OGH 7Ob58/22p

OGH7Ob58/22p29.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Solè als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H* W*, 2. S* W*, beide *, vertreten durch Koch Jilek Rechtsanwälte Partnerschaft in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Dr. Anton Ehm, Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung und 44.837,56 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. Februar 2022, GZ 12 R 31/21x‑13, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00058.22P.0629.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile schlossen im Juni 2004 einen Kreditvertrag ab, in dem sich die Beklagte (Bank) gegenüber den Klägern (Verbrauchern) verpflichtete, ihnen „einen in Euro und Fremdwährung einmalig ausnützbaren Kredit bis zum Gegenwert von 149.000 EUR in folgender Währung: Schweizer Franken ... zur Verfügung zu stellen“ (Klausel 1). Vereinbart wurde weiters: „Sie ermächtigen uns, die dem Kreditkonto jeweils angelasteten Zinsen und Kosten sowie fällige Kapitaltilgungen zu Lasten des Euro‑Girokontos einzuziehen“ (Klausel 2). „Die Rückführung erfolgt in der jeweiligen ausgenützten Währung“ (Klausel 3). Die AGB sahen überdies vor, dass „die Fremdwährungskredite effektiv, das heißt in der Währung zurückzuzahlen sind, in der sie das Kreditinstitut gegeben hat ... Das Kreditinstitut ist auch berechtigt, einen in fremder Währung aushaftenden Schuldsaldo unter Anzeige an den Kunden in inländische Währung umzuwandeln, wenn sich durch die Kursentwicklung der fremden Währung das Kreditrisiko erhöht und das Kreditinstitut innerhalb angemessener Frist keine ausreichende Sicherstellung erlangt oder ...“ (Klausel 4). Die Kläger entschlossen sich, den Kredit in Schweizer Franken auszunutzen, wodurch sie den Nutzen in Gestalt niedriger Fremdwährungszinsen zogen. Am 20. 7. 2004 belastete die Beklagte das CHF‑Konto der Kläger mit 228.595,80 CHF, wobei sie Folgendes auswies: „149.000 EUR, Kurs 1,5342000“ (unstrittig).

[2] Gegenstand des Verfahrens sind verschiedene von den Klägern erhobene Feststellungs‑ und Geldleistungsbegehren (Haupt‑ und Eventualbegehren). Zusammengefasst sind sie der Ansicht, die Vertragsklauseln seien mangels erkennbarer Berechnungsmethodik der Währungsumrechnung nichtig (§ 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 3 KSchG, § 6 Abs 1 Z 5 KSchG), wodurch der gesamte Kreditvertrag als undurchführbar wegfalle. Siewürden nur die Rückzahlung des ursprünglich gewährten Eurobetrags schulden.

Rechtliche Beurteilung

[3] 1.1 Nach ständiger Rechtsprechung setzt ein („echter“) Fremdwährungskredit voraus, dass der Kredit in einer anderen Währung als in Euro gewährt und die fremde Währung die – vor allem für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers maßgebliche – Grundlage bildet (1 Ob 163/15z; 1 Ob 190/16x; 7 Ob 48/17k; 1 Ob 93/21i; 1 Ob 163/21h; 9 Ob 66/21b). Entscheidend ist, ob der Vertrag Ansprüche auf Zahlung in der Fremdwährung begründet (vgl RS0061067). In diesem Fall muss der Kreditnehmer seine Zahlungspflichten aus dem Vertrag grundsätzlich (sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist oder sich der Schuldner auf die Ersetzungsbefugnis des § 907b ABGB beruft) in der fremden Währung erfüllen (1 Ob 163/21h mwN, 9 Ob 66/21b). Auch der Kreditgeber ist – sofern der Vertrag nichts anderes vorsieht – zur Kreditauszahlung in dieser Währung verpflichtet. Wird dem Kreditnehmer die Wahl eingeräumt, sich den (Fremdwährungs‑)Kredit in Fremdwährung oder in Euro auszahlen zu lassen, handelt es sich um ein Angebot der Bank, zusätzlich zum Kreditvertrag einen Geldwechselvertrag abzuschließen. Lässt sich der Kreditnehmer den Kredit in Euro auszahlen, tritt zum Kreditvertrag ein (entgeltlicher) Geldwechselvertrag hinzu (vgl 8 Ob 37/20d; 1 Ob 93/21i; 6 Ob 154/21x; 1 Ob 163/21h; 9 Ob 66/21b).

