig angegeben, dass der Beschwerdeführer von dem von ihm beauftragten Detektivbüro die neue Adresse seines Sohnes in Frankreich am 28. Oktober 1997 erfahren habe. Die Darstellung der belangten Behörde sei jedoch insofern unrichtig bzw. unvollständig, als der Beschwerdeführer nach Erhalt der neuen Anschrift am 28. Oktober 1997 zunächst erfolglos telefonisch und auch brieflich versucht habe, unter dieser neuen Anschrift mit seinem Sohn in Kontakt zu kommen. Dies sei von der Mutter weiterhin konsequent unterbunden worden. Daher habe er in der Folge unmittelbar vor Weihnachten mit Unterstützung des beauftragten Detektivbüros eine Reise nach Frankreich unternommen. Zweck dieses Besuches sei das Aushandeln des künftigen Verbleibes seines Sohnes, die Klärung der Frage der künftigen elterlichen Obsorge und des Unterhaltes, die Frage des künftigen Schulbesuches seines Sohnes und eine akzeptable Besuchsvereinbarung gewesen. Im Zuge dieser Reise sei es Dank der Unterstützung und Mithilfe des beauftragten Detektivbüros unmittelbar vor Weihnachten 1997 endlich zu einem Kontakt und einem klärenden Gespräch mit seinem Sohn und der Mutter gekommen.

Aus der Aktenlage - so die Ausführungen zur Verfahrensrüge in der Beschwerde -, insbesondere aus seinen schriftlichen Eingaben, Vorhaltsbeantwortungen und über Aufforderung eingereichten Ergänzungen und Zusatzangaben, ergebe sich zweifelsfrei, dass der Beschwerdeführer mit dem von ihm beauftragten Detektivbüro einen Vertrag abgeschlossen gehabt habe. Eine willkürlich einseitige Aufkündigung sei dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen bzw. habe diese Möglichkeit nach dem von der belangten Behörde "willkürlich gewählten" 7. November 1997 nicht bestanden. Die Vereinbarung mit dem Detektivbüro habe angesichts der nicht unerheblichen Beträge "weiters Zahlungen nach erbrachten Teil-Leistungen auch nach dem von der belangten Behörde willkürlich gewählten 07.11.1997 beinhaltet". Die belangte Behörde gehe davon aus, dass durch die Bekanntgabe der Adresse durch das beauftragte Detektivbüro am 28. Oktober 1997 ab dem 8. November 1997 das Erfordernis der Zwangsläufigkeit nicht mehr erfüllt gewesen sei. Diese Wertung der belangten Behörde sei für den Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar. Es bleibe dabei unberücksichtigt, dass es erst im Zuge der unmittelbar vor Weihnachten 1997 unternommenen Reise und nur Dank der Unterstützung und Mithilfe des beauftragten Detektivbüros endlich zu einem Kontakt und einem klärenden Gespräch mit seinem Sohn und der Mutter gekommen sei, wobei im Zuge dieses Gespräches die Grundlagen für den am 12. März 1998 vor dem Bezirksgericht abgeschlossenen pflegschaftsrechtlichen Vergleich geschaffen worden seien. Die von der belangten Behörde verneinte Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen nach dem 7. November 1997 betreffe "exakt jene Teilleistungen". Grundlage dieser Leistungen und Zahlungen habe eine länger zuvor getroffene Vereinbarung gebildet, deren einseitige Aufkündigung dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, weshalb Zwangsläufigkeit gegeben gewesen sei. Die belangte Behörde hätte daher auf Grund der Aktenlage feststellen bzw. ihre Feststellungen dahingehend ergänzen müssen, dass das Handeln des Beschwerdeführers damals darauf gerichtet gewesen sei, für den rechtlich und persönlich untragbaren Zustand eine für alle Beteiligten tragbare Lösung zu finden. Mangels Unterstützung durch staatliche Behörden sei er gezwungen gewesen, andere "professionelle Hilfe" in Anspruch zu nehmen, sodass die erforderliche Zwangsläufigkeit für den gesamten Zeitraum des rechtswidrigen Zustandes, also auch nach dem 7. November 1997 bis zum Vergleich vor dem Bezirksgericht am 12. März 1998 ("die Beendigung des Auftrages mit dem Detektivbüro erfolgte zuvor"), bestanden habe. Insbesondere hätte die belangte Behörde bei entsprechender Berücksichtigung "der Grundsätze der Amtswegigkeit des Verfahrens und der materiellen Wahrheit des festzustellenden Sachverhaltes gegebenenfalls das Beweisverfahren ergänzen, die angebotenen Beweise aufnehmen und den Beschwerdeführer ergänzend befragen" müssen.

Zu diesen Ausführungen ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Steuerpflichtige, der eine Begünstigung, somit auch eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung, in Anspruch nimmt, selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen hat, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann, wobei die Gründe dafür einzeln anzuführen und zumindest glaubhaft zu machen sind (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer III B, Tz 7 zu § 34 Abs. 1, sowie etwa die hg. Erkenntnisse vom 11. Mai 1993, 90/14/0019, und vom 24. Juni 2004, 2001/15/0109). Vor dem Hintergrund dieser Behauptungs- und Nachweispflicht des Beschwerdeführers unterliegt das erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen, die geltend gemachten Ausgaben für die Leistungen des Detektivbüros beträfen auch - im Übrigen nicht näher konkretisierte - Teilleistungen, die nach der Ausforschung und Bekanntgabe des Aufenthaltsortes am 28. Oktober 1997 im Zusammenhang mit der Kontaktaufnahme mit dem Sohn und der geschiedenen Ehefrau vor Weihnachten 1997 erbracht worden seien, dem Neuerungsverbot nach § 41 Abs. 1 VwGG. Wie dem oben wiedergegebenen Verlauf des Verwaltungsverfahrens, in dem der Beschwerdeführer mehrmals Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt darzustellen, zu entnehmen ist, bezog sich die vom Beschwerdeführer gegebene Begründung für die Geltendmachung der Detektivkosten als außergewöhnliche Belastung nur auf eine Beauftragung zur Ausforschung des Aufenthaltsortes (und Gesundheitszustandes) des Kindes. Wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend festhält, stellt auch das in der Beschwerdeschrift erstattete Vorbringen, der Beschwerdeführer hätte den - außerdem nicht aktenkundigen - Vertrag mit dem Detektivbüro nach Erfüllung des diesbezüglichen Auftrages nicht kündigen können, eine nach § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung dar. Warum sich der Beschwerdeführer einer solchen Vertragsgestaltung oder den in Rede stehenden Teilleistungen nicht aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988 hätte entziehen können, stellt die Beschwerde im Übrigen in keiner Weise dar.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 10. August 2005

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