Normen
ASVG §409;
ASVG §410 Abs1 Z7;
ASVG §67 Abs10 idF 1989/642;
ASVG §67 Abs10;
ASVG §68 Abs1 idF 1991/676;
ASVG §68 Abs1;
ASVG §68 Abs2;
ASVGNov 48te;
ASVGNov 50te;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
KO §1;
VwRallg;
ASVG §409;
ASVG §410 Abs1 Z7;
ASVG §67 Abs10 idF 1989/642;
ASVG §67 Abs10;
ASVG §68 Abs1 idF 1991/676;
ASVG §68 Abs1;
ASVG §68 Abs2;
ASVGNov 48te;
ASVGNov 50te;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
KO §1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 6.070,-- und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von je S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren des Zweitmitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. Jänner 1993 sprach die Beschwerdeführerin aus, daß die Erstmitbeteiligte Herta K, die jedenfalls bis 15. Oktober 1990 Geschäftsführerin der S. GmbH) gewesen sei, für offene Sozialversicherungsbeiträge dieser Gesellschaft für die Beitragszeiträume Juli 1990 bis (14.) Oktober 1990 samt Nebengebühren hafte und verpflichtet sei, den offenen Betrag von S 24.861,05 samt Anhang binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides an die Beschwerdeführerin zu bezahlen.
Mit Bescheid vom 18. November 1992 sprach die Beschwerdeführerin aus, daß der Zweitmitbeteiligte S, der seit 3. Juli 1985 Geschäftsführer der obgenannten Gesellschaft sei, für offene Sozialversicherungsbeiträge dieser Gesellschaft für die Beitragszeiträume Juli 1990 bis Februar 1992 samt Nebengebühren hafte und verpflichtet sei, den offenen Betrag von S 162.323,02 samt Anhang binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides an die Beschwerdeführerin zu bezahlen.
Die Mitbeteiligten erhoben gegen den jeweils sie betreffenden Bescheid Einspruch.
Die belangte Behörde gab diesen Einsprüchen mit dem die Erstmitbeteiligte betreffenden, zur hg. Zl. 93/08/0210 angefochtenen Bescheid vom 30. Juli 1993 und mit dem den Zweitmitbeteiligten betreffenden, zur hg. Zl. 93/08/0211 angefochtenen Bescheid vom 22. Juli 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge und hob die bekämpften Bescheide auf.
Nach den (in den entscheidungswesentlichen Teilen inhaltsgleichen) Bescheidbegründungen ging die belangte Behörde von folgenden Feststellungen aus:
Die Erstmitbeteiligte sei mit Gesellschafterbeschluß vom 7. Februar 1983 zur Geschäftsführerin der S. GmbH bestellt und mit Gesellschafterbeschluß vom 15. Oktober 1990 wieder abberufen worden. Der Zweitmitbeteiligte sei vom 3. Juli 1985 bis 28. Oktober 1991, dem Tag der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der S. GmbH, Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen. Im Zeitraum vom Juli 1990 bis Oktober 1990 seien sohin beide Mitbeteiligte Geschäftsführer der S. GmbH gewesen. Da die S. GmbH mit der Bezahlung der der Beschwerdeführerin geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge in Rückstand geraten sei, habe die Beschwerdeführerin gegen die Gesellschaft im Zeitraum Oktober 1990 bis August 1991 zahlreiche Fahrnisexekutionsanträge beim zuständigen Gericht gestellt, die allesamt mangels pfändbarer Gegenstände nicht hätten vollzogen werden können. Mit Schriftsatz vom 11. Juli 1990 habe die Beschwerdeführerin erstmals die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der S. GmbH gestellt, diesen Antrag aber mit Schreiben vom 10. August 1990 zurückgezogen, weil inzwischen die vollständige Zahlung der offenen Sozialversicherungsbeiträge erfolgt sei. Mit Schriftsatz vom 19. März 1991 habe die Beschwerdeführerin neuerlich die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der S. GmbH beantragt, aber auch diesen Antrag in der Folge mit Schreiben vom 20. Juni 1991 aufgrund der Bezahlung der offenen Forderungen zurückgezogen. Mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 28. Oktober 1991 sei, da u.a. die Beschwerdeführerin am 17. Oktober 1991 abermals einen Konkursantrag gestellt habe, schließlich der Konkurs über das Vermögen der S. GmbH eröffnet worden. Das Konkursverfahren sei derzeit noch nicht abgeschlossen, ein Ende desselben noch nicht absehbar und eine Prognose über die auszuschüttende Quote könne - laut den Angaben des Masseverwalters - nicht abgegeben werden, weil es dem Masseverwalter bisher noch nicht möglich gewesen sei, einen umfassenden Überblick über das Konkursverfahren zu gewinnen.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte die belangte Behörde diesen Sachverhalt nach Zitierung des § 67 Abs. 10 ASVG wie folgt:
Wesentliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters gemäß § 67 Abs. 10 ASVG sei die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Sozialversicherungsbeiträge beim Primärschuldner. Aus der Tatsache der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer GmbH könne jedoch nicht bereits zwingend auf die Uneinbringlichkeit der gegenüber der Gesellschaft entstandenen Beitragsforderungen geschlossen werden (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. September 1990, Zl. 89/14/0298, und vom 23. Oktober 1987, Zl. 85/17/0011, zu § 9 Abs. 1 BAO bzw. den korrespondierenden Bestimmungen der Landesabgabenordnungen, die für die Neuregelung des § 67 Abs. 10 ASVG als Vorbild herangezogen worden seien). Zwar bedürfe es zur Feststellung der Uneinbringlichkeit auch nicht der vollständigen Abwicklung des Konkurses, es müßten jedoch die Befriedigungsaussichten für die offenen Sozialversicherungsbeiträge einigermaßen überblickbar sein, um zu eruieren, ob Uneinbringlichkeit im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG gegeben sei. Laut Auskunft des Masseverwalters sei es jedoch derzeit noch nicht möglich, einen umfassenden Überblick über das gegenständliche Konkursverfahren zu gewinnen und könnten sohin die Befriedigungsaussichten der von seiten der Beschwerdeführerin offenen Forderungen nicht abgeschätzt werden. Es könne daher zum gegenständlichen Zeitpunkt von einer Uneinbringlichkeit der Sozialversicherungsbeiträge noch nicht gesprochen werden, weshalb schon aus diesem Grund die Voraussetzungen für den Ausspruch der Haftung der Mitbeteiligten für die offenen Sozialversicherungsbeiträge nicht gegeben gewesen seien. Auch die zahlreichen, wenn auch allesamt mangels pfändbarer Gegenstände nicht vollzogenen Fahrnisexekutionsanträge der Beschwerdeführerin vermöchten an dem Umstand, daß die Uneinbringlichkeit der offenen Sozialversicherungsbeiträge bei der Beitragsschuldnerin derzeit noch nicht feststehe, nichts zu ändern, zumal die Exekution auf bewegliche körperliche Sachen sämtliche anderen im Rahmen des Konkursverfahrens verwertbaren Vermögenswerte der Beitragsschuldnerin außer acht lasse. Eine Prüfung der schuldhaften Verletzung der den Mitbeteiligten obliegenden Pflichten habe sich daher erübrigt.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die Mitbeteiligten Gegenschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften u.a. die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
§ 67 Abs. 10 ASVG normiert demgemäß - seit der am 1. Jänner 1990 wirksamen Neufassung dieser Bestimmung in Angleichung an die abgabenrechtlichen Haftungsnormen durch die 48. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 642 (vgl. die Erläuterungen der Regierungsvorlage, 1098 BlgNR XVII. GP, 10 f) - eine Ausfallshaftung dergestalt, daß der danach Haftungspflichtige jedenfalls solange nicht in Anspruch genommen werden darf, als ein Ausfall beim Beitragsschuldner als Primärschuldner noch nicht angenommen werden kann (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 23. Oktober 1987, Zl. 85/17/0011, und vom 10. Juni 1991, Zl. 90/15/0175, die zwar zu abgabenrechtlichen Haftungsnormen ergangen sind, deren Grundsätze aber bei der Beurteilung der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG wegen der Ähnlichkeit der zu lösenden Rechtsfragen insofern herangezogen werden können). Wesentliche (und primäre) sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters nach § 67 Abs. 10 ASVG ist daher die objektive (gänzliche oder zumindest teilweise) Uneinbringlichkeit der betreffenden Beiträge beim Primärschuldner. Erst wenn sie feststeht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung nach dieser Bestimmung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen (vgl. die Erkenntnisse vom 9. Februar 1982, Slg. Nr. 5652/F, und vom 16. September 1991, Zl. 91/15/0028). Andernfalls, d.h. wenn (noch) nicht einmal eine teilweise (ziffernmäßig bestimmbare) Uneinbringlichkeit feststeht, kommt eine Haftung (noch) nicht in Betracht (vgl. das Erkenntnis vom 16. September 1991, Zl. 91/15/0028) und ist ein dennoch von der erstinstanzlichen Behörde von Amts wegen erlassener Haftungsbescheid von der Einspruchsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Rechtsfolge zu beheben, daß die erstinstanzliche Behörde über diesen Gegenstand (bei gleicher Sach- und Rechtslage) nicht mehr neuerlich entscheiden darf (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 17. September 1991, Zlen. 91/08/0004, 0093, und vom 12. Jänner 1993, Zl. 91/08/0176), d.h. - in Bindung an den Behebungsgrund - so lange nicht als nicht die (gänzliche oder zumindest teilweise) Uneinbringlichkeit feststeht.
