OGH 4Ob56/24z

OGH4Ob56/24z22.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * S.A.S., *, Frankreich, vertreten durch die Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei * GmbH, *, vertreten durch Dr. Michael Dyck und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 35.000 EUR) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2024, GZ 4 R 160/23p‑81, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. Juli 2023, GZ 57 Cg 13/18i‑76, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00056.24Z.1022.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden abgeändert wie folgt:

„Die Klagebegehren,

1. die beklagte Partei sei schuldig, es zu unterlassen, in Österreich im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der Klägerin kosmetische Erzeugnisse, insbesondere Parfüms, die mit dem Wortzeichen „*“ und/oder mit dem Wortbildzeichen

 

 

und/oder mit dem Wortbildzeichen

 

gekennzeichnet sind und die außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums erstmals in Verkehr gebracht wurden, zum Kauf anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen;

2. die beklagte Partei sei schuldig, den klagsstattgebenden Teil des Urteils (ausschließlich der Kostenentscheidung) binnen 14 Tagen nach Rechtskraft auf eigene Kosten mit Fettumrandung, gesperrt gedruckter Fettdrucküberschrift „IM NAMEN DER REPUBLIK“ sowie mit gesperrt und fettgedruckten Namen der Prozessparteien, im Übrigen jedoch mit Normallettern auf der Website www.*.at oder, sollte die genannte Internetadresse geändert werden, auf jener Website, mit der anstelle der Internetadresse www.*.at verwendeten Internetadresse, in einem Fenster in der Größe eines Viertels der Bildschirmoberfläche, die bei Eingabe der Internetadresse www.*.at bzw der anstelle dieser Internetadresse www.*.at eingegebenen Internetadresse in der Adresszeile des Webbrowsers unmittelbar erscheint und sich weder verkleinern lässt, noch sich automatisch verkleinert, nicht in Form eines Pop‑up‑Fensters, dauerhaft und ununterbrochen für die Dauer von 30 Tagen zu veröffentlichen;

3. die beklagte Partei sei schuldig, den klagsstattgebenden Teil des Urteils (ausschließlich der Kostenentscheidung) binnen zwei Monaten nach Rechtskraft auf eigene Kosten mit Fettumrandung, gesperrt gedruckter Fettdrucküberschrift „IM NAMEN DER REPUBLIK“ sowie mit gesperrt und fettgedruckten Namen der Prozessparteien, im Übrigen jedoch mit Normallettern auf Seite drei einer Print‑ und Onlineausgabe des monatlich österreichweit erscheinenden Kundenmagazins „*“ sowie auf Seite eins einer Print‑ und Onlineausgabe des monatlich österreichweit als Beilage zu den größten österreichischen Tageszeitungen und als Auslage in allen dm‑Filialen der beklagten Partei erscheinenden Informationsbroschüre „*“, jeweils im Ausmaß einer Viertelseite zu veröffentlichen;

4. die klagende Partei werde ermächtigt, den klagsstattgebenden Teil des Urteils (ausschließlich der Kostenentscheidung) binnen drei Monaten nach Rechtskraft auf Kosten der beklagten Partei mit Fettumrandung, Fettdrucküberschrift „IM NAMEN DER REPUBLIK“ sowie mit gesperrt und fettgedruckten Namen der Prozessparteien, im Übrigen jedoch mit Normallettern, im redaktionellen Teil einer Sonntagsausgabe der österreichweit erscheinenden Tageszeitung „*“ im Ausmaß einer Viertelseite zu veröffentlichen;

werden abgewiesen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 38.565,72 EUR (darin enthalten 5.970,12 EUR an USt und 2.745 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin, eine französische Gesellschaft des *‑Konzerns, ist Inhaberin zahlreicher Unionsmarken und Internationaler Marken mit Schutz auch für Österreich, so etwa diverser Wort‑ und Wortbildmarken „*“ für Parfümeriewaren.

[2] Produziert und vertrieben werden die klagsgegenständlichen Parfüms von einer Konzerngesellschaft mit Sitz in Barcelona. Der weitere Vertrieb erfolgt durch nationale Vertriebsgesellschaften und Vertragspartner im Sinne eines selektiven Vertriebssystems. Vertragshändler werden vom Konzern anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Natur ausgewählt und verpflichten sich Richtlinien einzuhalten, die unter anderem die Art und Qualität der Darbietung und Beratung regeln. Autorisierten Vertragshändlern mit Sitz in der EU oder dem EWR ist ein Verkauf bzw Handel von Produkten an andere Vertragshändler oder Konsumenten mit Sitz in der EU oder dem EWR vertraglich erlaubt, hingegen ein Vertrieb in einen Drittstaat verboten. Vertragshändler und nationale Vertriebsgesellschaften mit Sitz außerhalb der EU bzw des EWR dürfen die Produkte ausschließlich im eigenen Sitzstaat vertreiben, nicht jedoch grenzüberschreitend. Nicht festgestellt werden konnte, dass der klägerische Konzern die Durchführung grenzüberschreitender Lieferungen durch nationale Vertriebsgesellschaften oder autorisierte Vertragshändler an andere nationale Vertriebsgesellschaften, Großhändler, Einzelhändler oder Verbraucher innerhalb des EWR faktisch nicht zulasse. Auch der Anteil des Umsatzes an Parfüms der klägerischen Marken außerhalb des selektiven Vertriebssystems konnte nicht festgestellt werden.

