European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00203.23Y.0725.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
In Ansehung der in zweiter Instanz unangefochten gebliebenen und daher in Rechtskraft erwachsenen Teile bleiben die Entscheidungen der Vorinstanzen unberührt.
Der Beschluss des Rekursgerichts auf Aufhebung des Sachbeschlusses des Erstgerichts in Bezug auf das Antragsbegehren 1.e. (Stellplätze im Freien) wird bestätigt.
Im Bezug auf die Antragsbegehren 1.a. (westliches Garagentor/Brücke) und 1.d. (ostseitiger Zugang) werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin ist bücherlicher Eigentümer von 12 Liegenschaften. Im Jahr 2004 räumte er der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin, aus deren Umwandlung im Jahr 2017 sie hervorgegangen ist (in der Folge der Einfachheit halber stets nur mehr „Antragsgegnerin“) hinsichtlich dieser Liegenschaften jeweils für 99 Jahre ein Baurecht ein.
[2] Die Antragsgegnerin errichtete auf diesen 12 Liegenschaften eine Wohnanlage mit 18 Wohneinheiten. Für alle diese Wohneinheiten wurde eine gemeinsame Tiefgarage geschaffen, die Teile aller Liegenschaften beansprucht. Auf dieser Tiefgarage wurden zwei Häuserreihen mit jeweils sechs leicht versetzt aneinandergereihten Häusern errichtet. Die südlichen sechs Häuser sind je als ein Mietgegenstand ausgestaltet, in den nördlichen sechs Häusern gibt es jeweils zwei Mietwohnungen.
[3] Die 12 Häuser der Anlage verfügen über eine gemeinsame Heizanlage, einen gemeinsamen Stromanschluss mit Subzählern je Wohneinheit, einen gemeinsamen Technikraum, eine gemeinsame Tiefgarage und gemeinsame Besucherparkplätze.
[4] Der Antragsteller ist aufgrund des mit der Antragsgegnerin abgeschlossenen Mietvertrags mit Kaufoption vom 11. 12. 2007 Mieter der Erdgeschosswohnung im nordwestlichsten Reihenhaus der Anlage samt einem Tiefgaragenstellplatz.
[5] Die Wohnanlage ist über die Einfahrt zur Garage ganz im Osten der Anlage erschlossen. Die Wohnungen erreicht man über diese Garage. An deren Nordseite befinden sich Eingänge zu drei Stiegenhäusern, jedes Stiegenhaus erschließt vier Wohnungen auf zwei Geschossen.
[6] In der westlichen Öffnung der Garage ist ein Garagentor (Sektionaltor) verbaut, welches nach oben öffnet. Für dieses Tor ist kein elektrischer Antrieb vorhanden. Man kann es öffnen, indem man es mit Muskelkraft nach oben schiebt. Die erreichbare Öffnungshöhe ist durch die Größe des Bedieners beschränkt. Das Tor verharrt durch die Zugkraft der Feder in der geöffneten Position. Neben dem Tor befindet sich eine leicht öffenbare Gehtüre.
[7] Der Weg, der vom westlichen Garagentor Richtung Westen zu einer Brücke führt, ist ein „Feldweg“. Sowohl der Weg als auch die daran anschließende Brücke wurde während der Errichtung der Wohnanlage als Bauzufahrt genutzt. In den Weg ist frostsicheres Material in den Unterbau eingebracht, es besteht jedoch keine Oberflächenversiegelung. Dieser Weg führt von Ost nach West zunächst über zwei Grundstücke, die im Eigentum des Geschäftsführers der Antragsgegnerin stehen, vom Baurecht der Antragsgegnerin aber nicht umfasst sind, und dann über öffentliches Wassergut. Die Brücke ist eine Holz-/Stahlbrücke, dessen Holzbohlenbelag ist stark von Pilzen angegriffen und nicht mehr tragfähig. Das Holzgeländer ist ebenfalls baufällig. Die Brücke ist durch einen Bauzaun für das Befahren mit einem mehrspurigen Kraftfahrzeug gesperrt, worauf ein entsprechendes Verbotsschild hinweist. Das Begehen der Brücke ist möglich.
[8] Der Antragsteller ist am 1. 1. 2008 in die Wohnanlage eingezogen. Zu diesem Zeitpunkt hat das Tor im Westen der Tiefgarage noch nicht bestanden, dieses wurde erst Anfang 2009 eingebaut. Seit gut zehn Jahren ist das Tor im Westen der Tiefgarage dauerhaft geschlossen. Der zu Bauzwecken errichtete Weg nach Westen über die Holzbrücke hat zum Zeitpunkt des Einzugs des Antragstellers (noch) bestanden. Damals wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass die offizielle Zufahrt die Osteinfahrt sei, der Weg nach Westen ein Privatweg sei und bis auf Widerruf auf eigene Gefahr benützt werden könne.
[9] In dem ganz im Westen der Garage liegenden Stiegenhaus 1, das die Wohnung des Antragstellers erschließt, gibt es im oberen Stockwerk einen Ausgang ins Freie. Dieser Ausgang ein Stockwerk über der Wohnung des Antragstellers ist nicht die Haustür des Antragstellers, sondern eine Fluchttür. Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem Antragsteller ein ebenerdiger Zugang zu seiner Wohnung zugesagt wurde. Die Tür trägt ein Schild mit dem Hinweis: „Durchgang bis auf Widerruf gestattet! Benützung auf eigene Gefahr! Kein Winterdienst!“.
[10] Von diesem Ausgang führt ein Gehweg Richtung Norden. Dieser unbefestigte und unbeleuchtete Pfad zweigt dann Richtung Osten bis zum Ende der Wohnanlage ab. Das letzte Stück dieses Pfades ist sehr steil, zugewachsen und daher derzeit nicht zu begehen. Dieser Pfad Richtung Osten verläuft zur Gänze auf einem (nicht vom Baurecht erfassten) Grundstück des Geschäftsführers der Antragsgegnerin. Ab der Abzweigung (Gehweg Richtung Norden, Pfad Richtung Osten) führt ein unbefestigter Feldweg Richtung Westen, welcher in den Weg zur Brücke mündet. Dieser Weg verläuft auf einem nicht vom Baurecht erfassten Grundstück des Geschäftsführers der Antragsgegnerin und auf einem Grundstück eines Dritten.
