OGH 9Ob66/21b

OGH9Ob66/21b19.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei * H*, vertreten durch Koch Jilek Rechtsanwälte Partnerschaft in Bruck/Mur, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Dr. Anton Ehm, Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert: 50.120,37 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 10. August 2021, GZ 30 R 99/21f‑23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00066.21B.0519.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

[1] Die Streitteile schlossen am 17./23. 7. 2008 einen Kreditvertrag ab, in dem sich die Beklagte (Bank) gegenüber dem Kläger (Verbraucher) verpflichtete, ihm einen „in Euro und Fremdwährung einmalig ausnützbaren Kredit bis zum Gegenwert von 63.500 EUR in folgender Währung: Schweizer Franken … zur Verfügung zu stellen“ (vom Kläger als „Klausel 1“ bezeichnet). Vereinbart wurde weiter: „Sie ermächtigen uns, die dem Kreditkonto jeweils angelasteten Zinsen und Kosten sowie fällige Kapitaltilgungen zu Lasten des Euro-Girokontos … einzuziehen [′Klausel 2′]. … Der Kredit steht Ihnen in der eingangs angeführten Höhe bis 31. 7. 2022 zur Verfügung. Die Rückführung erfolgt in der jeweiligen ausgenützten Währung.“ Die damaligen AGB sahen überdies vor, dass Fremdwährungskredite effektiv, dh in der Währung zurückzuzahlen sind, in der sie das Kreditinstitut gegeben hat. Eine Vereinbarung zum anzuwendenden Wechselkurs wurde nicht getroffen. Der Kläger entschloss sich, den Kredit in CHF auszunutzen, wodurch er den Nutzen in Gestalt niedriger Fremdwährungszinsen zog. Am 30. 7. 2008 belastete die Beklagte das CHF-Konto des Klägers mit 104.057,45 CHF, wobei sie Folgendes auswies: „EUR 63.500,000, Kurs 1,6387000“ (Beil. ./13; unstrittig).

[2] Der Kläger begehrte mit seiner am 7. 7. 2020 eingebrachten Klage unter Bedachtnahme auf seine bisherigen Zahlungen die Feststellung, dass er aus dem nicht zustande gekommenen / ungültigen Kreditvertrag 50.120,37 EUR, in eventu 51.390,37 EUR schulde. Die weiteren Eventualbegehren sind auf die Feststellung einer Rückzahlungsverpflichtung in Euro (63.500 EUR bzw den tatsächlich zugezählten EUR‑Betrag; jeweils ohne, in eventu mit Annahme eines aufrechten Kreditverhältnisses) und die Pflicht der Beklagten zur Rückzahlung der bisherigen Leistungen des Klägers gerichtet. Zusammengefasst ist er der Ansicht, die Vertragsklauseln 1 und 2 seien mangels erkennbarer Berechnungsmethodik der Währungsumrechnung nichtig (§ 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 3 KSchG, § 6 Abs 1 Z 5 KSchG), wodurch der gesamte Kreditvertrag als undurchführbar wegfalle. Er schulde nur die Rückzahlung des ursprünglich gewährten Eurobetrags.

[3] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

[4] In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[5] 1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Im Fehlen ausreichender Feststellungen liegt eine sekundäre Mangelhaftigkeit, die der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist (RS0043304, RS0043322), nach den nachstehenden Erwägungen hier jedoch nicht gegeben ist.

[6] 2. Revisible Rechtsfragen sieht der Klägerzusammengefasst darin, dass das Berufungsgericht zur Frage, unter welchen Umständen Klauseln zur Beschaffung und Rückzahlung von Fremdwährung und der damit verbundenen Währungsumrechnungsvorgänge als intransparent und missbräuchlich im Sinne der RL 93/13/EWG zu qualifizieren seien, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei. Auch fehle Rechtsprechung zur Frage, ob die Nichtigkeit bestimmter Vertragsklauseln einen Fremdwährungskredit in rechtlicher oder technischer Natur undurchführbar werden lasse. Dies gelte insbesondere für Klauseln, die zur erstmaligen ziffernmäßigen Bestimmung der Fremdwährungsschuld herangezogen werden (müssen), und für Klauseln, nach denen CHF-Kreditzinsen und die Festlegung des EUR-Gegenwerts, der vom EUR-Verechnungskonto eingezogen werden solle, bestimmt werden. Das Berufungsgericht habe nicht erkannt, dass die Prüfung der Durchführbarkeit eines Kreditvertrags nach Wegfall der Klauseln nach objektiven Kriterien vorzunehmen sei. Es sei auch zur Frage der Zulässigkeit der Schließung einer Vertragslücke durch ergänzende Vertragsauslegung oder dispositives Recht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen.