[3] In den einzelnen Länder‑Online‑Shops von zwei auch in Österreich vertretenen Vertragshändlern werden Parfümerieprodukte der Klägerin, bezogen auf einzelne EWR‑Länder, mit Preisunterschieden von rund 3 % bis zu 15 %, vereinzelt bis zu 28 %, angeboten. Ein Kauf durch Konsumenten über einen Online‑Shop eines anderen Landes oder die Lieferung der Waren in ein anderes Land ist bei diesen beiden Vertragshändlern großteils nicht möglich. Im Rahmen von Aktionen bieten Vertragshändler der Klägerin mit den gegenständlichen Marken gekennzeichnete Waren vielfach mit Preisnachlässen von bis zu 50 % an.

[4] Die Beklagte, eine Gesellschaft mit Sitz in Österreich, unterhält ein bundesweites Filialnetz sowie einen Online‑Shop zum Vertrieb von Drogerie‑ und Parfümwaren. Sie ist keine Vertragshändlerin und hat sich zwar unstrittig seit dem Jahr 2016 um den Abschluss entsprechender Verträge bemüht, erfüllt die vom klagenden Konzern aufgestellten Qualitätsanforderungen nach den Feststellungen jedoch nicht.

[5] Dessen ungeachtet vertreibt die Beklagte seit dem Jahr 2014 mit Marken der Klägerin gekennzeichnete Produkte, die sie von zwei Lieferanten mit Sitz in der EU bezieht, und bei denen es sich ebenfalls um keine autorisierten Vertragshändler handelt. Sie vertraut dabei auf deren mündliche Zusicherung, ausschließlich im EWR verkehrsfähige und ihrerseits von autorisierten Vertrags-händlern bezogene Ware zu liefern, die im EWR erstmals in Verkehr gebracht wurde. Eine Offenlegung der Lieferkette durch die Lieferanten erfolgt nicht. Die beiden Lieferanten der Beklagten beziehen die Ware ihrerseits zum Teil von mehreren – nicht zum Vertriebssystem der Klägerin gehörenden – Parallelhändlern, zum Teil von autorisierten Vertragshändlern.

[6] Der Konzern der Klägerin liefert Markenware stets unter Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts und der Lieferbedingung Incoterm „CIP“ aus. Um zulässige von unzulässigen Parallelimporten unterscheiden zu können, bedienen sich der Konzern bzw die Klägerin eines Tracking‑Systems mit individuellen Tracking‑Codes in Form von Strichcodes oder QR‑Codes, die vor Auslieferung der Produkte auf den einzelnen Parfümverpackungen sowie zusätzlich auf den ausgelieferten Großkartons angebracht werden. Diese Tracking‑Codes, die individuell für jedes einzelne Produkt nur ein Mal vergeben werden, werden in der Regel auf der Unterseite der jeweiligen Produktverpackung angebracht. Die Verpackungen oder Überverpackungen weisen keine darüber hinausgehenden Unterscheidungsmerkmale auf, die Rückschlüsse auf den Bestimmungsort erlauben würden. Aus dem auf der Verpackung angebrachten Tracking‑Code kann „– wenn überhaupt –“ nur die Klägerin durch Einlesen des Tracking‑Codes, der eine 12‑stellige Zahlenkolonne ausweist, ableiten, an welche nationale Vertriebsgesellschaft bzw welchen Vertragshändler die Ware ausgeliefert wurde. Wird eine bereits ausgelieferte Ware an den Konzern retourniert, wird der Tracking‑Code neu eingelesen und mit neuen Lieferinformationen versehen.

[7] Für autorisierte Vertragshändler des Konzerns ist es hingegen nicht möglich, zu überprüfen oder festzustellen, wo ein von ihnen vertriebenes Produkt erstmals in Verkehr gebracht wurde. Den Letztverkäufern wiederum, so auch der Beklagten, ist es ebenso wenig möglich, nach einem Verkauf eines Produkts der Marken der Klägerin festzustellen bzw zu überprüfen, ob dieses konkrete Produkt tatsächlich von ihnen in Verkehr gebracht wurde.

