OGH 9Ob62/21i

OGH9Ob62/21i25.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei G* B*, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 117.616,47 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Mai 2021, GZ 1 R 49/21i‑24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. Februar 2021, GZ 19 Cg 33/20d‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00062.21I.1125.000

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.412,90 EUR (darin 402,15 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist Verbraucher und beantragte beim beklagten Kreditinstitut (bzw deren Rechtsvorgängerin) am 11. 5. 2015 zur Finanzierung einer Rentenversicherung einen Kredit in Schweizer Franken in einer Euro‑Kredithöhe von 318.000. Am 1. 6. 2005 schlossen die Parteien einen Kreditvertrag über 318.000 EUR ab, den der Kläger in Euro, Schweizer Franken oder Japanischen Yen ausnützen konnte. Der Kläger entschied sich zur Ausnützung in Schweizer Franken. Nach auftragsgemäßer Konvertierung erhielt der Kläger von der Beklagten 318.000 EUR ausbezahlt. Vereinbart war, dass die Rückführung des Kredits währungskonform erfolgt. Der Vertrag beinhaltetfolgende Konvertierungs- bzw Umrechnungsklauseln:

Die Konvertierung des Kapitals erfolgt zum einfach gespannten Kurs, die der Zinsen zum normalen Kurs.

Allfällige in diesem Vertrag ausgewiesenen Umrechnungen in Fremdwährungen erfüllen ausschließlich Informationszwecke und erfolgen zum Devisenmittelkurs und ohne Berücksichtigung der im Devisenhandel üblichen Spannen und Spesen.

Der jeweilige Fremdwährungsbetrag ergibt sich aus dem für Verkäufe von CHF/JPY durch den Kunden gültigen einfach gespannten Devisenkurs am Tag der Konvertierung.

[2] Über Ersuchen des Klägers vom 14. 12. 2020 konvertierte die Beklagte seinen damals in Höhe von 491.469 CHF aushaftenden Kredit zum aktuellen Tageskurs in Euro. Am 16. 12. 2020 tilgte der Kläger seinen Kredit durch Zahlung von 457.787,38 EUR.

[3] Der Kläger begehrt von der Beklagten aus dem Titel der Bereicherung die Zahlung von 117.616,47 EUR sA. Die Konvertierungsklauseln verstießen gegen § 6 Abs 1 und Abs 2 KSchG sowie § 879 Abs 3 ABGB und fielen somit weg. Eine Lückenfüllung durch ergänzende Vertragsauslegung oder dispositives Recht sei unzulässig. Das Kreditverhältnis sei daher in seiner Gesamtheit nichtig und rückabzuwickeln. Die Darlehenssumme sei in Euro zurückzuzahlen, weil die Zuzählung keine effektive Fremdwährungsverbindlichkeit gewesen sei. Da die Beklagte bei Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen nur einen Anspruch von 340.171,91 EUR gehabt hätte, schulde sie ihm die Differenz zu seiner tatsächlichen Kreditrückzahlung. In eventu begehre er von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes 83.000 EUR sA. Hätte ihn die Beklagte über die Nichtigkeit des Vertrags aufgeklärt, hätte er diesen nicht abgeschlossen, sondern einen vergleichbaren Euro-Abstattungskredit. Seine Gesamtbelastung hätte dann nur 451.000 EUR betragen. Da der Fremdwährungskredit eine Gesamtbelastung von zumindest 534.000 EUR aufgewiesen habe, betrage sein Schaden 83.000 EUR.

[4] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Die Klauseln seien weder gröblich benachteiligend noch sonst unwirksam. Selbst im Falle der Nichtigkeit der Klauseln würde keine Gesamtnichtigkeit des Vertrags eintreten. Eine dadurch entstehende Lücke wäre durch dispositives Recht zu schließen. Auch ausgehend von einer Gesamtnichtigkeit des Vertrags hätte der Kläger den Kredit bei der Rückabwicklung in der Fremdwährung zurückzuzahlen, weil eine echte Fremdwährungsschuld vorliege. Das Schadenersatzbegehren sei unschlüssig und überdies längst verjährt.

