VwGH 91/08/0052

VwGH91/08/005217.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden der W Aktiengesellschaft in K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Niederösterreich a) vom 7. Februar 1991, Zl. VII/2-3607/24-1991, b) vom 12. Februar 1991, Zl. VII/2-3699/21-1991 und c) vom 12. Februar 1991, Zl. VII/2-3731/22-1991, betreffend Nachverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in St. Pölten), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §33 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §34 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §68 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §68 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VwRallg;
ASVG §33 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §34 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §68 Abs1 idF 1979/530;
ASVG §68 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen von S 9.105,-- und der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse Aufwendungen von S 30.330,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit (jeweils) Spruchpunkt 1 der Bescheide vom 7. September 1987, vom 23. November 1987 und vom 18. Jänner 1988 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, daß die dort bzw. in einer beigefügten Aufstellung genannten Dienstnehmer in näher bezeichneten Zeiträumen auf Grund ihrer Tätigkeit für die Beschwerdeführerin der Voll-, Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherung unterlägen; mit Spruchpunkt 2 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin jeweils zur Entrichtung der entsprechenden, ziffernmäßig bestimmten Sozialversicherungsbeiträge. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Bescheide jeweils Einspruch.

1.2. Die belangte Behörde gab den Einsprüchen der Beschwerdeführerin sowohl hinsichtlich der Feststellung der Pflichtversicherung für einige Dienstnehmer mit Einspruchsbescheiden vom 8. März 1990, 26. April 1990 und 30. März 1990, als auch - dementsprechend - hinsichtlich der Vorschreibung der Sozialversicherungsbeiträge mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden jeweils teilweise Folge: Die Beschwerdeführerin wurde mit Einspruchsbescheid vom 7. Februar 1991 zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Höhe von S 110.764,47, mit Einspruchsbescheid vom 12. Februar 1991 zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen von S 14.259,76 und mit einem weiteren Einspruchsbescheid vom 12. Februar 1991 zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen von S 27.451,19 verpflichtet. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, zu Zl. 91/08/0052 (gegen den Bescheid vom 7. Februar 1991 wegen S 110.764,47), zu Zl. 91/08/0053 (gegen den Bescheid vom 12. Februar 1991 wegen S 14.259,76) und zu Zl. 91/08/0054 (gegen den Bescheid vom 12. Februar 1991 wegen S 27.451,19) protokollierten Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges wegen miteinander verbunden und darüber erwogen:

2.1. Aus den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Beschwerdeschriften und Gegenschriften ist - in Übereinstimmung mit dem Inhalt der Verwaltungsakten - zu entnehmen, daß zwischen den Parteien nicht strittig ist, daß die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse anläßlich einer am 9. Dezember 1982 bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Beitragsprüfung festgestellt hat, daß die Beschwerdeführerin seit dem Jahr 1978 Personen im Rahmen sogenannter "Werkverträge" beschäftigte, welche nicht zur Pflichtversicherung gemeldet worden sind. Auf Grund der in der Folge durchgeführten Ermittlungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ergingen schließlich die erstinstanzlichen, und in der Folge auch die angefochtenen Bescheide.

2.1.1. Während die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei die Auffassung vertreten, daß die fünfjährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 ASVG anzuwenden sei, diese mit der Einleitung der Beitragsprüfung am 9. Dezember 1982 unterbrochen wurde und (daher) im Zeitpunkt der Erlassung der Beitragsbescheide erster Instanz noch nicht abgelaufen war, vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, daß die zweijährige Verjährungszeit anzuwenden und diese überdies nicht unterbrochen worden sei.

2.1.2. Gemäß § 68 Abs. 1 erster Satz ASVG in der Fassung der 29. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 31/1973 verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen zwei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Diese Verjährungsfrist hinsichtlich der Feststellung verlängert sich gemäß § 68 Abs. 1 dritter Satz ASVG in der Fassung der 34. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 530/1979 auf fünf Jahre, (u.a.) wenn der Dienstgeber keine oder unrichtige Angaben über die bei ihm beschäftigten Personen (nur um solche Sachverhalte geht es in den Beschwerdefällen) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig hätte erkennen können. Gemäß § 68 Abs. 1 vierter Satz ASVG in der Fassung der 34. Novelle wird die Verjährung des Feststellungsrechtes durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird.

2.1.3. In der FRAGE DER VERJÄHRUNGSFRIST behauptet die Beschwerdeführerin, sie sei stets der Auffassung gewesen, daß es sich bei den strittigen Vertragsverhältnissen um keine der Versicherungspflicht unterliegenden Beschäftigungsverhältnisse handeln könne, womit der Sache nach das Vorliegen einer Sorgfaltspflichtsverletzung (als Voraussetzung für die Anwendung der fünfjährigen Verjährungsfrist) bestritten wird.