[8] Am [richtig:] 15. 12. 2017 und 20. 1. 2018 erwarben Mitarbeiterinnen des klagenden Konzerns in einer Filiale der Beklagten in Graz bzw Klagenfurt jeweils ein mit der Marke und einem QR‑Code als „Tracking‑Code“ versehenes Original‑Parfüm der Beklagten, nämlich einen „Markenduft im mittleren Preissegment“. Nicht festgestellt werden konnte, dass diese Parfüms von der Klägerin bzw deren Konzern erstmals an die * LLC mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten versendet und an diese ausgeliefert wurden, noch dass diese von der Klägerin erstmals im EWR in Verkehr gebracht wurden.

[9] Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Beklagte zur Unterlassung und Urteilsveröffentlichung zu verpflichten, weil und soweit diese im Inland Parfümeriewaren der Klägerin ohne ihre Zustimmung in Verkehr bringt, die mit ihren Marken gekennzeichnet sind, aber nicht im Sinne von Art 15 UMV bzw § 10b Abs 1 MSchG von der Klägerin oder mit ihrer Zustimmung im EWR in Verkehr gebracht wurden.

[10] Die bei den klagsgegenständlichen Testkäufen erworbenen Parfüms seien erstmals in den Vereinigten Arabischen Emiraten zum ausschließlichen Vertrieb in den Emiraten in Verkehr gebracht worden. Der Begriff des „Inverkehrbringens“ gemäß Art 15 UMV sei autonom und losgelöst von Lieferbedingungen und „Incoterms“ auszulegen.

[11] Im Übrigen treffe nach ständiger Rechtsprechung die Beklagte die Behauptungs‑ und Beweislast für die Erschöpfung des Markenrechts an den konkreten Waren.

[12] Ihr selektives Vertriebssystems sei qualitativer Natur, für die Wahrung des guten Rufs ihrer Marken als „Luxusmarken“ erforderlich, nicht diskriminierend und damit zulässig; eine Marktabschottung (innerhalb des EWR) werde damit weder bezweckt noch bewirkt.

[13] Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, weil sie ausschließlich markenrechtlich erschöpfte Ware in ihren Filialen vertreibe. Sie bestritt, dass sich aus der klägerischen Dokumentation, die weder objektiv nachvollziehbar, noch lückenlos oder manipulationsgefeit sei, ein Inverkehrbringen der bei den Testkäufen erworbenen Produkte in den Vereinigten Arabischen Emiraten ergebe. Sie beziehe ihre Ware ausschließlich von zwei langjährigen und zuverlässigen Lieferanten mit Sitz im EWR, die ihr zugesichert hätten, dass es sich um im EWR verkehrsfähige Ware handle, die von Vertragshändlern der Klägerin im EWR bezogen werde. Tatsächlich habe sie seit dem Jahr 2014 große Mengen von Markenprodukten des klägerischen Konzerns verkauft und führe seit Jahren Streitigkeiten mit diesem; dennoch sei ein Verkauf von nicht erschöpfter Ware nur in einzelnen Fällen überhaupt behauptet worden.

[14] Da die klagsgegenständlichen Parfüms schon nach dem Klagsvorbringen von Barcelona aus mit der Lieferbedingung „CIP“ versandt worden seien, seien sie aber ohnedies dort und damit innerhalb des EWR erstmals in Verkehr gebracht worden.

[15] Aus dem vom Konzern der Klägerin etablierten Liefer‑ und Kontrollsystem könnten im Übrigen nicht einmal autorisierte Vertragshändler Rückschlüsse auf das Inverkehrbringen ziehen, geschweige denn Dritte im Nachhinein den Bestimmungsmarkt oder eine Lieferkette nachweisen. Ihre Lieferanten würden zudem eine Offenlegung der Vormänner verweigern, weil nicht nur eine Elimination der eigenen Handelsstufe, sondern auch ein Versiegen der Bezugsquellen drohe.

[16] Das Vertriebssystem der Klägerin untersage einen Verkauf an Zwischenhändler außerhalb dieses Systems, beschränke (jedenfalls faktisch) Querlieferungen zwischen Händlern sowie grenzüberschreitende Lieferungen an Konsumenten und führe zu einer Marktabschottung und sachlich nicht gerechtfertigten Preisdifferenzen zwischen Mitgliedstaaten. Das selektive Vertriebssystem sei schon grundsätzlich nicht gerechtfertigt, weil es sich bei den konkreten Parfüms nicht um Luxusartikel handle, sondern um Massenware, die die Klägerin ohne mengenmäßige und qualitative Beschränkungen über verschiedenste Handels-ketten und deren Online‑Shops teils mit aggressiven Preisaktionen vertreiben lasse.

[17] Die Beklage sei schließlich willens und fähig, sämtliche Anforderungen der Klägerin zu erfüllen, ihr würden aber schon die Voraussetzungen für einen Vertriebsvertrag aus diskriminierenden und rechtsmissbräuchlichen Gründen nicht bekanntgegeben.