Nach ständiger Rechtsprechung der Abgabensenate kann aus der Tatsache der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer GmbH allein noch nicht zwingend auf die (gänzliche oder zumindest teilweise) Uneinbringlichkeit der gegenüber der Gesellschaft entstandenen Abgabenforderungen geschlossen werden. Andererseits bedarf es zur Beurteilung dieser Uneinbringlichkeit auch nicht notwendig der vollständigen Abwicklung (bis zur Aufhebung) des Konkurses; sie ist vielmehr bereits anzunehmen, sobald im Lauf des Insolvenzverfahrens feststeht, daß die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht (nicht einmal mit einem ziffernmäßig bestimmten Teilbetrag) wird befriedigt werden können (vgl. die Erkenntnisse vom 10. Juni 1980, Zl. 65/79, vom 23. Oktober 1987, Zl. 85/17/0011, und vom 10. Juni 1991, Zl. 90/15/0175, sowie das im erstgenannten Erkenntnis bezogene, nicht zu einer Haftungsfrage ergangene Erkenntnis vom 13. November 1978, Zl. 1636/77). Diese Grundsätze sind aus den obgenannten Erwägungen auch bei der Auslegung des § 67 Abs. 10 ASVG heranzuziehen.
Gegen die auf diesen Grundsätzen beruhende rechtliche Beurteilung der belangten Behörde wendet die Beschwerdeführerin - unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes - ein, es liege aus nachstehenden Gründen doch Uneinbringlichkeit der offenen Sozialversicherungsbeiträge, für die die Mitbeteiligten zur Haftung in Anspruch genommen worden seien (mit der Einschränkung, daß S. nach nunmehriger Auffassung der Beschwerdeführerin nur noch für die Beiträge bis August 1991 hafte), vor:
Die Zahlungsschwierigkeiten der S. GmbH reichten jedenfalls bis in das Jahr 1989 zurück. Trotz zahlreicher Exekutionsführungen hätten die ausständigen Sozialversicherungsbeiträge nicht einbringlich gemacht werden können. Die Exekutionsverfahren für die Beiträge seit Juli 1990 seien mangels pfändbarer Gegenstände eingestellt worden. Zweimal habe die Konkurseröffnung auf Antrag der Beschwerdeführerin jeweils nur durch Zahlung der Beiträge kurz vor der Beschlußfassung verhindert werden können. Schließlich sei das Konkursverfahren nur gegen Erlag eines Kostenvorschusses eröffnet worden, was erweise, daß das Konkursgericht sogar von einer mangelnden Deckung der Masse zur Befriedigung der Verfahrenskosten ausgegangen sei. Es müsse aber auch dann, wenn - wie nach Auffassung der belangten Behörde in den Beschwerdefällen - die Einbringlichkeit der Forderung im Konkursverfahren in keiner Weise absehbar sei, von einer Uneinbringlichkeit ausgegangen werden. Forderungen an im Konkurs befindliche Schuldner könnten nämlich dann, wenn einerseits eine klare Überschuldung vorliege, und sich andererseits das Konkursverfahren über Jahre hinziehe und ein Ende nicht absehbar sei, nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung nicht als einbringlich angesehen werden. Folge man der Rechtsmeinung der belangten Behörde, so ergäben sich auch folgende Konsequenzen: Ziehe sich ein Konkursverfahren wegen eines allfälligen Strafverfahrens oder sonstiger Umstände (Anfechtungen) über mehrere Jahre hin und stehe daher erst nach mehr als drei Jahren (nach Fälligkeit der Beiträge) fest, daß die Masse zur Befriedigung der Sozialversicherungsbeiträge nicht hinreiche, so könne der Geschäftsführer trotz seines Verschuldens an der Nichtabfuhr dieser Beiträge nicht mehr zur Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG herangezogen werden, weil ihm gegenüber die Beitragsschuld gemäß §68 Abs. 1 ASVG dann verjährt sei. Das Konkursverfahren unterbreche nämlich zwar die Verjährung des Rechts auf Feststellung gegenüber dem Beitragsschuldner, nicht jedoch gegenüber dem Beitragsmithaftenden. Letzterem gegenüber könne die Verjährung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur durch einen Feststellungsbescheid unterbrochen werden. § 67 Abs. 10 ASVG bezwecke jedoch gerade, die Einbringlichkeit auch unter den gegebenen Umständen zu sichern.
