European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00009.22P.0622.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Parteien schlossen im Oktober 2008 einen Vertrag über einen endfälligen Fremdwährungskredit über Schweizer Franken (CHF) im Gegenwert von maximal 65.000 EUR mit Laufzeitende 15. 9. 2033. Sie vereinbarten ein‑, drei‑ und sechsmonatige Zinszahlungen auf Basis näher umschriebener Zinssätze. Die von den klagenden Verbrauchern beigezogene selbständige Vermögensberaterin entwarf ein Finanzierungskonzept, das die Aufnahme des Schweizer Franken-Kredits beim beklagten Kreditunternehmen umfasste. Einziger Grund für die Kläger, einen Schweizer Franken-Kredit aufzunehmen, war, dass er – aus damaliger Sicht – insgesamt günstiger war als die eingeholten Vergleichsangebote über EUR-Kredite.
[2] Die beklagte Bank eröffnete für die Kläger anlässlich des Vertragsabschlusses ein Schweizer Franken‑Kreditkonto und zählte dann den Klägern den Kreditbetrag (101.367,50 CHF) zu, indem sie 64.999,98 EUR auf deren EUR‑Verrechnungskonto gutbuchte. Dieser Betrag entsprach zum Datum der Zuzählung bei einem Umrechnungskurs von EUR/CHF von 1,5595 dem Gegenwert von 101.367,50 CHF, der auf dem Kontoauszug des Kreditkontos und des EUR‑Verrechnungskontos ausgewiesen wurde (unstrittige Urkunden Beilagen ./6; ./E = ./1 = ./7, die den Feststellungen auch im Revisionsverfahren zugrunde gelegt werden können: RIS‑Justiz RS0121557 [T2, T3]). Die Kläger verwendeten den Darlehensbetrag noch am Tag der Zuzählung für die (teilweise) Zahlung des Kaufpreises für eine Eigentumswohnung (Beilagen ./E = ./1 = ./7). Sie bekamen regelmäßig Informationen zur Aushaftung des Kredits und zu den Kursdaten.
[3] Der Kredit wurde von den Klägern (während dieses Verfahrens) in Höhe der von der Beklagten berechneten Kreditsalden durch zwei Sondertilgungen – am 15. 2. 2021 80.784,24 EUR und am 23. 2. 2021 13.776,53 EUR – vorzeitig rückgeführt.
Der schriftliche Darlehensvertrag enthält folgende Klauseln:
„ 1. Darlehensbetrag:
Die Bank stellt Ihnen ein Fremdwährungsdarlehen in CHF mit der Möglichkeit, zum Zeitpunkt eines jeden Abrechnungsstichtages in JPY (wobei die Umrechnung über den Euro erfolgt) und Euro zu tauschen, auf Roll‑over‑Basis im Gegenwert von maximal
EUR 65.000,00
[...]
zur Verfügung.
Die Umrechnung in die vereinbarte Währung erfolgt zum jeweils am Zuzähltag gültigen Devisengeldkurs auf Basis Bank‑Fixing und steht Ihnen mit Valuta vier Banktage später auf Ihrem Euro‑Konto Nr. […] zur Verfügung.
Die Umrechnung der bei Vertragsabschluss fälligen gesetzlichen Darlehensgebühr sowie des Bearbeitungsentgeltes erfolgt mit dem zum Zeitpunkt der Darlehensvertragserstellung gültigen Devisengeldkurs auf Basis Bank‑Fixing.
[…]
4. Laufzeit und Rückführung:
[...]
4.2. Die Rückführung des Darlehens zu den oben angeführten Stichtagen, umgerechnet zum jeweiligen Devisenbriefkurs auf Basis Bank Fixing, hat zulasten Ihres [Euro‑]Kontos Nr. […] zu erfolgen, sodass der
15.09.2033
als letzter Rückführungstermin gewährleistet ist.
