OGH 6Ob206/22w

OGH6Ob206/22w23.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A*, vertreten durch Dr. Wolfgang Riha, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. Ute Toifl, LL.M, Rechtsanwältin in Wien, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des DI C*, 2. Dr. J*, 3. Mag. K*, 4. MMag. B*, 5. MMag. C*, Zweit- bis Fünftbeklagte vertreten durch Dr. Maria Lisa Aidin, MAS, LL.M., Rechtsanwältin in Salzburg, wegen 92.202,40 EUR sA, über die „ordentliche, in eventu außerordentliche Revision“ der zweit- bis fünftbeklagten Parteien gegen den Beschluss und das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Rekurs- und Berufungsgericht vom 27. Juni 2022, GZ 2 R 101/22y‑97, womit das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Dezember 2021, GZ 15 Cg 47/17k‑89, bestätigt und der Rekurs gegen dessen Beschluss zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00206.22W.1023.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

I. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zurückgewiesen.

III. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

Begründung:

[1] DI C* und die Zweit- bis Fünftbeklagten sind die unbeschränkt haftenden Gesellschafter der R* OG (künftig: die OG). Der Kläger hat in Zivilprozessen um eine näher bezeichnete Liegenschaft (künftig: die liegenschaftsbezogenen Verfahren) die von den Vorinstanzen im Einzelnen festgestellten, im Verfahren mit den laufenden Nummern 1.12, 1.19., 1.26. bis 1.33 sowie 1.37 bis 1.41 bezeichneten rechtskräftigen und vollstreckbaren Exekutionstitel für Verfahrenskostenersatzansprüche gegen die OG über insgesamt 25.786,49 EUR erwirkt, die nicht Gegenstand von Oppositionsklagen der OG gegen den Kläger sind.

[2] Der Kläger begehrt die Zahlung von 92.202,40 EUR. Die Beklagten hafteten als Gesellschafter der OG nach § 128 UGB für deren Verbindlichkeiten.

[3] Die Beklagten wendeten ein, gegen sämtliche Kostentitel sei bereits von der OG und den Gesellschaftern außergerichtlich aufgerechnet worden; diese würden auch Aufrechnungseinrede erheben.

[4] Der Kläger hielt dem entgegen, eine Aufrechnung scheide aufgrund des dem Klagevertreter zustehenden Kostenpfandrechts nach § 19a RAO aus.

[5] Das Verfahren gegen die Erstbeklagte ist unterbrochen (Beschluss des Berufungsgerichts vom 8. 2. 2019, GZ 2 R 160/18v‑56; dazu 6 Ob 59/19y [Punkte V. und VI. des Spruchs]).

[6] Das Erstgericht wies mit in die Teilurteilsausfertigung aufgenommenem Beschluss den Antrag der Zweit- bis Fünftbeklagten auf Unterbrechung des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Sanierungsplanverfahrens betreffend die OG und/oder bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens 11 Cg 74/15y des Erstgerichts ab. In der Sache verpflichtete es die Zweit- bis Fünftbeklagten zur Zahlung von 25.786,49 EUR samt 4 % Zinsen aus 13.606,37 EUR seit 11. 5. 2017 und aus 12.180,12 EUR seit 24. 10. 2017.

[7] Die Kostenersatzansprüche des Klägers gegenüber der OG seien nur mit der Belastung des Pfandrechts zugunsten des Klagevertreters existent geworden, weil der Klagevertreter in den liegenschaftsbezogenen Verfahren gegen die OG stets die Bezahlung an ihn gefordert habe. Die Beklagten könnten dem Klagebegehren nicht im Sinn des § 129 UGB Forderungen der OG entgegenhalten, die bereits vor der Rechtskraft der Kostentitel entstanden und fällig gewesen seien, weil sich aus der Korrespondenz und den von der OG gegen den Kläger anhängig gemachten Verfahren jeweils keine Fälligstellung konkreter, im vorliegenden Verfahren behaupteter Ansprüche der OG gegen den Kläger ergebe. Das Kostenpfandrecht sei auch nicht infolge Tilgung der damit besicherten Honorarforderung des Klagevertreters erloschen, weil dieser seinem Mandanten (dem Kläger) gegenüber noch keine Honorarabrechnung und Zuordnung geleisteter Honorar‑Akonti vorgenommen habe und der aufgelaufene Honoraranspruch des Klagevertreters in den liegenschaftsbezogenen Verfahren die Akonti um einen über die Höhe der Klageforderung im vorliegenden Verfahren hinausgehenden Betrag übersteige. Die Beklagten könnten den im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüchen daher keine Einwendungen der OG im Sinn des § 129 UGB entgegenhalten.