Diesen Einwänden ist nicht beizupflichten.
Auf die vor der Konkurseröffnung gelegenen Umstände kommt es im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb nicht an, weil das Tatbestandsmoment der Uneinbringlichkeit im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gegeben sein muß, zur Zeit der Erlassung der beiden angefochtenen Bescheide aber nach den Feststellungen, von denen bei Behandlung der Rechtsrüge auszugehen ist, Uneinbringlichkeit nicht vorlag. Nach den obigen rechtlichen Darlegungen vermag aber, wie die belangte Behörde mit Recht in der Gegenschrift betont, auch noch nicht der bloße Umstand, daß die Abwicklung des Konkursverfahrens einen längeren (von vornherein nicht konkret abschätzbaren) Zeitraum beansprucht, die Anwendung des § 67 Abs.10 ASVG zu rechtfertigen; eine Uneinbringlichkeit "nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung" ist in diesem Zusammenhang unmaßgeblich.
Unbegründet sind aber auch die Befürchtungen der Beschwerdeführerin über die sonst (d.h. bei einer Nichtannahme ihrer Auslegung) eintretende Verjährung des Rechtes auf Inanspruchnahme des Haftungspflichtigen nach § 67 Abs. 10 ASVG. Abgesehen davon, daß derartige Befürchtungen nicht eine dem klaren Wortlaut widersprechende Auslegung der zuletzt genannten Bestimmung zu rechtfertigen vermöchten, sind sie nach der Änderung des ersten Satzes des § 68 Abs. 1 ASVG durch die insofern am 1. Jänner 1992 in Kraft getretene 50. Novelle, BGBl. Nr. 676/1991, nicht mehr begründet. Aus der Einfügung des Wortes "Beitragsmithaftenden" in den ersten Satz des § 68 Abs. 1 ASVG folgt nämlich unter Bedachtnahme auf den Zusammenhang dieses Satzes mit den übrigen Bestimmungen des § 68 Abs. 1 und 2 ASVG - in Übereinstimmung mit den Erläuterungen der Regierungsvorlage der 50. ASVG-Novelle (284 BlgNR. XVIII. GP, 24) - daß die bisherige Rechtsprechung zur Verjährung des Rechtes auf Inanspruchnahme eines Haftungspflichtigen nach § 67 Abs. 10 ASVG (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 15. Dezember 1988, Zl. 88/08/0252, vom 12. Jänner 1993, Zl. 91/08/0176, und vom 22. Juni 1993, Zl. 93/08/0011) zumindest in folgenden Punkten nicht mehr aufrecht erhalten werden kann:
Erstens ist auch im Streitfall über die Haftungsverpflichtung nach § 67 Abs. 10 ASVG unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 409, 410 (insbesondere Abs. 1 Z. 7) ASVG ein Feststellungsbescheid nach § 68 Abs. 1 ASVG zu erlassen. Zweitens verjährt auch dem Haftungspflichtigen gegenüber dieses Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen erst binnen drei bzw. fünf Jahren. Drittens wird dieses Feststellungsrecht jedenfalls auch durch jede zum Zwecke der Feststellung (seiner Haftungsverpflichtung) getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Haftungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird (vgl. zu den inhaltlichen Anforderungen an "Maßnahmen" und zu den Wirkungen einer Unterbrechung u.a. die Erkenntnisse vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0147, vom 17. September 1991, Zlen. 91/08/0052 bis 0054, vom 7. Juli 1992, Zl. 88/08/0193, und vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0151). Aus der Geltung des § 68 Abs. 1 ASVG für den Haftungspflichtigen (u.a. mit den in den Punkten 1 bis 3 umschriebenen Rechtsfolgen) ergibt sich schließlich viertens, daß gegenüber dem Haftungspflichtigen von "festgestellten Beitragsschulden" im Sinne des § 68 Abs. 2 ASVG jedenfalls so lange nicht gesprochen werden kann, als noch ein Streit über die Haftungsverpflichtung selbst nach § 68 Abs. 1 ASVG besteht (vgl. dazu das zwar hinsichtlich eines Beitragsschuldners ergangene, aber nunmehr auch auf einen Haftungspflichtigen anwendbare Erkenntnis vom 30. Jänner 1986, Zl. 85/08/0116). Diese Rechtslage ist aber in den Beschwerdefällen bereits