[7] Dem ist nicht zu folgen.

[8] 2.1. Nach ständiger Rechtsprechung setzt ein („echter“) Fremdwährungskredit voraus, dass der Kredit in einer anderen Währung als in Euro gewährt wird und die fremde Währung die – vor allem für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers maßgebliche – Grundlage bildet (1 Ob 163/15z Pkt. II.1.; 1 Ob 190/16x Pkt. III.4.1; 7 Ob 48/17kPkt. 1.1; 1 Ob 93/21i Rz 19; 1 Ob 163/21h Rz 4). Entscheidend ist, ob der Vertrag Ansprüche auf Zahlung in der Fremdwährung begründet (vgl RS0061067). In diesem Fall muss der Kreditnehmer seine Zahlungspflichten aus dem Vertrag grundsätzlich (sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist oder sich der Schuldner auf die Ersetzungsbefugnis des § 907b ABGB beruft) in der fremden Währung erfüllen (1 Ob 163/21h mwN). Auch der Kreditgeber ist – sofern der Vertrag nichts anderes vorsieht – zur Kreditauszahlung in dieser Währung verpflichtet. Wird dem Kreditnehmer die Wahl eingeräumt, sich den (Fremdwährungs‑)Kredit in Fremdwährung oder in Euro auszahlen zu lassen, handelt es sich um ein Angebot der Bank, zusätzlich zum Kreditvertrag einen Geldwechselvertrag abzuschließen. Lässt er sich den Kredit in Euro auszahlen, tritt zum Kreditvertrag ein (entgeltlicher) Geldwechselvertrag hinzu (vgl 8 Ob 37/20d Pkt. III.2 f.; 1 Ob 93/21i Rz 19; 6 Ob 154/21x Rz 1; 1 Ob 163/21h Rz 4).

[9] Hier hatte sich der Kläger entschlossen, den Kredit in der Währung Schweizer Franken auszunützen, in der vereinbarungsgemäß auch die Rückführung des Kredits erfolgen sollte. Dafür wird auch das CHF-Konto des Klägers geführt. Da diese Währung hier daher unzweifelhaft die vom Kläger „ausgenützte Währung“ ist, ging schon das Erstgericht im Einklang mit der genannten Rechtsprechung zutreffend davon aus, dass der dem Kläger gewährte Kredit als echter (endfälliger) Fremdwährungskredit in CHF zu qualifizieren ist.

[10] Die in einem Verbandsverfahren ergangene Entscheidung 1 Ob 93/21i, in der die hier als „Klausel 2“ bezeichnete Bestimmung für sich als intransparent erkannt wurde, steht dem nicht entgegen. Die dort angenommene Unklarheit bezüglich der „ausgenützten Währung“ besteht hier nicht, weil sich der Kläger unmissverständlich dafür entschied, den Kredit in Schweizer Franken aufzunehmen, womit der Kredit ein Fremdwährungskredit blieb (s insoweit auch 1 Ob 93/21i Rz 19). Eine Vereinbarung, den Fremdwährungskredit in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen, ist nach der Rechtsprechung auch nicht gröblich benachteiligend oder missbräuchlich (s 6 Ob 228/16x Pkt 2.17).

[11] 2.2. Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung, dass der Fremdwährungskreditvertrag auch ohne den Geldwechselvertrag bestehen und durchgeführt werden kann (6 Ob 154/21x Rz 2; 9 Ob 62/21h Rz 10). Ist der Geldwechselvertrag unwirksam, fällt daher der Fremdwährungskreditvertrag nicht automatisch weg. Entfielen beim Fremdwährungskreditvertrag die „Konvertierungsklauseln“ und käme auch eine Anwendung des § 907b Abs 1 ABGB nicht in Betracht, so bliebe es – wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausgeführt hat (1 Ob 47/21z Rz 5; 1 Ob 163/21h Rz 6; 9 Ob 62/21h Rz 10) – grundsätzlich dabei, dass die Kreditrückzahlung in der Fremdwährung zu erfolgen hat. Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen und könnte ohne die beanstandeten Klauseln fortbestehen. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – selbst beschaffen. Auch davon ist bereits das Erstgericht ausgegangen.

[12] Die der Beklagten erteilte Einzugsermächtigung steht dem schon aufgrund ihrer Widerrufbarkeit nicht entgegen.