[18] Das Erstgericht gab der Klage statt. Zwar habe die Klägerin nicht nachweisen können, dass die bei den Testkäufen erworbenen Produkte außerhalb des EWR zum ausschließlichen Vertrieb in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Verkehr gebracht worden seien. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sowie des Gerichtshofs der Europäischen Union sei die Erschöpfung des Markenrechts allerdings nur über Einwand des Beklagten zu prüfen, der nachweisen müsse, dass die (konkret betroffenen) Waren vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung im EWR auf den Markt gebracht worden seien, was der Beklagten hier ebenso wenig gelungen sei. Die Vereinbarung der Frachtbedingung „CIP“ bewirke kein markenrechtliches Inverkehrbringen am Ort der Übergabe an den Frachtführer.

[19] Alternativ könne ein Beklagter auch beweisen, dass eine Abschottung der Märkte innerhalb des EWR drohe, wenn er seine Bezugsquellen offenlegen müsste. Eine nachhaltige und erfolgreiche Unterbindung grenzüberschreitender Lieferungen im Binnenmarkt durch die Klägerin habe hier aber auch nicht festgestellt werden können. Allein aus einer unterschiedlichen Preisgestaltung einzelner Vertragshändler zwischen verschiedenen Ländern, die zahlreiche Gründe haben könne, und teilweisen Beschränkungen beim grenzüberschreitenden Online‑Handel könne nicht geschlossen werden, dass das selektive Vertriebssystem zu einer Marktabschottung führe.

[20] Das Berufungsgericht gab einer Berufung der Beklagten nicht Folge und schloss sich der Rechtsansicht des Erstgerichts an. Die Negativfeststellungen seien angesichts der die Beklagte treffenden Beweislast einer positiven Feststellung zu einem Inverkehrbringen außerhalb des EWR gleichzuhalten.

[21] Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und erklärte die Revision im Hinblick auf die jüngst in einem vergleichbaren Fall ergangene Entscheidung 4 Ob 52/23k für nicht zulässig.

[22] Die Beklagte begehrt mit ihrer außerordentlichen Revision, die Entscheidungen der Vorinstanzen in eine Klagsabweisung abzuändern, hilfsweise aufzuheben und die Rechtssache an die erste oder zweite Instanz zurückzuweisen. Weiters regt sie die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens an.

[23] Die Klägerin beantragt in ihrer vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[24] Die Revision der Beklagten ist im Hinblick auf neue Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union zulässig und berechtigt.

[25] 1.1 Kernfrage des Revisionsverfahrens ist, wem die Negativfeststellung zum erstmaligen Inverkehrbringen der bei den Testkäufen erworbenen Originalwaren zur Last fällt.

[26] 1.2 Nach ständiger nationaler Rechtsprechung ist die Beweislastverteilung revisibel; ihre grundsätzliche Regel lässt sich auf die knappe Formel bringen, dass jede Partei die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm zu behaupten und zu beweisen hat (RS0039939; vgl auch RS0037797), sofern das konkret anwendbare Recht keine Sonderregeln vorsieht (vgl RS0109832).

[27] Daher trägt derjenige, der einen Anspruch behauptet, grundsätzlich für alle anspruchsbegründenden (rechtserzeugenden) Tatsachen die Behauptungs‑ und Beweislast. Umgekehrt hat derjenige, der den Anspruch bestreitet, die anspruchshindernden, anspruchsvernichtenden und anspruchshemmenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (RS0106638; vgl auch RS0022862).

[28] 1.3 Ein Unterlassungsanspruch wie der von der Klägerin erhobene wird durch zwei Elemente konkretisiert: Eine Unterlassungspflicht und die Gefahr, dass dieser zuwidergehandelt wird (vgl RS0037660).

[29] In aller Regel hat der Kläger daher die anspruchsbegründenden Tatsachen, aus denen er die Unterlassungspflicht ableitet, und eine Begehungsgefahr zu beweisen, also eine bereits erfolgte Eingriffshandlung des Beklagten oder deren Drohen (vgl RS0111375 zum Patentrecht; RS0037456 [T3]; RS0012061 [T4]). Hat der Beklagte bereits gegen seine Unterlassungspflicht verstoßen, wird die Wiederholungsgefahr vermutet, sodass er für deren Wegfall behauptungs‑ und beweispflichtig ist (vgl RS0037661; RS0080065; RS0005402).

[30] 1.4 Anspruchsgrundlage für die Unterlassungspflicht der Beklagten ist hier Art 9, 130 UMV (vormals Art 9, 102 GMV) iVm § 2 Abs 2 und 3, § 51 Abs 1 MSchG.

[31] Gemäß Art 15 Abs 1 UMV (Art 13 Abs 1 GMV; § 10b MSchG) gewährt eine Unionsmarke ihrem Inhaber allerdings nicht das Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden sind (sog Erschöpfungsgrundsatz).