[4] 2.2 Hier hatten sich die Kläger entschlossen, den Kredit in der Währung Schweizer Franken auszunützen, in der vertragsgemäß auch die Rückführung des Kredits erfolgen sollte. Dafür wird auch das CHF‑Konto der Kläger geführt. Da diese Währung hier daher unzweifelhaft die von den Klägern „ausgenützte Währung“ ist, gingen die Vorinstanzen im Einklang mit der genannten Rechtsprechung davon aus, dass der den Klägern gewährte Kredit als echter (endfälliger) Fremdenwährungskredit in CHF zu qualifizieren ist (vgl insb 9 Ob 66/21b und 1 Ob 173/21d, die jüngst zu gleichgelagerten Sachverhalten bei identer Bedingungslage ergangen sind).

[5] 2.3 Es entspricht ebenfalls der ständigen Rechtsprechung, dass der Fremdwährungskreditvertrag auch ohne den Geldwechselvertrag bestehen und durchgeführt werden kann (6 Ob 154/21x; 9 Ob 62/21h; 9 Ob 66/21b). Ist der Geldwechselvertrag unwirksam, fällt daher der Fremdwährungskreditvertrag nicht automatisch weg. Entfielen beim Fremdwährungskreditvertrag die „Konvertierungsklauseln“ und käme auch eine Anwendung des § 907b Abs 1 ABGB nicht in Betracht, so bliebe es – wie der Oberste Gerichtshof auch jüngst ausgeführt hat (1 Ob 47/21z; 1 Ob 163/21h; 9 Ob 66/21b) – grundsätzlich dabei, dass die Kreditrückzahlung in der Fremdwährung zu erfolgen hat. Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen und könnte ohne die beanstandeten Klauseln fortbestehen. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – selbst beschaffen. Auch davon sind bereits die Vorinstanzen ausgegangen.

[6] 2.4 Die der Beklagten erteilte Einzugsermächtigung steht dem schon aufgrund ihrer Wiederrufbarkeit nicht entgegen. Gleiches gilt für die Möglichkeit der Beklagten, in bestimmten Fällen einseitig eine Konvertierung vorzunehmen. Der Wegfall dieser Klausel führte gerade dazu, dass die Kreditrückzahlung in der Fremdwährung auch weiter zu erfolgen hat.

[7] 3. Von einer allfälligen Intransparenz oder Missbräuchlichkeit von Umrechnungsklauseln des Geldwechselvertrags ist demgemäß zu trennen, ob der Fremdwährungskreditvertrag als solcher wirksam zustande gekommen ist, um auch ohne den Geldwechselvertrag bestehen und durchgeführt werden zu können. Dafür müssen die Kreditsumme als Hauptleistungspflicht des Kreditgebers und die Rückzahlungspflicht als Hauptleistungspflicht des Kreditnehmers als essentialia negotii ausreichend bestimmt im Sinn einer eindeutigen Bestimmbarkeit sein (§ 869 ABGB; vgl RS0014010, RS0014693). Darüber hinaus ist selbst ein durch die Unbestimmtheit entstehender Mangel „heilbar“ im Sinn eines neuen Vertragsabschlusses, wenn ein späteres Verhalten nach § 863 ABGB eindeutige Schlüsse auf den dann gegebenen bestimmten Bindungswillen zulässt (RS0014711; Rummel in Rummel/Lukas ABGB⁴ § 869 Rz 8 mwN [Stand 1. 11. 2014, rdb.at]; vgl insoweit auch 6 Ob 51/21z, 9 Ob 66/21b). Es geht hier sohin nicht um die Frage der Transparenz der Umrechnungsmodalitäten, sondern um die Bestimmtheit der geschuldeten Kreditsumme. Erst wenn sie nicht bestimmt werden kann, kommt (auch) der Fremdwährungskreditvertrag nicht wirksam zustande.

