European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0160OK00002.23I.1130.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
I. Die Eingabe der Antragstellerin vom 25. 4. 2023 wird zurückgewiesen.
Die Eingaben der Antragsgegnerin vom 4. 8. 2023 und vom 8. 11. 2023 werden zurückgewiesen.
II. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
I. Zur Zurückweisung der Eingaben
[1] Dem Rechtsmittel bzw dessen Gegenschrift nachfolgende Eingaben der Parteien sind im Hinblick auf den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels, der auch im Außerstreitverfahren (RS0007007) und konkret auch im kartellgerichtlichen Verfahren gilt (RS0007007 [T23]; 16 Ok 10/15d), unzulässig. Die weiteren Schriftsätze der Parteien waren daher zurückzuweisen.
II. Zum Rekurs
Parteien des Verfahrens:
[2] Die Antragsgegnerin ist die nach § 1 ASFINAG‑Gesetz errichtete Aktiengesellschaft, deren Aktien zur Gänze im Eigentum der Republik Österreich stehen. Ihr Unternehmensgegenstand ist insbesondere die Finanzierung, die Planung, der Bau und die Erhaltung von Bundesstraßen, einschließlich der hierzu notwendigen und zweckdienlichen Infrastruktur, und die Einhebung von zeit‑ und fahrleistungsabhängigen Mauten von den Nutzern dieser Straßen. Sie hat das Fruchtgenussrecht (§§ 509 ff ABGB) an allen Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich. Damit verbunden ist das Recht, die Einhebung von Mauten und Benützungsgebühren von sämtlichen Nutzern der ihr übertragenen Straßen vorzunehmen.
[3] Seit 1. 12. 2017 bietet die Antragsgegnerin den Bezug der digitalen Vignette und der digitalen Streckenmaut (Überbegriff für beide: „digitale Mautprodukte“) über den von ihr betriebenen Webshop https://shop.asfinag.at/de/ an.
[4] Die Allgemeinen Nutzungsbedingungen zum Bezug der Digitalen Vignetten sowie der Digitalen Streckenmaut im Webshop der Antragsgegnerin (künftig: ANB) sehen ua folgende Regelungen vor:
„1.3. Das Bundesstraßen-Mautgesetz (BStMG) regelt die Entrichtung der zeitabhängigen Maut bzw Streckenmaut für einspurige Kraftfahrzeuge sowie für mehrspurige Kraftfahrzeuge, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt. Der Erwerb einer Digitalen Vignette bzw einer Digitalen Streckenmaut ist möglich, indem das Kennzeichen im Mautsystem registriert wird. Um diese Registrierung bzw den Bezug und die Verwaltung der Digitalen Vignette bzw der Digitalen Streckenmaut zu ermöglichen, betreibt die ASFINAG den ASFINAG-Webshop.
[…]
1.6. Der Bezug der Digitalen Vignette bzw der Digitalen Streckenmaut ist ein gesetzliches Schuldverhältnis. Der Online-Bezug darf ausschließlich über den ASFINAG‑Webshop innerhalb von Österreich, der EU, der EWR‑Staaten sowie der Schweiz und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland erfolgen. Der Bezug erfolgt ausschließlich auf Basis dieser ANB, der per Verweis integralen Dokumente und der gesetzlichen Bestimmungen. Andere Bedingungen – insbesondere Einkaufsbedingungen odgl des Beziehers – sind ausgeschlossen.
[…]
2.1. Klebevignette und Digitale Vignette haben dieselbe Gültigkeitsdauer, sie kosten denselben Preis und sind jeweils als Jahresvignette, als Zweimonatsvignette und als Zehntagesvignette verfügbar. Sie unterscheiden sich voneinander aber dadurch, dass die Klebevignette am Fahrzeug anzubringen ist, während bei der Digitalen Vignette das Kraftfahrzeugkennzeichen gemäß den Vorgaben des BStMG im Mautsystem registriert wird. Diese Registrierung stellt den Bezug der Digitalen Vignette dar.
[…]
2.2. Herkömmliche Streckenmaut und Digitale Streckenmaut kosten denselben Preis und sind als Einzelfahrt oder Jahreskarte verfügbar.
[…]
14. Verbot der Weiterveräußerung […]“
[5] Im Webshop und in der App der Antragsgegnerin wird beim Bezug der digitalen Mautprodukte zwischen Unternehmern und Verbrauchern unterschieden. Beim Bezug durch Verbraucher ist das digitale Mautprodukt frühestens nach Ablauf einer Wartefrist von 18 Tagen gültig, innerhalb derer der Verbraucher den Rücktritt vom Vertrag erklären kann. Unternehmer können die digitalen Mautprodukte hingegen auch mit sofortiger Gültigkeit zum aktuellen Mauttarif beziehen.
[6] Abgesehen vom Bezug einer Klebevignette über das Internet (bei der die 18‑tägige Mindestfrist bis zur Gültigkeit generell nicht gilt) bzw der herkömmlichen Streckenmaut an Mautstellen kann ein auch für Verbraucher sofort gültiges digitales Mautprodukt nur in physischen Vertriebsstellen der Antragsgegnerin oder ihrer Vertriebspartner erworben werden. Diesen Vertriebspartnern stellt die Antragsgegnerin auch zusätzliche Funktionalitäten über ihr Kundenkonto zur Verfügung, mit denen der Produktverkauf und ein anschließendes Servicemanagement (etwa Umregistrierung) ermöglicht wird. Der Produktpreis ist in allen Fällen (Klebevignette, Streckenmaut, digitale Vignette über Webshop oder App, über Automat, über eine Vertriebsstelle oder über Vertriebspartner der Antragsgegnerin) gleich; es werden keine Aufschläge verrechnet.
[7] Bis zur Entscheidung 16 Ok 1/21i des Obersten Gerichtshofs als Kartellobergericht konnte ein digitales Mautprodukt daher online über das Internet (ohne physische Anwesenheit bei einem Automaten, einer Vertriebsstelle oder einem Vertriebspartner der Antragsgegnerin) über den Webshop oder die App der Antragsgegnerin erworben werden, allerdings von Verbrauchern (außer im Fall einer Einzelfahrt bei Streckenmaut, wo ein Verzicht auf das Rücktrittsrecht möglich ist) nur mit einer Gültigkeit frühestens 18 Tage nach Bezugsdatum, sofern der Verbraucher nicht im Webshop tatsachenwidrig angab, Unternehmer zu sein. Insbesondere kontrahierte die Antragsgegnerin hinsichtlich des Zugangs zu ihrem Webshop nicht mit Dritten, die über eigene Webshops digitale Mautprodukte vertreiben wollten.
[8] Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland.
[9] Die Antragstellerin wollte zunächst beschränkt auf Kunden mit Sitz außerhalb Österreichs und auf Fahrzeuge mit nicht österreichischen Kennzeichen als Begünstigte unter der Domain m*.de sofort gültige digitale Mautprodukte im Online‑Vertrieb bereitstellen, die sie selbst bei der Antragsgegnerin in deren Webshop bezieht.
[10] Diesen Vertragsabschlüssen sollten Allgemeine Geschäftsbedingungen der Antragstellerin zugrunde gelegt werden, die bis zum 17. 3. 2022 auszugsweise wie folgt lauteten:
„5. Preise; Zahlungsbedingungen; Lieferbedingungen
5.1. Die Preise beinhalten die Mautgebühren der ASFINAG sowie eine Servicegebühr für die Dienstleistung des Anbieters sowie für die schnelle Verfügbarkeit und die jeweilige gesetzliche Umsatzsteuer.
[ … ]
5.3. Soweit nichts anderes vereinbart ist, erfolgt die Lieferung ausschließlich in digitaler Form durch Registrierung der digitalen Vignette/Streckenmaut beim jeweiligen Streckenbetreiber und durch Übersendung einer E‑Mail an die vom Kunden hinterlegte E-Mail-Adresse.
[…]“
[11] Zu diesem Zweck erstellte die Antragstellerin im Webshop der Antragsgegnerin entsprechend der Mautordnung Kundenkonten als Unternehmerin in ihrem Namen unter Angabe ihres Unternehmenssitzes in Deutschland.
[12] Die im Webshop und der App der Antragsgegnerin mit einem Kundenkonto verbundenen zusätzlichen Services (zB die vor Beginn des Gültigkeitszeitraums mögliche Änderung des Gültigkeitszeitraums oder des Kennzeichens und der Abschluss eines Abonnements) wollte die Antragstellerin ebenfalls erbringen. Ohne (ungesperrtes) Kundenkonto bei der Antragsgegnerin ist ihr das allerdings nicht möglich.
S perre der Kundenkonten und Unterlassungserklärung der Antragstellerin:
[13] Ab einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt blockierte die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin erstellten Kundenkonten und sämtliche weiteren Möglichkeiten für den Erwerb von digitalen Mautprodukten durch die Antragstellerin im Webshop der Antragsgegnerin, und zwar durch Sperre ihrer unter Angabe verschiedener E‑Mail‑Adressen angelegten Kundenkonten und Sperre sämtlicher unter der Domain r*.de geführten E‑Mail‑Adressen. Die Antragstellerin war daher gezwungen, ihr Geschäftsmodell komplett einzustellen. Es war ihr auch nicht möglich, digitale Mautprodukte für den eigenen Bedarf (zB für auf sie zugelassene und von ihren Organen oder Mitarbeitern genutzte Pkw) mit einer E‑Mail‑Adresse unter ihrer Domain zu erwerben.
[14] Mit Schreiben vom 20. 3. 2020 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie entgegen den gesetzlichen Vorgaben und den Bestimmungen der ASFINAG‑ANB digitale Vignetten bzw digitale Streckenmaut für die österreichischen Bundesstraßen vertreibe. Die gesamte Aufmachung ihrer Plattform mache deutlich, dass dort für Verbraucher rechtswidrig das EU-weit zwingend geltende gesetzliche Widerrufs‑ bzw Rücktrittsrecht ausgeschaltet werden solle; zahlreiche Bezieher meldeten sich diesbezüglich bei der Antragsgegnerin. Die der Antragsgegnerin daraus entstehende „Kundenbetreuung“ verursache ihr einen enormen Aufwand. Hinzu komme der Imageschaden, der ihr durch die erbosten „Kunden“ entstehe. Bei der Bewerbung ihrer Plattform nutze die Antragstellerin rechtswidrig die Marken der Antragsgegnerin. Auch aufgrund dieser Markenverwendung gingen die Internetnutzer (unzutreffend) davon aus, dass es eine wirtschaftliche Verbindung zwischen der Antragsgegnerin und dieser Plattform gebe. Die Antragsgegnerin forderte die Antragstellerin deshalb auf, den Vertrieb der digitalen Mautprodukte bis zum 25. 3. 2020 einzustellen und innerhalb derselben Frist verbindlich und unwiderruflich schriftlich zu erklären, dass ihre Plattform den Vertrieb von ASFINAG‑Produkten auch nicht mehr aufnehmen werde.
[15] Nach mehreren von der Antragsgegnerin gewährten Fristerstreckungen erklärte die Antragstellerin mit Schreiben vom 29. 5. 2020 gegenüber der Antragsgegnerin:
„[…] in vorbezeichneter Angelegenheit [ … ] geben [wir] für unsere Mandantin, die [Antragstellerin], zunächst folgende Unterlassungserklärung ab:
Die [Antragstellerin] verpflichtet sich gegenüber der [Antragsgegnerin] es zu unterlassen,
1. die 'Digitale Vignette' bzw 'Digitale Streckenmaut' für Autobahnen in Österreich ohne Zustimmung der [Antragsgegnerin] an Kunden mit Sitz in Österreich und/oder für Fahrzeuge mit österreichischen Kennzeichen unter der Domain 'm*.de' anzubieten und/oder zu vertreiben, insbesondere soweit dies geschieht, ohne a) die Verbraucher über ihr gesetzliches Widerrufsrecht zu informieren und/oder b) den Verbrauchern ihr gesetzliches Widerrufsrecht zu gewähren und/oder c) die Verbraucher über die Preisgestaltung zu informieren, insbesondere, dass die Preise der [Antragstellerin] höher sind als im Webshop der [Antragsgegnerin];
[ … ]“
[16] Die Antragstellerin vertrat in diesem Schreiben den Rechtsstandpunkt, dass sie berechtigt sei, digitale Mautprodukte wenigstens außerhalb Österreichs an Kunden mit Sitz außerhalb Österreichs bzw für nicht in Österreich zugelassene Fahrzeuge anzubieten. Zugleich teilte sie mit, vorzuhaben, künftig nach dem „geänderten Geschäftsmodell“ auf ihrer Plattform digitale Mautprodukte der Antragsgegnerin nur an Kunden mit Sitz außerhalb Österreichs und nur für Fahrzeuge mit nicht österreichischen Kennzeichen anzubieten und dabei die Verbraucher ordnungsgemäß über ihr gesetzliches Widerrufsrecht zu informieren und ihnen dieses tatsächlich zu gewähren, die Verbraucher über die Preisgestaltung (insbesondere über ihre höheren Preise gegenüber dem Webshop der Antragsgegnerin) zu informieren und die Marken der Antragsgegnerin nicht ohne deren Zustimmung zu benutzen. Vor diesem Hintergrund forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf, den Unternehmensaccount der Antragstellerin oder eine entsprechende anderweitige Zugangsmöglichkeit bis zum 2. 6. 2020 wieder freizuschalten bzw herzustellen und den Zugang künftig nicht mehr zu blockieren.