[8] Daher seien nur mehr die drei von den Beklagten selbst eingewendeten Gegenforderungen zu prüfen. Es bestehe kein rechtlicher Zusammenhang zwischen den Klageforderungen und den Gegenforderungen für Behandlungskosten des Sohnes des Klägers und den Erlag eines Kostenvorschusses in einem Arzthaftungsprozess. Die als „Pönale“ bezeichnete Gegenforderung sei nicht schlüssig behauptet worden. Daher könne gemäß § 391 Abs 3 ZPO ein Teilurteil über die Klageforderung ergehen.

[9] Das als Rekurs- und Berufungsgericht angerufene Oberlandesgericht Graz wies den Rekurs der Zweit- bis Fünftbeklagten gegen die Abweisung der Unterbrechungsanträge zurück und sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Die Zurückweisung des Rekurses begründete es – unter Verweis auf § 192 Abs 2 ZPO – damit, dass kein Fall einer zwingenden Verfahrensunterbrechung vorliege.

[10] Es gab weiters der Berufung der Zweit- bis Fünftbeklagten nicht Folge und ließ die Revision zur Klärung der Rechtsfrage zu, ob zur Schuldtilgung durch außergerichtliche Aufrechnung gegen rechtskräftige und vollstreckbare Verfahrenskostenersatzforderungen eine „Anerkennung“ der Forderung durch den Aufrechnenden erforderlich sei.

[11] Mit Rechtskraft der Kostenentscheidungen im Prozessrechtsverhältnis zwischen der OG und dem Kläger sei das Pfandrecht des Klagevertreters nach § 19a RAO entstanden. Dieses bestehe allerdings nicht im Verhältnis zu den Beklagten, die nicht Parteien der liegenschaftsbezogenen Verfahren gewesen seien. Eine Tilgung der Kostenersatzforderungen des Klägers durch Aufrechnung mit eigenen, bereits vor Rechtskraft der Kostentitel entstandenen und fälligen Forderungen der OG gegen den Kläger hätte vorausgesetzt, dass die OG die Berechtigung der Kostenersatzforderungen des Klägers noch vor deren rechtskräftigem Zuspruch anerkannt hätten, was die Beklagten jedoch nicht behauptet hätten.

[12] Auch die Zweit- bis Fünftbeklagte hätten die den Gegenstand des Teilurteils bildenden Kostenersatzansprüche des Klägers nicht zwecks Schuldtilgung durch außergerichtliche Aufrechnung mit eigenen Forderungen anerkannt, sondern diese Forderungen mit dem Vorbringen bestritten, die OG habe die Ansprüche bereits durch Aufrechnung getilgt. Daher fehle es an der notwendigen unbedingten außergerichtlichen Aufrechnungserklärung.

[13] Darüber hinaus bestätigte es die Beurteilung des Erstgerichts, dass mangels Konnexität der von den Beklagten im Prozess eingewendeten Gegenforderungen die Erlassung eines Teilurteils nach § 391 Abs 3 ZPO zulässig sei.

[14] Die Zweit- bis Fünftbeklagte machen in ihrem als „ordentliche, in eventu außerordentliche Revision“ bezeichneten Rechtsmittel drei Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung geltend: (erstens) die – vom Berufungsgericht zur Begründung der Zulässigkeit der Revision angeführte – Frage, ob zur Schuldtilgung durch außergerichtliche Aufrechnung gegen rechtskräftige und vollstreckbare Kostenersatzansprüche eine „Anerkennung“ dieser Ansprüche durch den Aufrechnenden erforderlich sei; (zweitens) ob ein anhängiges „Sanierungsplanverfahren“ über das Vermögen einer OG einen Unterbrechungsgrund im Verfahren gegen die OG‑Gesellschafter nach § 128 UGB begründe; (drittens) ob die Leistung von Honorar‑Akonti des Mandanten an seinen Rechtsanwalt das Kostenpfandrecht des Anwalts nach § 19a RAO an den dem Mandanten gegen den Prozessgegner zugesprochenen Kostenersatzansprüchen im Ausmaß der geleisteten Akonti zum Erlöschen bringe.