[8] 4. Hier wurde die Kreditsumme bei Vertragsabschluss mit „zum Gegenwert von 149.000 EUR“ umschrieben. Der vorliegende Fall enthält nun zwar keine Klauseln für die Ermittlung der Umrechnung in den CHF‑Betrag (der naturgemäß erst nach dem Kreditabruf nach Maßgabe des aktuellen Kurses errechnet werden konnte). Anders als in dem der Entscheidung 6 Ob 51/21z zugrunde liegenden Fall brachten die Kläger hier aber selbst vor, dass nach Kreditvertragsabschluss das CHF‑Kreditkonto mit einem Betrag in Höhe von 228.595,80 CHF belastet worden sei, in welchem Zusammenhang sie sich ausdrücklich auf den ihnen – offenkundig zugegangenen – Kontoauszug des CHF‑Kontos bezogen, der nach ihren eigenen Behauptungen sowohl den CHF‑Betrag auswies als auch den konkret herangezogenen Währungsumrechnungskurs dokumentierte. Erlangten sie aber auf diese Weise Kenntnis vom Kreditbetrag in CHF und beanstandeten sie diesen CHF‑Betrag nicht, so lässt ihr Verhalten hier nur den Schluss zu, mit einer Kreditsumme in Höhe eben jenes CHF‑Betrags einverstanden gewesen zu sein, mit dem ihr CHF‑Konto belastet wurde (vgl 9 Ob 66/21b, 1 Ob 173/21d). Damit ist die Fremdwährungsschuld betraglich mit 228.595,80 CHF bestimmt und zu dem für die Ausnützung des Kredits in Fremdwährung vereinbarten Zinssatz vertragsgegenständlich.

[9] 5. Da danach im Anlassfall nicht von einer Nichtigkeit des zwischen den Parteien abgeschlossenen Kreditvertrags auszugehen ist, die mangels Bestimmtheit der Kreditvaluta oder wegen Undurchführbarkeit des Vertrags zu begründen wäre, können die unionsrechtlichen Ausführungen der Kläger zur Frage der Schließung einer durch Wegfall einer intransparenten oder missbräuchlichen Vertragsklausel entstandenen Lücke durch das dispositive Recht (§ 907d Abs 1 ABGB), die der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 37/20d grundsätzlich bejahte, dahin gestellt bleiben.

[10] Das gilt auch im Hinblick auf das Leistungsbegehren der Kläger (Pkt 5.), das auf die Rückzahlung der von ihnen geleisteten Zinsen, Kontoführungsgebühren und sonstigen Spesen gerichtet ist. In welchem Ausmaß in der – nach Maßgabe eines echten Fremdwährungskredits in CHF geschuldeten – Zahlung von Zinsen in EUR eine rechtsgrundlose Überzahlung läge, wurde von den Klägern nicht beziffert. Die Rückzahlung der mit der Kontoführung verbundenen Gebühren und Bearbeitungsspesen wurde von ihnen auf die Nichtigkeit des Kreditvertrags gestützt, die nicht vorliegt.

[11] 6. Keines der Klagebegehren lässt sich demnach aus all dem ableiten.

[12] 7. Daweder die von den Klägern behauptete mangelhafte Aufklärung durch die Beklagte (über das Währungsrisiko) noch eine Nichtigkeit von Umrechnungsklauseln zur Nichtigkeit oder Undurchführbarkeit des Kreditvertrags führt, liegen auch die geltend gemachten Stoffsammlungsmängel nicht vor.

[13] 8. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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