[17] Mit Schreiben vom 19. 8. 2020 wiederholte sie die Forderung, die Zugangssperre im Webshop umgehend, spätestens jedoch binnen 14 Tagen aufzuheben. Mit E‑Mail vom 7. 9. 2020 wies die Antragsgegnerin diese Forderung als unbegründet zurück.
Entscheidung des KOG im Provisorialverfahren:
[18] Mit Beschluss vom 1. 2. 2021 gab das Erstgericht dem Sicherungsbegehren statt.
[19] Mit Beschluss vom 12. 10. 2021 (16 Ok 1/21i ASFINAG, ecolex 2022/45, 60 [Innerhofer/Horak]; Gruber, Der Fall ASFINAG, ÖZK 2022, 32) gab der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht dem Rekurs der Antragsgegnerin teilweise Folge.
[20] Es verpflichtete die Antragsgegnerin, bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Hauptverfahren der Antragstellerin Zugang zum Webshop der Antragsgegnerin zu gewähren und der Antragstellerin den Erwerb von digitalen Mautprodukten – jedoch nur für den Eigenbedarf und für die gewerbliche Weiterveräußerung von digitalen Mautprodukten mit einem Gültigkeitsbeginn von weniger als 18 Tagen ab Kauf an Verbraucher – zu ermöglichen, insbesondere durch Aufhebung der Sperre der unter den E-Mail‑Adressen t*.de und r*.de angelegten Kundenkonten der Antragstellerin für Registrierungen von digitalen Mautprodukten im Webshop.
[21] Das Mehrbegehren, der Antragsgegnerin aufzutragen, der Antragstellerin ohne die genannten Beschränkungen Zugang zum Webshop der Antragsgegnerin zu gewähren, wies es ab.
[22] Zum Gang des Sicherungsverfahrens und zur Begründung der Entscheidung 16 Ok 1/21i wird auf die Wiedergabe dieser Entscheidung im RIS‑Justiz verwiesen.
Öffnung des Webshops durch die Antragsgegnerin und Anpassung des Weiterveräußerungsverbots in ihren ANB:
[23] Seit der Entscheidung des Kartellobergerichts im Provisorialverfahren gewährt die Antragsgegnerin der Antragstellerin technisch vollen Zugang zu ihrem Webshop. Damit kann die Antragstellerin digitale Mautprodukte nicht nur für ihren Eigenbedarf und für die gewerbliche Weiterveräußerung an Verbraucher mit einem Gültigkeitsbeginn von weniger als 18 Tagen ab Kauf erwerben, sondern auch digitale Mautprodukte für die gewerbliche Weiterveräußerung an Verbraucher mit einem späteren Gültigkeitsbeginn sowie solche für die gewerbliche Weiterveräußerung an Unternehmer. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Gewährung bloß eines beschränkten Zugangs im Sinne des eingeschränkten Abstellungsauftrags in der Einstweiligen Verfügung für die Antragsgegnerin technisch nicht möglich wäre.
[24] Die vor der Entscheidung des Kartellobergerichts im Sicherungsverfahren gültigen ANB der Antragsgegnerin sahen zum Verbot der Weiterveräußerung Folgendes vor:
„ 14. Verbot der Weiterveräußerung
14.1 Die gewerbliche Weiterveräußerung von bezogenen Produkten der Digitalen Vignetten und der Digitalen Streckenmaut ohne schriftliche Zustimmung seitens der ASFINAG wird untersagt.“
[25] Die Antragsgegnerin änderte mit Stand 3. 2. 2022 ihre ANB. Deren Punkt 14. lautet seitdem:
„14. Verbot der Weiterveräußerung von Digitalen Mautprodukten
14.1 Die gewerbliche Weiterveräußerung der Digitalen Vignette und/oder der Digitalen Streckenmaut ohne Verkürzung des Gültigkeitsbeginns der 18 Tage für Verbraucher, ist ohne der ausdrücklichen Zustimmung der ASFINAG untersagt.“
[26] Die Antragsgegnerin informierte die Antragstellerin nicht gesondert über diese Änderung. Sowohl davor als auch danach waren die jeweils gültigen ANB aber im Webshop der Antragsgegnerin einsehbar und wurden von der Antragstellerin vor jedem Erwerb eines digitalen Mautprodukts akzeptiert.
Vertrieb der digitalen Mautprodukte durch die Antragstellerin und Widerruf der Unterlassungserklärung:
[27] Seit die Antragstellerin wieder Zugang zum Webshop der Antragsgegnerin hat, vertreibt sie über ihre Webseiten m*.at und m*.de digitale Mautprodukte der Antragsgegnerin an ihre Kunden. Dabei richtet sie ihr Angebot auch gezielt auf den österreichischen Markt aus, indem sie die Domain m*.at verwendet. Sie erwirbt die digitalen Mautprodukte für ihre Kunden von der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin verlangt von ihren Kunden für die digitalen Mautprodukte einerseits die Mautgebühr und andererseits eine Servicegebühr, die von den Kunden im Voraus zu zahlen sind. Die Mautgebühr führt sie an die Antragsgegnerin ab, die Servicegebühr verbleibt der Antragstellerin. Die Antragstellerin beschränkte sich nicht auf den Vertrieb von digitalen Mautprodukten mit einem Gültigkeitsbeginn von weniger als 18 Tagen ab Kauf bloß an Verbraucher, sondern vertreibt auch digitale Mautprodukte an Verbraucher mit einem späteren Gültigkeitsbeginn und an Unternehmer mit einem Gültigkeitsbeginn von weniger als 18 Tagen ab Kauf, ohne dass die Antragsgegnerin dem ausdrücklich zustimmte.
[28] Mit Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 20. 1. 2022 erklärte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin, sie habe der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 29. 5. 2020 einen Unterlassungsvergleich angeboten, den die Antragsgegnerin bis dato nicht angenommen habe. Die Antragsgegnerin habe auch auf den Vorschlag der Antragstellerin vom 30. 11. 2021, eine Kooperationsvereinbarung abzuschließen, nie inhaltlich reagiert. Im Übrigen habe das Kartellobergericht die Rechtsansicht der Antragstellerin bestätigt. Sie ziehe aus diesen Gründen mit sofortiger Wirkung ihr „Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvergleichs vom 29. 5. 2020 bezüglich des dortigen Punktes 1.“ zurück.
[29] Seither vertreibt die Antragstellerin die digitalen Mautprodukte der Antragsgegnerin auch an Kunden mit Sitz in Österreich und/oder für Fahrzeuge mit österreichischen Kennzeichen.
Preisauszeichnung durch die Antragstellerin:
[30] Die bis 17. 3. 2022 den Vertragsabschlüssen mit ihren Kunden zugrunde gelegten AGB der Antragstellerin enthielten folgenden Punkt 5.:
„5. Preise; Zahlungsbedingungen; Lieferbedingungen
5.1. Die Preise beinhalten die Mautgebühren der ASFINAG sowie eine Servicegebühr für die Dienstleistung des Anbieters sowie für die schnelle Verfügbarkeit und die jeweilige gesetzliche Umsatzsteuer.
[ …]“
[31] Punkt 5. der ab 17. 3. 2022 geltenden AGB der Antragstellerin lautet:
„5. Preise; Zahlungsbedingungen; Lieferbedingungen; Wertersatz
5.1. Die Preise beinhalten die Mautgebühren der ASFINAG (die aktuellen Gebühren zu den Zeit‑ und Streckenmauten der ASFINAG finden Sie unter https://www.asfinag.at/maut-vignette/vignette und unter https://www.asfinag.at/maut-vignette/streckenmaut/tarife/ ) sowie eine Servicegebühr für die Dienstleistung des Anbieters sowie für die schnelle Verfügbarkeit und die jeweilige gesetzliche Umsatzsteuer.“
[32] Seit ihr die Antragsgegnerin wieder Zugang zu ihrem Webshop gewährt, veröffentlicht die Antragstellerin darüber hinaus auf ihren Webseiten eine Tabelle mit der Höhe der Mautgebühr und der von ihr eingehobenen Servicegebühr für jedes digitale Mautprodukt.
[33] Um diese Tabelle zu erreichen, muss zunächst ein Icon angeklickt und dadurch eine verlinkte Seite geöffnet, dann auf dieser Seite hinuntergescrollt und ein weiterer Link ausgewählt werden. Auf der dann erreichten Seite finden sich zunächst Textblöcke, die das Service der Antragstellerin und die Vorteile der digitalen Vignette beschreiben; darunter findet sich die beschriebene Tabelle. Darin sind die Preise der Mautprodukte derart ausgewiesen, dass zu jedem digitalen Mautprodukt unter „Preis“ ein Preis samt einem Klammerausdruck angegeben ist. In der Klammer findet sich der Hinweis „inkl Serviceentgelt [konkreter Betrag]“. In der Fußzeile der Tabelle findet sich der Hinweis: „Alle Preise enthalten 20 % österreichische Umsatzsteuer.“ Das optische Erscheinungsbild der beschriebenen Links und Webseiten sowie der Tabelle wurden vom Erstgericht konkret festgestellt.
[34] Im Bestellvorgang für ein digitales Mautprodukt erhält der Kunde unter dem Schritt „Zahlungsarten“ vor der Auswahl der gewünschten Zahlungsart den Hinweis, dass die Preise der Antragstellerin „die Mautgebühren sowie eine Servicegebühr für den Mehrwert [unserer] Dienstleistung sowie für die schnelle Verfügbarkeit und die gesetzliche Umsatzsteuer“ enthielten.
[35] Abgesehen von dieser Klausel wird im gesamten Bestellprozess das zu entrichtende Entgelt für das digitale Mautprodukt stets als „Gesamtpreis“ oder „Gesamtbetrag“ bezeichnet und betraglich einschließlich 20 % Umsatzsteuer als Summe von Maut- und Servicegebühr der Antragstellerin ausgewiesen, ohne aufzuschlüsseln, welcher Teilbetrag auf welche Komponente entfällt. Im gesamten Bestellprozess finden sich keine Hinweise auf die tabellarische Aufschlüsselung oder auf die Auffindbarkeit der Tabelle sowie keine Verlinkung zu dieser Tabelle. Wenn ein Kunde nicht selbst aktiv auf den Webseiten der Antragsgegnerin sucht, besteht für ihn im Bestellprozess keine Möglichkeit, sich darüber zu informieren, wie hoch die zu entrichtende Servicegebühr für das von ihm gewählte Produkt ist.
Bestellvorgang im Webshop der Antragsgegnerin:
[36] Im Webshop der Antragsgegnerin können digitale Mautprodukte entweder über ein Kundenkonto oder als „Gast“ (ohne Verwendung eines Kundenkontos) erworben werden. Kunden mit einem Kundenkonto können dabei zusätzliche Services der Antragsgegnerin nutzen: Sie haben direkten Zugriff auf ihre gekauften Produkte, können sich vor Ablauf der Gültigkeit ihrer Vignette erinnern lassen, können bei 10‑Tages‑ und 2‑Monatsvignetten vor Beginn der Gültigkeit den Geltungszeitraum verändern und bei Umzug, Verlust, Diebstahl oder Totalschaden ihr Kennzeichen im Webshop ändern.
[37] Bei Bestellung als „Gast“ muss der Kunde im Bestellprozess zuerst auswählen, ob er Konsument oder Unternehmer ist, bevor er fortfahren kann. Bei Bestellung über ein Kundenkonto muss ein solches zuerst erstellt werden, wofür sich der Kunde zunächst für eine Kontoart („Konsument“ oder „Unternehmen“) entscheiden muss, bevor er fortfahren kann.
[38] Wird „Unternehmen“ ausgewählt, sind zusätzlich (verpflichtend) der Firmenname, die Adresse, das Land sowie der Name einer Ansprechperson anzugeben. Eine Telefonnummer kann optional angegeben werden. Schließlich muss eine E‑Mail‑Adresse eingegeben und ein Passwort vergeben werden. Für die Bestellung eines konkreten digitalen Mautprodukts loggt sich der Kunde mit seinen Anmeldedaten (E-Mail-Adresse und Passwort) in das Kundenkonto ein, wählt das Produkt aus und muss dann den Fahrzeugtyp, den Zulassungsstaat, das Kfz‑Kennzeichen, das gewünschte Datum für den Start der Gültigkeit des digitalen Mautprodukts, eine E‑Mail‑Adresse und die gewünschte Zahlungsart angeben. Optional kann er auswählen, dass die Rechnungsadresse auf der Rechnung aufgedruckt wird, dazu muss er die Adresse eingeben. Weitere Daten über die Personen, für die das digitale Mautprodukt bezogen werden soll, insbesondere deren Identität und/oder ob es sich bei ihnen um Konsumenten oder Unternehmer handelt, sind bei einer Bestellung über ein Unternehmer-Kundenkonto der Antragsgegnerin im konkreten Bestellprozess nicht anzugeben.
Ablauf des Bestellvorgangs bei der Antragstellerin:
[39] Die Antragstellerin bezieht die digitalen Mautprodukte, die sie an ihre Kunden vertreibt, von der Antragsgegnerin über ihr im Webshop der Antragsgegnerin erstelltes Kundenkonto als Unternehmerin.