[32] Im Übrigen verweist Art 129 Abs 2 und 3 UMV (Art 101 Abs 2 und 3 GMV) auf das nationale materielle und Verfahrensrecht, und zwar grundsätzlich auch hinsichtlich der Beweislast (vgl C‑367/21 Hewlett Packard Rn 55 ff mwN).

[33] 1.5 Zu 4 Ob 29/00v ging der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit Art 5 und 7 MarkenRL noch davon aus, dass der Kläger das Inverkehrbringen außerhalb des EWR und das Fehlen der Zustimmung behaupten und beweisen müsse, weil es sich dabei um ein negatives Tatbestandsmerkmal handle (und nicht bloß den konsenslosen Vertrieb von mit der Marke gekennzeichneter [Original‑]Ware).

[34] Davon wich er zu 17 Ob 16/09s unter Verweis auf neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ab, insbesondere C‑244/00 van Doren, und die darin angesprochene Warenverkehrsfreiheit nach Art 34, 36 AEUV. Seitdem ist ständige Rechtsprechung (RS0125253; vgl auch RS0118282), dass die Erschöpfung des Markenrechts nur auf Einwand des Beklagten zu prüfen ist. Der Beklagte hat dabei zu behaupten und zu beweisen, dass die betroffenen Waren vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung im EWR auf den Markt gebracht wurden. Statt dessen kann er auch behaupten und beweisen, dass – etwa wegen eines ausschließlichen Vertriebssystems – eine Abschottung der Märkte innerhalb des EWR droht, wenn er seine Bezugsquellen offenlegen müsste. In diesem Fall hat der Kläger zu behaupten und zu beweisen, dass die betroffenen Waren erstmals außerhalb des EWR auf den Markt gebracht wurden. Gelingt dieser Beweis, müsste wiederum der Beklagte die Zustimmung des Markeninhabers zu einem (weiteren) Inverkehrbringen im EWR beweisen.

[35] Eine Anwendung dieser Grundsätze wurde bislang nicht nur für ausschließliche, sondern auch für selektive Vertriebssysteme erwogen, für Letztere jedoch jeweils im Einzelfall verneint (vgl 4 Ob 154/17a mwN).

[36] Zuletzt bekräftigte der Oberste Gerichtshof diese Rechtsansicht in seiner Entscheidung vom 12. 9. 2023 zu 4 Ob 52/23k. Aus der Entscheidung C‑175/21 Harman (insb Rn 50 ff) des Gerichtshofs der Europäischen Union könne nichts Gegenteiliges abgeleitet werden.

[37] 1.6 In seinem Urteil vom 18. 1. 2024 zu C‑367/21 Hewlett Packard antwortete der Gerichtshof der Europäischen Union auf eine (polnische) Vorlagefrage allerdings, dass Art 13 Abs 1 GMV und Art 15 Abs 1 UMV in Verbindung mit den Art 34 und 36 AEUV dahin auszulegen sei, dass „sie dem entgegenstehen, dass die Beweislast für die Erschöpfung des Rechts aus einer Unionsmarke ausschließlich den Beklagten eines Verletzungsverfahrens trifft, wenn die mit dieser Marke versehenen Waren, die keine Kennzeichen aufweisen, die es Dritten ermöglichen würden, den Markt zu bestimmen, auf dem sie vertrieben werden sollen und die über ein selektives Vertriebsnetz verteilt werden, dessen Mitglieder die Waren nur an andere Mitglieder dieses Netzes oder an Endverbraucher weiterverkaufen dürfen, von diesem Beklagten in der Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum erworben wurden, nachdem er von den Verkäufern die Zusicherung erhalten hatte, dass die Waren im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften dort vertrieben werden dürfen, und der Inhaber der Marke sich weigert, selbst eine solche Überprüfung auf Verlangen des Käufers vorzunehmen.“

[38] Die dortige Markeninhaberin und Klägerin vertreibt Computerhardware, die mit ihren Marken versehen ist, über autorisierte Vertreter, die sich verpflichten, die Hardware nicht an Personen – ausgenommen Endverbraucher – zu verkaufen, die nicht zum Vertriebsnetz der Klägerin gehören. Diese autorisierten Vertreter sind zudem gehalten, diese Waren nur von anderen autorisierten Vertretern oder von der Markeninhaberin selbst zu erwerben. Ähnlich wie hier waren die Produkte mit Seriennummern versehen, von denen die dortige Markeninhaberin, nicht aber ein Dritter, den Bestimmungsmarkt ableiten konnte.

[39] Die dortige Beklagte erwarb Originalprodukte von im EWR ansässigen Verkäufern, die keine offiziellen Vertragshändler waren, aber zugesichert hatten, dass der Vertrieb der Waren im EWR die ausschließlichen Rechte der Markeninhaberin nicht verletze. Überdies forderte die dortige Beklagte von autorisierten Vertretern der Markeninhaberin – vergeblich – eine Bestätigung ein, dass diese Waren im EWR ohne Beeinträchtigung der ausschließlichen Rechte in Verkehr gebracht werden können.

