OGH 6Ob76/22b

OGH6Ob76/22b29.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R*, 2. E*, beide *, vertreten durch Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E* AG, *, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.375,04 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Februar 2022, GZ 2 R 126/21w‑21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00076.22B.0829.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Uneinheitliche Rechtsprechung von Gerichten zweiter Instanz stellt regelmäßig (insbesondere wenn – wie im vorliegenden Fall gegeben – bereits eine klare Rechtsprechungslinie des Obersten Gerichtshofs besteht) keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO dar und kann daher die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nicht bewirken.

[2] Zu den von der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit von Banken gewährten Fremdwährungskrediten hat der Oberste Gerichtshof jüngst bereits in zahlreichen Entscheidungen Stellung genommen, sodass in Bezug auf den hier zu beurteilenden, im Wesentlichen gleichgelagerten Fall keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt:

[3] 2. Die Kläger haben zum Zweck der Wohnraumbeschaffung im Jahr 2006 bei der Beklagten einen Fremdwährungskredit „im Gegenwert von 40.000 EUR“ aufgenommen. Nach dem Kreditvertrag sollte die Kreditvaluta – sofern keine andere Vereinbarung getroffen wurde – in einem Betrag in Schweizer Franken auf das bei der Bank geführte Verrechnungskonto überwiesen werden. Die Kläger bestreiten nicht, dass ihnen ein Betrag von 40.000 EUR zugezählt und der entsprechende Schweizer Frankenbetrag aufgrund eines bestimmten (von ihnen im Verfahren selbst konkret dargelegten) Kurses am CHF-Konto als „Minusbetrag“ in Schweizer Franken angelastet wurde und sie regelmäßig – unbeanstandet gebliebene – Kontoauszüge erhielten, in denen der maßgebliche Währungskurs konkret ziffernmäßig angeführt sowie die Fremdwährungsschuld in Schweizer Franken ausgewiesen war, zumal sie dazu lediglich eingewendet haben, dass ihnen die entsprechenden Kontoauszüge seit Vertragsschluss „nicht mehr vollständig“ vorlägen (ON 7, 64). Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem zu 6 Ob 51/21z, in dem sich nicht einmal aus dem Prozessvorbringen der (damals) Beklagten ableiten ließ, wie hoch die aufgenommene Kreditsumme in der Schuld- oder Berechnungswährung Schweizer Franken war und wie und wann diese zwischen den Parteien festgelegt worden sein sollte.

[4] 3. Auf Nichtigkeit des Vertrags wegen (zunächst) mangelnder Bestimmtheit des Kreditbetrags (weil die Kreditsumme in Schweizer Franken im Vertrag nicht genannt wurde) können sich die Kläger daher nicht berufen, kann doch aus ihrem nachfolgenden Verhalten nach ständiger Rechtsprechung auf ihren Bindungswillen geschlossen werden (1 Ob 173/21d [Rz 11]; 9 Ob 66/21b [Rz 14 f]; 4 Ob 15/22t [Rz 9]; 2 Ob 54/22p [Rz 10 ff]; 7 Ob 58/22p [Rz 7]; 1 Ob 88/22f [Rz 12]).

[5] 4.1. Die Kläger meinen, weil ihnen (sogleich) ein Eurobetrag ausbezahlt wurde, handle es sich um einen Vertrag über eine „unechte“ Fremdwährungsschuld.

[6] 4.2. Dafür ist aber – nach gefestigter Rechtsprechung – nicht die Frage maßgebend, in welcher Währung der Kredit ausbezahlt wird, sondern, ob die fremde Währung die Grundlage für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers bildet (1 Ob 163/15z [ErwGr II.1]; 1 Ob 190/16x [ErwGr III.4.1]; 7 Ob 48/17k [ErwGr 1.1]; 4 Ob 208/21y [Rz 7]; 7 Ob 58/22p [Rz 3]; 1 Ob 88/22f [Rz 7]). Wird dem Kreditnehmer in einem solchen Fall (überdies) die Wahl eingeräumt, sich den (Fremdwährungs-)Kredit in Fremdwährung oder in Euro auszahlen zu lassen, handelt es sich um ein Angebot der Bank, zusätzlich zum Kreditvertrag einen Geldwechselvertrag abzuschließen. Lässt sich der Kreditnehmer den Kredit in Euro auszahlen, tritt zum Kreditvertrag ein (entgeltlicher) Geldwechselvertrag hinzu (vgl 8 Ob 37/20d [ErwGr III.2 f]; 1 Ob 93/21i [Rz 19]; 6 Ob 154/21x [Rz 1]; 1 Ob 163/21h [Rz 4]; 9 Ob 66/21b [Rz 8]; 4 Ob 15/22t [Rz 8]; 5 Ob 54/22k [Rz 9]).

