OGH 7Ob125/23t

OGH7Ob125/23t24.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* C*, vertreten durch Mag. Alexandra Schwarz, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei A* SE *, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Mai 2023, GZ 2 R 8/23w‑22, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00125.23T.1024.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin war bei der Beklagten bis zum 1. 8. 2009 rechtsschutz‑(mit‑)versichert. Dem Rechtsschutzversicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) 2000 zugrunde. Diese lauten auszugsweise:

Artikel 9 Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen? Was hat bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer über die Art der Vorgangsweise oder die Erfolgsaussichten zu geschehen (Schiedsgutachterverfahren)

[...]

2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der Rechts‑ und Beweislage zum Ergebnis,

2.1 dass hinreichende Aussicht besteht, in einem Verfahren im angestrebten Umfang zu obsiegen, hat er sich zur Übernahme aller Kosten nach Maßgabe des Art 6 (Versicherungsleistungen) bereit zu erklären;

2.2 dass diese Aussicht auf Erfolg nicht hinreichend, das heißt ein Unterliegen in einem Verfahren wahrscheinlicher ist als ein Obsiegen, ist er berechtigt, die Übernahme der an die Gegenseite zu zahlenden Kosten abzulehnen;

2.3 dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.“

[2] Die Klägerin begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für die Geltendmachung bereicherungsrechtlicher Ansprüche gegenüber ihrer Kreditgeberin im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Fremdwährungskreditvertrags sowie der Haftung der Beklagten für alle Schäden, die ihr aus der verzögerten Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Fremdwährungskredit entstanden sind, drohen oder noch entstehen werden.

Rechtliche Beurteilung

[3] 1. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen – und somit hier auch jener für das Bestehen des Versicherungsschutzes für die beabsichtigte Klagsführung – ist zum Schluss der Verhandlung erster Instanz zu beurteilen (RS0039178), und nicht – wie die Revisionswerberin vertritt – zu einem solchen vor Einleitung des Deckungsprozesses.

[4] 2.1 Art 9.2.3 ARB 2000 ist nicht intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG, nicht ungewöhnlich nach § 864a ABGB und auch nicht gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB (vgl 7 Ob 112/23f).

[5] 2.2 In der Rechtsschutzversicherung ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten kein strenger Maßstab anzulegen (RS0081929). Bei der Erfolgsaussichtsprüfung nach den ARB, können die zur Prozesskostenhilfe entwickelten Grundsätze übernommen werden. Die vorzunehmende Beurteilung, ob „keine oder nicht hinreichende Aussicht auf Erfolg“ besteht, hat sich am Begriff „nicht als offenbar aussichtslos“ des die Bewilligung der Verfahrenshilfe regelnden § 63 ZPO zu orientieren. „Offenbar aussichtslos“ ist eine Prozessführung, die schon ohne nähere Prüfung der Angriffs‑ oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann (insb bei Unschlüssigkeit, aber auch bei unbehebbarem Beweisnotstand, RS0116448, RS0117144). Der Grundsatz in der Rechtsschutzversicherung, dass im Deckungsprozess die Beweisaufnahmen und die Feststellungen zu im Haftpflichtprozess relevanten Tatfragen zu unterbleiben haben und daher dem Versicherer eine vorweggenommene Beweiswürdigung verwehrt ist, gilt allgemein und damit auch für die Prüfung der Frage, ob nach den ARB ein Unterliegen in einem Verfahren wahrscheinlicher ist, als ein Obsiegen. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist aufgrund einer Prognose – im Fall eines bereits laufenden Haftpflichtprozesses aufgrund einer nachträglichen Prognose – nach dem im Zeitpunkt vor Einleitung des Haftpflichtprozesses vorliegenden Erhebungsmaterial vorzunehmen, wenn eine Beurteilung der Beweischancen durch antizipierte Beweiswürdigung nicht in Betracht kommt (RS0124256). Auch dann, wenn der Ausgang im zu deckenden Prozess bei Fehlen einer klaren Gesetzeslage von einer bisher nicht gelösten Rechtsfrage abhängt, rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass keine oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (RS0124256 [T3]). Eine Vorwegnahme des Ergebnisses des zu deckenden Prozesses im Deckungsprozess durch Klärung der dort gegenständlichen – bisher noch nicht gelösten – Rechtsfragen zur Beurteilung der Erfolgsaussichten kommt ebenso wenig in Betracht, wie die Vorwegnahme der Klärung der Tatfragen (7 Ob 161/16a, 7 Ob 123/18s).