[40] Kauft ein Kunde über die Webseite der Antragstellerin ein digitales Mautprodukt, bestellt die Antragstellerin dieses Produkt vollautomatisiert im eigenen Namen als Unternehmerin über ihr Kundenkonto im Webshop der Antragsgegnerin, wobei sie neben dem gewünschten Produkt auch das vom Kunden auf ihrer Webseite eingegebene Kennzeichen und den gewünschten Gültigkeitszeitraum an die Antragsgegnerin weiterleitet. Zusätzliche Informationen über den Kunden der Antragstellerin, insbesondere dessen Identität, ob es sich um einen Konsumenten oder einen Unternehmer handelt, wer Eigentümer oder Zulassungsinhaber des Kraftfahrzeugs ist, erhält die Antragsgegnerin im Rahmen des Bestellvorgangs nicht und fragt sie auch nicht ab. Für die Antragsgegnerin ist nicht ersichtlich, ob Begünstigter des digitalen Mautprodukts die Antragstellerin selbst oder ein Dritter sein soll. Die Antragstellerin deklariert ihre Kunden gegenüber der Antragsgegnerin also nicht tatsachenwidrig als Unternehmer.
[41] Eine Person, die ein digitales Mautprodukt der Antragsgegnerin über die Antragstellerin erworben hat, hat keine Möglichkeit, jene zusätzlichen Services, die ein Kunde der Antragsgegnerin bei Registrierung eines Kundenkontos wahrnehmen könnte, selbst über ein Kundenkonto bei der Antragsgegnerin zu nutzen. Diese Services könnte nur die Antragstellerin für ihre Kunden über ihr Kundenkonto bei der Antragsgegnerin in Anspruch nehmen. Die Antragstellerin bietet das ihren Kunden aber nicht an. Ihre Kunden müssen sich daher wegen der Inanspruchnahme dieser Services an die Antragsgegnerin wenden.
Antragstellerin gibt Maut-Reduktionen der Antragsgegnerin nicht an Kunden weiter:
[42] Erwirbt man als Kunde der Antragsgegnerin in ihrem Webshop eine digitale Streckenmaut-Jahreskarte, so werden vom System im Fall eines gleichzeitigen oder vorhergehenden Bezugs einer digitalen Jahresvignette für dasselbe Kfz-Kennzeichen automatisch 40 EUR auf den Preis der digitalen Streckenmaut-Jahreskarte angerechnet, sodass sich der vom Kunden dafür zu zahlende Preis um 40 EUR reduziert. Diese Mautreduktion kommt auch der Antragstellerin zugute, wenn sie bei der Antragsgegnerin eine digitale Streckenmaut‑Jahreskarte zum Vertrieb an ihre Kunden bei gleichzeitigem oder vorhergehendem Bezug einer digitalen Jahresvignette für dasselbe Kfz-Kennzeichen kauft. Die Antragstellerin gibt diese Mautreduktion an ihre Kunden allerdings generell nicht weiter, sondern verrechnet ihnen (zusätzlich zur Servicegebühr) den vollen Preis für die digitale Streckenmaut‑Jahreskarte und behält den Betrag der Mautreduktion selbst ein. Ihre Kunden informiert sie darüber nicht.
Belehrung über das Rücktrittsrecht für Verbraucher durch die Antragstellerin:
[43] Die bis zum 17. 3. 2022 gültigen AGB der Antragstellerin regelten das Rücktrittsrecht für Verbraucher und das anwendbare Recht wie folgt:
„4. Widerrufsrecht
Ausschließlich für Verbraucherkunden im Sinne von § 13 BGB, d. h. natürlichen Personen, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließen, die überwiegend weder ihrer gewerblichen, noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, gilt was folgt:
Widerrufsrecht
Sie haben das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angaben von Gründen diesen Vertrag zu widerrufen. […]
Folgen des Widerrufs
Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, einschließlich der Lieferkosten (mit Ausnahme der zusätzlichen Kosten, die sich daraus ergeben, dass Sie eine andere Art der Lieferung als die von uns angebotene, günstigste Standardlieferung gewählt haben), unverzüglich und spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrags bei uns eingegangen ist. […]
Haben Sie verlangt, dass die Dienstleistungen während der Widerrufsfrist beginnen sollen, so haben Sie uns einen angemessenen Betrag zu zahlen, der dem Anteil der bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie uns von der Ausübung des Widerrufsrechts hinsichtlich dieses Vertrages unterrichten, bereits erbrachten Dienstleistungen im Vergleich zum Gesamtumfang der im Vertrag vorgesehenen Dienstleistungen entspricht.
Ende der Widerrufsbelehrung
[…]
8. Schlussbestimmungen
[…]
8.2. Der mit dem Kunden abgeschlossene Vertrag und diese allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen dem Recht der Bundesrepublik Deutschland unter Ausschluss des UN-Kaufrechts […] sowie unter Ausschluss des Internationalen Privatrechts.“
[44] Die ab 17. 3. 2022 gültigen AGB der Antragstellerin weichen davon insofern ab, als nach den Textblöcken unter den Überschriften „Widerrufsrecht“ – nun „a) Widerrufsrecht“ – und „Folgen des Widerrufs“ – nun „b) Folgen des Widerrufs“ – folgender Textblock eingefügt wurde:
„c) Vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechtes
Das Widerrufsrecht erlischt vorzeitig, wenn wir die Dienstleistung vollständig erbracht haben und wir mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen haben, nachdem Sie dazu Ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben haben und gleichzeitig Ihre Kenntnis davon bestätigt haben, dass Sie Ihr Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch uns verlieren.
Ende der Widerrufsbelehrung“
[45] Dem Punkt 8.2. wurde folgender Satz angefügt:
„Die gesetzlichen Vorschriften zur Beschränkung der Rechtswahl und zur Anwendbarkeit zwingender Vorschriften insbes. des Staates, in dem der Kunde als Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, bleiben unberührt.“
[46] Die Annahme der AGB, der Widerrufsbelehrung und der Verbraucherinformation vor Abschluss der Bestellung waren im Bestellprozess der Antragstellerin zunächst – das optische Erscheinungsbild wurde vom Erstgericht konkret festgestellt – so geregelt, dass der Kunde die in einen Textblock zusammengefassten Erklärungen, die AGB und Verbraucherinformationen gelesen und akzeptiert zu haben und, sofern der gewählte Gültigkeitsbeginn vor Ablauf der 14‑tägigen Widerrufsfrist liege, ausdrücklich verlange, dass der Anbieter mit der Ausführung der Dienstleistung schon vor Ablauf der Widerrufsfrist beginne; dem Kunden sei bekannt, dass er dann im Widerrufsfall Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung leisten müsse und das Widerrufsrecht mit vollständiger Erbringung der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist vorzeitig erlösche, nur mit einem einzigen Häkchen bestätigen konnte.
[47] Die Annahme der AGB, der Widerrufsbelehrung und der Verbraucherinformation waren also mit dem an die Antragstellerin gerichteten Verlangen, mit der Ausführung der Dienstleistung schon vor Ablauf der Widerrufsfrist zu beginnen, zwingend verknüpft.
[48] Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt zwischen der Entscheidung des Kartellobergerichts im Provisorialverfahren (am 12. 10. 2021) und dem 5. 5. 2022 änderte die Antragstellerin den Bestellprozess dahin ab, dass es für die Annahme der AGB, der Widerrufsbelehrung und der Verbraucherinformation nicht mehr erforderlich ist, dass der Kunde auch ein Verlangen auf vorzeitige Vertragserfüllung stellt. Der Kunde hat seitdem auch sonst im Bestellprozess keine Möglichkeit, von der Antragstellerin die vorzeitige Vertragserfüllung zu verlangen.
[49] Klickt man im Zuge des Bestellprozesses auf die Buttons „AGB“ oder „Widerrufsbelehrung“, wird man auf eine entsprechende Seite des Web-Browsers verlinkt, auf der diese Dokumente zum Download bereitstehen.
[50] Die Antragstellerin gewährt ihren Kunden das Widerrufsrecht, wenn sie Verbraucher sind und davon gemäß den AGB der Antragstellerin Gebrauch machen. In diesem Fall zahlt die Antragstellerin der Antragsgegnerin die Mautgebühr trotzdem zur Gänze.
Öffnung der Webshops der Antragsgegnerin auch für dritte Anbieter:
[51] Neben der Antragstellerin treten noch etwa 20 weitere Unternehmen am Online-Markt auf, die über eigene Webshops digitale Mautprodukte der Antragsgegnerin anbieten. Um sich keinen Diskriminierungsvorwürfen auszusetzen und weil sie zunächst im anhängigen Verfahren die rechtskräftige Klärung der Frage, ob sie der Antragstellerin Zugang zu ihrem Webshop gewähren muss, abwarten möchte, sperrt die Antragsgegnerin jedenfalls seit 12. 10. 2021 auch für solche dritten Anbieter digitaler Mautprodukte den Zugang zu ihrem Webshop nicht mehr und geht auch rechtlich nicht gegen sie vor. Diese Anbieter haben seitdem technisch – ebenso wie die Antragstellerin – vollen Zugang zum Webshop. Die Antragsgegnerin hat aber weder vor noch nach der Entscheidung des Kartellobergerichts im Provisorialverfahren Vereinbarungen über den (Weiter-)Vertrieb von über ihren Webshop bezogenen digitalen Mautprodukten mit der Antragstellerin oder einem anderen solchen Unternehmen geschlossen. Wenn die Antragsgegnerin der Meinung ist, dass solche dritten Anbieter digitaler Mautprodukte rechtswidrig agieren, mahnt sie sie ab.
Zur behaupteten Selbstbevorzugung der Antragsgegnerin:
[52] Die Antragsgegnerin weist in ihrer Preisauszeichnung die Umsatzsteuer nicht so klein aus, dass sie von Verbrauchern nicht wahrgenommen wird. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Antragsgegnerin ihre Kunden über den Zweck der 18‑tägigen Wartefrist beim Erwerb digitaler Mautprodukte durch einen Verbraucher täuscht oder den Widerruf von Verbrauchern ignoriert, die irrtümlich als Unternehmer ein digitales Mautprodukt erworben haben und dies später richtigstellen.
UWG‑Verfahren zwischen den Parteien:
[53] Am 21. 4. 2022 brachte die Antragsgegnerin als Klägerin vor dem Handelsgericht Wien eine auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung gerichtete und auf die Behauptung mehrerer UWG‑Verletzungen im Zusammenhang mit dem Vertrieb der digitalen Mautprodukte der Antragsgegnerin gestützte Klage mit einem inhaltsgleichen Sicherungsantrag gegen die Antragstellerin als erstbeklagte und deren Geschäftsführer als zweitbeklagte Partei ein. Es kann nicht festgestellt werden, dass dies aus Anlass des vorliegenden Abstellungsverfahrens geschah.
[54] Am 31. 10. 2022 erließ das Handelsgericht Wien zu AZ * eine Einstweilige Verfügung, mit der es den Beklagten bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Hauptverfahren mit Wirkung für Österreich untersagte, digitale Mautprodukte der [hier] Antragsgegnerin
(1.) ohne klare, eindeutige und bei jeder Preisangabe vorhandene, getrennte Ausweisung vom ASFINAG‑Mauttarif einerseits und von Aufschlägen, insbesondere „Serviceentgelten“, andererseits, gewerbsmäßig anzubieten bzw zu vertreiben, insbesondere – aber nicht einschränkend – im Webshop der [hier] Antragstellerin unter www.m*.de bzw www.m*.at und/oder dazu ausgestellten Rechnungen der [hier] Antragstellerin,
(2.) ohne deren ausdrückliche Zustimmung ohne Verkürzung des Gültigkeitsbeginns der 18 Tage für Verbraucher gewerbsmäßig anzubieten bzw zu vertreiben, insbesondere – aber nicht einschränkend – im Webshop der [hier] Antragstellerin unter www.m*.de bzw www.m*.at,
(3.) ohne klare, eindeutige Kundeninformation anzubieten bzw zu vertreiben, dass die „sofortige Freischaltung“ dadurch bewirkt werde, dass Kunden der beklagten Parteien der [hier] Antragsgegnerin gegenüber „pauschal als Unternehmer ausgegeben“ würden, insbesondere – aber nicht einschränkend – im Webshop der [hier] Antragstellerin unter www.m*.de bzw www.m*.at, sowie
(4.) derart gewerbsmäßig anzubieten, dass die Verbraucher nicht transparent und gesetzmäßig über ihr gesetzliches Rücktritts‑ bzw Widerrufsrecht informiert würden bzw dass sie von Verbrauchern nicht‑gesetzmäßige Erklärungen abverlangten, nämlich dadurch, dass
a) der Eindruck erweckt werde, das gesetzliche Rücktrittsrecht erlösche, sobald die beklagten Parteien „ihre Vermittlungstätigkeit“ beim Bezug der digitalen Mautprodukte der [hier] Antragsgegnerin vollständig erbracht hätten, wie insbesondere durch die Angabe bzw Regelung in den AGB: „Das Widerrufsrecht erlischt vorzeitig, wenn wir die Dienstleistung vollständig erbracht haben und wir mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen haben, nachdem Sie dazu Ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben haben und gleichzeitig Ihre Kenntnis davon bestätigt haben, dass Sie Ihr Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch uns verlieren“; und
b) nicht transparent darauf hingewiesen werde, dass die „vollständige Vertragserfüllung“, die zum gesetzlichen Verlust des Rücktritts- bzw Widerrufsrechts nach entsprechender Erklärung des Verbrauchers gemäß § 10 FAGG führt, (auch) die Dauerleistung der [hier] Antragsgegnerin, nämlich die Bereitstellung der vom Bezieher benützbaren Straßen, umfasst, somit erst nach Ablauf der Laufzeit des Digitalen Mautprodukts erfolgt.