[13] 3. Von einer allfälligen Intransparenz oder Missbräuchlichkeit von Umrechnungsklauseln des Geldwechselvertrags ist demgemäß zu trennen, ob der Fremdwährungskreditvertrags als solcher wirksam zustande gekommen ist, um auch ohne den Geldwechselvertrag bestehen und durchgeführt werden zu können. Dafür müssen die Kreditsumme als Hauptleistungspflicht des Kreditgebers und die Rückzahlungspflicht als Hauptleistungspflicht des Kreditnehmers als essentialia negotii ausreichend bestimmt im Sinn einer eindeutigen Bestimmbarkeit sein (§ 869 ABGB; vgl RS0014010, RS0014693). Darüber hinaus ist selbst ein durch die Unbestimmtheit entstehender Mangel „heilbar“ im Sinne eines neuen Vertragsschlusses, wenn ein späteres Verhalten nach § 863 ABGB eindeutige Schlüsse auf den dann gegebenen bestimmten Bindungswillen zulässt (RS0014711; Rummel in Rummel/Lukas ABGB4 § 869 Rz 8 mwN [Stand 1. 11. 2014, rdb.at]; vgl insoweit auch 6 Ob 51/21z Rz 26). Es geht hier sohin nicht um die Frage der Transparenz der Umrechnungsmodalitäten, sondern um die Bestimmtheit der geschuldeten Kreditsumme. Erst wenn sie nicht bestimmt werden kann, kommt (auch) der Fremdwährungskreditvertrag nicht wirksam zustande.

[14] 4. Hier wurde die Kreditsumme bei Vertragsabschluss mit „zum Gegenwert von 63.500 EUR“ umschrieben. Der vorliegende Vertrag enthält nun zwar keine Klausel für die Ermittlung der Umrechnung in den CHF‑Betrag (der naturgemäß erst nach dem Kreditabruf nach Maßgabe des dann aktuellen Kurses errechnet werden konnte). Anders als in dem der Entscheidung 6 Ob 51/21z zugrunde liegenden Fall brachte der Kläger hier aber selbst vor (ON 13 S 4), nach Kreditvertragsabschluss einen Kontoauszug des CHF‑Kontos erhalten zu haben, der sowohl den CHF‑Betrag auswies als auch den konkret herangezogenen Währungsumrechnungskurs dokumentierte. Erlangte er aber auf diese Weise Kenntnis vom Kreditbetrag in CHF und beanstandete er diesen CHF-Betrag – der von Beginn an wie auch im Jahr 2020 nach Zahlung der laufenden Zinsen und Kosten auf den Kontoauszügen als solcher ausgewiesen wurde (Beil. ./13) –, nicht, so lässt sein Verhalten hier nur den Schluss zu, mit einer Kreditsumme in Höhe eben jenes CHF‑Betrags einverstanden gewesen zu sein, mit dem sein CHF-Konto belastet wurde (vgl auch 6 Ob 51/21z Rz 26). Damit ist die Fremdwährungsschuld hier betraglich mit 104.057,45 CHF bestimmt und zu dem für die Ausnützung des Kredits in Fremdwährung vereinbarten Zinssatz vertragsgegenständlich.

[15] 5.  Da danach im Anlassfall nicht von einer (Gesamt‑)Nichtigkeit des zwischen den Parteien abgeschlossenen Kreditvertrags auszugehen ist, die mangels Bestimmtheit der Kreditvaluta oder wegen Undurchführbarkeit des Vertrags zu begründen wäre, können die unionsrechtlichen Ausführungen des Klägers zur Frage der Schließung einer durch Wegfall einer intransparenten oder missbräuchlichen Vertragsklausel entstandenen Lücke durch das dispositive Recht (§ 907b Abs 1 ABGB), die der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 37/20d grundsätzlich bejaht hat, dahingestellt bleiben.

[16] Das gilt auch im Hinblick auf die Leistungsbegehren des Klägers (Pkt 3.2. und 4.2. des zweiten bzw dritten Eventualbegehrens), die auf die Rückzahlung der von ihm geleisteten Zinsen, Kontoführungsgebühren und sonstigen Spesen gerichtet sind. In welchem Ausmaß in der – nach Maßgabe eines echten Fremdwährungskredits in CHF geschuldeten – Zahlung von Zinsen in EUR eine rechtsgrundlose Überzahlung läge, wurde vom Kläger nicht beziffert. Die Rückzahlung der mit der Kontoführung verbundenen Gebühren und Bearbeitungsspesen wurde von ihm auf die Nichtigkeit des Kreditvertrags gestützt, die nicht vorliegt. Das Klagebegehren lässt sich aus all dem nicht ableiten.

[17] 6. Die außerordentliche Revision des Klägers ist danach mangels einer entscheidungswesentlichen Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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