Damit verkennt die Beschwerdeführerin das Beweisthema: Es ist nämlich grundsätzlich davon auszugehen, daß sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen muß und deren Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten hat (vgl. die Erkenntnisse vom 25. April 1985, Zl. 84/08/0133, vom 13. Juni 1989, Zl. 85/08/0064 u.a.). Den Meldepflichtigen trifft daher auch eine Erkundigungspflicht, sofern er seine - objektiv unrichtige - Rechtsauffassung über die Versicherungsfreiheit eines Beschäftigungsverhältnisses im Zeitpunkt der Unterlassung der Meldung nicht etwa auf höchstgerichtliche (und erst später geänderte) Rechtsprechung oder - bei Fehlen einer solchen - auf eine ständige Verwaltungsübung zu stützen vermag. Der Meldepflichtige wird insbesondere gehalten sein, sich über die Vertretbarkeit seiner Rechtsauffassung bei der Behörde und/oder einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle Gewißheit zu verschaffen, ehe er sich zur Unterlassung der Meldung entschließt (vgl. das Erkenntnis vom 13. Juni 1989, Zl. 85/08/0064).

Die Beschwerdeführerin hat nicht behauptet, Schritte der genannten Art zur Beschaffung der erforderlichen Kenntnisse und Informationen unternommen zu haben. Schon deshalb hat sie in jenen Fällen, in denen nachträglich die Versicherungspflicht des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, die Unterlassung der Erkundigung als Sorgfaltsverletzung gegen sich gelten zu lassen; sie trägt - wie die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde im Ergebnis zutreffend selbst erkennt - in einem solchen Fall das Risiko des Irrtums. Auch das Vorliegen von "Grenzfällen" - wie dies die Beschwerdeführerin andeutet - in dem Sinne, daß sich ein Teil der - rechtlich voneinander zum Teil schwer unterscheidbaren - Beschäftigungsverhältnisse als versicherungspflichtig, ein anderer Teil aber als versicherungsfrei herausstellte, mindert nicht die Sorgfaltspflicht des Meldepflichtigen; vielmehr ist dieser in einem solchen Grenzfall erst recht gehalten sich unter genauer Darlegung der einzelnen Momente der konkreten Beschäftigung über die Vertretbarkeit seiner Beurteilung dieser Beschäftigung Gewißheit zu verschaffen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0060). Die belangte Behörde durfte daher davon ausgehen, daß die Beschwerdeführerin die Pflicht zur Erstattung entsprechender Meldungen bei gehöriger Sorgfalt hätte erkennen können; sie hat demzufolge zutreffend die fünfjährige Verjährungsfrist angewendet.

2.1.4. Unter einer zur UNTERBRECHUNG DER VERJÄHRUNG des Feststellungsrechtes geeigneten Maßnahme ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jede nach außen hin in Erscheinung tretende und dem Beitragsschuldner zur Kenntnis gebrachte Tätigkeit des zuständigen Versicherungsträgers zu verstehen, die der rechtswirksamen Feststellung der Beitragsschuld dient (vgl. das Erkenntnis vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0147 und die darin zitierte Rechtsprechung). Eine solche Maßnahme stellt nicht erst die Erlassung des Bescheides des Krankenversicherungsträgers, mit dem eine Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen festgestellt wird, an den Beitragsschuldner, sondern schon eine durch ausgewiesene Bedienstete des zuständigen Versicherungsträgers gemäß § 42 ASVG beim Beitragsschuldner vorgenommene Beitragsprüfung (Einsicht in die Geschäftsbücher, Belege und sonstigen Aufzeichnungen des Beitragsschuldners) dar, da gerade sie in erster Linie der Feststellung dienen soll, ob die Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß entrichtet oder ob sie nicht entrichtet worden sind (vgl. das Erkenntnis vom 31. Mai 1972, Slg. Nr. 8245/A). Zur Herbeiführung der Unterbrechungswirkung ab Beginn der Beitragsprüfung (vgl. das Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0060) genügt es, daß der Beitragsschuldner von der Vornahme dieser der Feststellung seiner Beitragsschuld dienenden Maßnahme in Kenntnis gesetzt wird; eines ausdrücklichen Hinweises auf diesen Zweck bedarf es nicht (Erkenntnis vom 9. Mai 1985, Zl. 85/08/0008 und vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0147).