[55] Das darüber hinausgehende Sicherungsbegehren wurde rechtskräftig abgewiesen. Die einstweilige Verfügung wurde den Parteien am 2. 11. 2022 zugestellt (Einsicht in das VJ‑Register).
[56] Das Oberlandesgericht Wien entschied mit Beschluss vom 26. 1. 2023, *, über den Rekurs der [dort] beklagten Parteien. Die Rekursentscheidung wurde den Parteien aber erst nach dem Beurteilungszeitpunkt im vorliegenden Verfahren, das ist der 27. 1. 2023, zugestellt.
Reaktion der Antragstellerin auf die einstweilige Verfügung:
[57] Aufgrund der einstweiligen Verfügung stellte die Antragstellerin zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt ab dem 9. 11. 2022 den länderspezifischen Webshop für Österreich ein, trennte die Domain m*.at von ihrem Online-Angebot, entfernte die Eingabemaske für österreichische Kennzeichen aus dem Webshop und sperrte die Angabe österreichischer Rechnungsadressen im Webshop. Kunden mit einer österreichischen Anschrift können seitdem über den Webshop der Antragstellerin ebenso wenig ein digitales Mautprodukt erwerben wie Kunden, die es für ein österreichisches Kennzeichen beziehen möchten.
[58] Trotz dieser Maßnahmen ist es weiterhin auch für Österreicher möglich, in anderen länderspezifischen Webshops der Antragstellerin digitale Mautprodukte der Antragsgegnerin zu beziehen, sofern sie über keine österreichische Anschrift verfügen und das Mautprodukt nicht für ein österreichisches Kennzeichen beziehen wollen. Jedenfalls bis zum 9. 11. 2022 konnten auch Kunden mit einer österreichischen Anschrift über einen anderen länderspezifischen Webshop der Antragstellerin – insbesondere über die ebenfalls deutschsprachige Domain m*.de – digitale Mautprodukte der Antragsgegnerin online erwerben.
[59] Weiterhin wird im Webshop der Antragstellerin unter den verbleibenden länderspezifischen Domains das für das jeweilige Produkt an die Antragstellerin zu entrichtende Entgelt nur als „Gesamtpreis“ oder „Gesamtbetrag“ bezeichnet und betraglich nicht in Mautgebühr und (der Antragstellerin verbleibende) Servicegebühr aufgeschlüsselt. Auch der sonstige Bestellprozess und die Belehrung über das Widerrufsrecht für Verbraucher in den AGB der Antragstellerin blieben dort unverändert.
Behandlung von Kundenbeschwerden durch die Antragsgegnerin:
[60] In einem Zeitraum von sechs Monaten hat das nach der Mautordnung vorgesehene Service‑Center der Antragsgegnerin etwa 50.000 Kundenanfragen zu bearbeiten. Seit die Antragsgegnerin der Antragstellerin wieder Zugang zu ihrem Webshop gewährt, entfallen davon im selben Zeitraum etwa 500 Anfragen auf Beschwerden von Kunden, die ein digitales Mautprodukt über den Webshop eines dritten Anbieters (einschließlich jenem der Antragstellerin) erworben haben. Themen dieser Anfragen sind in erster Linie ein im Vergleich zum Webshop bzw der App der Antragsgegnerin höherer Preis, Probleme im Zusammenhang mit der Aktivierung des Produkts oder der Umstand, dass die mit einem Kundenkonto bei der Antragsgegnerin verbundenen Services bei anderen Online-Shops nicht genutzt werden können und der Kunde diese Services direkt über die Antragsgegnerin nutzen möchte. Wie oft Beschwerden die Nutzung von Services über die Antragsgegnerin betreffen, kann nicht festgestellt werden. Mit der Bearbeitung solcher Beschwerden durch das Service-Center der Antragsgegnerin ist kein im Verhältnis zu anderen Anfragen höherer Aufwand verbunden. Die Beschwerden werden meist mit standardisierten E‑Mails beantwortet. Es konnte nicht festgestellt werden, wie viele Beschwerden in Bezug auf den Erwerb eines digitalen Mautprodukts bei einem dritten Anbieter die Antragstellerin betreffen, dass sich durch die Zulassung der Antragstellerin zum Webshop der Aufwand der Antragsgegnerin für die Bearbeitung von Kundenbeschwerden erhöht hätte, oder dass sich Kunden der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin darüber beschwert hätten, dass sie aufgrund der Sperre des Zugangs der Antragstellerin zum Webshop der Antragsgegnerin keine digitalen Mautprodukte bei der Antragstellerin beziehen konnten.
Auswirkungen im Bereich der IT der Antragsgegnerin:
[61] Der Online-Bezug von digitalen Mautprodukten bei der Antragsgegnerin ist technisch als Web-Shop konzipiert, bei dem man für jede Transaktion die Webseite öffnen und mit der dort vorgesehenen „Maske“ einsteigen muss. Die Webseite ist dabei so programmiert, dass innerhalb eines bestimmten, vom jeweiligen Benutzer-Client vorgegebenen Zeitraums der Benutzer bei einem erneuten Zugriff automatisch wieder angemeldet wird, ohne die Anmelde-Informationen neu eingeben zu müssen. Die Antragstellerin greift – ebenso wie die anderen Unternehmen, die über ihren Webshop digitale Mautprodukte der Antragsgegnerin online vertreiben – automatisch auf den Web-Shop der Antragsgegnerin zu, wobei von der Antragstellerin pro Minute in etwa 50 bis 60 Zugriffe, in Spitzenzeiten, etwa vor Ferienbeginn, doppelt so viele Zugriffe erfolgen. Jeder Zugriff ist dabei grundsätzlich mit einer nachfolgenden Transaktion im Web-Shop verbunden. Dazu verwendet die Antragstellerin automatisch generierte E‑Mail‑Adressen, die zwischen den einzelnen „Sessions“ mitunter ausgetauscht werden. Geschieht das, zeigt das System der Antragsgegnerin nach den angewendeten Sicherheitsrichtlinien eine Fehlermeldung an oder lehnt die Anmeldung überhaupt ab. Weiters führen die häufigen automatisierten Zugriffe der Antragstellerin dazu, dass die von den Zahlungsmittel-Providern der Antragsgegnerin eingesetzten Betrugserkennungs‑Softwares immer wieder einen möglichen Missbrauchsfall melden, den die Provider dann mit der Antragsgegnerin abklären wollen. Aufgrund der Fehlermeldungen des eigenen Sicherheitssystems der Antragsgegnerin oder der Rückfragen der Zahlungsmittel-Provider kommt es insofern zu einem Mehraufwand bei der Antragsgegnerin, als immer wieder IT‑Experten zugezogen werden müssen, um deren Ursachen abzuklären. In welchem Ausmaß das erforderlich ist, konnte nicht festgestellt werden. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass durch die automatisierten Zugriffe der Antragstellerin darüber hinaus ein weitergehender Mehraufwand für die IT der Antragsgegnerin entstünde oder zusätzliche Investitionen in IT-Infrastruktur und IT-Sicherheit (wie etwa Vorhaltekosten) erforderlich wären. Darüber hinaus konnte nicht festgestellt werden, dass die automatisierten Zugriffe der Antragstellerin zu Performance-Problemen oder einer Überlastung des Log-In und der Sicherheitssysteme der Antragsgegnerin führen, wodurch tatsächlich gefährliche Angriffe nicht mehr identifiziert werden könnten oder es zu einem „Crash/Shutdown“ des Webshops kommt.
Folgen einer neuerlichen Zugangssperre zum Webshop der Antragsgegnerin für das Geschäftsmodell der Antragstellerin:
[62] Würde die Antragsgegnerin der Antragstellerin neuerlich den Zugang zu ihrem Webshop verwehren, wäre die Antragstellerin wieder gezwungen, ihr Geschäftsmodell komplett einzustellen. Es wäre ihr auch nicht möglich, digitale Mautprodukte für den eigenen Bedarf (zB für auf sie zugelassene und von ihren Organen bzw Mitarbeitern verwendete Pkw) online zu erwerben. Darüber hinaus traf das Erstgericht Feststellungen zum Umsatz und eine Negativfeststellung zum Gewinn der Antragstellerin.
[63] Die Antragstellerin begehrt die Abstellung des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin durch deren Verpflichtung, der Antragstellerin den Zugang zum Webshop der Antragsgegnerin zu gewähren, um ihr den Erwerb von digitalen Mautprodukten zu ermöglichen und die Sperre ihrer Kundenkonten für Registrierungen von digitalen Mautprodukten im Webshop aufzuheben.
[64] Hilfsweise begehrt sie die Abstellung des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin indem dieser untersagt werde, die Kundenkonten der Antragstellerin für Registrierungen von digitalen Mautprodukten im Webshop der Antragsgegnerin zur Bereitstellung an und sofortigen Benutzung und online-Bezug durch Kunden mit Sitz außerhalb Österreichs und Fahrzeugen mit nicht-österreichischen Kennzeichen unter Berufung auf die Punkte 1.6. und 14. der ANB zu sperren.
[65] Weiters beantragte sie die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung.
[66] Die Antragsgegnerin missbrauche durch die Sperre der Kundenkonten der Antragstellerin nach wie vor ihre marktbeherrschende Stellung. Das Geschäftsmodell der Antragstellerin sei nicht rechtswidrig (gewesen), und zwar weder nach österreichischem noch nach deutschem Recht. Die Serviceentgelte seien nicht überhöht. Jedenfalls aber sei die Zugangssperre der Antragstellerin völlig überschießend und unverhältnismäßig. Die von der Antragstellerin angebotenen (beabsichtigten) Dienstleistungen seien neu und brächten Effizienzvorteile für ihre Kunden. Bei sämtlichen von der Antragsgegnerin angebotenen Vertriebsformen sei es für den Bezug einer sofort gültigen digitalen Vignette erforderlich, dass der Verbraucher physisch einen Vertriebspartner der Antragsgegnerin oder einen Automaten aufsuche; somit sei ein Online‑Bezug von sofort gültigen digitalen Mautprodukten (mit Ausnahme von Einzelfahrten) nicht möglich. Die Kunden der Antragstellerin seien nicht in Österreich ansässig und wollten unkompliziert und schnell sofort gültige Mautprodukte, meist zur sofortigen Benützung, beziehen. Die Antragstellerin unterstütze dabei die Mauteinhebung der Antragsgegnerin. Die von ihr verrechneten Servicegebühren seien angemessen; von einer „Kunden‑Abzocke“ könne entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin keine Rede sein.
[67] Die Antragsgegnerin unterliege als marktbeherrschendes Unternehmen, das über unerlässliche Vorleistungen auf dem vorgelagerten Markt verfüge, einem Kontrahierungszwang. Sie dürfe eine Geschäftsbeziehung mit der Antragstellerin, dh den Zugang zu ihrem Webshop, nur bei Vorliegen einer objektiven wirtschaftlichen oder sachlichen Rechtfertigung verweigern; eine solche fehle. Auch die Voraussetzungen für die Anwendung der essential-facilities-Doktrin seien hier erfüllt, weil für den Online-Bezug von digitalen Mautprodukten kein tatsächlicher oder potentieller Ersatz für einen Bezug über den Webshop der Antragsgegnerin bestehe und ein neuartiges Produkt (sofort gültige, online beziehbare digitale Mautprodukte für Verbraucher) vorliege, das derzeit von keinem anderen Marktteilnehmer angeboten werde. Die Verweigerung des Zugangs zum Webshop der Antragsgegnerin verstoße auch gegen das Diskriminierungsverbot, zumal die Antragstellerin bereit sei, die Leistungen der Antragsgegnerin zu denselben Bedingungen wie alle anderen Marktteilnehmer zu erwerben und sich aus Sicht der Antragsgegnerin deren Leistungen an die Antragstellerin nicht von jenen unterschieden, die sie auch Dritten über den Webshop anbiete. Es bestehe keine objektive Rechtfertigung für die Geschäftsverweigerung (Zugangssperre).
[68] Die Antragsgegnerin wendete zusammengefasst ein, die angeblichen Leistungen der Antragstellerin hätten keinen Mehrwert für Kunden und es bestehe auch kein Bedarf für das „Service“ der Antragstellerin. Letzteres bestehe darin, dass sie die Kennzeichendaten ihrer Kunden in das System der Antragsgegnerin eingebe, den entsprechenden Mautbetrag an die Antragsgegnerin bezahle und dafür von ihren Kunden einen substanziellen, nicht gerechtfertigten Aufschlag verlange. Die Antragsgegnerin habe dadurch zwar keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nachteil, weil ja die Maut voll entrichtet werde; mittelbar müsse sie aber über ihr Kundenservice erzürnte Kunden (auch) der Antragstellerin betreuen, die sich über die Mehrkosten bzw über andere Unzulänglichkeiten der Leistungen der Antragstellerin beschwerten. Vorrangiges Motiv der Antragsgegnerin, Leistungen wie jene der Antragstellerin nicht zu akzeptieren, sei es, die Beachtung des Europäischen Verbraucherschutzes und den Schutz von Beziehern digitaler Mautprodukte vor nicht rechtfertigbaren Zusatzkosten sicherzustellen, die zur Bereicherung von nicht autorisierten Betreibern (wie eben auch der Antragstellerin) führten. Nach der Erfahrung der Antragsgegnerin zielten Plattform-Betreiber wie die Antragstellerin nämlich nicht darauf ab, „Services“ für ihre Kunden zu erbringen, sondern deren ausschließliches Ziel sei es, ihr „Ranking“ in Suchmaschinen mit der Folge zu optimieren, dass ihre jeweiligen Angebote als erste angezeigt würden und sie damit von den meisten (insbesondere ausländischen) Mautbeziehern in irreführender Weise als autorisierte Vertriebsstellen wahrgenommen würden. Bei den digitalen Mautprodukten handle es sich zudem um durchaus komplexe Produkte, deren umfassende Kenntnis durch den Vertriebspartner ebenso notwendig sei wie die Möglichkeit, Problemsachverhalte kurzfristig klären zu können. Solches sei nur sichergestellt, wenn die Antragsgegnerin ihre Vertriebsorganisation entsprechend ausbilde.