[5] Die Vorinstanzen wiesen sowohl das Haupt- als auch das „Eventualbegehren“ (richtig handelt es sich bloß um ein Minus) ab. Das Berufungsgericht nahm zur Frage der Missbräuchlichkeit der in Rede stehenden Konvertierungsklauseln nicht abschließend Stellung. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass selbst dann, wenn die Klauseln wegfielen, keine Gesamtnichtigkeit des Fremdwährungskreditvertrags vorliege. Zum einen beträfen die inkriminierten Klauseln nur den Geldwechsel- und nicht auch den Kreditvertrag, zum anderen könne die dadurch entstandene Vertragslücke durch dispositives Recht (§ 907b ABGB) geschlossen werden. Wenn der Schuldner von seiner Ersetzungsbefugnis Gebrauch mache, dürfe der Gläubiger wertmäßig nicht schlechter gestellt werden. Die Ausübung der Ersetzungsbefugnis durch den Schuldner gestalte das bestehende Schuldverhältnis nicht inhaltlich um. Insbesondere werde aus der Fremdwährungsschuld keine Forderung, die auf Euro laute. Auch wenn die Klauseln zu einer Gesamtnichtigkeit des Vertrags führen würden, müsste der Kläger aus bereicherungsrechtlicher Sicht den Kredit in Schweizer Franken zurückzahlen, weil er nicht die Übernahme des Fremdwährungsrisikos, sondern nur die Umrechnungsklauseln beanstande. Das Schadenersatzbegehren des Klägers scheitere schon daran, dass der vom Kläger behauptete Schaden nicht aus der Verwendung der von ihm bekämpften Klauseln durch die Beklagte resultiere, sondern aus dem Eintritt des von ihm – sowohl nach nationalem Recht als auch nach Unionsrecht zulässigerweise – eingegangenen Fremdwährungsrisikos.

[6] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht für zulässig erklärt, weil der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 37/20d nur über die Zulässigkeit einer Geschäftspraktik zu entscheiden gehabt habe. Über die Frage, ob Klauseln, wie die hier angefochtenen, in Fremdwährungskreditverträgen mit Verbrauchern nichtig seien, und über die vertrags- oder bereicherungsrechtlichen Folgen einer solchen allfälligen Nichtigkeit habe das Höchstgericht dabei nicht zu entscheiden gehabt.

[7] Dem schloss sich der Revisionswerber zwecks Begründung der Zulässigkeit seines Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO an. Dem gegenüber bestritt die Revisionsgegnerin das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung der Revision des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

[8] Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision des Klägers mangels Aufzeigens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

[9] 1. Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Fremdwährungskredit dann vor, wenn der Kredit ganz oder teilweise in einer anderen Währung als in Euro gewährt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kredit in einer anderen Währung als Euro ausbezahlt wird. Maßgebend ist allein, dass die fremde Währung die Rechnungsgrundlage für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers bildet. Im Fall vereinbarter (End-)Fälligkeit erfolgt die Rückführung der laufenden Zinsen und des Kapitalbetrags zum Laufzeitende in der Fremdwährung (1 Ob 163/15z Pkt. II.1.; 1 Ob 190/16x Pkt. III.4.1; 7 Ob 48/17k Pkt. 1.1; 8 Ob 37/20d Pkt. II.3.; 1 Ob 47/21z Rz 5; 1 Ob 93/21i Rz 19; 1 Ob 163/21h Rz 4). Wird dem Kreditnehmer die Wahl eingeräumt, sich den (Fremdwährungs-)Kredit in Fremdwährung oder in Euro auszahlen zu lassen, handelt es sich um ein Angebot der Bank, zusätzlich zum Kreditvertrag einen Geldwechselvertrag abzuschließen. Lässt er sich den Kredit in Euro auszahlen, tritt zum Kreditvertrag ein (entgeltlicher) Geldwechselvertrag hinzu (vgl 8 Ob 37/20d Pkt. III.2 f.; 1 Ob 93/21i Rz 19; 6 Ob 154/21x Rz 1; 1 Ob 163/21h Rz 4). Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, der dem Kläger gewährte Kredit sei als echter (endfälliger) Fremdwährungskredit zu qualifizieren, steht mit der dargelegten Rechtsprechung in Einklang.