[11] Im Osten der Anlage befinden sich zwei Stellflächen, westlich des Zufahrtswegs – auf einem nicht vom Baurecht erfassten Grundstück des Geschäftsführers der Antragsgegnerin – eine große und östlich des Zufahrtswegs – auf einem nicht vom Baurecht erfassten Grundstück des Geschäftsführers der Antragsgegnerin und auf einem Grundstück im Eigentum Dritter (Gst 55/1) – eine kleinere.Beide Stellflächen weisen keine Oberflächenversiegelung auf, sondern sind Schotterplätze ohne Beleuchtung und Kennzeichnung von Parkflächen.
[12] Der Wohnanlage wurde mit Bescheid der Gemeinde vom 1. 4. 2010 die Benützungsbewilligung erteilt. In diesem Bescheid ist in Bezug auf Fluchtwege festgehalten, dass von jeder Wohneinheit eine rechtlich sichergestellte Fluchtmöglichkeit über die angrenzenden Grundflächen auf sicheres Gelände vorhanden ist.
[13] Der Antragsteller begehrte, der Antragsgegnerin gemäß § 6 Abs 1 MRG aufzutragen, binnen einer Frist von sechs Monaten Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 2 Z 1 bis 3 MRG auf der Liegenschaft vorzunehmen.
Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sind (nur) folgende Maßnahmen:
[14] 1. Nachrüstung des westlich gelegenen Garagentors der Notausfahrt mit einem elektrischen Antrieb und fachmännische Sanierung der westlichen Brücke der Notausfahrt der Liegenschaft sowie Sicherstellung eines tragfähigen Brückengeländers, sodass die Notausfahrt wieder (insbesondere im Notfall durch alle Bewohner und für Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr bis zu einem Gesamtgewicht von 7,5 Tonnen) befahrbar ist und auch von Fußgängern benutzt werden kann (Punkt 1.a. des Antragsbegehrens);
[15] 2. Herstellung und Erhaltung der gefahrlosen und ganzjährigen Benützbarkeit des ostseitigen Zugangs für Fußgänger zur oberen Haustüre des Mietgegenstands des Antragstellers sowie zugesicherten Fluchtwegs, insbesondere durch Befestigung, Beleuchtung und Besorgung der im Winter erforderlichen Schneeräumung und -streuung des Fußwegs von den Stellplätzen der Bewohner und Besucher im Freien zur oberen Haustüre des Mietgegenstands des Antragstellers (Punkt 1.d. des Antragsbegehrens);
[16] 3. Herstellung und Erhaltung der gefahrlosen und ganzjährigen Benützbarkeit der öffentlich‑rechtlich zugesicherten 12 Stellplätze im Freien auf den Gst 5667/14, 55/1 und 55/4 sowie der acht Besucherparkplätze durch ortsübliche Oberflächenversiegelung (Asphalt oder Pflaster) mit entsprechender Entwässerung, Ausstattung mit ortsüblicher Orientierungsbeleuchtung des Parkplatzes und des Wegs bis zur Tiefgarage und Markierung oder Abgrenzung der einzelnen Parkplätze sowie Beschriftung bzw Zuordnung der Stellplätze im Freien zu einem bestimmten Bewohner bzw Beschriftung als Besucherparkplatz [Punkt 1.e. des Antragsbegehrens].
[17] Das Erstgericht wies den Antrag in Bezug auf die Maßnahmen zu den Punkten 1. und 2. (Antragsbegehren 1.a. [westliches Garagentor/Brücke] und 1.d. [ostseitiger Zugang]) ab. Hingegen gab es dem Antrag in Bezug auf Punkt 3. (Antragsbegehren 1.e. [Parkplätze im Freien]) statt.
[18] Der von der Antragsgegnerin behauptete Vollausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG sei zu verneinen. Nach der Verkehrsauffassung sei nicht von 12 selbständigen Gebäuden, sondern von einer Wohnanlage als einem Gebäude auszugehen. Das Mietverhältnis falle daher in den Vollanwendungsbereich des MRG. Die Erhaltungspflicht für das Mietobjekt sei daher nach den §§ 3 und 6 MRG zu beurteilen.
[19] In Bezug auf die Begehren auf Nachrüstung des westlich gelegenen Garagentors der Notausfahrt mit einem elektrischen Antrieb und fachmännische Sanierung der westlichen Brücke der Notausfahrt (Antragsbegehren 1.a.) sowie auf Herstellung und Erhaltung der gefahrlosen und ganzjährigen Benützbarkeit des ostseitigen Zugangs für Fußgänger zur oberen Haustüre (Antragsbegehren 1.d.) sei eine Erhaltungspflicht der Antragsgegnerin zu verneinen. Das westlich gelegene Garagentor werde bereits seit zehn Jahren nicht benützt. Sowohl der weiterführende Weg als auch die Brücke befänden sich auf Fremdgrund. Der Antragsteller habe den Beweis nicht erbracht, dass ihm deren Benützung zugesichert worden sei. Auch in Bezug auf die obere Tür habe der Antragsteller den Beweis nicht erbracht, dass die Antragsgegnerin ihm zugesichert habe, dass es sich hiebei um den Haustürzugang zu seiner Wohnung handle. Vielmehr sei dies lediglich eine Fluchttür und auch der daran anschließende Weg verlaufe über Fremdgrund.