[69] Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liege nicht vor. Auch ein Kontrahierungszwang der Antragsgegnerin bestehe nicht, zumal Geschäfts- und Lieferverweigerungen auch für marktbeherrschende Unternehmen nur unter bestimmten engen Voraussetzungen missbräuchlich seien. Die Antragsgegnerin kontrahiere hinsichtlich des Zugangs zu ihrem Webshop nicht mit Dritten, die über eigene Webshops digitale Mautprodukte vertreiben wollten; dafür bestehe schlicht kein Bedarf. Die essential-facilities-Doktrin sei hier schon deshalb nicht anwendbar, weil kein neuartiges Produkt und keine eigene Dienstleistung der Antragstellerin vorliege, für dessen/deren Vertrieb der Zugang zur Infrastruktur der Antragsgegnerin erforderlich wäre. Sofort gültige digitale Mautprodukte könnten von Verbrauchern bereits jetzt bei den Vertriebspartnern der Antragsgegnerin bezogen werden, von Unternehmern auch online im Webshop der Antragsgegnerin. Es sei völlig ausreichend, wenn für den Online‑Vertrieb ein einziger Vertriebskanal (nämlich der Webshop der Antragsgegnerin) bestehe. Sollten sich Kunden nämlich zur Erlangung der sofortigen Gültigkeit der digitalen Mautprodukte tatsachenwidrig als Unternehmer ausgeben wollen, könnten sie dies auch beim Erwerb über den Webshop der Antragsgegnerin tun, ohne einen überteuerten Preis zahlen zu müssen. Somit bestehe auch kein nachgelagerter Markt (im Verhältnis zum Direktvertrieb durch die Antragsgegnerin), auf dem der Wettbewerb geschützt werden müsste. Vielmehr versuche die Antragstellerin, Zugang zu digitalen Produkten der Antragsgegnerin zu erlangen, um diese (erhöht um eine Profitspanne) unrechtmäßig weiterzuverkaufen. Solche Verhaltensweisen seien durch das Kartellrecht nicht geschützt. Schließlich sei auch in der Mautordnung explizit geregelt, dass die digitalen Mautprodukte ausschließlich über den Webshop der Antragsgegnerin sowie über Automaten und Vertriebspartner vertrieben werden.
Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Sicherungsverfahren (16 Ok 1/21i) brachte die Antragstellerin ergänzend vor:
[70] Sie biete nun aufgrund der im Provisorialverfahren ergangenen Entscheidungen unter ihrer Domain m*.de für Kunden außerhalb Österreichs, aber auch für Kunden mit Sitz in Österreich und Fahrzeuge mit österreichischem Kennzeichen online beziehbare digitale Mautprodukte der Antragsgegnerin an.
[71] Nach wie vor lägen keine Rechtfertigungsgründe für eine Lieferverweigerung vor. Die erhobene UWG‑Klage – wobei die darin erhobenen Vorwürfe bestritten würden – sei auf die „Wirkung für Österreich“ eingeschränkt, sodass höchstens Verkaufsmodalitäten für den Vertrieb „in Österreich“ eingeschränkt werden könnten. Die Antragstellerin informiere ihre Kunden transparent über die Preise der Mautprodukte, auch wenn sie nach dem gemäß § 20 ECG anzuwendenden deutschen Recht und nach Art 6 Abs 1 lit e RL 2011/83/EU , Art 2 lit a RL 98/6/EG nur zur Angabe des Gesamtpreises verpflichtet sei. Sie kläre auch ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht nach dem FAGG auf.
[72] Gegenüber dem im Provisorialverfahren beurteilten Sachverhalt sei eine Änderung eingetreten, aufgrund derer ein Kontrahierungszwang der Antragsgegnerin abweichend von der Entscheidung 16 Ok 1/21i zu bejahen sei. Die Antragsgegnerin habe nämlich seither mit anderen Unternehmen, die über eigene Webshops digitale Mautprodukte anböten, kontrahiert und dadurch den Markt für den digitalen Weitervertrieb von digitalen Mautprodukten für Dritte eröffnet. Die Antragsgegnerin müsse ihre Produkte daher diskriminierungsfrei anbieten und der Antragstellerin unabhängig von der Neuartigkeit von deren Produkten einen Zugang zu ihrem Webshop gewähren.
[73] Sofern im UWG‑Verfahren eine unlautere Geschäftspraktik festgestellt würde, könnte diese durch die Änderung der Webseite der Antragstellerin korrigiert werden.
[74] Die Antragstellerin halte die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien ein, indem sie ihren Vertrieb an österreichische Kunden durch das Blockieren österreichischer Kennzeichen und Rechnungsadressen beendet habe. Allerdings sei die einstweilige Verfügung nicht rechtskräftig und – nach Ansicht der Antragstellerin – nicht richtig.
Die Antragsgegnerin brachte ergänzend vor:
[75] Die Antragsgegnerin gewähre der Antragstellerin und anderen „Graumarktanbietern“ nur in Befolgung der im Sicherungsverfahren ergangenen einstweiligen Verfügung und nur deshalb uneingeschränkten Zugang zu ihrem Webshop, weil dies technisch nicht anders möglich sei. Eine Marktöffnung, aus der ein Kontrahierungszwang abgeleitet werden könnte, habe nicht stattgefunden.
[76] Die Umstände, aufgrund derer im Provisorialverfahren das Vorliegen sachlicher Rechtfertigungsgründe verneint worden sei, träfen nicht mehr zu. Die Entscheidung des Kartellobergerichts im Provisorialverfahren beruhe auf der – unrichtigen – Annahme, die Antragstellerin werde im Rahmen ihres beabsichtigten angepassten Geschäftsmodells ihre Pflichten gegenüber Verbrauchern, insbesondere, nicht über Rücktrittsrechte und die Entgeltzusammensetzung in die Irre zu führen, einhalten.
[77] Seither habe die Antragstellerin ihre Unterlassungserklärung „zurückgezogen“. Sie informiere ihre Kunden nicht transparent über die von ihr verrechneten Aufschläge und halte sich nicht an die der Antragsgegnerin gegenüber gemachten Zusagen. Sie erwecke bei ihren Kunden den Eindruck, beim geforderten Entgelt handle es sich um die Gebühren des Mautprodukts, verlange ihren Kunden intransparente Erklärungen zum Entfall des Widerrufs- bzw Rücktrittsrechts ab und erwecke den unrichtigen Eindruck, ein solches bestehe nicht.
[78] Im Rahmen des Geschäftsmodells der Antragstellerin komme es zu grob schuldhaften Rechtsverletzungen, namentlich bestehe eine intransparente Information über das Rücktrittsrecht nach § 10 FAGG und eine intransparente, § 5 Abs 2 FAGG, § 11 PrAG, § 4 Abs 1 Z 4 FAGG nicht genügende Preisauszeichnung. Die Informationen zum Rücktrittsrecht entsprächen nicht § 18 FAGG, was ebenso wie die intransparenten Preisinformationen den Tatbestand des UWG Anh Z 18 erfülle. Die Antragstellerin gebe Mautreduktionen in intransparenter Weise nicht an ihre Kunden weiter, verschleiere die Preise der Antragsgegnerin durch Unkenntlichmachen auf den an ihre Kunden weitergeleiteten Bestellbestätigungen der Antragsgegnerin, verschweige ihren Kunden, dass die sofortige Bezugsmöglichkeit darauf beruhe, dass die Kunden sämtlich als Unternehmer deklariert würden, stelle bloß eine intransparente Widerrufsbelehrung zur Verfügung, indem trotz Ansprechens des österreichischen Markts ausschließlich auf deutsches Recht Bezug genommen werde, suggeriere den Kunden zu Unrecht, dass ihnen nach der Vermittlung des Mautprodukts durch die Antragstellerin kein Widerrufsrecht mehr zustehe, obwohl es auf die Laufzeit des Mautprodukts ankomme, verknüpfe die Annahme der AGB, Widerrufsbelehrung und Verbraucherinformation mit dem Verlangen zur vorzeitigen Leistungserbringung und betreibe entgegen Punkt 14.1 der ANB der Antragsgegnerin die uneingeschränkte Weiterveräußerung digitaler Mautprodukte.
[79] Sie verursache durch ihr Geschäftsmodell Kundenbeschwerden sowie Sicherheitsprobleme und Probleme in der Zahlungsabwicklung bei der Antragsgegnerin. Darüber hinaus führe sie über das Nicht-Bestehen einer Vertriebsvereinbarung mit der Antragsgegnerin in die Irre. Sie halte sich nicht an die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien. Die Lieferverweigerung der Antragsgegnerin sei daher sachlich gerechtfertigt.
[80] Mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtete das Erstgericht die Antragsgegnerin, der Antragstellerin Zugang zu ihrem Webshop zu gewähren, um ihr den Erwerb von digitalen Mautprodukten zu ermöglichen, und die Sperre der Kundenkonten der Antragstellerin für Registrierungen von digitalen Mautprodukten im Webshop der Antragsgegnerin aufzuheben, dies alles beschränkt auf den Eigenbedarf der Antragstellerin. Die über die Einräumung eines Zugangs der Antragstellerin für den Eigenbedarf hinausgehenden Anträge des Haupt- und Eventualbegehrens wies es ab.
[81] Rechtlich führte es – der Entscheidung 16 Ok 1/21i folgend – aus, die Sperre der Benutzerkonten durch die Antragsgegnerin sei nicht als Abbruch einer bestehenden, sondern als Verweigerung der Aufnahme einer Geschäftsbeziehung zu beurteilen. Als Zwischenergebnis sei auch im Hauptverfahren festzuhalten, dass die Antragsgegnerin nur insofern einer Kontrahierungspflicht gegenüber der Antragstellerin unterliege, als diese ein neues, von der Antragsgegnerin bisher nicht angebotenes Produkt, nämlich den Online-Vertrieb von „sofort“ – dh innerhalb von weniger als 18 Tagen ab Kaufdatum – gültigen Mautprodukten an Verbraucher anbieten wolle. Soweit ein Kontrahierungszwang bestehe, sei zu prüfen, ob die Antragsgegnerin sachliche Gründe vorweisen könne, um der Antragstellerin den Zugang zu ihrem Webshop zu verweigern.
[82] Eine Lieferverweigerung sowohl durch den Abbruch laufender Geschäftsbeziehungen als auch durch Nichtaufnahme von Geschäftsbeziehungen könne durch in der Person des Gesperrten liegende Gründe sachlich gerechtfertigt sein. Im vorliegenden Fall stehe die Beurteilung, ob die Leistung der Antragstellerin „werthaltig“ sei, allein der informierten Entscheidung ihrer Kunden zu. Die Antragstellerin habe aber die Vertrauensbasis zur Antragsgegnerin zerstört, indem sie gegen die in ihrer Unterlassungserklärung bindend übernommenen Verpflichtungen zur transparenten Preisinformation und Information über das Widerrufsrecht verstoßen und erst nach Erlassung der einstweiligen Verfügung des Handelsgerichts Wien durch entsprechende technische Vorkehrungen den Verkauf an Kunden mit österreichischer Anschrift oder österreichischem Kfz-Kennzeichen eingestellt habe. Durch den Widerruf sei auch ihre mangelnde Verlässlichkeit offenbar geworden. Darüber hinaus habe sie gegen das Weiterveräußerungsverbot nach den ANB der Antragsgegnerin verstoßen, indem sie sich nicht auf den Vertrieb ihres „neuen“ Produkts beschränkt habe, worin ebenfalls eine schwerwiegende Vertrauensverletzung liege. Darüber hinaus habe die Antragstellerin im Zusammenhang mit ihren Preisangaben und der Rücktritts- bzw Widerrufsbelehrung gegen das UWG verstoßen. Solange sie dieses Verhalten gegenüber Kunden mit einer österreichischen Anschrift oder österreichischen Kfz-Kennzeichen fortgesetzt habe, habe sie auch gegen die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien verstoßen. Auch darin liege ein geeigneter Grund für eine Lieferverweigerung der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin. Es bestehe darüber hinaus kein Zweifel, dass die Kunden der Antragstellerin die digitalen Mautprodukte mit der Antragsgegnerin in Beziehung brächten, dies umso mehr, als den Kunden die Bestellbestätigung der Antragsgegnerin übermittelt werde. Daher bestehe auch die Gefahr, dass Kunden der Antragstellerin ihre negativen Erfahrungen auf die Antragsgegnerin projizierten. Es könne offen bleiben, ob auch Beschwerden von Kunden der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin und Sicherheitsprobleme der Antragsgegnerin sachliche Gründe für eine Lieferverweigerung der Antragsgegnerin darstellen könnten, weil die dargestellten Gründe die Verweigerung insgesamt rechtfertigten.