[10] 2. Entfielen – wie dies der Kläger anstrebt – beim gegenständlichen Fremdwährungskreditvertrag die hier beanstandeten „Konvertierungsklauseln“ und käme auch eine Anwendung des § 907b Abs 1 ABGB nicht in Betracht, so bliebe es – wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausgeführt hat (1 Ob 47/21z Rz 5; 1 Ob 163/21h Rz 6) – dabei, dass die Kreditrückzahlung in der Fremdwährung zu erfolgen hat. Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen und könnte ohne die beanstandeten Klauseln fortbestehen. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – selbst beschaffen. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung besteht keine Grundlage für die Annahme, dass mit der Unwirksamkeit des Geldwechselvertrags auch der Fremdwährungskreditvertrag wegfiele. Vielmehr kann der Fremdwährungskreditvertrag auch ohne den Geldwechselvertrag bestehen und durchgeführt werden (6 Ob 154/21x Rz 2; 1 Ob 163/21h Rz 6).

[11] 3. Auch wenn der Kläger von seiner – ihm allenfalls zustehenden (vgl § 907b Abs 1 2. HS) – Ersetzungsbefugnis Gebrauch gemacht hätte und statt wie im Fremdwährungskreditvertrag vereinbart in der Fremdwährung, in der Inlandswährung gezahlt hätte, hätte die Beklagte als Kreditgläubigerin wertmäßig nicht schlechter gestellt werden dürfen. Die Ausübung der Ersetzungsbefugnis durch den Schuldner gestaltet das bestehende Schuldverhältnis nicht inhaltlich um. Insbesondere wird aus der Fremdwährungsschuld keine Forderung, die auf Euro lautet (8 Ob 37/20d Pkt. II.6. mwN; 2 Ob 184/20b Rz 8). Das Wechselkursrisiko beim Fremdwährungskredit trägt grundsätzlich der Kreditnehmer. Für eine bereicherungsrechtliche – ausschließlich nach innerstaatlichem Recht zu beurteilende – Rückabwicklung des allfällig nichtigen Fremdwährungskreditvertrags in Euro, wie sie dem Kläger vorschwebt, ist daher auch aus diesem Grund kein Raum (vgl Perner, Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag – Durchgriff auf den Kreditvertrag?, ÖBA 2018, 15 [18]).

[12] 4. Auch soweit der Kläger seinen Leistungsanspruch auf Schadenersatz stützt, dringt er damit nicht durch. Mangels Nichtigkeit des Kreditvertrags hat die Beklagte die vom Kläger behaupteten Aufklärungspflichten nicht verletzt.

[13] 5. Die unionsrechtlichen Überlegungen des Klägers zur Frage der Schließung einer durch Wegfall einer Vertragsklausel entstandenen Lücke durch das dispositive Recht (§ 907b Abs 1 ABGB), die der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 37/20d grundsätzlich bejaht hat, können dahingestellt bleiben, weil im Anlassfall nicht von einer (Gesamt‑)Nichtigkeit des zwischen den Parteien abgeschlossenen Kreditvertrags auszugehen ist. Weder der Anregung auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über den in der Rechtssache C‑81/21 gestellten Antrag auf Vorabentscheidung noch jenem auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war daher näher zu treten.

[14] Die Revision des Klägers ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[15] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979).

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