[7] 4.3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts– wenn nach dem konkret abgeschlossenen Vertrag der (aufgenommene Betrag des) Fremdwährungskredit(s) grundsätzlich in Schweizer Franken auf das Verrechnungskonto zu überweisen gewesen sei, wozu der Kreditvertrag nun aber gerade vorgesehen habe, dass auch eine andere Vereinbarung getroffen werden könne, auf die sich die Kläger berufen hätten, sodass die Gutschrift unter allfälliger Konvertierung auf dem Verrechnungskonto erfolgt sei, ihnen somit ein Betrag von 40.000 EUR überwiesen sowie die „CHF-Summe“ als Minus‑Betrag auf dem Schweizer Franken‑Konto dargestellt worden sei und sie sich zudem verpflichtet hätten, den Gegenwert der Finanzierung in gewählter Fremdwährung zurückzuzahlen, handle es sich um eine echte Fremdwährungsschuld und einen zusätzlich abgeschlossenen Geldwechselvertrag – ist jedenfalls vertretbar.

[8] 5. Ebenso wenig begegnet dessen Rechtsansicht, der Fremdwährungskreditvertrag könne auch ohne den Geldwechselvertrag bestehen und durchgeführt werden, sodass eine etwaige Missbräuchlichkeit der beanstandeten (Konvertierungs‑)Klauseln nicht zur Nichtigkeit des Kreditvertrags führe, Bedenken:

[9] Der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass bei ausreichender Bestimmtheit des Kreditvertrags der Entfall einzelner Klauseln keine Nichtigkeit bewirkt (s 6 Ob 24/22f [Rz 6 zur Bestätigung, über die Besonderheiten und Risiken eines Fremdwährungskredits belehrt worden zu sein]; 9 Ob 66/21b [Rz 11]; 4 Ob 15/22t [Rz 12]; 1 Ob 9/22p [Rz 12]). Selbst eine allfällige Missbräuchlichkeit ändert also nichts daran, dass der Kreditnehmer den Kredit in – allenfalls von anderer Seite beschaffter (9 Ob 62/21i [Rz 10]) – Fremdwährung zurückzahlen müsste (7 Ob 58/22p [Rz 5]; 1 Ob 9/22p [Rz 13];  Ob 88/22f [Rz 9]). Zum behaupteten Widerspruch mit Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) genügt es, in Übereinstimmung mit den zu 4 Ob 15/22t (Rz 11) und 5 Ob 54/22k (Rz 13 f) ergangenen Entscheidungen darauf zu verweisen, dass die in der Revision zitierte Entscheidung des EuGH C‑212/20 , „A“ S.A., zur Frage des „Trennungsmodells“ nicht Stellung nimmt, was auch für die Entscheidung C-472/20 , Lombard Pénzügyi és Lízing Zrt./PN, gilt.

[10] 6. Auf ihren angeblichen Leistungsanspruch wegen Rückzahlung von Spesen und Gebühren kommen die Kläger nicht mehr gesondert zurück.

[11] 7. Die Vorinstanzen haben das eventualiter erhobene Feststellungsbegehren im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dieses ziele auf die Feststellung der Rechtsfolge, der Kredit sei in Euro zurückzuzahlen; diese Rechtsfolge könne aus der Nichtigkeit einzelner Klauseln jedoch nicht abgeleitet werden. Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung (4 Ob 208/21y [Rz 16]; 4 Ob 15/22t [Rz 13 f]).

[12] Soweit die Revisionswerber nunmehr – in gleicher Weise wie im zu 4 Ob 15/22t entschiedenen Fall – argumentieren, sie hätten auch ein Interesse an der Teilstattgebung des Feststellungsbegehrens hinsichtlich einzelner Punkte, zeigen sie keine Rechtsfrage der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf. Da § 405 ZPO auf dem Dispositionsgrundsatz beruht, kommt ein (objektiver) Minderzuspruch dann nicht in Betracht, wenn der Kläger erklärt, dass er nur an einer Gesamtstattgebung Interesse hat. Denn in diesem Fall läge nach der letztlich maßgebenden Sicht der Partei kein Minus, sondern ein Aliud zum Gewollten vor (4 Ob 93/13z [ErwGr 2.2.b]; 4 Ob 15/22t [Rz 14]). Ob dies der Fall ist, hängt von der Auslegung des Prozessvorbringens im Anlassfall ab und bildet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0042828 [T16]; vgl auch RS0054786). Dieser Grundsatz gilt auch für die Frage, ob bei einer bestimmten Formulierung eines Feststellungsbegehrens eine bloße Teilstattgebung in Betracht kommt (vgl 4 Ob 15/22t [Rz 14]).

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