[83] Die Abwägung der Interessen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin schlage insgesamt zugunsten der Antragsgegnerin aus. Zwar berechtigte ein Geschäftsmodell wie jenes der Antragstellerin nicht grundsätzlich zu einer Lieferverweigerung. Allerdings habe die Antragsgegnerin ein berechtigtes Interesse an der Verlässlichkeit und Vertragstreue ihrer Vertragspartnerin, sie habe ein Interesse, einen Missbrauch beim Weitervertrieb ihrer digitalen Mautprodukte zu verhindern und ihr eigenes Image zu schützen. Die Antragstellerin habe durch ihr Verhalten insgesamt demonstriert, dass ihr die erforderliche Verlässlichkeit fehle. Es lägen insgesamt sachliche Gründe vor, die die Antragsgegnerin berechtigten, die Belieferung der Antragstellerin mit ihren digitalen Mautprodukten zur gewerblichen Weiterveräußerung mit einem Gültigkeitsbeginn von weniger als 18 Tagen ab Kauf an Verbraucher zu verweigern. Hingegen bestünden keine ausreichenden sachlichen Gründe für die Verweigerung des Zugangs der Antragstellerin zum Webshop der Antragsgegnerin für den Erwerb von digitalen Mautprodukten für ihren Eigenbedarf.
[84] Die sachlich gerechtfertigten Gründe bestünden auch in Bezug auf die Bereitstellung digitaler Mautprodukte zugunsten von Kunden mit Sitz außerhalb Österreichs und Fahrzeugen mit nicht-österreichischen Kennzeichen, sodass auch der Eventualantrag abzuweisen sei.
[85] Gegen diesen Beschluss richtet sich der auf die Rekursgründe der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund von Aktenwidrigkeit und erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Beschluss zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Rekurs der Antragstellerin, mit dem sie beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass ihren Anträgen stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[86] Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[87] Der Rekurs ist nicht berechtigt.
I. Zur unrichtigen Tatsachenfeststellung
[88] I.1.1. Nach § 49 Abs 3 KartG kann sich der Rekurs darauf gründen, dass sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der der Entscheidung des Kartellgerichts zugrunde liegenden Tatsachen ergeben. Nach der auf § 49 Abs 3 KartG übertragbaren Rechtsprechung zu § 281 Abs 1 Z 5a StPO ist dafür erforderlich, dass aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Feststellungen aufkommen lassen, somit intersubjektiv – gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen – eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahe legen (16 Ok 3/22k, BWB/Facebook [Rz 78 f] mwN; 16 Ok 6/22a [Rz 41]).
[89] I.1.2. Eine Aktenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, das heißt, wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks in einem wesentlichen Punkt (RS0043324 [T2]) unrichtig wiedergegeben wird und dies dazu führt, dass ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (vgl RS0043347; RS0007258; 16 Ok 6/22a [Rz 38]). Hingegen begründen Schlussfolgerungen aus einem Urkundeninhalt keine Aktenwidrigkeit (RS0043347 [T20]).
[90] I.1.3. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Feststellung, wonach es trotz der von der Antragstellerin in Reaktion auf die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 31. 10. 2022 getroffenen Maßnahmen (nämlich der nach dem 9. 11. 2022 erfolgten Einstellung des länderspezifischen Webshops der Antragstellerin für Österreich, Trennung der Domain m*.at von ihrem Online-Angebot, Entfernung der Eingabemaske für österreichische Kennzeichen und Sperre österreichischer Rechnungsadressen in ihrem Webshop) weiterhin auch für Österreicher möglich gewesen sei, in anderen länderspezifischen Webshops der Antragstellerin digitale Mautprodukte der Antragsgegnerin zu beziehen, sofern der Kunde über keine österreichische Anschrift verfügte und das Mautprodukt nicht für ein österreichisches Kennzeichen beziehen wollte, und dass es jedenfalls bis zum 9. 11. 2022 auch für Kunden mit österreichischer Anschrift über einen anderen länderspezifischen Webshop der Antragsgegnerin möglich gewesen sei, digitale Mautprodukte der Antragsgegnerin online zu erwerben.
[91] Sie begehrt anstatt dessen die Feststellung der in der Beilage ./27 dokumentierten Bestellung am 9. 11. 2022 durch eine Person mit Innsbrucker Adresse, die – auch dies begehrt die Antragstellerin ersatzweise festzustellen – im Zentralen Melderegister nicht an dieser Adresse gemeldet sei.
[92] I.1.4. Damit macht sie nicht geltend, dass das Erstgericht den Inhalt einer Urkunde unrichtig wiedergegeben und daraus unrichtige Feststellungen abgeleitet habe, sondern wendet sich gegen die vom Erstgericht nachvollziehbar aus der Urkunde gezogenen Schlüsse. Auch erhebliche Bedenken im Sinn des § 49 Abs 3 KartG werden mit ihrem Ansinnen, aus dem gar nicht bestrittenen konkreten Bestellvorgang vom 9. 11. 2022 keine Schlüsse auf die generelle Möglichkeit derartiger Bestellungen zu ziehen, nicht aufgezeigt.
[93] Die Beweisrüge ist daher nicht berechtigt.
II. Zur Rechtsrüge
II.1. Zu den bereits im Sicherungsverfahren geklärten Rechtsfragen
[94] II.1.1. In ihrer Rechtsrüge wendet sich die Antragstellerin gegen die Beurteilung des Erstgerichts, wonach die Antragsgegnerin nur eingeschränkt, nämlich nur insofern einem Kontrahierungszwang unterliege, als die Antragstellerin ein neues Produkt anzubieten gedenke. Eine solche Einschränkung sei nur bei Zwangslizenzen, nicht im vorliegenden Fall berechtigt. Sie strebt darüber hinaus die rechtliche Beurteilung an, dass nicht die Verweigerung der Aufnahme einer Geschäftsbeziehung, sondern der Abbruch einer solchen vorliege.
[95] II.1.2. Der Oberste Gerichtshof führte in der im Sicherungsverfahren ergangenen Entscheidung 16 Ok 1/21i aus wie folgt:
„[37] 3. Die Antragstellerin stützt ihren Abstellungs‑ (und damit auch ihren Sicherungs-)Antrag insbesondere auf einen Marktmachtmissbrauch durch Liefer- bzw Abschlussverweigerung.
[38] 3.1. In Lehre und Rechtsprechung ist unstrittig, dass sowohl für Monopolisten außerhalb des Kartellrechts als auch für marktbeherrschende Unternehmen kein Zwang besteht, jeden von einem Dritten gewünschten Vertrag abzuschließen; diese können vielmehr aus sachlich gerechtfertigten Gründen einen Vertragsabschluss ablehnen. Missbräuchliches Unterlassen, insbesondere in Form einer Lieferverweigerung, wird jedoch dann angenommen, wenn das Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens durch keine objektiven Gründe gerechtfertigt wird (16 Ok 20/04 mwN).
[39] 3.2. Die Antragstellerin konnte zwar ursprünglich im Webshop der Antragsgegnerin Kundenkonten erstellen; die Antragsgegnerin hat diese jedoch sogleich gesperrt, nachdem sie festgestellt hatte, dass die Antragstellerin diese Konten nicht für ihren Eigenbedarf, sondern – entgegen den ANB der Antragsgegnerin – zur gewerblichen Weiterveräußerung der digitalen Mautprodukte nutzte. Vor diesem Hintergrund ist dieser Sachverhalt nicht als Abbruch einer laufenden Geschäftsbeziehung, sondern vielmehr als Verweigerung der Aufnahme einer Geschäftsbeziehung zu beurteilen.
[40] 3.3. Der Abbruch laufender Geschäftsbeziehungen ist nur in Ausnahmefällen, insbesondere aus zwingenden wirtschaftlichen oder technischen Gründen (wie zB der finanziellen Unzuverlässigkeit des Handelspartners oder der mangelnden Qualität seiner Produkte) gerechtfertigt. Hingegen ist die Verweigerung der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit Handelspartnern, die weder aktuelle noch potentielle Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens sind, nur dann missbräuchlich, wenn der Marktbeherrscher einem Kontrahierungszwang unterliegt und keine sachliche Rechtfertigung für sein Verhalten vorliegt (Vartian/Schuhmacher in Petsche/ Urlesberger/Vartian, KartG² § 5 Rz 78 f). Auch einem marktbeherrschenden Unternehmen steht es grundsätzlich frei zu entscheiden, mit wem und auf welcher Grundlage kontrahiert wird, welche 'Vertriebswege' gewählt und welche Preise für die eigenen Produkte bzw Dienstleistungen berechnet werden (16 Ok 1/18k mwN).
[41] 3.4. Besteht zum Zeitpunkt der Weigerung, eine Geschäftsbeziehung aufzunehmen, für den Gegenstand des Geschäfts ein Markt, hat also das marktbeherrschende Unternehmen bereits mit anderen kontrahiert, kommt bei der Verweigerung einer Geschäftsbeziehung mit geeigneten Dritten im Einzelfall ein Verstoß gegen die Generalklausel des Art 102 Satz 1 AEUV in Betracht. Es ist nach den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen, ob der marktbeherrschende Unternehmer, der bereits mit anderen Nachfragern kontrahiert hat, dies auch mit neuen Nachfragern tun muss, die als geeignete Vertragspartner erscheinen (vgl 16 Ok 1/12 mwN).
[42] 3.5. Ein Kontrahierungszwang trifft vor allem Inhaber gesetzlicher oder faktischer Monopole sowie Unternehmen mit beherrschender Verfügungsmacht über Einrichtungen, die für die Geschäftstätigkeit anderer Teilnehmer notwendig sind. Den Inhaber einer Monopolstellung trifft eine Kontrahierungspflicht, wenn ihm ein Vertragsabschluss zumutbar ist. Er kann diesen daher nur aus einem sachlichen Grund ablehnen (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG² § 5 Rz 80 mwN; vgl auch RS0117542 und RS0016745).
[43] 4.1. Die Antragsgegnerin bedient sich zum Vertrieb ihrer (auch digitalen) Mautprodukte – abgesehen von ihrem Webshop und Automaten – ausgewählter Vertriebspartner, denen sie insbesondere die Vorgabe macht, die Mautprodukte zu keinem höheren als in der Mautordnung festgelegten Preis zu verkaufen. Ob bzw unter welchen Voraussetzungen sie aufgrund ihrer Monopolstellung verpflichtet wäre, auch die Antragstellerin als Vertriebspartnerin (zu denselben Bedingungen) zu akzeptieren, ist hier nicht zu untersuchen, weil die Antragstellerin einen solchen Vertriebsvertrag gar nicht anstrebt, will sie doch die digitalen Mautprodukte zu einem höheren als dem in der Mautordnung jeweils festgelegten Preis verkaufen.
[44] 4.2. Der Antragsgegnerin ist zunächst dahin zuzustimmen, dass sie der Antragstellerin nicht ganz allgemein den Zugang zu ihrem Webshop zum Zweck der gewerblichen Weiterveräußerung ihrer digitalen Mautprodukte im Sinn eines 'schlichten Weitervertriebs' gewähren muss, darf sie doch auch als Monopolistin die Gestaltung ihres Vertriebsnetzes autonom bestimmen (siehe dazu schon zuvor Pkt 3.3.). Diese Autonomie hat allerdings (wie schon in Pkt 3.5. aufgezeigt) Grenzen.
[45] 4.3. Die Antragstellerin will in ihrem Webshop auch ein neues Produkt, nämlich den online-Vertrieb 'sofort' – dh innerhalb von weniger als 18 Tagen ab Kaufdatum – gültiger digitaler Maut-Vignetten an Verbraucher anbieten. (Nur) in diesem Umfang unterscheidet sich ihr geplantes Geschäftsmodell grundlegend vom Angebot der Antragsgegnerin, die ausschließlich Unternehmern sofort gültige digitale Mautprodukte anbietet.
[46] 4.4. Es liegt auf der Hand, dass für das Anbieten dieses neuen Produkts der Antragstellerin der Online-Bezug digitaler Mautprodukte zwingend erforderlich ist; ein solcher ist allerdings ausschließlich über den Webshop der Antragsgegnerin technisch möglich.
[47] Insofern ist der vorliegende Sachverhalt mit jenem vergleichbar, der der Entscheidung des EuGH vom 6. April 1995 in den verbundenen Rechtssachen C-241/91 P und C‑242/91 P , Magill, zugrunde lag: Dort ging es um die Verweigerung der Einräumung von – für die Herausgabe eines allgemeinen Fernseh-programmführers naturgemäß unentbehrlichen – Informationen über die wöchentlichen Programme bestimmter Fernsehsender. Der EuGH führte aus, dass zwar die Verweigerung einer Lizenz als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung bedeuten könne, selbst wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgehe; die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber könne jedoch unter außergewöhnlichen Umständen als missbräuchliches Verhalten zu beurteilen sein. Dies sei im Anlassfall zu bejahen, weil die Fernsehsender durch die Verweigerung der Herausgabe der Programminformationen das Auftreten eines neuen Erzeugnisses, nämlich eines umfassenden wöchentlichen Fernsehprogrammführers, den sie selbst nicht anboten und nach dem eine potentielle Nachfrage der Verbraucher bestand, verhinderten.“
[96] II.1.3. Entgegen dem Rekursvorbringen ist der Umstand, dass die Antragsgegnerin (vor Einleitung des vorliegenden Verfahrens) die Kundenkonten der Antragstellerin im Webshop der Antragsgegnerin blockierte, nachdem sie von der Nutzung der Kundenkonten zum Zweck der gewerblichen Weiterveräußerung digitaler Mautprodukte der Antragsgegnerin durch die Antragstellerin erfahren hatte, im nun vorliegenden Hauptverfahren nicht anders zu beurteilen als in der im Sicherungsverfahren ergangenen Entscheidung 16 Ok 1/21i.