[40] Der Gerichtshof hielt unter Wiedergabe seiner bisherigen Rechtsprechung fest (Rn 58 ff), dass eine Regel des nationalen Rechts, nach der die Erschöpfung des Rechts aus einer Marke eine Einwendung darstellt, sodass die Beweislast den Beklagten trifft, grundsätzlich mit Unionsrecht vereinbar sei, allerdings die Erfordernisse des Schutzes des freien Warenverkehrs eine Modifizierung dieser Beweisregel gebieten können. Die nationalen Modalitäten der Beweiserhebung und Beweiswürdigung seien zu modifizieren, wenn sie es dem Inhaber der Marke ermöglichen könnten, die nationalen Märkte abzuschotten und damit den Fortbestand von bestehenden Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern. Folglich sei es Sache des nationalen Gerichts, eine Modifizierung der Beweislast-verteilung für die Erschöpfung des Rechts aus einer Marke vorzunehmen, wenn der Beklagte eines Verletzungsverfahrens in Fällen, in denen er selbst die Beweislast für das Inverkehrbringen der Waren in der Union oder im EWR durch den Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung tragen müsste, nachweisen könne, dass eine tatsächliche Gefahr der Abschottung der nationalen Märkte bestehe.

[41] In concreto stellte der Gerichtshof darauf ab (Rn 61 ff), dass die Markeninhaberin ein selektives Vertriebsnetz betreibt, in dessen Rahmen die mit den Marken versehenen Waren keine Kennzeichen aufweisen, die es Dritten ermöglichen würden, den Markt zu bestimmen, auf dem sie vertrieben werden sollen; dass die Markeninhaberin die Preisgabe dieser Information an Dritte ablehnt; und dass die Lieferanten der Beklagten nicht dazu geneigt sind, ihre eigenen Bezugsquellen offenzulegen. In einem solchen Vertriebssystem verpflichte sich der Lieferant üblicherweise, die vertraglichen Waren mittelbar oder unmittelbar nur an Händler zu verkaufen, die auf der Grundlage von festgelegten Kriterien ausgewählt worden sind, und diese Händler, die Waren nicht an Händler zu verkaufen, die in dem Gebiet, auf das der Lieferant die Durchführung dieses Vertriebssystems begrenzt hat, nicht autorisiert sind.

[42] Unter solchen Umständen dem Beklagten des Verletzungsverfahrens die Beweislast für den Ort aufzuerlegen, an dem die mit der Marke versehenen Waren, die er vertreibt, vom Inhaber dieser Marke oder mit seiner Zustimmung zum ersten Mal in den Verkehr gebracht wurden, könnte es dem Markeninhaber ermöglichen, Parallelimporten von mit dieser Marke versehenen Waren entgegenzuwirken, obwohl die Beschränkung des freien Warenverkehrs, die daraus folgen würde, nicht durch den Schutz des Rechts aus dieser Marke gerechtfertigt wäre. Der Beklagte des Verletzungsverfahrens hätte nämlich aufgrund der nachvollziehbaren Vorbehalte seiner Lieferanten, ihre Bezugsquellen innerhalb des Vertriebsnetzes offenzulegen, erhebliche Schwierigkeiten, einen solchen Beweis zu erbringen. Selbst wenn dem Beklagten der Nachweis gelänge, könnte der Markeninhaber für die Zukunft jede weitere Bezugsmöglichkeit bei dem Mitglied seines Vertriebsnetzes, das gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen hat, unterbinden.

[43] Folglich sei es unter diesen Umständen Sache des angerufenen nationalen Gerichts, eine Modifizierung der Beweislastverteilung für die Erschöpfung des Rechts aus den Unionsmarken vorzunehmen, indem es dem Markeninhaber die Beweislast dafür auferlegt, dass er das erste Inverkehrbringen von Exemplaren der betreffenden Waren außerhalb des Gebiets der Union oder des EWR vorgenommen oder genehmigt hat. Gelingt dieser Nachweis, werde es dem Beklagten des Verletzungsverfahrens obliegen, nachzuweisen, dass dieselben Exemplare anschließend vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in den EWR eingeführt worden sind.

[44] 1.7 Die zu 17 Ob 16/09s (RS0125253) aufgestellten Grundsätze müssen angesichts dieser neuen Ausführungen zum Verhältnis zwischen den Rechten aus einer (Unions‑)Marke und der europäischen Warenverkehrsfreiheit daher dahingehend ergänzt werden, dass eine Abschottung der Märkte im EWR, die vom Beklagten zu beweisen ist und zu einer Beweislast des Klägers für das erste Inverkehrbringen außerhalb des EWR führt, auch bei einem selektiven Vertriebssystem drohen kann, dessen Mitglieder die Waren nur an andere autorisierte Vertragshändler und Endverbraucher im EWR verkaufen dürfen.

