Vorliegende außergewöhnliche Belastung bei Zwangsläufigkeit einer Operation auf der Sonderklasse
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2018:RV.5100307.2018
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. NN in der Beschwerdesache BF, über die Beschwerde vom 23.11.2017 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt XYZ vom 7.11.2017 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
| Bemessungsgrundlage | Abgabe | ||
Jahr | Art | Höhe | Art | Höhe |
2016 | Einkommen | 13.326,83 € | EinkommensteuerAnrechenbare Lohnsteuer | -656,41 €-3.324,87 € |
Festgesetzte Einkommensteuer (Abgabengutschrift) | -3.981,00 € |
Die Berechnung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Abgabe ist dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil dieses Erkenntnisspruches bildet.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt/Verfahren
Angefochten ist der Einkommensteuerbescheid 2016.
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 beantragte der Beschwerdeführer unter dem Titel Krankheitskosten eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastungen neben anderen Positionen auch für die Aufzahlung auf die Sonderklasse für einen stationären Krankenhausaufenthalt in Höhe von 6.641 €.
Das Finanzamt anerkannte mit Ausnahme der Aufzahlung auf die Sonderklasse des stationären Krankenhausaufenthaltes sämtliche andere geltend gemachte Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen (Bescheid vom 7.11.2017).
In der am 20.11.2017 erhobenen Beschwerde ersuchte der Beschwerdeführer um Berücksichtigung der nicht anerkannten Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen und legte eine ärztliche Bestätigung von Univ.-Doz. Dr. O vom 30.8.2017 bzw. eine weitere von Dr. B vom 2.11.2017 vor.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 9.1.2018 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Auf die Begründung wird verwiesen.
Im Vorlageantrag vom 27.1.2018 verwies der Beschwerdeführer auf die dringliche Notwendigkeit einer Operation wegen der fürchterlichen Schmerzen in seinem Sprunggelenk. Aufgrund der Gefahr einer Versteifung des Gelenkes habe er sich an Dr. O gewandt, der jedoch nur in der Klinik der Diakonissen in Linz und Klagenfurt operiere.
In weiterer Folge legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Festgestellter Sachverhalt
Der Beschwerdeführer unterzog sich in der Klinik der Diakonissen einer Operation an seinem Sprunggelenk durch Univ.-Doz. Dr. O. Die Operation erfolgte im Rahmen eines stationären Aufenthaltes (18.7.2016 bis 24.7.2016) auf der Sonderklasse.
Es liegen triftige medizinische Gründe für die Operation durch Univ.-Doz. Dr. O und den damit zusammenhängenden stationären Aufenthalt auf der Sonderklasse vor.
Lt. Rechnung der Klinik der Diakonissen vom 23.8.2016 betrug die Aufzahlung auf die Sonderklasse 6.641 €, die vom Beschwerdeführer mit einer Vorauszahlung von 4.000 € und der Überweisung des Restbetrages von 2.641 € am 19.9.2016 beglichen wurde.
Beweiswürdigung
Die Tatsache des Krankenhausaufenthaltes auf der Sonderklasse und die Höhe der Aufzahlung werden durch die Rechnung vom 23.8.2013 und den Bankbeleg vom 19.9.2016 belegt.
Zum Beweis dafür, dass triftige medizinische Gründe für die Behandlung auf der Sonderklasse vorliegen hat der Beschwerdeführer zwei ärztliche Gutachten vorgelegt, deren Inhalt untenstehend zitiert wird. Die Beurteilung beider Ärzte, dass eine Besserung des komplizierten Krankheitsbildes des Beschwerdeführers nur durch eine Operation eines ausgewiesenen Fußspezialisten erfolgen könne, ist glaubwürdig.
„Bei Herrn Bf besteht ein sehr kompliziertes, anlagebedingtes Krankheitsbild und nur durch eine sehr aufwändige Korrekturoperation könnte eine wesentliche Besserung erreicht werden. Derartige komplexe Eingriffe werden in Österreich und insbesondere in OÖ in öffentlichen Häusern praktisch nicht durchgeführt. Da Doz. O ein ausgewiesener Fußspezialist ist, der sich mit derartigen Krankheitsbildern seit über 30 Jahren beschäftigt, war eine entsprechende Behandlung in der Klinik der Diakonissen in Linz medizinisch nicht nur notwendig sondern auch gerechtfertigt.“ (Ärztliche Bestätigung von Univ.-Doz. Dr. O vom 30.8.2017).