[97] II.1.4. Soweit die Antragstellerin in ihrem Rekurs aus der Entscheidung Magill des EuGH (verbundene Rechtssachen C‑241/91 P , C‑242/91 P vom 6. 4. 1995; vgl auch C‑418/01 , IMS Health vom 29. 4. 2004) andere rechtliche Schlüsse zieht als der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 1/21i, wird damit keine unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Erstgericht aufgezeigt. Von der rechtlichen Beurteilung, dass es nicht als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin zu qualifizieren ist, wenn sie der Antragstellerin zum Zweck eines „schlichten Weitervertriebs“ nicht den Zugang zu ihrem Webshop gewährt (16 Ok 1/21i [Rz 44]), abzugehen, besteht im vorliegenden Hauptverfahren kein Anlass.
II.2. Zur Aufnahme einer Geschäftsbeziehung nach Vorliegen der Entscheidung 16 Ok 1/21i
[98] II.2.1. Aus den nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Sicherungsverfahren eingetretenen Entwicklungen kann die Aufnahme einer uneingeschränkten Geschäftsbeziehung zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin ebenfalls nicht abgeleitet werden. Die im Rekurs behauptete „längere“ und „unbeanstandete“ Geschäftsbeziehung – gemeint offenbar: seit der Öffnung des Zugangs zum Webshop der Antragsgegnerin für die Antragstellerin infolge der Entscheidung 16 Ok 1/21i des Obersten Gerichtshofs – ist den getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen:
[99] Vielmehr konnte nicht festgestellt werden, dass der Antragsgegnerin die Gewährung eines im Sinn der einstweiligen Verfügung zu 16 Ok 1/21i eingeschränkten Zugangs technisch überhaupt möglich gewesen wäre. Dazu kommt, dass die ANB der Antragsgegnerin durchgehend ein Weiterveräußerungsverbot enthielten. Dieses wurde ab 3. 2. 2022 lediglich im Sinn der zu 16 Ok 1/21i erlassenen einstweiligen Verfügung eingeschränkt. Die Antragstellerin konnte daher auch nicht davon ausgehen, die Antragsgegnerin sei bereit, mit ihr über den mit der Entscheidung 16 Ok 1/21i gebotenen Umfang hinaus in eine Geschäftsbeziehung zu treten.
[100] II.2.2. Zutreffend ging das Erstgericht daher auch nach der im Hauptverfahren zu beurteilenden Sachlage davon aus, dass in dem Umfang, der über die mit der Entscheidung 16 Ok 1/21i der Antragsgegnerin auferlegte Verpflichtung zur Aufnahme einer Geschäftsbeziehung hinausgeht, die Verweigerung der Aufnahme einer Geschäftsbeziehung, nicht deren Abbruch, zu beurteilen ist. Von einer bestehenden Geschäftsbeziehung ist nur in dem Umfang auszugehen, in dem die Antragsgegnerin der Antragstellerin in Befolgung der einstweiligen Verfügung des Obersten Gerichtshofs (16 Ok 1/21i) den Bezug ihrer digitalen Mautprodukte gestattete, also zum Eigenbedarf der Antragstellerin und für die gewerbliche Weiterveräußerung von digitalen Mautprodukten mit einem Gültigkeitsbeginn von weniger als 18 Tagen ab Kauf an Verbraucher.
II.3. Sachliche Gründe für die Lieferverweigerung
[101] II.3.1. Im Provisorialverfahren wurde bereits klargestellt, dass die Verweigerung der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen durch ein marktbeherrschendes Unternehmen dann nicht als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu qualifizieren ist, wenn für die Weigerung sachliche Gründe bestehen (16 Ok 1/21i [Rz 40]; Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/ Vartian, KartG2 § 5 Rz 79; vgl EuGH C‑418/01 , IMS Health vom 29. 4. 2004 [Rz 37 f]; C‑241/91 P , C‑242/91 P , Magill vom 6. 4. 1995 [Rz 55]; zu Fällen außerhalb der Ausübung gewerblicher Schutzrechte, und zwar selbst bei Übertragung der Wertungen der Rechtssache Magill: C‑7/97 , Oscar Bronner vom 26. 11. 1998 [Rz 41]). Dabei handelt es sich um einen sowohl für das österreichische als auch für das europäische Wettbewerbsrecht geltenden Grundsatz (16 Ok 1/15f, Kfz‑Originalersatzteile, ErwGr 2.2., ecolex 2016/230, 509 [Köck]).
[102] Auch der Abbruch laufender Geschäftsbeziehungen kann in Ausnahmefällen (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG² § 5 Rz 78) aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein (Lewisch in Jaeger/Stöger [Hrsg], EUV/AEUV Art 102 AEUV Rz 319 [Stand 1. 10. 2021, rdb.at]). Gerechtfertigt ist etwa ein Abbruch aus zwingenden wirtschaftlichen oder technischen Gründen wie zB der finanziellen Unzuverlässigkeit des Handelspartners oder der mangelnden Qualität seiner Produkte (vgl 16 Ok 1/21i [Rz 40]) oder bei schweren, die Vertrauensbasis zerstörenden Vertragsverletzungen (16 Ok 22/97; Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/ Vartian, KartG2 § 5 Rz 78; Lewisch in Jaeger/Stöger [Hrsg], EUV/AEUV Art 102 AEUV Rz 321 [Stand 1. 10. 2021, rdb.at]). Dabei muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden (Egger/Harsdorf-Bosch, Kartellrecht § 5 KartG Rz 118; Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht I6 Art 102 AEUV Rz 311).
[103] Der Grund für die strengere Behandlung des Abbruchs einer bestehenden Geschäftsverbindung gegenüber dem Unterlassen der Aufnahme einer neuen Geschäftsverbindung liegt darin, dass der Marktbeherrscher mir der ursprünglichen Aufnahme der Vertragsbeziehung eine Abhängigkeits‑ und Gefährdungssituation seines Vertragspartners mitbegründet hat (Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht I6 Art 102 AEUV Rz 318).
[104] II.3.2. Im Provisorialverfahren wurden der Antragsgegnerin sachliche Gründe für die Verweigerung der Aufnahme einer Geschäftsbeziehung nicht zugestanden (16 Ok 1/21i [Rz 48 ff]). Der von der Antragsgegnerin behauptete Mehraufwand für die Behandlung von Beschwerden von Kunden der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin war nicht bescheinigt. Auch für das Vorbringen der Antragsgegnerin, sie sei aufgrund von antizipierten Verstößen der Antragstellerin gegen verbraucherschützende Bestimmungen beim Weitervertrieb der digitalen Mautprodukte der Antragsgegnerin zur Sperre der Kundenkonten der Antragstellerin berechtigt, fehlte es an einem Tatsachensubstrat: Nach dem im Sicherungsverfahren bescheinigten Sachverhalt war vielmehr davon auszugehen, dass die Antragstellerin bei Aufnahme ihres in Aussicht genommenen „geänderten Geschäftsmodells“ nach Aufhebung der Sperre ihres Kundenkontos ihre Kunden gesetzeskonform insbesondere über den von ihr verrechneten Aufschlag auf die in der Vignettenpreisverordnung festgelegte Mautgebühr aufklären würde (16 Ok 1/21i [Rz 49]).
[105] II.3.3. Der im vorliegenden Hauptverfahren zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich von den in der Entscheidung im Provisorialverfahren zu beurteilenden Tatsachen allerdings dadurch, dass er auch die zeitlich nach Beschlussfassung im Provisorialverfahren eingetretenen Entwicklungen bis zum Beurteilungszeitpunkt im Hauptverfahren, das ist der Zeitpunkt der erstinstanzlichen Beschlussfassung im Hauptverfahren, umfasst.
[106] II.3.4. Ausgehend von den nun zu beurteilenden Tatsachen erkannte das Erstgericht in einer umfassenden Interessenabwägung insgesamt sachliche Gründe, die die gänzliche Lieferverweigerung der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin rechtfertigen. Konkret erachtete es den Verlust der Vertrauenswürdigkeit der Antragstellerin durch den Widerruf ihrer Unterlassungserklärung, den Verstoß gegen das Weiterveräußerungsverbot gemäß Punkt 14.1 der ANB der Antragsgegnerin (in der Fassung ab 3. 2. 2022), die Verstöße der Antragstellerin gegen das UWG durch eine unzureichende Preisauszeichnung und unzureichende Belehrung über den Entfall des Widerrufsrechts von Verbraucher-Kunden, sowie das Interesse der Antragsgegnerin an der Verhinderung unlauterer Geschäftspraktiken der Antragstellerin zur Hintanhaltung eines eigenen Image-Schadens in ihrer Gesamtheit als ausreichende Gründe für die Verweigerung der Belieferung der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin über den „Eigenbedarf“ der Antragstellerin hinaus.
[107] II.3.5. Die Antragstellerin argumentiert in ihrem Rekurs, die lauterkeitsrechtliche Beurteilung des Bestellprozesses auf ihren Webseiten sei nach wie vor unklar, weil die vom Handelsgericht Wien am 31. 10. 2022 erlassene einstweilige Verfügung noch nicht rechtskräftig sei. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung lägen keine UWG‑Verstöße der Antragstellerin vor. Sie habe auch nicht gegen die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien verstoßen oder die ANB der Antragsgegnerin verletzt. Sie sei auch zur Zurückziehung ihrer Unterlassungserklärung berechtigt gewesen.
[108] II.3.6. Damit wird keine unrichtige rechtliche Beurteilung des Erstgerichts aufgezeigt.
[109] II.3.7. Vorauszuschicken ist, dass im vorliegenden Verfahren nicht über allfällige Lauterkeitsverstöße der Antragstellerin abzusprechen ist. Zu beurteilen ist vielmehr, ob die seit der Beschlussfassung des Kartellgerichts im Sicherungsverfahren (am 1. 2. 2020) eingetretenen Entwicklungen eine gegenüber der Entscheidung 16 Ok 1/21i geänderte Beurteilung der Frage nach sich ziehen, ob die Antragsgegnerin sich auf sachlich gerechtfertigte Gründe dafür stützen kann, der Antragstellerin den Erwerb digitaler Mautprodukte auch für die gewerbliche Weiterveräußerung an Verbraucher mit einem Gültigkeits-beginn von weniger als 18 Tagen ab Kaufzeitpunkt zu verweigern.
[110] II.3.8. Rechtlich betrifft diese Frage die Verweigerung der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen, soweit die Lieferung von digitalen Mautprodukten der Antragsgegnerin an die Antragstellerin außerhalb der Zwecke betroffen ist, für die in der Entscheidung 16 Ok 1/21i ein Kontrahierungszwang der Antragsgegnerin bejaht wurde. In dem Umfang, in dem der Antragsgegnerin die Lieferverweigerung untersagt wurde, besteht zwar infolge dieser Entscheidung eine Geschäftsbeziehung zwischen den Verfahrensparteien. Die Aufnahme der Geschäftsbeziehung beruht aber – für die Antragstellerin erkennbar – auf einer im Sicherungsverfahren ergangenen, sohin nur vorläufigen (bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Hauptverfahren) Entscheidung. Dadurch ist die – einen strengeren Maßstab für die Prüfung von Rechtfertigungsgründen für den Abbruch einer Geschäftsbeziehung im Vergleich zur Verweigerung von deren Aufnahme – spezifische Abhängigkeits- und Gefährdungssituation, die durch die Aufnahme von Vertragsbeziehungen entsteht (Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht I6 [2019] Art 102 AEUV Rz 312), im vorliegenden Fall noch nicht voll verwirklicht. Die Antragstellerin wusste, dass die endgültige Entscheidung über die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit ihr noch nicht gefallen war und im Hauptverfahren nur bei unveränderten Tatsachen rechtlich gleich auszufallen hat.
[111] Diese Erwägungen sprechen im vorliegenden Fall dafür, die Berechtigung der von der Antragstellerin für den Abbruch der durch die Provisorialentscheidung erzwungenen Geschäftsbeziehung – dh im Umfang des Erwerbs von digitalen Mautprodukten durch die Antragstellerin für die gewerbliche Weiterveräußerung mit einem Gültigkeitsbeginn von weniger als 18 Tagen ab Kauf an Verbraucher – nicht nach einem substantiell strengeren Prüfungsmaßstab zu beurteilen als bei der Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung der Verweigerung der Aufnahme einer Geschäftsbeziehung.
[112] Im vorliegenden Fall beurteilte das Erstgericht die gegebenen Umstände zutreffend als ausreichende sachliche Gründe für die Lieferverweigerung (§ 71 Abs 3 AußStrG).
[113] II.3.9. Nach Vorliegen der Entscheidung 16 Ok 1/21i schränkte die Antragsgegnerin das Weiterveräußerungsverbot in ihren ANB im Sinn dieser Entscheidung ein, hob es jedoch nicht zur Gänze auf.