anzuwenden, weil die von dem Haftungsbescheid betroffenen Beiträge am Tag des Inkrafttretens der 50. ASVG-Novelle am 1. Jänner 1992 noch nicht verjährt waren (vgl. zu dieser Frage u.a. das Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, Zl. 92/08/0236, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Durfte daher die belangte Behörde mängelfrei davon ausgehen, daß noch nicht von einer (gänzlichen oder zumindest teilweisen, ziffernmäßig bestimmbaren) Uneinbringlichkeit der betroffenen Sozialversicherungsbeiträge gesprochen werden kann, so ist es nicht rechtswidrig, wenn sie die Bescheide der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der obgenannten Rechtsfolge behoben hat, daß die Beschwerdeführerin in Bindung daran erst nach einer Feststellbarkeit einer solchen Uneinbringlichkeit die Mitbeteiligten - unter den weiteren Haftungsvoraussetzungen des § 67 Abs. 10 ASVG - in Anspruch nehmen darf.
Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde aber - unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - vor, sie hätte nicht allein deshalb das Vorliegen der Uneinbringlichkeit verneinen dürfen, weil es dem Masseverwalter nicht möglich gewesen sei, einen umfassenden Überblick über das Konkursverfahren zu gewinnen. Vielmehr hätte die belangte Behörde - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse vom 10. Juni 1980, Zl. 65/79, vom 23. Oktober 1987, Zl. 85/17/0011, und vom 10. Juni 1991, Zl. 90/15/0175) - selbst genauere Nachforschungen anstellen und konkrete, im einzelnen nachprüfbare Feststellungen treffen müssen, aus denen sich die Einbringlichkeit oder Uneinbringlichkeit ergeben hätte. Zu diesem Zweck wäre eine genauere Befragung des Masseverwalters oder aber die eigene Einsichtnahme in den Konkursakt vorzunehmen gewesen. Aus den Akten gehe nicht hervor, ob die belangte Behörde überhaupt versucht habe, selbst Einsicht in den Konkursakt zu nehmen und sich ein eigenständiges Bild über den Stand des Konkursverfahrens zu verschaffen, was ihr ja möglich gewesen wäre. Außerdem wäre eine neuerliche Befragung des Masseverwalters schon wegen seines - auch der belangten Behörde vorliegenden - Berichtes vom 21. Mai 1992 angezeigt gewesen. In diesem habe der Masseverwalter nämlich die Anerkennung von Forderungen in der Höhe von ca. 4 Mill. Schilling, Bestreitungen durch ihn im Ausmaß von ca. 130 Mill. Schilling sowie nachträglich angemeldete Forderungen in der Höhe von ca. 20 Mill. Schilling bestätigt. Das Schreiben des Masseverwalters vom 1. Juli 1993, auf das sich die belangte Behörde bei der Beurteilung über die Einbringlichkeit stütze, sei im Gegensatz dazu derart allgemein gehalten, daß daraus keine Schlußfolgerungen zur Einbringlichkeit der Forderungen der Beschwerdeführerin gezogen werden könnten. Der Masseverwalter wäre mit seinem Bericht vom 21. Mai 1992 zu konfrontieren gewesen. So hätte er befragt werden müssen, ob und was sich seither im Konkursverfahren geändert habe, wie es mit den Befriedigungsaussichten der Konkursgläubiger überhaupt stehe u.ä. Allein die Mitteilung des Masseverwalters vom 1. Juli 1993 bezüglich einer auszuschüttenden Quote hätte - eventuell durch nochmalige Befragung des Masseverwalters oder durch eigenständige Einsichtnahme in den Konkursakt - zu ergänzenden Erhebungen Anlaß geben müssen. Möglicherweise hätten diese Erhebungen zutage gefördert, daß die Konkursgläubiger jedenfalls nur zu einem geringen Teil befriedigt werden könnten. Dann wären die Bescheide der Beschwerdeführerin zumindest teilweise zu bestätigen gewesen. Überdies sei die Beschwerdeführerin dadurch in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden, daß ihr keine Gelegenheit geboten worden sei, zur Mitteilung des Masseverwalters vom 1. Juli 1993 Stellung zu nehmen. Die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift sei deshalb entscheidungsrelevant, weil die Beschwerdeführerin durch eine Stellungnahme Gelegenheit gehabt hätte, auf den Bericht des Masseverwalters an das Konkursgericht vom 21. Mai 1992 hinzuweisen und eine weitere Abklärung des genauen Standes des Konkursverfahrens vor allem durch eine direkt vom Konkursgericht einzuholende Stellungnahme sowie eine ergänzende genaue Stellungnahme des Masseverwalters zu beantragen. Diese Verfahrensverletzung wiege umso schwerer, als sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung lediglich auf dieses Beweisergebnis stütze.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob die belangte Behörde, wie sie in der Gegenschrift meint, durch die Übergabe einer Fotokopie des Schreibens des Masseverwalters vom 1. Juli 1993 an einen Vertreter der Beschwerdeführerin am 20. Juli 1993 ihrer Verpflichtung zur Gewährung des Parteiengehörs nach § 45 Abs. 3 AVG nachgekommen ist. Denn die Verletzung des Parteiengehörs begründet nur dann eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG, wenn die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Um dies beurteilen zu können, muß der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausführen, was er bei Gewährung des Parteiengehörs vorgebracht hätte (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 18. März 1992, Zl. 89/12/0172, und vom 21. September 1993, Zl. 92/08/0248). Der zuletzt genannten prozessualen Verpflichtung ist die Beschwerdeführerin zwar nach dem wiedergegebenen Beschwerdevorbringen nachgekommen; auf dem Boden dieser Ausführungen und vor dem Hintergrund der obigen rechtlichen Darlegungen erweist sich allerdings der (vorausgesetzte) Verfahrensmangel aus nachstehenden Gründen als unwesentlich:
In dem von der Beschwerdeführerin zitierten ausführlichen Bericht des Masseverwalters an das Konkursgericht vom 21. Mai 1992 findet sich zwar auch das in der Beschwerde zitierte Vorbringen; es ist aber eingebettet in eingehende Darlegungen der Gründe, aus denen der Masseverwalter bisher nicht in der Lage gewesen sei, die Aktiva und Passiva der S. GmbH zu ermitteln und dazu auch in Hinkunft nur unter Mithilfe des Hauptgesellschafters und "faktischen Geschäftsführers" der S. GmbH L, der sämtliche Entscheidungen der Gesellschaft allein gefällt habe, imstande sein werde:
Nahezu alle wesentlichen Vereinbarungen (insbesondere auch die Preisvereinbarungen) zwischen Klienten und Kunden der S. GmbH einerseits und L. andererseits seien mündlich abgeschlossen worden. Die einzelnen Bauvorhaben mit einem nach Aussage des L. verarbeiteten Bauvolumen von weit mehr als 100 Mill. Schilling seien noch nicht abgerechnet worden; Provisionsgeschäfte der S. GmbH seien zu finalisieren. Am 2. März 1992 seien vom Strafgericht mehr als 60 Kartons mit Geschäftsunterlagen der S. GmbH freigegeben worden, von denen bisher ca. 20 % aufgearbeitet und sortiert worden seien. Hiebei seien immer wieder Unterlagen vorgefunden worden, aus denen sich ergebe, daß offene Kundenforderungen bestünden. Zu dem von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde zitierten Satz heißt es dann im Bericht, der Masseverwalter sei bis zum heutigen Tag nicht in der Lage, ohne Mitwirkung des L. die entsprechenden Prüfungserklärungen hinsichtlich der bestrittenen Forderungen abzugeben. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, daß die S. GmbH nach Vorliegen von Exekutionstiteln Kontakt mit den jeweils betreibenden Gläubigern aufgenommen und Zahlungsvereinbarungen unter gleichzeitiger Forderungsreduktion abgeschlossen habe. Ein Anfechtungsprozeß sei anhängig. Für die Ermittlung weiterer Anfechtungsansprüche sowie die Klärung der gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen bzw. Firmenverschachtelungen werde ebenfalls die Mithilfe des L. benötigt.
