VwGH 90/15/0175

VwGH90/15/017510.6.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner, als Richter im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 3. Oktober 1990, Zl. MDR-L 7/90, betreffend Haftung für Dienstgeberabgabe und Lohnsummensteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, auf §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 WAO gegründeten Haftungsbescheid nahm die belangte Behörde in teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides der MA 4 vom 21. Februar 1989 die Haftung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer für den Rückstand an Dienstgeberabgabe und Lohnsummensteuer der X-Gesellschaft m.b.H. für den Zeitraum Februar bis August 1988 mit S 98.319,-- in Anspruch. Der erstinstanzliche Bescheid hatte die Haftung bis Ende Oktober 1988 ausgesprochen.

In der Begründung ihres Bescheides ging die belangte Behörde insbesondere davon aus, daß die "aktenkundige Uneinbringlichkeit" der Abgabenforderung gegenüber der Gesellschaft vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden sei, "zumal über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet worden sei".

Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich aus der Mißachtung des § 6 Abs. 1 Dienstgeberabgabegesetz, wonach der Abgabepflichtige bis zum 10. Tag jedes Monates die im Vormonat entstandene Abgabenschuld zu entrichten habe. Die Lohnsummensteuer für einen Kalendermonat sei nach § 28 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz 1953 am 15. des darauffolgenden Monates fällig. Somit hätte der Beschwerdeführer dafür Sorge tragen müssen, daß die Dienstgeberabgabe und die Lohnsummensteuer für den Haftungszeitraum fristgerecht entrichtet werde.

Unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis Slg. N.F. Nr. 1003/F vertrat die belangte Behörde die Auffassung, es sei Aufgabe des Geschäftsführers, nachzuweisen, daß ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich gewesen wäre, weil nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt, die Gründe darzutun habe, aus denen ihm die Pflichterfüllung unmöglich sei, widrigenfalls angenommen werden könne, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen sei.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, der Gesellschaft sei im Juli 1988 der Kreditrahmen de facto entzogen worden, stehe im Widerspruch zum Berufungsvorbringen, wonach alle Dispositionen in der Zeit von Februar bis September 1988 gemeinsam mit der kreditgebenden Bank erfolgt seien. Die kreditgebende Bank habe mitgeteilt, daß die Kündigung des Kreditnehmers erst anläßlich der Ausgleichseröffnung per 15. September 1988 erfolgt sei. Diese Feststellungen habe der Beschwerdeführer nicht erschüttert, zumal er im Schriftsatz vom 7. Juni 1990 selbst eingeräumt habe, eine Überziehung des Kreditrahmens sei genehmigt worden. Allerdings habe das Kreditinstitut die Überziehung nur für Verbindlichkeiten für Warenlieferungen, Löhne und fällige Wechsel genehmigt.

Eine Zession aller Kundenforderungen, auch künftiger, an eine Bank zur Deckung eines Kredites sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein Entschuldigungsgrund für die Nichtabfuhr von Steuern. Daß die Unterlassung der Zahlung der Dienstgeberabgabe und der Lohnsummensteuer kausal für die spätere Uneinbringlichkeit bei der Gesellschaft gewesen sei, sei evident.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen gesetzlich gewährleisteten Rechten, nicht zu haften und auf ein mängelfreies Verfahren verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 WAO haften die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 54 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Der Geschäftsführer einer Gesellschaft m.b.H. gehört nach ständiger hg. Judikatur zu den in § 54 Abs. 1 WAO genannten Personen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. August 1990, Zl. 89/15/0059).

§ 7 Abs. 1 WAO normiert - ebenso wie § 9 Abs. 1 BAO - eine Ausfallshaftung dergestalt, daß der danach persönlich Haftungspflichtige jedenfalls solange nicht in Anspruch genommen werden darf, als ein Ausfall beim Primärschuldner noch nicht angenommen werden kann. Die Begründung der Haftung setzt zunächst voraus, daß die rückständigen Abgaben beim Abgabenschuldner selbst uneinbringlich sind (vgl. das gerade oben zitierte hg. Erkenntnis vom 27. August 1990, Zl. 89/15/0059; aber auch die bei Philipp, Die österreichischen Landesabgabenordnungen S. 23 letzter Absatz referierte hg. Judikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch bereits wiederholt ausgesprochen, daß allein aus der Tatsache der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Gesellschaft m.b.H. noch nicht zwingend auf die Uneinbringlichkeit der gegenüber der Gesellschaft m.b.H. entstandenen Abgabenforderungen geschlossen werden könne, dies könne sich erst im Laufe des Insolvenzverfahrens herausstellen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 7. September 1990, Zl. 89/14/0298, unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1987, Zl. 85/17/0011).

Im vorliegenden Fall ist es nun - anders als es der angefochtene Bescheid darzustellen sucht - keineswegs so, daß von einer "aktenkundigen Uneinbringlichkeit" die Rede sein kann, die der Beschwerdeführer nicht bestritten hätte. Ganz im Gegenteil, der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung unter anderem ausdrücklich behauptet, es bestünden Aktiva der Konkursmasse von etwa S 6 Mio. und seien vom Masseverwalter nach "gewissen Mängelabstrichen" S 4,5 Mio. hereingebracht worden, es werde "um den Rest noch prozessiert" (OZl. 11 der Verwaltungsakten). Dazu hat der Beschwerdeführer unter anderem den Masseverwalter Franz Pertl als Zeugen namhaft gemacht.

Seitens des Rechtsmittelbüros der Magistratsdirektion der Stadt Wien wurde am 10. Mai 1989 auch eine Anfrage an den Masseverwalter dahin gerichtet, "ob hinsichtlich der angemeldeten Dienstgeberabgabe- und Lohnsummensteuerrückstände der Stadt Wien zumindest eine teilweise Befriedigungsaussicht bestehe" (vgl. OZl. 20 der Verwaltungsakten). Diese Anfrage blieb - warum, ist aus den Verwaltungsakten nicht zu ersehen - unbeantwortet.

Indem nun die belangte Behörde ungeachtet der durch ein korrektes Beweisanbot untermauerten Behauptung des Beschwerdeführers, es seien durch den Masseverwalter im Konkurs der Gesellschaft m.b.H. bereits S 4,5 Mio. hereingebracht worden und es werde um den Rest (offenbar rund S 1,5 Mio.) noch prozessiert, und ohne Rücksicht auf die unbeantwortet gebliebene Anfrage an den Masseverwalter vom 10. Mai 1989, weitere gebotene Ermittlungen (z.B. in Gestalt einer zeugenschaftlichen Vernehmung des Masseverwalters) unterließ, hat sie ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, die Konkurseröffnung allein spreche für die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen, ihren Bescheid mit einem sogenannten sekundären Verfahrensmangel belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes führen muß.

Auf die übrigen Beschwerdeargumente braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 5. März 1991, BGBl. Nr. 104.

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