[20] Die Stellplätze (Antragsbegehren 1.e.) seien hingegen bloß als einfache Schotterplätze ausgeführt und entsprächen nicht dem ortsüblichen Standard. Die Antragsgegnerin habe daher einen brauchbaren Zustand herzustellen, indem 12 Stellplätze im Freien und acht Besucherparkplätze im Freien befestigt (versiegelt), markiert und zugeteilt werden. Weiters müsse eine Beleuchtung installiert werden, um sicher vom Parkplatz bis zur Tiefgarage zu gelangen.
[21] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers gegen die Abweisung der Antragsbegehren 1.a. (westliches Garagentor/Brücke) und 1.d. (ostseitiger Zugang/Fluchtweg obere Haustüre) nicht Folge. Hingegen gab es dem Rekurs der Antragsgegnerin gegen die Stattgebung des Antragsbegehren 1.e. (Auftrag zur Erhaltung der Stellplätze im Freien) insoweit Folge, als es die angefochtene Entscheidung des Erstgerichts in diesem Umfang aufhob und und dem Erstgericht die neuerlichen Entscheidung auftrug.
[22] Das Objekt sei nach der Verkehrsauffassung eine (einheitliche) Wohnanlage. Die einzelnen Mietobjekte seien daher „zusammenzuzählen“, womit der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG nicht vorliege. Das Mietverhältnis falle daher in den Vollanwendungsbereich des MRG.
[23] Das vom Erstgericht – zu Recht – abgewiesene Begehren auf Nachrüstung des westlich gelegenen Garagentors der Notausfahrt mit einem elektrischen Antrieb und fachmännische Sanierung der westlichen Brücke der Notausfahrt (Antragsbegehren Punkt 1.a.) beziehe sich auf Bereiche, die von der Erhaltungspflicht nach § 3 MRG nicht umfasst seien. Das Erstgericht habe den vom Westtor der Garage Richtung Brücke (Westen) führenden Weg nicht als „Fluchtweg“, sondern als „Feldweg“ festgestellt, der für die Errichtung der Wohnanlage als Baustellenzufahrt hergestellt und genutzt worden sei. Die Brücke und der Großteil des Wegs beträfen weder das Haus, noch den Mietgegenstand, noch die der gemeinsamen Benützung dienenden Anlagen des Mietgegenstands, sondern befänden sich auf Fremdgrund, der nicht vom Baurecht der Antragsgegnerin umfasst sei. Eine Pflicht zur Erhaltung dieser Bereiche finde daher keine Deckung in § 3 MRG. Selbst wenn der Geschäftsführer der Antragsgegnerin als dessen Eigentümer die Benützung des über sein Grundstück verlaufenden Wegs durch den Antragsteller und die anderen Mieter (bis auf Widerruf) gestattet habe, ändere dies nichts daran, dass der Weg und dessen Nutzung in keinem Zusammenhang mit dem Mietgegenstand stehe, dessen Vermieterin die Antragsgegnerin (als Baurechtsberechtigte) sei. Für den geringen Teil des Wegs, der auf einem vom Baurecht umfassten Grundstück verlaufe, scheitere das Antragsbegehren schon daran, dass der Gesamtweg (bis zur Brücke) nicht herstellbar sei und kein abgrenzbarer Nutzen darin bestehe, nur diesen Bereich des Wegs befahrbar/benützbar zu machen. Die vom Antragsteller angestrebten Sanierungsmaßnahmen bezögen sich vor allem auf die Brücke, die vom Baurecht der Antragsgegnerin und damit vom Mietgegenstand nicht umfasst sei. Eine Öffnung der Garage im westlichen Bereich sei (ohnedies) vorhanden, wobei diese seit 2009 mit einem Garagentor verschlossen sei, das manuell (mit Körperkraft) geöffnet werden könne. Somit bestehe (auch) im westlichen Bereich eine (Garagen-)Ausfahrt. Darüber hinaus befinde sich rechts neben dem Tor eine leicht öffenbare Gehtüre, womit auch ein (Personen-)Ausgang aus der Garage vorhanden sei. Eine bequemere Öffnung des Garagentors durch einen elektrischen Antrieb sei nicht erforderlich, um eine Ein-/Ausfahrt grundsätzlich zu ermöglichen.
[24] Auch das vom Erstgericht – ebenfalls zu Recht – abgewiesene Begehren auf Herstellung und Erhaltung der gefahrlosen und ganzjährigen Benützbarkeit des ostseitigen Zugangs für Fußgänger zur oberen Haustüre (Antragsbegehren Punkt 1.d.) beziehe sich auf Bereiche, die vom Mietgegenstand nicht umfasst seien. Der vom Stockwerk oberhalb der Wohnung des Antragstellers erreichbare Gehweg nach Norden und weiter Richtung Osten, sowie der Feldweg Richtung Westen (der in den Weg zur Brücke münde) verlaufe ebenso (großteils) auf Fremdgrund, für den der Antragsgegnerin kein Baurecht eingeräumt sei. Schon deshalb scheide eine Erhaltungspflicht der Antragsgegnerin iSd § 3 MRG für diesen Weg aus. Die Vornahme der vom Antragsteller angestrebten Maßnahmen (Befestigung und Beleuchtung des Wegs) wäre ein Eingriff in fremdes Eigentum und finde in § 3 MRG keine Deckung.
[25] Insoweit der Antragsteller in seiner Rechtsrüge auf einen „Fluchtweg“ Bezug nehme, entferne er sich überdies vom festgestellten Sachverhalt. Das Erstgericht habe nämlich (bloß) festgestellt, dass es sich dabei um einen Gehweg/Pfad handle. Der Antragsteller habe im erstinstanzlichen Verfahren auch nicht vorgebracht, dass es sich bei diesem Weg, der zur oberen Ausgangstüre führe, um einen Fluchtweg handle.