Mit Schreiben vom 22. Juni 1993 ersuchte die belangte Behörde den Masseverwalter - zwecks Beurteilung der Uneinbringlichkeit der betroffenen Sozialversicherungsbeiträge bei der S. GmbH - um Auskunft, inwieweit mit einer Befriedigung der durch die Beschwerdeführerin geltend gemachten Sozialversicherungsbeiträge gerechnet werden könne; sollte dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht bekannt sein, wäre die belangte Behörde dem Masseverwalter über Angaben hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer des Konkursverfahrens bzw. bezüglich jenes Zeitpunktes verbunden, zu dem die Höhe der Befriedigung der Konkursforderungen feststehen werde.
Darauf antwortete der Masseverwalter mit Schreiben vom 1. Juli 1993, daß es ihm aufgrund der andauernden Beschlagnahme eines Großteils der Geschäftsunterlagen der S. GmbH durch das Strafgericht bis dato noch immer nicht möglich sei, einen umfassenden Überblick über das gegenständliche Konkursverfahren zu gewinnen. Derzeit sei ein Ende des Konkursverfahrens nicht absehbar und sehe er sich außerstande, eine Prognose über die Höhe der auszuschüttenden Quote abzugeben.
Wenn die belangte Behörde, gestützt auf diesen Bericht, der im Zusammenhang mit jenem an das Konkursgericht vom 21. Mai 1992 nur so verstanden werden kann, daß dem Masseverwalter aus den angeführten Gründen nach wie vor keine solche Ermittlung der Konkursmasse sowie der im Konkurs zu berücksichtigenden Forderungen möglich sei, die eine Aussage darüber erlaube, ob und wenn ja zu welchem ziffernmäßig bestimmbaren Teil die betroffenen Sozialversicherungsforderungen der Beschwerdeführerin aus der Konkursmasse befriedigt werden könnten, ohne die von der Beschwerdeführerin vermißten weiteren Ermittlungen zum Ergebnis gelangte, es sei eine (gänzliche oder zumindest teilweise, ziffernmäßig bestimmbare) Uneinbringlichkeit der bezüglichen Forderungen der Beschwerdeführerin derzeit noch immer nicht feststellbar, so beruht diese durchaus schlüssige Aussage auf keinem relevanten Verfahrensmangel. Es ist nämlich nicht erkennbar, wie solche ergänzenden Ermittlungen trotz der weiterhin bestehenden Unmöglichkeit einer entsprechenden Sichtung des Großteils der Geschäftsunterlagen zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich des Beweisthemas der eben genannten Uneinbringlichkeit hätten führen können. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von den Fallgestaltungen, die in den von der Beschwerdeführerin auch in diesem Zusammenhang zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juni 1980, Zl. 65/79, vom 23. Oktober 1987, Zl. 85/17/0011, und vom 10. Juni 1991, Zl. 90/15/0175, beurteilt wurden, weil danach - anders als im vorliegenden Fall (und in dem dem Erkenntnis vom 16. September 1991, Zl. 91/15/0028, zugrundeliegenden) - einerseits das Vorliegen von Uneinbringlichkeit der jeweils betroffenen Abgabenforderungen angenommen worden war und andererseits nach der jeweiligen Sachlage (weitere) Ermittlungen über diese wesentliche Haftungsvoraussetzung noch möglich erschienen.
Aus den angeführten Gründen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Das Kostenmehrbegehren des Zweitmitbeteiligten auf Stempelgebührenersatz war wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 Z. 2 ASVG) abzuweisen.
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