 

Zu I. (Zurückweisung des Rekurses gegen die Abweisung der Unterbrechungsanträge):

Rechtliche Beurteilung

[15] Das als Revisionsrekurs zu wertende Rechtsmittel gegen die Zurückweisung des Rekurs der Zweit- bis Fünftbeklagten gegen die Abweisung der Unterbrechungsanträge ist nicht zulässig.

[16] I.1. Die Anfechtung der Zurückweisung eines Rekurses gegen einen Beschluss des Erstgerichts durch die zweite Instanz mit Revisionsrekurs ist nicht jedenfalls unzulässig, sondern nach den Voraussetzungen gemäß § 528 ZPO anfechtbar (6 Ob 10/20v; RS0044501 [T18]), weshalb das Rekursgericht die Aussprüche nach § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 ZPO zu treffen gehabt hätte.

[17] I.2. Im vorliegenden Fall ist die Nachholung des vom Rekursgericht nicht getroffenen Zulassungsausspruchs nach § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO allerdings als bloßer Formalismus entbehrlich. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in einem vergleichbaren Fall, in dem das Rekursgericht einen (dort: nach § 386 Abs 4 ZPO) unzulässigen Rekurs zurückgewiesen hatte, das gegen den Zurückweisungsbeschluss erhobene Rechtsmittel wegen Fehlens des Rechtsschutzinteresses zurückgewiesen, ohne zuvor dem Rekursgericht die Nachholung der Aussprüche gemäß § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 und 3 ZPO aufzutragen (8 Ob 648/89; vgl RS0041371 [T1]; RS0002488 [T12]). Auch im vorliegenden Fall, in dem das Rekursgericht den nach § 192 Abs 2 ZPO unzulässigen Rekurs zutreffend zurückwies, ist die Nachholung des Ausspruch nur um dem Revisionsrekurs sodann mangels sachlicher Berechtigung nicht Folge zu geben, als sinnloser Formalismus nicht geboten, weil der angestrebte Rechtsmittelerfolg – die Verfahrensunterbrechung wegen präjudizieller Zivilverfahren – dadurch nicht erreichbar ist. Das – insofern als Revisionsrekurs zu wertende – Rechtsmittel ist daher mangels Beschwer zurückzuweisen (vgl 8 Ob 648/89), ohne dass auf die in diesem Zusammenhang von den Zweit- bis Fünftbeklagten behauptete Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO einzugehen ist.

 

Zu II. (Zurückweisung der Revision):

II.1. Zurückweisung wegen Nichtübersteigens der Wertgrenze des § 502 Abs 2 ZPO

II.1.1. Im Umfang der gegenüber den Zweit- bis Fünftbeklagten geltend gemachten Haftung für die nachfolgend angeführten Kostentitel ist die Revision jedenfalls unzulässig:

1.12.: 544,13 EUR Urteil zu * des *gerichts * vom 27. 4. 2015 (*),

1.19.: 188,02 EUR Beschluss zu * des *gerichts * vom 17. 12. 2015 (*),

1.26.: 2.964,06 EUR Urteil zu * des *gerichts * vom 1. 6. 2016 (*),

1.27.: 210,84 EUR Beschluss zu * des *gerichts * vom 4. 7. 2016 (*),

1.29.: 779,72 EUR Urteil zu * des *gerichts * vom 25. 9. 2014, rechtskräftig und vollstreckbar seit 7. 10. 2015,

1.30.: 806,42 EUR Endbeschluss zu * des *gerichts * vom 27. 7. 2016,

1.31.: 210,84 EUR Beschluss zu * des *gerichts * vom 16. 3. 2017 (*),

1.32.: 208,32 EUR Beschluss zu * des *gerichts * vom 2. 3. 2017 (*),

1.33.: 611,23 EUR Endbeschluss zu * des *gerichts * vom 27. 7. 2016

1.37.: 418,78 EUR Beschluss zu * des * vom 29. 3. 2017 (*),

1.38.: 926,53 EUR Endbeschluss zu * des *gerichts * vom 12. 10. 2015,

1.39.: 4.266,67 EUR Beschluss des *gerichts * zu * vom 3. 7. 2017 (zu * des *gerichts *),

1.40.: 2.048,94 EUR Beschluss des *gerichts * zu * vom 3. 7. 2017 (zu * des *gerichts *).