[26] Die in Bezug auf diese beiden abgewiesenen Begehren gerügten sekundären Feststellungsmängel, weil das Erstgericht unzureichende Feststellungen zur „Notausfahrt“ Richtung Westen und zum „Fluchtweg“ von der oberen Haustüre und zum westlichen Garagentor getroffen habe, lägen nicht vor. Das Erstgericht habe jeweils ausreichende Feststellungen getroffen bzw seien die vom Antragsteller begehrten Feststellungen dem festgestellten Sachverhalt ohnedies zu unterstellen. Dass der Weg zum Zugang obere Haustüre überhaupt als Fluchtweg zugesichert worden sei, habe der Antragsteller außerdem im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht.
[27] In Bezug auf die Herstellung und Erhaltung der gefahrlosen und ganzjährigen Benützbarkeit der Stellplätze im Freien sei dem Rekurs der Antragsgegnerin Folge zu geben und die Rechtsache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Nach der vom Erstgericht erarbeiteten Sachverhaltsgrundlage befänden sich die Stellflächen für Fahrzeuge auf Grundstücken, die nicht vom Baurecht der Antragsgegnerin erfasst seien. Diesen Umstand, dass sich die Stellflächen für Parkplätze somit jeweils auf Fremdgrund befänden, habe das Erstgericht aber bislang nicht erörtert. Im fortgesetzten Verfahren werde mit dem Antragsteller zu erörtern sein, auf welche Grundlage er den von ihm geltend gemachten Anspruch gegenüber der Antragsgegnerin, der kein (Bau‑)Recht an den bezughabenden Grundstücken zukomme, stütze.
[28] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs („der ordentliche Revisionsrekurs sowie der Rekurs“) zu. Es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Fragen, inwieweit bei liegenschaftsübergreifenden Bauten im Zusammenhang mit Baurechtseinlagen Mietobjekte bei der Beurteilung gemäß § 1 Abs 2 Z 5 MRG „zusammenzuzählen“ seien, und ob § 3 MRG sich auch auf Maßnahmen beziehe, die auf Fremdgrund durchzuführen wären.
[29] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts (also gegen die Bestätigung der Abweisung der Begehren auf Nachrüstung des westlich gelegenen Garagentors der Notausfahrt mit einem elektrischen Antrieb und fachmännische Sanierung der westlichen Brücke der Notausfahrt [Antragsbegehren Punkt 1.a.] und auf Herstellung und Erhaltung der gefahrlosen und ganzjährigen Benützbarkeit des ostseitigen Zugangs für Fußgänger zur oberen Haustüre [Antragsbegehren Punkt 1.d.], sowie gegen die Aufhebung des Auftrags zur Erhaltung der Stellplätze im Freien [Antragsbegehren Punkt 1.e.]), richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs („Ordentlicher Revisionsrekurs und Rekurs“) des Antragstellers. Er beantragt, die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass auch seinen Antragsbegehren 1.a. und 1.d. stattgegeben werde und die Entscheidung des Erstgerichts über das Begehren 1.e. mit der Berichtigung wiederhergestellt werde, dass die dort aus Versehen angeführte Grundstücksnummer 55/1 entfernt werde. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
[30] Die Antragsgegnerin und die anderen Mieter haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
[31] Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise – im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags – berechtigt.
[32] 1. Das Rekursgericht erklärte den „ordentlichen Revisionsrekurs sowie den Rekurs“ gegen seine Entscheidung für zulässig. Das Rechtsmittel gegen den in zweiter Instanz ergehenden Aufhebungsbeschluss ist der Revisionsrekurs (§ 64 Abs 1 AußStrG). Die Bezeichnung des Rechtsmittels gegen den aufhebenden Teil der zweitinstanzlichen Entscheidung als „Rekurs“ hindert freilich dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise nicht (5 Ob 121/23i; RS0036258).
[33] 2. Aus Anlass eines Revisionsrekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss nach § 64 AußStrG hat der Oberste Gerichtshof zwar eine allseitige Überprüfung der Rechtsansicht des Rekursgerichts vorzunehmen und er ist infolgedessen nicht auf Erörterung jener Rechtsfragen beschränkt, derentwegen das Rekursgericht den Revisionsrekurs zugelassen hat oder die der Revisionsrekurswerber aufwarf. Der Prüfungsumfang ist allerdings insoweit begrenzt, als in sich geschlossene selbständige Tatsachenkomplexe der Nachprüfung nicht unterliegen, wenn sie nicht Gegenstand der Anfechtung sind (RS0043903 [T6]; vgl RS0043573; RS0043338).
[34] Im Revisionsrekursverfahren ist in diesem Sinn nicht (mehr) strittig, dass der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG hier zufolge „Zusammenzählung“ der Mietobjekte der liegenschaftsübergreifenden Wohnhausanlage nicht verwirklicht ist und das Mietverhältnis des Antragstellers daher dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegt.
[35] 3.1. Im Vollanwendungsbereich des MRG ist die Erhaltungspflicht des Vermieters abschließend und zwingend in § 3 MRG geregelt (5 Ob 51/23w; RS0124632).
[36] 3.2. Gemäß § 3 Abs 1 MRG hat der Vermieter nach Maßgabe der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass das Haus, die Mietgegenstände und die der gemeinsamen Benützung der Bewohner des Hauses dienenden Anlagen im jeweils ortsüblichen Standard erhalten und erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bewohner beseitigt werden.
[37] § 3 Abs 1 MRG enthält dabei ein Programm als Auslegungsgrundsatz. Die Bezugnahme auf die wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten im ersten Satz steht in einem inneren Zusammenhang mit dem Erfordernis, dass das Haus, die Mietgegenstände und die der allgemeinen Benützung dienenden Anlagen in einem jeweils ortsüblichen Standard zu erhalten sind. Damit hat der Gesetzgeber einen anpassungsfähigen („dynamischen“) Erhaltungsbegriff gewählt, der grundsätzlich eine elastische, sich den jeweiligen zeitlichen und örtlichen Komfortvorstellungen anpassende Obergrenze der Erhaltung normiert (5 Ob 143/14m; RS0069944). Nach der Rechtsprechung zu Inhalt und Bedeutung dieses „dynamischen“ Erhaltungsbegriffs gehören zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten auch dann noch zur Erhaltung bestehender Anlagen, wenn es sich dabei um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt, es zu einer vollständigen Erneuerung kommt und/oder dabei Veränderungen vorgenommen werden, die gegenüber dem vorigen Zustand als „Verbesserung“ anzusehen sind (5 Ob 128/23v; RS0114109; vgl RS0070000). Die Erneuerung ist daher dann noch Erhaltungsarbeit, wenn die Reparatur nicht mehr möglich oder wirtschaftlich nicht mehr vertretbar ist und die damit einhergehende Anhebung auf den ortsüblichen und technischen Standard dem sonstigen Erhaltungszustand des Hauses entspricht (5 Ob 128/23v; RS0069971). Der ortsübliche Standard wird dabei auch, aber nicht ausschließlich an den geltenden Bauvorschriften gemessen (5 Ob 128/23v; RS0069944 [T1]; RS0020937 [T1]).
[38] 3.3. Welche Arbeiten grundsätzlich als Erhaltungsarbeiten gelten, ist in § 3 Abs 2 MRG taxativ aufgezählt (5 Ob 51/23w; RS0069969).
[39] Die Erhaltung umfasst demnach unter anderem die Arbeiten, die zur Erhaltung der allgemeinen Teile des Hauses erforderlich sind (§ 3 Abs 2 Z 1 MRG); die Arbeiten, die zur Erhaltung der Mietgegenstände des Hauses erforderlich sind, diese Arbeiten jedoch nur dann, wenn es sich um die Behebung von ernsten Schäden des Hauses oder um die Beseitigung einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung handelt oder wenn sie erforderlich sind, um einen zu vermietenden Mietgegenstand in brauchbarem Zustand zu übergeben (§ 3 Abs 2 Z 2 MRG); die Arbeiten, die zur Aufrechterhaltung des Betriebs von bestehenden, der gemeinsamen Benützung der Bewohner dienenden Anlagen, wie im besonderen von zentralen Wärmeversorgungsanlagen, Personenaufzügen oder zentralen Waschküchen erforderlich sind, es sei denn, dass alle Mieter des Hauses für die gesamte Dauer ihres Mietvertrags auf die Benützung der Anlage verzichten (§ 3 Abs 2 Z 3 MRG); die Neueinführungen oder Umgestaltungen, die kraft öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen vorzunehmen sind, wie etwa der Anschluss an eine Wasserleitung oder an eine Kanalisierung, die Installation von geeigneten Schutzvorrichtungen für die Energieversorgung oder von Geräten zur Feststellung des individuellen Energieverbrauchs (§ 3 Abs 2 Z 4 MRG).
[40] Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG ist – auch im Rahmen des dynamischen Erhaltungsbegriffs – ein Mangel im Sinn einer Reparaturbedürftigkeit, einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder Brauchbarkeit oder zumindest einer Schadensgeneigtheit (5 Ob 128/23v; RS0114109 [T8, T10]; RS0069944 [T11]; RS0116998 [T1, T3]). Für die Anwendung des § 3 Abs 2 Z 4 MRG ist dies hingegen nicht Voraussetzung, weshalb es sich dabei eben auch um „fiktive“ Erhaltungsarbeiten handelt (5 Ob 153/22v; 5 Ob 169/19t).
[41] Voraussetzung für die Anwendung von § 3 Abs 2 Z 4 MRG ist das Bestehen einer öffentlich‑rechtlichen Verpflichtung, somit einer Verpflichtung kraft Hoheitsakt. Ob sich die öffentliche Verpflichtung zur Neueinführung oder Umgestaltung aus einem generellen (Gesetz, Verordnung) oder einem individuellen (Bescheid) Verwaltungsakt ergibt, ist dabei irrelevant (5 Ob 169/19t). Die in § 3 Abs 2 Z 4 MRG genannten Beispiele sind nur demonstrativ aufgezählt, auch andere diesen gleich zu haltende Arbeiten können aufgrund öffentlich-rechtlichen Auftrags durchzuführende fiktive Erhaltungsarbeiten nach § 3 Abs 2 Z 4 MRG sein (5 Ob 169/19t mwN).
[42] 4.1. Die Erhaltungspflicht gemäß § 3 Abs 2 Z 1 MRG bezieht sich auf die allgemeinen Teile des Hauses, jene gemäß § 3 Abs 2 Z 2 MRG auf den eigentlichen Mietgegenstand, jene gemäß § 3 Abs 2 Z 3 MRG auf Gemeinschaftsanlagen und jene gemäß § 3 Abs 2 Z 4 MRG wohl auf jede dieser Kategorien.
[43] 4.2. Die Abgrenzung, ob eine Maßnahme iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG allgemeine Teile des Hauses betrifft, erfolgt zunächst in räumlicher Hinsicht (5 Ob 188/15f). Zu den allgemeinen Teilen zählt alles, was sich örtlich außerhalb des eigentlichen Mietgegenstands befindet (RS0069976).
[44] Zur weiteren Abgrenzung bedient sich die Rechtsprechung funktionaler Gesichtspunkte (5 Ob 188/15f; RS0112445 [T3]; RS0069976 [T4]). Allgemeiner Teil ist auch, was funktional nicht nur einem einzigen Mietgegenstand zugeordnet ist (5 Ob 262/15p; RS0117707) und auch nicht unter einen der Tatbestände der § 3 Abs 2 Z 2 bis 6 MRG zu subsumieren ist. Trotz einer faktisch-funktionalen Zuordnung zu einzelnen Mietobjekten handelt es sich um allgemeine Teile, wenn der Teil des Hauses, um den es geht, an sich, das heißt seiner Art nach, nicht der ausschließlichen Verwendung durch einen bestimmten Mieter dient. So ist beispielsweise auch das zum obersten Stockwerk führende, aber allgemein zugängliche Stiegenhaus allgemeiner Teil (Pletzer in GeKo Wohnrecht I § 3 MRG Rz 40; Riss in Hausmann/Vonkilch, MRG4 § 3 MRG Rz 13).
[45] 4.3. Abzugrenzen von den allgemeinen Teilen sind die Gemeinschaftsanlagen nach § 3 Abs 2 Z 3 MRG. Anlagen, wie die in § 3 Abs 2 Z 3 MRG demonstrativ aufgezählten, ließen sich zwar grundsätzlich durchaus als allgemeine Teile iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG verstehen. Allerdings steht der Erhaltungstatbestand des § 3 Abs 2 Z 3 MRG in einem Spezialitätsverhältnis zum Erhaltungstatbestand des § 3 Abs 2 Z 1 MRG, sodass die Erhaltung von Gemeinschaftsanlagen in § 3 Abs 2 Z 3 MRG abschließend geregelt ist (Riss in Hausmann/Vonkilch, MRG4 § 3 MRG Rz 24a; Pletzer in GeKo Wohnrecht I § 3 MRG Rz 80).
[46] Nach der Rechtsprechung ist wesentliches Kriterium einer Gemeinschaftsanlage (iSd § 3 Abs 2 Z 3 MRG und § 24 MRG), dass es jedem Mieter rechtlich freisteht, sie – gegen Beteiligung an den Kosten des Betriebs –zu benützen (RS0069987; RS0070297; RS0101592). Es darf also kein Mieter rechtlich von der Benützung der Gemeinschaftsanlage ausgeschlossen sein (5 Ob 170/13f mwN).
[47] Kennzeichnend für die Gemeinschaftsanlage ist das Vorhandensein einer „Vorrichtung“, einer besonderen Gestaltung oder technischen Ausrüstung, die einen „Betrieb“ ermöglichen. Bloße Räumlichkeiten oder Flächen ohne besondere, einem spezifischen Betrieb dienende Ausgestaltungen oder technische Ausrüstungen fallen daher in der Regel nicht unter § 3 Abs 2 Z 3 MRG; sie sind allgemeine Teile iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG (Pletzer in GeKo Wohnrecht I § 3 MRG Rz 78). Parkgaragen können nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs aber Gemeinschaftsanlagen sein, die (nur) nach Maßgabe des § 3 Abs 2 Z 3 MRG zu erhalten sind (5 Ob 222/99d; 1 Ob 23/01s).
[48] Bei einer Gemeinschaftsanlage ist ein die Erhaltungspflicht auslösender Mangel zu verneinen, wenn diese stets nur bestimmte Funktionen erfüllen konnte, die auch nach wie vor erfüllt werden können. Die Ergänzung dieser Funktion durch eine weitere Funktion der Anlage ist, auch wenn dies bei Neuerrichtung dem ortsüblichen Zustand entsprechen würde, eine echte Verbesserung, die nur unter den Voraussetzungen des § 4 MRG durchsetzbar ist (5 Ob 106/08m = RS0069944 [T9]; RS0114109 [T6]; RS0116139 [T11]).
[49] Für Gemeinschaftsanlagen gilt weiters, dass die Erhaltungspflicht des Vermieters entfällt, wenn alle Mieter des Hauses für die gesamte Dauer ihres Mietverhältnisses auf die Benützung der Anlage verzichten. Die Neuerrichtung einer Gemeinschaftsanlage, die seit Jahrzehnten defekt und nicht mehr in Betrieb ist, dient allerdings nicht der „Aufrechterhaltung des Betriebes“ und unterliegt deswegen nicht § 3 Abs 2 Z 3 MRG (5 Ob 286/01x [Personenaufzug]).
[50] 4.4. Der Erhaltungstatbestand des § 3 Abs 2 Z 2 MRG, der die (beschränkte) Erhaltungspflicht für den eigentlichen Mietgegenstand regelt, erfasst allenfalls auch Haus- und Grundflächen, das aber nur dann, wenn sie mit einer Wohnung oder Geschäftsräumlichkeit mitgemietet sind (§ 1 Abs 1 MRG). Für die Tatsache, dass eine Haus- oder Grundflächen (wie im besonderen Parkflächen) mitgemietet ist und ein einheitliches Mietverhältnis besteht, ist der Mieter behauptungs- und beweispflichtig (8 Ob 28/18b; 1 Ob 315/98z; vgl RS0111228).
[51] 5.1. Diese drei Kategorien von Objekten – eigentlicher Mietgegenstand, allgemeine Teile des Hauses und Gemeinschaftsanlagen – sind (physische) Teile des „Hauses“ iSd § 3 MRG.
[52] Der Begriff des „Hauses“ ist generell nicht strikt liegenschaftsbezogen. Bei der Auslegung dieses Begriffs kommt der Verkehrsanschauung mehr Bedeutung zu als dem Prinzip der Einheit des Grundbuchskörpers (RS0069823). Daher liegt zwar im Regelfall „Identität“ von Haus und Liegenschaft vor, dies ist aber nicht zwingend. Ist die regeltypische Übereinstimmung von (einem) Haus und (einer) Liegenschaft in der Natur nicht gegeben, kommt der Liegenschaftsgrenze für die Beurteilung des Vorhandenseins „eines“ Hauses keine (allein) ausschlaggebende Bedeutung zu. Weder ist bei „liegenschaftsüberschreitenden“ Räumlichkeiten für die für den Ausnahmetabestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG maßgebliche Zählung der vorhandenen Wohnungen im „Gebäude“ immer auf den (jeweiligen) Grundbuchskörper abzustellen (1 Ob 67/20i), noch enden die Erhaltungspflichten des Vermieters jedenfalls an den Liegenschaftsgrenzen. Die Erhaltung gemäß § 3 MRG kann also auch „liegenschaftsüberschreitende“ (physische) Teile des Hauses iSd § 3 MRG betreffen.
[53] Von dieser Frage des Liegenschaftsbezugs des im § 3 MRG verwendeten Begriffs des „Hauses“ ist freilich die Frage zu unterscheiden, ob aufgrund des Gegenstands und der Ausgestaltung des konkreten Mietverhältnisses derartige liegenschaftsüberschreitende Teile örtlich und/oder funktional tatsächlich dem „Haus“ zuzurechnen sind.
[54] 5.2. Bei liegenschaftsübergreifenden Mietverhältnissen, wenn also eigentliche Mietgegenstände, allgemeine Teile des Hauses und/oder Gemeinschaftsanlagen nicht Teil nur eines Grundbuchskörpers sind, stellt sich zwar im Außenverhältnis zudem die Frage der Durchsetzbarkeit von Erhaltungsmaßnahmen, wenn dem Vermieter kein dingliches oder schuldrechtliches Verfügungsrecht über in diesem Sinn „mitvermietete“ Grundstücke zukommt. Der Annahme einer Erhaltungspflicht nach § 3 MRG im Innenverhältnis zwischen Vermieter und Mieter steht diese allfällige Problematik aber nicht grundsätzlich entgegen.
[55] Rechtsgrundlage für die Erhaltungspflicht und damit ausschlaggebend ist das (schuldrechtliche) Rechtsverhältnis zwischen dem Mieter und seinem Vermieter. Dieses Mietverhältnis und die daraus ableitbaren Rechte und Verpflichtungen sind unabhängig von der Verfügungsmacht des Vermieters über die in das Mietverhältnis einbezogenen Liegenschaftsteile zu beurteilen. Bei der Vermietung einer fremden Sache ist die Wirksamkeit des Mietvertrags – vergleichbar den Fällen einer Doppelvermietung (RS0110222) oder des Unterbestandvertrags (3 Ob 163/15i mwN; RS0101134 [T2]) – nicht von der dinglichen oder obligatorischen Verfügungsberechtigung des Vermieters abhängig. Wer fremdes Eigentum in Bestand gibt, kann die Unwirksamkeit des von ihm abgeschlossenen Vertrags also nicht daraus ableiten, dass er über die Sachen nicht verfügungsberechtigt (gewesen) ist (RS0038107 [T1]).
[56] Mit der Einbeziehung der fremden Liegenschaftsteile hat sich der Vermieter gegenüber dem Mieter schuldrechtlich (allenfalls trotz mangelnder Berechtigung) zur Übergabe sowie zur Erhaltung gemäß § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB sowie gemäß § 3 MRG verpflichtet. Diese Vertragspflichten des Vermieters bestehen unabhängig davon, ob der Vermieter Eigentümer oder sonst Verfügungsberechtigter ist oder nicht, solange die Erfüllung nicht zwingend unmöglich ist. Das gilt umso mehr, wenn die von den Erhaltungspflichten des Vermieters betroffenen Liegenschaftsteile zwar nicht in dessen Eigentum stehen (oder ihm hinsichtlich dieser kein Baurecht zukommt), ihm aber aufgrund eines sonstigen Rechtstitels entsprechende Nutzungsrechte zukommen.
[57] 6.1. Die Erhaltungsansprüche, die Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sind, scheitern somit nicht schon jedenfalls daran, dass sie sich auf Bereiche beziehen, die (weitgehend) auf Fremdgrund liegen und daher nicht vom Baurecht der Vermieterin umfasst sind. Voraussetzung für das Bestehen einer Erhaltungspflicht nach § 3 MRG ist allerdings, dass die betroffenen Wege, Flächen und Anlagen vom Mietverhältnis umfasst sind, sei es weil sie – wie nach dem Vorbringen des Antragstellers denkbar als Zugang, Fluchtweg, Notausfahrt oder Parkplatz – zur gemeinsamen Benützung dienende allgemeine Teile des Hauses oder Gemeinschaftsanlagen sind.
[58] 6.2. Dies hat das Rekursgericht im Zusammenhang mit dem Erhaltungsbegehren, das sich auf die Herstellung und Erhaltung der Benützbarkeit der Stellflächen im Freien bezog (Antragsbegehren 1.e.) insofern zutreffend erkannt, als es – mit Blick auf das auch im Verfahren außer Streitsachen geltende Verbot von Überraschungsentscheidungen (RS0037300 [T53]) – für erörterungsbedürftig hielt, auf welcher Grundlage der Antragsteller den von ihm geltend gemachten Anspruch gegenüber der Antragsgegnerin geltend mache, obwohl sich die Stellflächen auf Fremdgrund, also auf Grundstücken befänden, die nicht vom Baurecht der Antragsgegnerin erfasst seien.
[59] Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden. Das Gericht darf die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RS0037300). Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung ist daher den Parteien jedenfalls Gelegenheit zu geben, vor dem Erstgericht zu diesen bisher allenfalls nicht ausreichend erörterten Gesichtspunkten (ergänzendes) Vorbringen zu erstatten und Beweisanbote zu stellen.
[60] Es mag zwar zutreffen, dass die Antragsgegnerin erst in ihrem Rekurs und nicht schon im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht hat, dass sich die Stellplätze auf Fremdgrund befänden und ein Parkplatz im Freien nicht vom Mietrecht erfasst sei. Diese Behauptung ist aber – entgegen der Auffassung des Antragstellers – schon deshalb keine unbeachtliche Neuerung, weil nicht die Antragsgegnerin, sondern der Antragsteller für die Einbeziehung der Stellplätze in das Mietverhältnis behauptungs- und beweispflichtig ist.
[61] Der Antragsteller begründete sein Begehren betreffend die Stellplätze nicht damit, dass diese – weil mitvermietet – Teil seines eigentlichen Mietgegenstands seien. Ungeachtet dessen käme eine Erhaltungspflicht der Vermieterin für diese Flächen in Betracht, wenn sie nach Gegenstand und Ausgestaltung des Mietverhältnisses als allgemeiner Parkplatz als allgemeiner Teil des Hauses oder eine der gemeinsamen Benützung der Bewohner des Hauses dienende Anlage zu qualifizieren wäre. Die Antragsgegnerin bezog sich außerdem – schon im Verfahren vor dem Erstgericht – auf die öffentlich-rechtliche Zusicherung von Abstellplätzen im Freien durch deren Einbeziehung in die Baubewilligung der Wohnanlage. Gemäß dem Baubescheid seien auf dem Bauplatz zumindest acht Stellplätze anzuordnen, wobei zu diesem Zweck alternativ die im Eigentum des Bauwerbers befindlichen (vom Baurecht der Antragsgegnerin nicht umfassten) Nachbargrundstücke herangezogen werden dürften. Mit der Bezugnahme auf diese von der Vermieterin im Bauverfahren angeblich übernommene öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Errichtung einer gewissen Anzahl von Stellplätzen und den daraus abzuleitenden subjektiven Rechten der Mieter spricht der Antragsteller der Sache nach fiktive Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 2 Z 4 MRG an.
[62] 6.3. In einem gewissen Widerspruch zu der aufhebenden Entscheidung des Rekursgerichts in Bezug auf das Begehren auf Herstellung und Erhaltung der Benützbarkeit der Stellflächen im Freien (Antragsbegehren 1.e.) steht die Bestätigung der Abweisung der Begehren auf Nachrüstung des westlich gelegenen Garagentors der Notausfahrt und Sanierung der Brücke der Notausfahrt (Antragsbegehren Punkt 1.a.) und auf Herstellung und Erhaltung der Benützbarkeit des ostseitigen Zugangs für Fußgänger zur oberen Haustüre (Antragsbegehren Punkt 1.d.). Diese Entscheidung begründet das Rekursgericht nämlich im Wesentlichen eben gerade damit, dass eine Pflicht zur Erhaltung dieser Bereiche keine Deckung in § 3 MRG finde, weil sie sich auf Liegenschaften befänden, die im Eigentum dritter Personen stünden, die der Antragsgegnerin daran kein Baurecht eingeräumt hätten, diese Bereiche daher weder das Haus, noch den Mietgegenstand, noch die der gemeinsamen Benützung dienenden Anlagen des Mietgegenstands beträfen. Die Notwendigkeit der Erörterung dieses Umstands zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung sah das Rekursgericht in diesem Zusammenhang also nicht.
[63] Die Möglichkeit der abschließenden Beurteilung dieser Teilbegehren begründet das Rekursgericht auf den Punkt gebracht damit, dass das Erstgericht die Funktion der betroffenen Wege als „Fluchtweg“ bzw. „Notausfahrt“ nicht festgestellt habe, sich also auch dadurch kein Zusammenhang mit dem Mietgegenstand herstellen lasse. Insoweit der Antragsteller in seiner Rechtsrüge in Bezug auf den vom Stockwerk oberhalb der Wohnung des Antragstellers erreichbare Gehweg auf einen „Fluchtweg“ Bezug nehme, entferne er sich aber nicht nur vom festgestellten Sachverhalt. Der Antragsteller habe im erstinstanzlichen Verfahren auch gar nicht vorgebracht, dass es sich bei diesem Weg um einen Fluchtweg handle.
[64] Diese Berufung auf ein fehlendes Vorbringen in erster Instanz findet – wie vom Antragsteller in seinem Revisionsrekurs zutreffend aufgezeigt – in der Aktenlage nicht Deckung (vgl RS0042762 [T6]). Er nahm vielmehr sowohl in den jeweiligen Antragsbegehren selbst als auch in seinem Vorbringen zu deren Begründung auf die Zusicherung und öffentlich-rechtliche Notwendigkeit von Fluchtweg und Notausfahrt Bezug. Die vom Erstgericht in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen lassen eine abschließende Beurteilung schon der mit diesem Vorbringen aufgeworfenen Fragen nicht zu.
[65] Eine Erhaltungspflicht des Vermieters auch für diese auf Fremdgrund befindlichen Bereiche kann sich außerdem nicht jedenfalls nur durch deren Einbeziehung in das Mietverhältnis als Fluchtweg oder Notausfahrt ergeben. Die vom Rekursgericht in Bezug auf die Stellflächen im Freien (Antragsbegehren 1.e.) konstatierte Erörterungspflicht in Bezug auf den Grund für die Geltendmachung einer Erhaltungspflicht für auf Fremdgrund gelegene Bereiche gilt daher auch für die von den Antragsbegehren 1.a und 1.d. betroffenen Wege und Anlagen. Daher ist die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch in Bezug auf diese Teilbegehren unumgänglich. Dem Antragsteller ist auch diesbezüglich die Möglichkeit zu eröffnen, zu dem nicht ausreichend erörterten Gesichtspunkt der Einbeziehung der auf Fremdgrund liegenden Bereiche in das Mietverhältnis (ergänzendes) Vorbringen zu erstatten und Beweisanbote zu stellen.
[66] 7.1. Im Ergebnis hat das Rekursgericht dem Erstgericht in Bezug auf Antragsbegehren 1.e. (Auftrag zur Erhaltung der Stellplätze im Freien) zu Recht die Verfahrensergänzung aufgetragen. Insoweit ist der Revisionsrekurs des Antragstellers nicht berechtigt. Die diese Aufhebung zur Verfahrensergänzung bedingenden Erwägungen treffen allerdings auch auf die Erledigung der Antragsbegehren 1.a. (westliches Garagentor/Brücke) und 1.d. (ostseitiger Zugang/Fluchtweg obere Haustüre) zu, sodass dem Revisionsrekurs insoweit Folge zu geben war.
[67] 7.2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die demnach erforderlichen Billigkeitserwägungen können erst aufgrund der Endentscheidung angestellt werden (RS0123011 [T1]).
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