[45] Zusätzlich ist erforderlich, dass die mit der Marke versehenen (Original‑)Waren keine Kennzeichen aufweisen, die es einem Dritten ermöglichen, den Markt zu ermitteln, für den sie bestimmt sind, und von Seiten des Markeninhabers (auch sonst) keine Auskunft darüber erlangt werden kann.

[46] Schließlich müssen die Waren vom Beklagten im EWR erworben worden sein, nachdem er von seinem Verkäufer die (glaubhafte) Zusicherung erhalten hat, dass diese im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften dort vertrieben werden dürfen, aber der Verkäufer (aus objektiv nachvollziehbaren Gründen) nicht zu einer Offenlegung seiner Bezugsquellen bereit ist, weil diesfalls die Unterbindung des Parallelhandels von Seiten des Markeninhabers zu erwarten ist.

2.1.1 Im vorliegenden Fall ist der Beklagten der Nachweis einer Marktabschottung im Sinne dieser jüngsten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gelungen:

[47] 2.1.2 Nach den Feststellungen unterhält die Klägerin ein mit jenem zu C‑367/21 Hewlett Packard vergleichbares selektives Vertriebssystem; dies wird in der Revisionsbeantwortung auch nicht angezweifelt.

[48] 2.1.3 Des Weiteren sind die einzelnen Waren zwar mit „Tracking‑Codes“ versehen, Vertragshändlern oder Dritten ist es jedoch unstrittig nicht möglich, aufgrund der Verpackung bzw aus diesem Zahlencode den Ort des Inverkehrbringens bzw den Bestimmungsmarkt zu ermitteln.

[49] Konkrete Feststellungen zu einer Auskunfts-verweigerung wurden hier zwar nicht getroffen; dennoch erscheint insofern keine Aufhebung erforderlich. Der Gerichtshof der Europäischen Union musste schon wegen der Fragestellung auf eine solche Bezug nehmen, erkennbarer Hintergrund ist aber die Überlegung, dass es dem potenziellen Käufer nicht möglich ist, den Ort des erstmaligen Inverkehrbringens von bestimmten Waren zu ermitteln, sei es durch ein selbständiges Auslesen von Codes, eine Datenbank oder eine Anfrage. Die Beklagte brachte aber auch hier stets vor, dass niemand außer der Klägerin an Informationen zum erstmaligen Inverkehrbringen bzw dem Bestimmungsmarkt gelangen könne, was von der Klägerin nie bestritten wurde.

[50] Im Übrigen verweist die Beklagte in ihrer Revision auf ein von ihr in diesem Zusammenhang vorgelegtes und inhaltlich nicht bestrittenes Schreiben vom 24. 7. 2017, mit dem sie den klägerischen Konzern um Bekanntgabe ersuchte, ob konkrete (mit einer anderen Konzernmarke gekennzeichnete) Waren aufgrund des ausgelesenen „Tracking‑Codes“ im EWR verkehrsfähig seien, woraufhin eine derartige Auskunft mit Antwortschreiben vom 11. 8. 2017 explizit verweigert wurde (Beilagen ./8, ./9; zur Verwertbarkeit unstrittigen Urkundeninhalts im Rechtsmittelverfahren s RS0121557; RS0040083 [T1]).

[51] Dass ein Händler trotz einer grundsätzlich ablehnenden Haltung des Markeninhabers dennoch hinsichtlich jedes einzelnen Produkts eine konkrete Anfrage stellen müsste, wie die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung verlangt, kann der Entscheidung C‑367/21 Hewlett Packard nicht entnommen werden.

[52] 2.1.4 Letztlich erwarb die Beklagte nach den Feststellungen ihre Waren von zwei Händlern mit Sitz in der EU, die ihr einen Bezug von autorisierten Vertragshändlern im EWR und daher deren Verkehrsfähigkeit im EWR zusicherten. Dass beide insofern als glaubhaft angesehen werden konnten, aber die Preisgabe ihrer konkreten Vormänner (auch) deswegen verweigerten, um der Klägerin nicht die Möglichkeit zu geben, die vertragsbrüchigen Händler aus ihrem System auszuschließen und einen Parallelhandel zu unterbinden, war im erstinstanzlichen Verfahren nicht strittig.

[53] Entgegen der Revisionsbeantwortung ist insofern nicht relevant, dass keine näheren Feststellungen zum Vertriebsweg der behauptetermaßen aus einem Drittstaat stammenden Parfüms getroffen werden konnten (weswegen es auch nicht auf die behaupteten sekundären Feststellungsmängel ankommt). Die erstinstanzlichen Feststellungen sind eindeutig dahin zu verstehen, dass die Beklagte alle ihre Produkte und sohin auch die beiden gegenständlichen von ihren beiden Vertragspartnern mit Sitz in der EU bezog, nachdem diese die EWR‑Verkehrsfähigkeit aller Waren zugesagt hatten (und das System bislang auch grundsätzlich funktionierte).