[6] Umgekehrt folgt daraus, dass eine klare Gesetzeslage oder bereits gelöste Rechtsfragen sehr wohl die Annahme rechtfertigen können, dass keine oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (7 Ob 65/22t).

[7] 2.3 Zur Frage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von (Fremdwährungs‑)Krediten, liegt bereits umfangreiche oberstgerichtliche Rechtsprechung vor. Die mittlerweile gefestigte Rechtsprechung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

[8] Für das Vorliegen einer echten Fremdwährungsschuld, ist nicht die Frage maßgebend, in welcher Währung der Kredit ausbezahlt wird, sondern, ob die fremde Währung die Grundlage für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers bildet (1 Ob 88/22f, 6 Ob 76/22b, 6 Ob 199/22s, 7 Ob 58/22p). Wird dem Kreditnehmer in einem solchen Fall (überdies) die Wahl eingeräumt, sich den (Fremdwährungs‑)Kredit in Euro auszahlen zu lassen, handelt es sich insoweit um ein Angebot der Bank zusätzlich zum Kreditvertrag einen Geldwechselvertrag abzuschließen. Lässt sich der Kreditnehmer den Kredit in Euro ausbezahlen, tritt zum Kreditvertrag ein (entgeltlicher) Geldwechselvertrag hinzu, was einer typischen nicht juristisch geschulten Person erkennbar ist (1 Ob 9/22p, 4 Ob 15/22t, 5 Ob 54/22k, 6 Ob 199/22s, 7 Ob 183/22w, 8 Ob 81/22b, 8 Ob 170/22s).

[9] Es wurde auch schon klargestellt, dass bei ausreichender Bestimmtheit des Kreditvertrags der Entfall einzelner Klauseln keine Nichtigkeit bewirkt (1 Ob 9/22p, 4 Ob 15/22t, 6 Ob 24/22f). Selbst eine allfällige Missbräuchlichkeit ändert nichts daran, dass der Kreditnehmer den Kredit in – allenfalls von anderer Seite zu beschaffender (9 Ob 62/21i) – Fremdwährung zurückzahlen müsste (1 Ob 9/22p, 1 Ob 88/22f, 6 Ob 76/22p, 6 Ob 199/22s 7 Ob 58/22p). Die Frage der Zulässigkeit der Lückenfüllung im Weg des Ersatzes der Konvertierungsklauseln durch Anwendung des dispositiven Rechts (hier § 907b Abs 1 ABGB, § 905a ABGB aF) ist daher nicht präjudiziell (vgl 1 Ob 9/22p, 4 Ob 15/22p, 6 Ob 199/22s). Allfällige Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Wechselkurses bei der Zuzählung des Kredits führen daher nicht zur Ungültigkeit des gesamten Vertrags wegen Mangel der Bestimmtheit, wenn durch die zeitnahe Information des Kunden über den zugrunde gelegten Fremdwährungsbetrag ausreichende Bestimmtheit eingetreten ist und der Kreditnehmer offenkundig das Vorliegen eines ausreichend bestimmten Kreditvertrags akzeptiert hat (4 Ob 208/21y, 9 Ob 66/21b).

[10] 2.4 Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, dass aufgrund dieser ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung die von der Klägerin beanstandeten Klauseln keine Nichtigkeit des Fremdwährungskreditvertrags bewirken und schon allein aus rechtlichen Gründen keine taugliche Grundlage für einen Bereicherungsanspruch gegen die Bank auf Rückabwicklung bieten würden. Neue Argumente mit Aussicht auf Änderung dieser oberstgerichtlichen Rechtsprechung lasse die Klägerin nicht erkennen. Dass die Klägerin beabsichtige, auch ein Nicht-Zustandekommen des konkreten verfahrensgegenständlichen Vertragsverhältnisses mangels Bestimmtheit zu relevieren, lasse sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen. Es sei daher vom Fehlen der Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Klagsführung und von der Leistungsfreiheit der Beklagten nach Art 9.2.3 ARB auszugehen.

[11] Gegen diese Beurteilung bringt die Klägerin keine Argumente vor.

[12] 3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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