Die Rückführung ist variabel und richtet sich nach den jeweiligen Abrechnungsterminen, wobei zumindest die anfallenden Zinsen und Spesen beginnend mit 15.10.2008, zu entrichten sind.“
[4] Die Kläger begehrten nach ihren Zahlungen im Februar 2021 von der Beklagten zuletzt 40.358,88 EUR sA infolge Gesamtnichtigkeit des abgeschlossenen Kreditvertrags. Sie brachten dazu – stark zusammengefasst – vor, die Umrechnungsklauseln (Punkte 1. und 4.2. des Kreditvertrags) seien intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG) und missbräuchlich (§ 879 Abs 3 ABGB). Wegen Punkt 1. des Kreditvertrags werde die Fremdwährungsschuld in Schweizer Franken erst auf Grundlage des von der Beklagten selbst gebildeten Devisengeldkurses errechnet. Dies ginge zu ihren Lasten und sei daher missbräuchlich. Es handle sich auch um Entgeltänderungsklauseln im Sinn des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG. Aus dem Kreditvertrag ergäben sich keine Kriterien für die Kursbildung und keine ausreichenden Hinweise auf allfällige Spannen. Letztlich wäre es der Beklagten möglich, den Wechselkurs völlig willkürlich zu bestimmen. Aufgrund der Missbräuchlichkeit komme eine Ersetzung dieser Klauseln durch dispositives Recht nach unionsrechtlicher Rechtsprechung nicht in Frage. Aufgrund der Nichtigkeit sei der Vertrag rückabzuwickeln. Unter Berücksichtigung der „Sondertilgungen“ und der von ihnen geleisteten Zinsen und Gebühren in Gegenüberstellung der von der Beklagten zur Verfügung gestellten 65.000 EUR verbleibe ein Rückforderungsanspruch von 40.358,88 EUR.
[5] Das Erstgericht wies das Begehren ab. Die inkriminierten Klauseln seien weder gröblich benachteiligend noch intransparent. Auch die (näher festgestellte) Verkehrssitte des Bank‑Fixings sei für die Kläger nicht benachteiligend; keinesfalls sei der Kreditvertrag nichtig. Selbst wenn man die Klauseln als intransparent ansehe, sei eine Lückenfüllung durch das dispositive Recht geboten und zulässig.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es sich an der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs orientiert habe. Rechtlich führte es aus, die inkriminierten Klauseln hätten jedenfalls durch die Anwendung dispositiven Rechts ergänzt oder auch ersetzt werden können. Auch hätten die Kläger nicht darzulegen vermocht, weshalb die von ihnen angenommene Nichtigkeit des Kreditvertrags in einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung münden solle, die als Leistung der Beklagten ausschließlich 65.000 EUR – den auf dem EUR‑Konto zur Verfügung gestellten Kreditbetrag – heranziehe.
[7] Die Kläger argumentieren in ihrer außerordentlichen Revision, dass das Berufungsgericht in der Frage, ob das Schließen einer durch Wegfall einer missbräuchlichen Klausel entstandenen Vertragslücke durch dispositives Recht zulässig ist, von der Rechtsprechung des EuGH abgewichen sei. Weiters habe das Berufungsgericht den Ausnahmetatbestand nach Art 1 Abs 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. 4. 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl 1993, L 95, S 29) weit ausgelegt und sich der Oberste Gerichtshof mit einer solchen Auslegung noch nicht beschäftigt; zudem fehle es an Rechtsprechung zur Frage, welche konkreten Rechtsfolgen der Wegfall von Hauptleistungsklauseln eines Fremdwährungskredits nach sich zögen.
Rechtliche Beurteilung
[8] Damit zeigen die Kläger jedoch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
[9] 1. Die Vorinstanzen sind in unbedenklicher Weise vom Vorliegen eines echten Fremdwährungskreditvertrags ausgegangen. Die Beklagte eröffnete für die Kläger anlässlich des Abschlusses des Kreditabschlusses ein CHF‑Konto und zählte ihnen sodann den Kreditbetrag zu, indem sie 64.999,98 EUR auf das EUR‑Verrechnungskonto gutbuchte. Dadurch, dass die Kläger sich den Kredit in Euro auszahlen ließen, trat ein „Geldwechselvertrag“ hinzu, was auch für eine nicht juristisch geschulte Person erkennbar ist (4 Ob 15/22t Pkt 1. mwN; vgl 8 Ob 37/20d Pkt III. 2 f.; 1 Ob 93/21i Rz 19; 6 Ob 154/21x Rz 1; 1 Ob 163/21h Rz 4; 9 Ob 62/21i Rz 9).
[10] 2. Die Kreditsumme und damit die Geldschuld der Beklagten ist in ausländischer Währung ausgedrückt, und zwar in CHF, wenn auch im Kreditvertrag nicht ziffernmäßig ausgeführt, sondern mittels Bindung an den Gegenwert von maximal 65.000 EUR, konkretisiert im Kontoauszug anlässlich der Zuzählung mit 101.367,50 CHF. Die Vorinstanzen sind nach dem hier vorliegenden Sachverhalt von der Bestimmtheit des Kreditbetrags ausgegangen.