[114] Dass die Antragstellerin diese Einschränkung nicht beachtet und gegen das Weiterveräußerungsverbot verstößt, steht fest: Sie vertreibt – seit ihr technisch wieder Zugang zu ihren Benutzerkonten im Webshop der Antragsgegnerin gewährt wurde – ohne Zustimmung der Antragsgegnerin auch Produkte, die keine im Vergleich zu den Produkten der Antragsgegnerin neuen Produkte (im Sinn der Entscheidung 16 Ok 1/21i) sind. Sie betreibt damit einen „schlichten Weitervertrieb“ der Produkte der Antragsgegnerin, wozu die Antragsgegnerin ihr einen Zugang zu ihrem Webshop nicht gewähren muss (16 Ok 1/21i [Rz 44]) und den sie nach ihren ANB auch ausdrücklich untersagt.
[115] II.3.10. Die Antragstellerin bestreitet, dass ihr aus Punkt 14. bzw dem geänderten Punkt 14.1 der ANB eine Beschränkung ihrer Geschäftstätigkeit beim gewerblichen Vertrieb von digitalen Mautprodukten der Antragsgegnerin auferlegt werde. Dies begründet sie damit, dass (erstens) ihr Geschäftsmodell keine „Weiterveräußerung“ beinhalte, sondern als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet sei, sodass es nicht in den Regelungsbereich des Punkts 14. (und 14.1) der ANB falle, sowie (zweitens) dass der geänderte Punkt 14.1 der ANB nicht Bestandteil der zwischen ihr und der Antragsgegnerin geschlossenen Verträge geworden sei, weil er ihr nicht gesondert zur Kenntnis gebracht worden sei.
[116] II.3.11. Diese Argumente überzeugen nicht. Die Antragstellerin hält der Beurteilung des Erstgerichts, die Voraussetzungen, unter denen ein Vertragspartner den anderen auf Änderungen seiner bisher verwendeten AGB hinweisen müsse – das Bestehen einer langjährigen Geschäftsbeziehung und die Einführung einer ungewöhnlichen und nicht vorhersehbaren Pflichtenerweiterung des anderen Vertragspartners in den AGB (RS0014601 [T2]) – lägen nicht vor, nichts Konkretes entgegen. Dazu kommt, dass im vorliegenden Fall, in dem die Antragstellerin keinen Vertriebsvertrag oder sonstigen Rahmenvertrag mit der Antragsgegnerin abgeschlossen hat, sondern eine Vielzahl einzelner Verträge automatisiert im Webshop der Antragsgegnerin abschließt, kein wie immer geartetes Vertrauen der Antragstellerin auf den Inhalt der AGB entsprechend den zuvor getätigten Vertragsabschlüssen entstehen konnte.
[117] II.3.12. Soweit die Antragstellerin meint, bei den mit ihren Kunden abgeschlossenen Verträgen handle es sich nicht um eine „Weiterveräußerung“ im Sinn von Punkt 14. der ANB der Antragstellerin, überzeugt dies nicht. Entscheidend ist nach dem (gemäß Art 3 Rom I‑VO iVm Punkt 17.1. der ANB gleichermaßen wie nach Art 4 Rom I‑VO anzuwendenden) österreichischen Sachrechts, welche Bedeutung ein redlicher Vertragspartner der Antragsgegnerin dem Punkt 14. der ANB zumessen durfte. Bereits aufgrund der Abmahnung durch die Antragsgegnerin vom 20. 3. 2020 war der Antragstellerin bekannt, dass die Antragsgegnerin Punkt 14. der ANB so auslegte, dass er ihr Vertriebsmodell – unabhängig davon, wie die Antragstellerin konkret ihr Vertragsverhältnis zu ihren Kunden gestaltete – erfasst. Soweit die Antragstellerin den Abschluss von Verträgen zugunsten Dritter – nämlich der Kunden der Antragstellerin – behauptet, legt sie nicht einmal dar, aus welchen Gründen sie die Vertragserklärungen der Antragsgegnerin in diesem Sinn verstehen durfte und ihr die Bedeutung beimessen durfte, dass ein solches Vertriebsmodell auch nach dem Vertragswillen der Antragsgegnerin vom Weiterveräußerungsverbot nicht erfasst sei. Bereits in der Entscheidung 16 Ok 1/21i wurde das von der Antragsgegnerin betriebene Geschäftsmodell daher als gewerbliche Weiterveräußerung gewertet (vgl Punkt 1. des Spruchs der Entscheidung sowie Rz 39, 44, 59). Daran ist festzuhalten.
[118] II.3.13. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Antragstellerin, seit sie ihre Vertriebstätigkeit nach Vorliegen der Entscheidung 16 Ok 1/21i des Obersten Gerichtshofs wieder aufnahm, gegen das in den ANB der Antragsgegnerin enthaltene Weiterveräußerungsverbot verstößt, indem sie die digitalen Mautprodukte der Antragsgegnerin auch an Unternehmer sowie an Verbraucher, jedoch ohne „sofortigen“ Wirksamkeitsbeginn vertreibt.
[119] Dass ein solches Verhalten bei der vorliegenden Sachlage, in der es um den organisierten, gewerblichen Weitervertrieb der Produkte der Antragsgegnerin durch die Antragstellerin geht, als gewichtiger Vertrauensbruch gegenüber der Antragsgegnerin und als Beeinträchtigung der legitimen Interessen der Antragsgegnerin, ihr Vertriebsnetz autonom zu gestalten (vgl 16 Ok 1/21i [Rz 44]) zu werten ist, liegt auf der Hand und wurde vom Erstgericht auch zutreffend so gesehen.
[120] II.3.14. Dazu kommt, dass die Antragstellerin durch das Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 20. 1. 2022 ihr Bestreben zu erkennen gab, von ihr selbst übernommene rechtliche Bindungen und eigene Absichtserklärungen nicht mehr einzuhalten bzw zu respektieren, wenn sie es nicht mehr als opportun erachtet. Entscheidend ist dabei nicht die Beurteilung, ob die Klägerin ihre einseitig abgegebene Unterlassungserklärung einseitig widerrufen konnte. Im vorliegenden Zusammenhang kommt vielmehr dem Umstand Bedeutung zu, dass die Antragstellerin jene Zusagen in ihrem Schreiben vom 29. 5. 2020, an deren verbindlichen Charakter schon aufgrund des Wortlauts keine Zweifel bestehen, pauschal als bloßes Angebot abtut und ihre zuvor übernommene Verpflichtung auch für die Vergangenheit – vor dem Widerruf – schlicht negiert. Soweit sie sich darüber hinaus an ihre im Schreiben vom 29. 5. 2020 enthaltene Ankündigung eines „geänderten Geschäftsmodells“, im Zuge dessen sie unter anderem eine Information ihrer Kunden über die von ihr verrechneten Aufschläge in Aussicht stellte, nicht mehr als gebunden erachtet, ergibt sich die Unredlichkeit des Verhaltens der Antragstellerin daraus, dass sie ihre Absichtserklärung zurücknahm, nachdem der Oberste Gerichtshof die Ankündigung dieses „geänderten Geschäftsmodells“ in der Entscheidung 16 Ok 1/21i zu Gunsten der Antragstellerin in seiner Entscheidung berücksichtigt hatte (Rz 49, 50).
[121] Auch die von der Antragstellerin am 17. 3. 2022 umgesetzte Änderung der in ihren AGB enthaltenen Preisinformationen (Punkt 5.1. der AGB) setzen das angekündigte und vom Obersten Gerichtshof zugrunde gelegte „geänderte Geschäftsmodell“ nicht um, weil sie zwar einen Link zu den Mautgebühren der Antragsgegnerin enthalten, aber die von der Antragstellerin verrechneten Aufschläge nicht – wie in Aussicht gestellt – ausweisen, sondern es weiter den Kunden überlassen, selbst die relevanten Preise gegenüber zu stellen und die Aufschläge der Antragstellerin zu errechnen.
[122] Auch der Widerruf der im Schreiben vom 29. 5. 2020 abgegebenen Erklärungen wurde daher vom Erstgericht zutreffend dahin gewertet, dass er bei der Gesamtbeurteilung, ob die Antragsgegnerin der Antragstellerin den Zugang zu ihrem Webshop verweigern darf, zu Lasten der Antragstellerin ins Gewicht fällt.
[123] II.3.15. Soweit die Antragstellerin in ihrem Rekurs umfangreich darlegt, sie habe nicht gegen das UWG verstoßen, ist auf die zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens ergangene Entscheidung 4 Ob 51/23p des Obersten Gerichtshofs vom 17. 10. 2023 zu verweisen, mit der die vom Handelsgericht Wien zu * erkannten Lauterkeitsverstöße der [hier] Antragstellerin – mit Ausnahme eines einzigen Punkts – bestätigt wurden. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung geht auch das im vorliegenden Verfahren erstattete Rekursvorbringen der Antragstellerin, sie habe sich bei der Auslegung des Weiterveräußerungsverbots in den ANB der Antragsgegnerin und bei der Gestaltung der Preisinformation und der Belehrung über das Widerrufsrecht für Verbraucher auf ihren eigenen Webseiten auf eine vertretbare Rechtsansicht (vgl RS0077771) stützen können, ins Leere.
[124] II.3.16. Das Rekursvorbringen, die Antragstellerin habe die im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien erlassene einstweilige Verfügung eingehalten, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Das Erstgericht erachtete nicht den durch den Testkauf am 9. 11. 2022 dokumentierten Verstoß als ausschlaggebend, sondern führte aus, der Antragsgegnerin sei nicht zumutbar, ein Unternehmen mit ihren Produkten zum Weitervertrieb zu beliefern, von dem sie wisse, dass es – zumindest in Österreich – gegen lauterkeitsrechtliche Vorschriften verstoße und die Verstöße erst infolge einer einstweiligen Verfügung abstelle.
[125] II.3.17. Die weiteren Rekursausführungen, der Antragstellerin werde zu Unrecht vorgeworfen, ihre Kunden gegenüber der Antragsgegnerin als Unternehmer zu deklarieren, lassen außer Acht, dass das Erstgericht dies ausdrücklich nicht angenommen hat. Auch auf den Aufwand der Antragsgegnerin durch die Behandlung von Beschwerden der Kunden dritter Anbieter gründete das Erstgericht seine Entscheidung nicht.
[126] II.3.18. Der Rekurs vermag auch nicht darzustellen, dass das Erstgericht die Interessen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin unzureichend gegeneinander abgewogen und ein unverhältnismäßiges Ergebnis erzielt hätte.
[127] Aus der Entscheidung 4 Ob 214/97t ist – wie bereits das Erstgericht ausführte – für die Antragstellerin nichts zu gewinnen, weil ein abweichender Sachverhalt vorlag. Dies deshalb, weil dem dort strittigen, allenfalls eine Pönale-Forderung des marktbeherrschenden Unternehmens auslösenden Vertragsverstoß der Abnehmerin dieses Unternehmens nicht annähernd ein vergleichbares Gewicht zukam wie den von der Antragstellerin gesetzten, eine Vertrauensbasis nachhaltig verhindernden Verhaltensweisen.
[128] Die im Rekurs zitierte Entscheidung der französischen Wettbewerbsbehörde (Autorité de la concurrence, Entscheidung 15‑D‑13 vom 9. 9. 2015) behandelt im Kern das an die marktbeherrschende Suchmaschinenbetreiberin gerichtete Erfordernis, die Bedingungen für die Sperre der AdWord-Konten ihrer Kunden transparent auszugestalten. Aus dieser auf den französischen Code de Commerce gestützten Entscheidung kann eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Erstgerichts nicht abgeleitet werden.
[129] II.3.19. Der Rekurs rügt als unverhältnismäßig, dass der Antragstellerin – nach Ansicht der Antragstellerin ausschließlich wegen Verstößen gegen österreichisches Lauterkeitsrecht – ihr Geschäftsmodell in allen Staaten, auf die sie ihren Vertrieb ausrichte, verunmöglicht werde. Dieses Argument ist schon deshalb nicht berechtigt, weil zentral für die Rechtfertigung der Lieferverweigerung der Umstand ist, dass die Antragstellerin den aus der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung des EuGH abgeleiteten Umfang der Lieferverpflichtung der Antragsgegnerin und die Umsetzung dieser Einschränkung in den ANB der Antragsgegnerin grundsätzlich missachtete und gegen die ihr vertraglich auferlegte Beschränkung der Weiterveräußerung in organisierter Weise verstieß. Der Kern der Rechtfertigung der Lieferverweigerung hat daher mit dem österreichischen Lauterkeitsrecht oder einem Verbot, das nur für Binnensachverhalte Geltung beanspruchen könnte, nichts zu tun. Die Beurteilung des Erstgerichts, das eine Lieferverweigerung der Antragsgegnerin (über den Eigenbedarf der Antragstellerin hinaus) als verhältnismäßig ansah, ist daher nicht zu beanstanden.
[130] II.4. Dem Rekurs der Antragstellerin war daher ein Erfolg zu versagen.
[131] II.5. Eine Kostenentscheidung hat zu entfallen, weil die Parteien keine Kosten verzeichneten.
III. Zur Veröffentlichung im RIS-Justiz
[132] Soweit die Antragstellerin die Ausnahme des Begriffs „Kundenkonto“ von der Veröffentlichung anstrebt, besteht dafür kein Raum, weil dadurch die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung verloren ginge (vgl § 15 Abs 4 OGHG).
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