[18] II.1.2. Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand), an Geld oder Geldeswert 5.000 EUR nicht übersteigt. Wird der gleiche Anspruch gegen mehrere Personen erhoben, die dafür solidarisch haften – wie dies bei der hier geltend gemachten Haftung nach § 128 UGB im Verhältnis der Gesellschafter untereinander der Fall ist (Eckert in Torggler, UGB³ § 128 Rz 9; Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 [72. Lfg 2020] § 128 UGB Rz 4) –, richtet sich der Wert nach der Höhe des einfachen Anspruchs. Im vorliegenden Fall kommt aufgrund der Solidarhaftung der Zweit- bis Fünftbeklagten eine Zusammenrechnung nach § 55 Abs 1 Z 2 JN nicht in Betracht; zu prüfen ist vielmehr eine solche nach § 55 Abs 1 Z 1 JN.

[19] II.1.3. Eine Zusammenrechnung nach § 55 Abs 1 Z 1 JN kommt – als Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzusammenrechnung (RS0122950) – in Frage, wenn die einzelnen Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Ein tatsächlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn allen Ansprüchen derselbe Klagegrund zugrunde liegt und keiner der Ansprüche die Behauptung eines ergänzenden Sachverhalts – zumindest zum Grund des Anspruchs – erfordert (1 Ob 185/18i; RS0037899 [T3]). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (vgl RS0037648). Ein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann (RS0037899).

[20] II.1.4. Im vorliegenden Fall resultiert jeder der Kostenersatzansprüche, für die die Haftung der Beklagten nach § 128 UGB geltend gemacht wird, aus einem eigenen, von den übrigen Ansprüchen unabhängigen Anspruchsgrund, weil jedem Anspruch unterschiedliche Prozesshandlungen und gesonderte Kostenentscheidungen zugrunde liegen. Allein der Umstand, dass die Beklagten als Gesellschafter der OG nach § 128 UGB in Anspruch genommen werden, vermag den für die Zusammenrechnung nach § 55 Abs 1 Z 1 JN erforderlichen Zusammenhang nicht herzustellen. Dazu kommt, dass im vorliegenden Verfahren im Kern die von den Beklagten erhobenen (in ihrer eigenen Person begründeten oder der OG zustehenden [§ 129 UGB]) Einwendungen gegen die Haftung der Beklagten für die titulierten Kostenersatzansprüche der OG zu prüfen sind, worin inhaltlich eine Ähnlichkeit zur Prüfung nach § 35 EO liegt. Nach ständiger Rechtsprechung rechtfertigen Exekutionsbewilligungen wegen verschiedener Forderungen aufgrund jeweils verschiedener Exekutionstitel allein keine Zusammenrechnung (RS0002246 [T4]), was auch für eine Oppositionsklage gilt, die sich gegen mehrere gesondert titulierte Kostenersatzforderungen richtet (3 Ob 166/12a).

[21] Das Unterschreiten der Wertgrenze des § 502 Abs 2 ZPO infolge Nichtzusammenrechnung hat zur Zurückweisung der Revision hinsichtlich der oben angeführten Ansprüche zu führen.

II.2. Zurückweisung mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO

[22] Im Übrigen ist die Revision der Zweit- bis Fünftbeklagten ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[23] II.2.1. Als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung machen die Zweit- bis Fünftbeklagten geltend, es sei zu klären, ob mit einer Akonto‑Zahlung des Mandanten an seinen Rechtsanwalt „für Prozesskosten“ – also mit einer Akontierung der Honorarforderung des Rechtsanwalts durch den Mandanten – das Pfandrecht des Rechtsanwalts gemäß § 19a RAO an der dem Mandanten zugesprochenen Kostenersatzforderung im Umfang der Akontierung erlösche. Das Berufungsgericht habe sich nicht mit dem Vorliegen eines „forderungsentkleideten Kostenpfandrechts“ auseinandergesetzt.

[24] II.2.2. Für das Pfandrecht gemäß § 19a RAO gelten – soweit § 19a RAO nicht Sonderregeln enthält, die als leges speciales den allgemeinen pfandrechtlichen Bestimmungen des ABGB vorgehen (vgl 7 Ob 2/07f) – die allgemeinen Grundsätze des Pfandrechts. Nach dem Grundsatz der Akzessorietät des Pfandrechts ist dieses (nur) solange aufrecht, als die besicherte Forderung besteht (RS0011343 [T2]). Dies gilt auch für das Pfandrecht des Rechtsanwalts nach § 19a RAO. Es trifft daher zu, dass das Kostenpfandrecht des Rechtsanwalts an der Kostenersatzforderung seines Mandanten durch die Tilgung der besicherten Schuld, also durch die Zahlung der besicherten Honorarforderung des Rechtsanwalts, erlischt.

[25] II.2.3. In diesem Zusammenhang zeigt die Revision eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, die für den Ausgang des Rechtsstreits präjudiziell ist (vgl RS0088931 [insb T3]), allerdings nicht auf:

[26] II.2.4. Nach den Feststellungen nimmt der Klagevertreter, der den Kläger auch in den liegenschaftsbezogenen Verfahren vertreten hat, in jenen Verfahren für seine Leistungen im Ergebnis eine tarifmäßige Abrechnung vor, wobei er unter Zugrundelegung des Tarifs Leistungen im Umfang von 350.000 EUR netto zugunsten des Klägers erbrachte. Er hat jedoch noch keine Abrechnung vorgenommen, sondern vom Kläger lediglich Akonto‑Zahlungen verlangt, die der Kläger im Umfang von 204.500 EUR leistete. Feststellungen über die Einforderungen der Honorar‑Akonti, aufgrund derer eine Zuordnung der geleisteten Akonto‑Zahlungen zu den einzelnen Anwaltsleistungen möglich wäre, wurden nicht getroffen. Das Erstgericht ging vielmehr davon aus, dass schon das Vorbringen der Beklagten nicht ausreichend konkretisiert sei, um daraus abzuleiten, dass mit den geleisteten Akonto‑Zahlungen die Honorarforderungen des Klagevertreters gerade für die Leistungen getilgt seien, die den im vorliegenden Teilurteil behandelten Kostenersatzansprüchen des Klägers gegen die OG entsprechen; derartiges sei auch den Tilgungsbestimmungen des ABGB nicht zu entnehmen.

[27] II.2.5. Dem hielten die Zweit- bis Fünftbeklagte in ihrer Berufung lediglich entgegen, das Kostenpfandrecht des Klagevertreters an den Kostenersatzansprüchen des Klägers gegen die OG aus den liegenschaftsbezogenen Verfahren sei durch die Akonto‑Zahlungen von 205.400 EUR deshalb zur Gänze erloschen, weil dem Klagevertreter gegen den Kläger keine Honorarforderungen von 350.000 EUR (netto) entstanden seien. Mit diesem Vorbringen ging die Berufung nicht vom festgestellten Sachverhalt (zur Höhe der aufgelaufenen Honoraransprüche des Klagevertreters gegen den Kläger) aus und war daher in diesem Punkt (Erlöschen der Honorarforderung des Klagevertreters gegen den Kläger aus den liegenschaftsbezogenen Verfahren) nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RS0043603). Soweit die Zweit- bis Fünftbeklagten in der Berufung davon ausgingen, die (behauptete) Tilgung der Honorarforderungen des Klagevertreters wäre als Tatsache festzustellen gewesen, lassen sie außer Acht, dass es sich dabei um eine Frage der rechtlichen Beurteilung handelt.

[28] Mangels gesetzmäßiger Ausführung der Berufung betreffend den selbständigen Aspekt des Bestands der Honorarforderungen des Klagevertreters, zu deren Gunsten das Pfandrecht gemäß § 19a RAO besteht, kann dieser Punkt im Revisionsverfahren nicht mehr aufgegriffen werden (vgl RS0043338 [T11, T13, T27]).