„Bei Herrn Bf bestand ein sehr kompliziertes, anlagebedingtes und langjähriges Krankheitsbild, welches mittels einer speziellen Operation durch Univ.-Doz. O am 19.7.2016 korrigiert und eine wesentliche Besserung des Krankheitsbildes erreicht werden konnte. Eine entsprechende Empfehlung, diese Korrektur von Dozent O als international etablierten und anerkannten Fußspezialisten durchführen zu lassen, um eine entsprechende Sicherstellung der Nachhaltigkeit und Teilhabe am Arbeitsmarkt zu gewährleisten, war aus medizinischer Sicht insofern auch indiziert, als derartige Eingriffe in öffentlichen Krankenhäusern praktisch nicht durchgeführt werden.“ (Ärztliche Bestätigung von Dr. med. B vom 2.11.2017).
Rechtslage
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2). Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3). Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs. 2).
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs. 3).
Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt (Abs. 4 1. Satz).
Rechtliche Erwägungen
Strittig ist, ob die Aufzahlung auf die Sonderklasse des stationären Krankenhausaufenthaltes als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen ist.
Die Erhaltung der Gesundheit gilt immer als zwangsläufig iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 (vgl. Doralt/Baldauf EStG, 2015, § 34 Tz 42). Aufwendungen, die durch eine Krankheit des Steuerpflichtigen verursacht werden, sind außergewöhnlich. Sie erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 13.5.1986, 85/14/0181; VwGH 19.2.1992, 87/14/0116; vgl. auch Jakom/Baldauf EStG, 2015, § 34 Rz 90, Stichwort „Krankheitskosten“) können Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die eigene medizinische Betreuung erwachsen, auch dann zwangsläufig iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 anfallen, wenn sie die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen, sofern diese höheren Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen getätigt werden (LStR, § 34 Rz 902).
Diese Rechtsprechung ist auf Sonderklassegebühren uneingeschränkt anzuwenden, da durch den Entschluss eines Steuerpflichtigen, sich nicht in der allgemeinen Gebührenklasse eines Krankenhauses behandeln zu lassen, wesentlich höhere Kosten entstehen, welche eben nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen als zwangsläufig entstanden angesehen werden können. Bloße Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen über eine bestimmte medizinische Betreuung sowie allgemein gehaltene Befürchtungen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung stellen noch keine triftigen medizinischen Gründe für Aufwendungen dar, welche die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen. Die triftigen medizinischen Gründe müssen vielmehr in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (BFG 25.11.2014, RV/3100517/2013).
Im gegenständlichen Fall ist erwiesen, dass aufgrund des sehr komplizierten anlagebedingten Krankheitsbildes des Beschwerdeführers nur durch eine sehr aufwändige Korrekturoperation eine wesentliche Besserung erreicht werden konnte. Dieser medizinische Eingriff musste durch einen ausgewiesenen Fußspezialisten erfolgen. Ein solcher Fußspezialist ist Univ.-Doz. Dr. O, der mit seiner mehr als 30jährigen Erfahrung mit dem konkreten Krankheitsbild vertraut war. Die von ihm erfolgreich durchgeführte Operation hat zu einer wesentlichen Besserung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers geführt. Hingegen stellten die anderen ebenfalls konsultierten Ärzte in den Krankenhäusern in B und R dem Beschwerdeführer eine Versteifung des Gelenkes in Aussicht. Eine Behandlung außerhalb der Sonderklasse hätte demnach ernsthafte gesundheitliche Nachteile zur Folge gehabt.
Da triftige medizinische Gründe für die Behandlung auf der Sonderklasse nachgewiesen werden konnten, ist die Aufzahlung auf die Sonderklasse iHv 6.641 € aufgrund der Zwangsläufigkeit als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 abzugsfähig.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei der zu lösenden Rechtsfrage, ob Sonderklassegebühren als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 abgezogen werden können, an der zitierten einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur (VwGH 13.5.1986, 85/14/0181; VwGH 19.2.1992, 87/14/0116), wonach diese höheren Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen getätigt werden müssen. Die Entscheidung hing im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab (Beweiswürdigung hinsichtlich der Frage, ob beim Beschwerdeführer eine Behandlung außerhalb der Sonderklasse zu ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen geführt hätte). Eine Revision ist daher unzulässig.
Linz, am 26. Februar 2018
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |