OGH 6Ob122/23v

OGH6Ob122/23v20.12.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden und sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch Heinisch Weber Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei V* AG, *, Deutschland, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 19.064,17 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. April 2023, GZ 2 R 32/23y‑35, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 10. Jänner 2023, GZ 45 Cg 47/21g‑30, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00122.23V.1220.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Mit Kaufvertrag vom (richtig) 26. 3. 2010 verkaufte eine Händlerin einen Neuwagen mit einem darin verbauten Dieselmotor des Typs EA189, Euro 5-Motor, um 24.691,75 EUR an die Klägerin. Zur Finanzierung schloss diese einen Leasingvertrag ab. Am 31. 5. 2013 kaufte sie das Fahrzeug von der Leasinggeberin. Der Inhalt des Leasingvertrags steht nicht fest.

[2] Bei Auslieferung war im Fahrzeug eine vom Kraftfahrt‑Bundesamt (KBA) und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) später als unzulässig beurteilte Abschalteinrichtung verbaut, die in zwei Modi programmiert war und den Durchlauf des Testzyklus erkannte („Umschaltlogik“; dazu näher 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 3]).

[3] Der Klägerin war der Abgasskandal grundsätzlich aus den Medien schon seit 2015 bekannt, sie wurde jedoch erst Anfang Jänner 2017 davon verständigt, dass auch ihr Fahrzeug davon betroffen ist, und ließ ein bis zwei Monate später das Software‑Update aufspielen. Seither ist im Fahrzeug ein Thermofenster wirksam. Die Klägerin ging zum Zeitpunkt der Aufspielung des Software‑Updates davon aus, dass es nach „Auffassung des KBA auch der Verordnung entspricht“. Sie hatte ein bis zwei Monate nach dem Update den Eindruck, dass das Fahrzeug „schwächer“ und „einfach anders zu fahren ist“ bzw nicht mehr so „beißt“.

[4] Das Fahrzeug hält den überwiegenden Teil des Jahres den Grenzwert von 180 mg NOx je Kilometer nicht ein. Die genaue Wirkungsweise des Thermofensters steht nicht fest. So steht nicht fest, in welchem Temperaturbereich das AGR-Ventil im Fahrzeug offen ist, insbesondere auch nicht, ob es durch Aufwärmung der Ansaugluft zwischen 10 und 45 Grad Celsius offen ist. Die Jahresdurchschnittstemperatur betrug in Österreich im Jahr 2020 8,2 Grad Celsius und im Jahr 2021 nur 7,4 Grad Celsius. Die Jahresdurchschnittswerte für den Tag liegen in Österreich bei etwa 13,7 Grad Celsius und in der Nacht bei 4,3 Grad Celsius.

[5] Die Klägerin legte bis dato rund 85.000 km mit dem Fahrzeug zurück.

[6] Durch die Prüfstandserkennungssoftware (Umschaltlogik) wurden (nicht nur) das AGR‑Ventil geschont, sondern auch AGR‑Kühler und andere Teile. Die Reparatur des Ausfalls des AGR‑Ventils kostete 1.333,67 EUR. Ein Schaden an Motor und Einrichtungen der Emissionskontrolle durch das Software-Update kann ausgeschlossen werden.

[7] Die Klägerin nimmt die Beklagte als Fahrzeugherstellerin wegen der im Auto verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadenersatz wegen Schutzgesetzverletzung und unter anderen auch nach §§ 874, 1295 Abs 2 ABGB in Anspruch. Sie stützte sich bezüglich der „in den Handel gebrachten Fahrzeuge der beklagten Partei“ ausdrücklich auf das Bewusstsein der Beklagten davon, dass diese für das Fahrzeug keine Übereinstimmungsbescheinigung hätte ausstellen dürfen und dass diese ungültig sei. Das Software‑Update habe den Schaden nicht beseitigt. Als Folge des Updates sei ein Defekt am AGR‑Ventil aufgetreten.

[8] Die Klägerin begehrt daher Zahlung der aufgewendeten Reparaturkosten in Höhe von 1.333,67 EUR für das AGR‑Ventil und Schadenersatz durch Rückerstattung des Kaufpreises gegen Herausgabe des Fahrzeugs und unter Anrechnung des Nutzungsvorteils. In eventu fordert sie einen Ausgleich für die Wertminderung des Fahrzeugs und die Feststellung der Haftung der Beklagten für aus der Umschaltlogik resultierende zukünftige Schäden.

[9] Die Beklagte bestritt niemals – obwohl das für sie auf der Hand liegend und ihr leicht möglich gewesenwäre –, Fahrzeugherstellerin und Ausstellerin der Übereinstimmungsbescheinigung des Fahrzeugs gewesen zu sein. Sie verwehrte sich gegen die Behauptungen, es liege (immer noch) eine unzulässige Abschalteinrichtung vor. wendete Verjährung ein und bestritt auch das Vorliegen der Voraussetzungen für Arglist, Irrtum, absichtliche sittenwidrige Schädigung oder Betrug. Zudem hielt sie das Klagebegehren für unschlüssig, weil die Klägerin keinen Schaden aus dem Leasingvertrag geltend machen könne. Beim Thermofenster (sollte es entgegen ihrer Rechtsansicht als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren sein), läge ein entschuldbarer Rechtsirrtum vor.

[10] Das Erstgericht wies das Klagebegehren infolge Verjährung ab. Nachdem die Klägerin schon unmittelbar nach Aufspielung im Februar oder März 2017 den Eindruck gehabt habe, dass das Fahrzeug seit dem Software‑Update nicht mehr so „beiße“ wie vorher, sei der Anspruch im März 2020 verjährt.

[11] Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf. Es beurteilte das Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung, zumal unbekämpft feststehe, dass es – angesichts der für Österreich festgestellten Temperaturen – zu einem Nichtfunktionieren der Abgasrückführung im überwiegenden Teil des Jahres komme. Hinsichtlich der Verjährung (und etwa auch zum Vorwurf des Betrugs) erachtete es die Sache als noch nicht spruchreif, weil Feststellungen zur Kenntnis der Klägerin „über die fehlende Rechtsbeständigkeit der Umschaltlogik sowie des Softwareupdates und des damit in Verbindung stehenden Thermofensters“ fehlten. Der Rekurs sei zulässig, weil eine Klarstellung der zum Abgasskandal aufgeworfenen Verjährungsfragen erforderlich sei.

Rechtliche Beurteilung

[12] Der Rekurs der Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

1. Schutzgesetzverletzung

[13] 1.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrmals unter Berufung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ausgesprochen, dass die auch beim gegenständlichen Fahrzeug zum Übergabezeitpunkt vorhandene Umschaltlogik als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn der Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG zu qualifizieren ist (10 Ob 3/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 47]; 10 Ob 16/23k).

[14] 1.2. Die deliktische Haftung aus der vom EuGH beurteilten Schutzgesetzverletzung wegen des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung trifft nur den Fahrzeughersteller, der Inhaber der EG‑Typengenehmigung ist und die Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt hat, nicht aber den (bloßen) Hersteller des Motors (3 Ob 40/23p [ErwGr 5.2]; ausführlich 6 Ob 161/22b [ErwGr 3]; 6 Ob 114/23t [ErwGr 2.]; 6 Ob 149/23i [ErwGr 1.2.]).

[15] 1.3. Die einschlägigen unionsrechtlichen Rechtsgrundlagen schützen auch die Einzelinteressen des Käufers (6 Ob 133/23m [ErwGr 2.1.]). Der EuGH stellt dabei auf das Vertrauen (je)des „individuellen Käufers“ ab, sodass es nicht darauf ankommt, ob dieser nun Erstkäufer oder Käufer eines Gebrauchtwagens ist (5 Ob 159/23b [ErwGr 2.4.]).

[16] Im Fall des Erwerbs eines mit einer im Sinn des Art 5 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs liegt das – den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechend einen Schaden im Sinn des § 1293 ABGB bildende – geringere rechtliche Interesse eines Käufers in der (objektiv) eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit (10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 [Rz 22]; 10 Ob 27/23b [Rz 25]).

2. Unschlüssigkeit

[17] Die Klage soll unschlüssig sein, weil die Klägerin nach den Behauptungen der Beklagten „ursprünglich“ nur Leasingnehmerin gewesen sei. Wann sie Leasingnehmerin wurde, lässt sich aber aus dem (bisher) festgestellten Sachverhalt nicht ableiten. Fest steht dagegen, dass sie dies längst (seit 31. 5. 2013, und zwar vor Bekanntwerden des „Abgasskandals“) nicht mehr ist.

[18] Ob die Klägerin „Erstkäuferin“ war oder ob sie das Fahrzeug später (erstmalig) von der Leasinggeberin erworben hat, spielt dafür, dass ihr jedenfalls mit dem (zweiten) Erwerb des Fahrzeugs (wie noch später gezeigt wird) ein Schaden entstanden ist, keine Rolle (vgl 5 Ob 159/23b [ErwGr 2.4.]). Zur Vertragskonstruktion im Zusammenhang mit dem Leasing bedarf es aber noch einer Erörterung im Hinblick auf die zwischenzeitig ergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl nur 4 Ob 142/22v; 7 Ob 88/23a; 7 Ob 74/23i; 8 Ob 22/22a). Es steht nicht fest, wann – in Bezug auf den Leasingvertrag – der Klägerin das Fahrzeug übergeben wurde und wann der Vertragsschluss erfolgte. Widersprüchlich hält das Erstgericht fest, es habe die Klägerin den Leasingvertrag (einerseits) „parallel“ abgeschlossen, (andererseits) aber auch, dass sie „das Neufahrzeug in eigenen Namen von der [...] KG […] erworben und dann erst einen Leasingvertrag mit der […] Bank AG zur Finanzierung des Kaufpreises abgeschlossen“ habe. Dieser Widerspruch wird aufzulösen sein. Die Klägerin, die den Leasingvertrag zwar als Beweismittel angeboten, aber noch nicht vorgelegt hat, wird die hinter ihrem rudimentären Vorbringen zum Leasing stehende Vertragslage näher darzulegen (und zu beweisen) haben.

[19] Im Übrigen hat sich die Klägerin auch auf arglistige Irreführung und darauf berufen, dass sie das Fahrzeug, wenn sie Kenntnis davon gehabt hätte, dass es „nicht einmal den Mindeststandards – nämlich der Euroabgasnorm 5“ – entsprach, nicht (jedenfalls nicht um den vereinbarten Preis) erworben und geleast sowie die in diesem Zusammenhang getätigten Aufwendungen für die Leasingfinanzierung gemacht hätte, womit unzweifelhaft die Irreführung hinsichtlich der Umschaltlogik angesprochen war. Sollte die Leasinggeberin – wie die Beklagte behauptete (was aber ebenfalls nicht feststeht) – den (ersten) Kaufvertrag tatsächlich „übernommen“ haben, wird es an der Klägerin liegen, ihren Ersatzanspruch der Höhe nach in Ansehung ihrer Aufwendungen und dem aus dem „zweiten“ Kauf resultierenden Schaden näher zu konkretisieren.

3. Passivlegitimation

[20] Die Klägerin hat an mehreren Stellen ihres Vorbringens deutlich dargelegt, dass sie die Beklagte als Fahrzeugherstellerin und Ausstellerin der Übereinstimmungsbescheinigung wegen einer Schutzgesetzverletzung in Bezug auf die VO 715/2007/EG in Anspruch nimmt. Sie stützte sich bezüglich der „in den Handel gebrachten Fahrzeuge der beklagten Partei“ ausdrücklich auf das „Bewusstsein“ der Beklagten davon, dass sie für das Fahrzeug keine Übereinstimmungsbescheinigung hätte ausstellen dürfen und dass diese ungültig sei. Die Beklagte hat sich – wie wohl es ihr leicht möglich gewesen wäre – niemals dagegen gewendet oder dargelegt, dass diese Inanspruchnahme deshalb nicht berechtigt sei, weil sie nicht Fahrzeugherstellerin, sondern nur Motorenherstellerin sei. Nicht einmal im Berufungsverfahren hat sie diese Thematik aufgeworfen. Wenn sie erstmals im Verfahren dritter Instanz vorbringt, nur Motoren‑, aber nicht Fahrzeugherstellerin gewesen zu sein, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO). Die Beklagte kann sich demnach nicht mehr erfolgreich darauf berufen, bloß Motorenherstellerin gewesen zu sein.

4. Kausalität

[21] Wenn die Beklagte behauptet, es sei der Klägerin die Abgasthematik „ganz offenkundig gleichgültig“ gewesen, sie habe daher das Software‑Update auch ohne Weiteres aufspielen lassen, lässt sich diese behauptete Gleichgültigkeit aus dem Sachverhalt nicht ableiten. Die Ausnahmesituation, dass im konkreten Fall dennoch ein Schadenseintritt zu verneinen wäre, weil das objektiven Verkehrserwartungen nicht genügende Fahrzeug konkret dem Willen der Klägerin entsprochen hätte (s 6 Ob 155/22w [Rz 52]), liegt also nicht vor. Damit fehlt es nicht an der Kausalität.

5. Beseitigung des Schadens durch das Software‑Update

[22] 5.1. Im nächsten Schritt ist die Behauptung der Beklagten zu prüfen, der Schaden sei aufgrund der Aufspielung des von ihr entwickelten Software‑Updates nicht mehr vorhanden.

[23] Grundsätzlich hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (RS0106638; RS0037797). Die Klägerin hat den Eintritt eines Schadens infolge des Vorhandenseins einer Abschalteinrichtung behauptet (und für die auch noch im Zeitpunkt des zweiten „Kaufs“ vorhandene Umschaltlogik auch bewiesen). Damit muss sie als Geschädigte nicht nachweisen, dass der – einmal unter Beweis gestellte Schaden – immer noch vorhanden ist, sondern der Schädiger, wenn er dies behauptet, dass er ihn inzwischen beseitigt hat.

[24] 5.2. Dieser Beweis ist der Beklagten nicht gelungen:

[25] Auch von der Beklagten unbezweifelt ist im Fahrzeug nach dem Software-Update ein auf die Abgasrückführung einwirkendes Thermofenster aktiv. Ein „Thermofenster“, aufgrund dessen die volle Abgasrückführung nur innerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs erfolgt, wohingegen sie bei Temperaturen darüber oder darunter sukzessive reduziert wird, ist eine Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG (10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 56]).

[26] Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG normiert ein grundsätzliches, von Ausnahmen (vgl dazu Art 5 Abs 2 Satz 1 lit a VO 715/2007/EG ) durchbrochenes Verbot von Abschalteinrichtungen (6 Ob 155/22w [Rz 35]). Auch eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, ist eine unzulässige Abschalteinrichtung (vgl EuGH C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen AG = ÖJZ 2022/114 [Brenn] [Rn 81]). (Nur) Wenn dies nicht der Fall ist, kann die Abschalteinrichtung bei Erfüllung der Voraussetzungen des Art 5 Abs 2 lit a VO 715/2007/EG zulässig sein.

[27] Die Beweislast dafür, dass durch das Software‑Update ein den Zulassungsvorschriften entsprechender Zustand hergestellt wurde, trifft die Beklagte (6 Ob 155/22w [Rz 66]; 8 Ob 21/23f [Rz 43]) als die sich auf eine Ausnahme Berufende (1 Ob 149/22a [Rz 43]). Verbleibende Unklarheiten gehen zu ihren Lasten (10 Ob 32/23s [ErwGr 1.4.4.2.]; 8 Ob 21/23f [Rz 43]; zum Übergeber siehe 1 Ob 149/22a [Rz 46]).

[28] Die Parteien haben zur Wirkungsweise des Thermofensters unterschiedliche Rahmenbedingungen behauptet (die Klägerin eine volle Abgasrückführung im Bereich zwischen 15 und 33 Grad Celsius bis zu einer Höhe von 1.000 m; die Beklagte eine solche zwischen 10 und circa 45 Grad Celsius). Das Berufungsgericht ging aufgrund des festgestellten Jahresdurchschnittswerts in Österreich davon aus, dass (jedenfalls) eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt. Die Jahresdurchschnittstemperatur (wie sie sich aus [sehr] hohen und [sehr] tiefen Temperaturen der verschiedenen Jahreszeiten ergibt) ist jedoch nicht geeignet, darüber Auskunft zu geben, ob die Abschalteinrichtung den überwiegenden Teil des Jahres aktiv ist oder nicht. Ausgangsbasis für die Beurteilung des Erfolgs der behaupteten Schadensbeseitigung ist damit die Negativfeststellung zur Wirkungsweise (Temperaturbegrenzung) des Thermofensters. Zu dieser legte die Beklagte auch noch im Berufungsverfahren dar, es gäbe keinen Anlass, von ihr abzugehen. Da die daraus resultierende (verbleibende) Unklarheit zu ihren Lasten geht, ist es ihr nicht gelungen nachzuweisen, dass seit dem Update eine zulässige Abschalteinrichtung vorliegt, und damit auch nicht, dass der Schaden beseitigt wurde.

[29] Es ist daher als Zwischenergebnis festzuhalten, dass der Klägerin ein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung übergeben wurde und nicht nachgewiesen werden konnte, dass diese tatsächlich beseitigt worden ist.

[30] Der Schadenersatzanspruch der Klägerin kann daher nicht daran scheitern, dass der Schaden angeblich gar nicht mehr vorhanden wäre.

[31] 5.3. Irrelevant ist, ob der Beklagten beim Thermofenster ein Verschulden vorzuwerfen wäre. Ob der Versuch der Schadensbeseitigung verschuldet oder unverschuldet fehlschlägt, ist ohne Auswirkungen. Es hat dann bei der Haftung zu bleiben (6 Ob 84/23f [Rz 32 f]).

6. Verjährung

[32] 6.1. Der Anspruch der Klägerin soll – nach Auffassung der Beklagten – verjährt sein, weil die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB mit Zugang des Schreibens vom 8. 10. 2015, spätestens mit Durchführung der technischen Maßnahmen, welche zur Entfernung der in Rede stehenden Umschaltlogik geführt habe (am 1. 3. 2017), zu laufen begonnen habe. Die Klägerin sei demnach zum Zeitpunkt der Klagseinbringung am 21. 6. 2021 bereits mehr als drei Jahre in Kenntnis des (vermeintlichen und bestrittenen) Schadens sowie des Schädigers gewesen.

[33] Die Klägerin hielt dagegen, dass das Software‑Update keinen rechtskonformen Zustand hergestellt habe, was ihr aber erst im Jahr 2019 bekannt geworden sei.

[34] Darauf erwiderte die Beklagte (die auch jetzt noch die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung bestreitet) lediglich, es habe die Frage, ob der Schädiger den bereits eingetretenen Schaden künftig ersetzen oder im Sinne einer Naturalrestitution bzw Klaglosstellung gutmachen werde, keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährungsfrist. Der Umstand, dass die Klägerin vorbringe, dass auch durch das Software‑Update keine Mängelbehebung erfolgt sei, wovon sie erst später erfahren habe, spiele somit keine Rolle.

[35] 6.2. Grundsätzlich beginnt die kurze Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RS0034524).

[36] Mit der Frage der Verjährung im (Sonder-)Fall der vorgeblichen Schadensbehebung (durch angebliche Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung) hat sich der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausführlich auseinandergesetzt und dargelegt, dass dann, wenn der Geschädigte annehmen darf, dass der aufgetretene Schaden durch das von der Beklagten entwickelte Software-Update behoben wurde, für ihn nicht der geringste Anlass zur Verfolgung von – für ihn rein hypothetischen – weiteren Ersatzansprüchen besteht, und sei es auch in Form einer Feststellungsklage. Die Sachlage ist dann nicht anders, als wenn der Betroffene von einem – an sich vorhandenen – Schaden bisher überhaupt noch nicht Kenntnis erlangt hat. Es wäre nicht sinnvoll, dem Geschädigten zur Wahrung seiner Interessen die Klagserhebung aufzuerlegen, obwohl weitere Schadensfolgen nicht vorhersehbar sind und daher die Überzeugung gerechtfertigt erscheint, dass die Geltendmachung weiterer Ansprüche nicht in Betracht komme. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Geschädigte mit gutem Grund annehmen darf, dass der aufgetretene Schaden – wie die Beklagte unter Verweis auf ihr Software‑Update bis zuletzt noch im Verfahren meinte –zur Gänze behoben ist (9 Ob 33/23b [ErwGr 7.]; 10 Ob 31/23s [ErwGr 4.1.3.]).

[37] Der erkennende Senat teilt die Auffassung, dass die dreijährige Verjährungsfrist in solchen Fällen zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Kläger davon Kenntnis erlangte, dass trotz des Software-Updates nach wie vor vom Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen ist (9 Ob 33/23b [ErwGr 8.]). Soweit aus dem zu 6 Ob 160/21d entschiedenen Fall von der Beklagten Gegenteiliges abgeleitet wird, wird dies nicht aufrechterhalten.

[38] 6.3. Auch im vorliegenden Fall mag die Klägerin Kenntnis vom Schaden in Form der Umschaltlogik bereits länger als drei Jahre vor der Klage gehabt haben. Durch das von der Beklagten entwickelte Software‑Update wurde ihr aber vom Schädiger suggeriert, der Schaden sei behoben worden. Es steht fest, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Aufspielung des Software‑Updates davon ausging, dass es nach „Auffassung des KBA auch der Verordnung entspricht“. In solchen Fällen kommt es nicht (mehr) auf die Kenntnis vom ursprünglich bestandenen – vermeintlich aber beseitigten – Schaden an, sondern auf die Kenntnis des Fortbestehens dieses Schadens trotz angeblicher, tatsächlich aber nicht bewirkter Behebung. Wann die Klägerin Kenntnis vom Fortbestehen des Schadens in Form der unzulässigen Abschalteinrichtung auch nach dem Software-Update hatte, ist daher – anders als die Beklagte meint – nicht unerheblich.

[39] 7. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten ist die Rechtssache nicht entscheidungsreif (im Sinne der von ihr angestrebten Abweisung). Abschließend geklärt ist zwar die Haftung der Beklagten aufgrund einer Schutzgesetzverletzung. Die im Rekurs angegriffene Beurteilung des Berufungsgerichts, der Sachverhalt sei (insbesondere zur Verjährung) im Übrigen noch nicht ausreichend aufgeklärt, ist richtig (vgl im Übrigen RS0042179). Es hat daher bei der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zu bleiben.

[40] 8. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 1 ZPO (RS0035976; RS0036035).

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