Demgemäß ist es - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht erforderlich gewesen, daß die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu Beginn der Beitragsprüfung am 9. Dezember 1982 ihre Unterbrechungshandlung hätte "näher konkretisieren" müssen. Die Beschwerdeführerin bestreitet hingegen nicht, daß sie in Kenntnis der am 9. Dezember 1982 begonnenen Beitragsprüfung gewesen ist, räumt sie doch ausdrücklich (zumindest) ein, daß ihr gegenüber die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse bereits an diesem Tag den Verdacht (wenn auch nur ganz allgemein) geäußert habe, daß für die Vergangenheit Personen zur Pflichtversicherung nicht gemeldet worden seien. Nicht dieser "allgemein gehaltenen Ankündigung" - wie die Beschwerdeführerin rügt - kommt indes verjährungsunterbrechende Wirkung zu, sondern bereits der der Beschwerdeführerin gegenüber zum Ausdruck gebrachten Einleitung der Beitragsprüfung, und zwar unabhängig davon, ob und welche Erhebungen die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in diesem Zeitpunkt ankündigte, sofern der Beschwerdeführerin nur die Tatsache bekannt gewesen ist, daß eine der Feststellung allfälliger Beitragsschulden dienende Beitragsprüfung begonnen hat. Die Frage, ob die mitbeteiligte Partei am 9. Dezember 1982 gegenüber der Beschwerdeführerin nur eine allgemeine Behauptung über die Unterlassung von Meldungen zur Pflichtversicherung aufgestellt oder konkrete Erhebungen hinsichtlich der Jahre 1978 bis 1982 in Aussicht gestellt hat, kommt damit keine rechtliche Relevanz zu, so daß auch die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen ins Leere gehen. Die Beschwerdeführerin behauptet im übrigen auch nicht, daß die Gebietskrankenkasse in der Folge untätig geblieben sei, sodaß eine Untersuchung der Frage, ob die Verjährungsfrist nach dem 9. Dezember 1982 allenfalls neu zu laufen begonnen hat, nicht erforderlich ist.

2.2. Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin schließlich, daß dem Spruch des angefochtenen Bescheides auch nicht im Zusammenhang mit der Begründung entnommen werden könne, um "welche Beitragspflicht", insbesondere um "welche Dienstverhältnisse und um welche Zeiträume" es gehe. Dem ist zu entgegnen, daß der Begründung der angefochtenen Bescheide jeweils entnommen werden kann, welche Dienstnehmer zufolge der rechtskräftigen Verneinung der Versicherungspflicht nicht mehr in der Beitragsnachverrechnung enthalten sind. Da aus den erstinstanzlichen Bescheiden jeweils die Namen der Dienstnehemr und die einzelnen, den Dienstnehmern zugeordneten Beitragszeiträume ersichtlich sind, ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die Beschwerdeführerin nicht hätte erkennen können, um welche Dienstnehmer und Beitragszeiträume es im angefochtenen Bescheid noch gegangen ist. Die Behörde hat auch die Rechenoperation, auf Grund derer sie vom Gesamtbetrag der im erstinstanzlichen Bescheid vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge ausgehend den nunmehr verminderten Betrag ermittelt hat, in der Begründung ihrer Bescheide dargelegt. Diese Rechenoperation beruht jeweils auf einer von der mitbeteiligten Partei in den Einspruchsverfahren abgegebenen Stellungnahme, welche der Beschwerdeführerin - wie die Niederschriften vom 31. August 1990 und vom 21. Jänner 1991 zeigen - zur Kenntnis gebracht wurden; der Vertreter der Beschwerdeführerin hat dazu keine konkreten Einwände erhoben, sondern lediglich - sinngemäß - erklärt, daß eine Erklärung über die Anerkennung des von der Gebeitskrankenkasse ausgewiesenen Saldos nicht abgegeben werden könne. In der Folge (auch in den vorliegenden Beschwerden) sind konkrete Einwände gegen die Höhe der nachverrechneten Beiträge seitens der Beschwerdeführerin nicht erhoben worden. Bei dieser Sachlage durfte die belangte Behörde das Ergebnis der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nachvollziehbar dargelegten Berechnung der noch zu entrichtenden Beiträge ihren Bescheiden zugrundelegen. Der behauptete Begründungsmangel liegt daher nicht vor.

2.3. Die Beschwerden waren sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, wobei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nicht die Pauschalsätze der zuletzt genannten Verordnung, sondern nur jene (geringeren) Kosten zugesprochen werden konnten, die sie in ihren Gegenschriften ausdrücklich verzeichnet hat.

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