[54] Dass die Händler bereit gewesen wären, ihre Vertriebswege offenzulegen, wie die Klägerin nun im Revisionsverfahren argumentiert, ist nicht zutreffend. Die Beklagte und ihre Vormänner boten lediglich an, die Lieferkette und ihre Geschäftsbücher in sinngemäßer Anwendung des § 26h UWG einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen unter Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse offenzulegen, womit sich die Klägerin jedoch nicht einverstanden erklärte. Über Befragen vor Gericht erklärten die Vormänner der Beklagten ausdrücklich, ihre Lieferkette nicht bekanntzugeben, wie es das Erstgericht auch feststellte.

[55] 2.2 Die Klägerin argumentiert in ihrer Revisionsbeantwortung schließlich, dass ausgehend von den hier getroffenen Feststellungen nicht von Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten auszugehen sei, deren Fortbestand durch ihr selektives Vertriebssystem gefördert würde, und damit auch von keiner tatsächlichen Gefahr einer Marktabschottung.

[56] Der Gerichtshof der Europäischen Union referierte diese Rechtsprechung zwar in seiner Entscheidung C‑367/21 Hewlett Packard in den Rn 59 und 60, stellte im Folgenden aber allein auf die Umstände ab, „wie sie in Rn 61 des vorliegenden Urteils aufgezeigt wurden“ (vgl Rn 66, 67), nämlich, „dass die Inhaberin der betreffenden Unionsmarken ein selektives Vertriebsnetz betreibt, in dessen Rahmen die mit diesen Marken versehenen Waren keine Kennzeichen aufweisen, die es Dritten ermöglichen würden, den Markt zu bestimmen, auf dem sie vertrieben werden sollen, dass die Markeninhaberin die Preisgabe dieser Information an Dritte ablehnt und dass die Lieferanten der Beklagten nicht dazu geneigt sind, ihre eigenen Bezugsquellen offenzulegen“. Auch das anfragende Gericht hatte dort keine Preisunterschiede festgestellt oder eine tatsächliche Gefahr einer Marktabschottung konstatiert. Vielmehr ging der Gerichtshof davon aus (vgl Rn 63), dass in derartigen Konstellationen eine Beweislast des Beklagten dem Markeninhaber ermöglichen könnte, Parallelimporten entgegenzuwirken, obwohl die Beschränkung des freien Warenverkehrs, die daraus folgen würde, nicht durch den Schutz des Rechts aus dieser Marke gerechtfertigt wäre.

[57] Letztlich ist festzuhalten, dass hier die Gründe für Preisunterschiede zwischen einzelnen Mitgliedstaaten vom Erstgericht zwar nicht festgemacht werden konnten, solche aber zumindest bei zwei Vertragshändlern sehr wohl bestanden.

[58] 2.3 Im Ergebnis liegen daher alle zu C‑367/21 Hewlett Packard geforderten Voraussetzungen vor, um der Klägerin die Beweislast für das erstmalige Inverkehrbringen zuzuweisen, sodass die Negativfeststellung – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen – zu Lasten der Klägerin geht.

[59] Da die Beweislast stets Thema des Verfahrens war und die Klägerin den Beweis des ersten Inverkehrbringens auch angetreten hat, ihn in conreto aufgrund von Lücken in ihrer eigenen – grundsätzlich vorhandenen – Lieferdokumentation aber nicht mit der im Hauptverfahren erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit (vgl RS0110701 uvm) erbringen konnte, ist eine Aufhebung der Entscheidungen iSd §§ 182, 182a ZPO zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nicht erforderlich.

[60] Die Urteile der Vorinstanzen sind sohin in eine Abweisung des Unterlassungsbegehrens sowie der davon abhängigen Veröffentlichungsbegehren abzuändern. Ein Eingehen auf die weiters in der Revision ins Treffen geführten Argumente ist damit entbehrlich.

[61] 3. Die Abänderung in der Hauptsache führt auch zu einer neuen Entscheidung über die Kosten aller drei Instanzen, die auf § 41 ZPO beruht, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO.

[62] Die im Ergebnis zur Gänze obsiegende Beklagte hat Anspruch auf vollen Kostenersatz. Einwendungen iSd § 54 Abs 1a ZPO wurden nicht erhoben, zu berücksichtigen war allerdings, dass der Beklagten gesamt 4.000 EUR an Kostenvorschüssen rücküberwiesen wurden.

[63] Dies ergibt einen Kostenersatzanspruch für das erstinstanzliche Verfahren von 29.518,80 EUR (darin 4.919,80 EUR an USt), für das Berufungsverfahren von 4.881,52 EUR (darin 610,42 EUR an USt und 1.219 EUR an Pauschalgebühren) und für das Revisionsverfahren von 4.165,40 EUR (darin 439,90 EUR an USt und 1.526 EUR an Pauschalgebühren).

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