[11] Anders als in dem der Entscheidung zu 6 Ob 51/21z zugrundeliegenden Fall brachte die Beklagte vor, sie habe den Klägern einen Fremdwährungskredit in der Höhe von 101.367,50 CHF am 8. 10. 2008 zur Verfügung gestellt und diese nach Abschluss des Kreditvertrags über den „Einstiegskurs“ informiert. Die Kläger bekamen regelmäßig Informationen zur Aushaftung des Kredits und zu den Kursdaten. Sie erhielten nach Kreditvertragsabschluss einen Kontoauszug des CHF‑Kontos und des EUR‑Verrechnungskontos, die sowohl den CHF‑Betrag auswiesen als auch den konkret herangezogenen Währungsumrechnungskurs dokumentierten. Erlangten sie auf diese Weise Kenntnis vom Kreditbetrag in CHF, beanstandeten diesen CHF-Betrag nicht und verwendeten den ihnen in EUR ausgezahlten Kreditbetrag zur Finanzierung ihrer Wohnung, so lässt ihr Verhalten nur den Schluss zu, mit einer Kreditsumme in Höhe eben jenes CHF-Betrags einverstanden gewesen zu sein, mit dem ihr CHF-Konto belastet wurde (vgl auch 6 Ob 51/21z Rz 26). Damit war die Fremdwährungsschuld betraglich mit 101.367,50 CHF bestimmt und zu dem für die Ausnützung des Kredits in Fremdwährung vereinbarten Zinssatz Gegenstand des Vertrags (vgl 5 Ob 66/21y; 1 Ob 173/21d ua).
[12] 3. Da danach im Anlassfall nicht von einer (Gesamt-)Nichtigkeit des zwischen den Parteien abgeschlossenen Kreditvertrags auszugehen ist, können die unionsrechtlichen Ausführungen der Kläger zur Frage der Schließung einer durch Wegfall einer intransparenten oder missbräuchlichen Vertragsklausel entstandenen Lücke durch das dispositive Recht (hier: § 905a ABGB [aF] idF HaRÄG, BGBl I 2005/120), die der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 37/20d grundsätzlich bejaht hat, dahingestellt bleiben.
[13] 4. Entfiele beim (echten) Fremdwährungskreditvertrag die von den Klägern beanstandete „Konvertierungsklausel“ (Punkt 4.2 des Kreditvertrags) und käme auch – wie von ihnen vertreten – eine Anwendung des dispositiven Rechts (§ 905a aF; § 907b ABGB) nicht in Betracht, bliebe es nach der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 47/21z Rz 5; 1 Ob 163/21h Rz 6; 9 Ob 62/21i Rz 10) dessen ungeachtet dabei, dass die Kreditrückzahlung in der Fremdwährung zu erfolgen hat. Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen und könnte auch ohne die beanstandete Klausel fortbestehen. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – selbst besorgen. Damit besteht auch keine Grundlage für die Annahme, dass mit dem Fehlen eines wirksamen Geldwechselvertrags auch der Fremdwährungskreditvertrag wegfiele; dieser könnte auch ohne den Geldwechselvertrag bestehen und durchgeführt werden (6 Ob 154/21x Rz 2; 1 Ob 163/21h Rz 6; 9 Ob 62/21i Rz 10). Die Frage der Zulässigkeit der Lückenfüllung im Wege des Ersatzes der „Konvertierungsklausel“ durch Anwendung dispositiven Rechts ist daher hier nicht präjudiziell (so auch 4 Ob 15/22t Pkt 3.).
[14] 5. Soweit das Leistungsbegehren der Kläger auf die Rückzahlung der von ihnen geleisteten Zinsen und Gebühren „jeglicher Art“ infolge Nichtigkeit der „Umrechnungsklausel“ (Punkt 4.2 des Kreditvertrags) gerichtet ist, bliebe es selbst bei Entfall dieser Klausel dabei, dass sie – nach Maßgabe eines echten Fremdwährungskredits – ihre Rückzahlungen in CHF entsprechend den sonstigen Bestimmungen des Kreditvertrags zu leisten haben. Die Kläger haben sich nun nicht darauf berufen und auch nicht vorgebracht, dass sie unter Zugrundelegung der sie treffenden Rückzahlungsverpflichtungen für den wirksam zustande gekommenen CHF‑Kredit – im Fall des Wegfalls der „Umrechnungsklausel“ – zu viel an Zinsen, Kontoführungsgebühren oder sonstigen Spesen an die Beklagte gezahlt hätten. Sie haben daher nicht nachvollziehbar dargelegt, inwiefern ihr diesbezüglicher Rückforderungsanspruch berechtigt sein könnte. Dies kann durch die bloße (unrichtige) Rechtsbehauptung, sie hätten gar keine Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen und Spesen gehabt, nicht ersetzt werden.
[15] 6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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