[29] II.2.6. Soweit auch in der Revision gerügt wird, das Berufungsgericht habe die Tilgung nicht wie begehrt festgestellt, geht dieses Vorbringen ins Leere, weil es sich dabei nicht um eine feststellungsfähige Tatsache, sondern um eine rechtliche Beurteilung handelt. Ein Mangel des Berufungsverfahrens ergibt sich aus dem diesbzüglichen Revisionsvorbringen nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

[30] II.2.7. Das Revisionsvorbringen, der Kläger mache im vorliegenden Verfahren unzulässiger Weise das zugunsten seines Vertreters bestehende Kostenpfandrecht geltend bzw aus der Klageführung im Namen des Klägers ergebe sich, dass ein Kostenpfandrecht des Klagevertreters an den gegenüber der OG titulierten Kostenersatzansprüchen des Klägers nicht bestehen könne, ist rechtlich nicht nachvollziehbar.

[31] II.2.8. Das weitere Revisionsvorbringen, der Klagevertreter habe nur an den Kostenersatzansprüchen des Klägers gegen die OG, nicht hingegen an den gemäß § 128 UGB gegen die Gesellschafter geltend gemachten Ansprüchen ein Pfandrecht nach § 19a RAO, zeigt schon deshalb keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf, weil das Berufungsgericht genau von dieser rechtlichen Prämisse ausgegangen ist (Berufungsurteil Punkt IV.1.).

[32] II.2.9. Die in der Revision formulierte Rechtsfrage im Zusammenhang mit den Akonto‑Zahlungen des Klägers an den Klagevertreter zeigen daher keine für den Ausgang des Rechtsstreits präjudizielle Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

[33] II.3.1. Auch die Revisionsausführungen zu der vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung formulierten Rechtsfrage sind nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision zu begründen:

[34] II.3.2. Nach ständiger Rechtsprechung kann die außergerichtliche Aufrechnung nur unbedingt erklärt werden und setzt daher die Anerkennung der Hauptforderung voraus (5 Ob 78/19k; RS0033970 [T10]), sie stellt ihr nur die Gegenbehauptung entgegen, dass sie wegen Schuldtilgung nicht mehr bestehe (5 Ob 90/21b). Der Unterschied zwischen prozessualer Aufrechnungseinrede und Schuldtilgungseinwand besteht lediglich darin, dass bei Zweiterem eine unbedingte, dem Bestand der Klageforderung voraussetzende Aufrechnung erfolgt, die Klageforderung daher nicht mehr strittig ist und nur mehr über den Bestand der Gegenforderung abzusprechen ist (5 Ob 90/21b; RS0040879 [T4]).

[35] II.3.3. Das Berufungsgericht verneinte eine – auch zugunsten der OG‑Gesellschafter wirkende (vgl § 129 UGB) – außergerichtliche Aufrechnung der OG gegen die den Gegenstand des vorliegenden Teilurteils bildenden Kostenersatzansprüche des Klägers mit der Begründung, die Beklagten hätten eine als Voraussetzung der außergerichtlichen Aufrechnung zu fordernde Anerkennung der Kostenersatzforderung des Klägers durch die OG nicht behauptet. Auch eine außergerichtliche Aufrechnung mit Ansprüchen der beklagten Gesellschafter scheitere daran, dass sie die Hauptforderung, also die Kostenersatzansprüche des Klägers gegen die OG, bestritten.

[36] II.3.4. Die Zweit- bis Fünftbeklagten greifen in ihrer Revision die vom Berufungsgericht in der Zulassungsbegründung ausgeführte Frage, ob die außergerichtliche Aufrechnung gegen eine titulierte Forderung einer Anerkennung der Forderung bedarf, lediglich insofern auf, als sie vorbringen, eine Anerkennung sei nicht notwendig. Sie bringen vor, das Berufungsgericht hätte sich nicht mit der Frage eines Forderungsanerkenntnisses, sondern – hinsichtlich der OG – nur damit auseinandersetzen dürfen, „ob“ die Kostenerstzansprüche durch außergerichtliche Aufrechnung mit Forderungen der OG getilgt worden seien. Weiteres Vorbringen dazu wird in der Revision allerdings nicht erstattet; es fehlt jede Bezugnahme darauf, woraus sich aus dem festgestellten Sachverhalt außergerichtliche Aufrechnungserklärungen gegen konkrete Kostenersatzforderungen des Klägers (insbesondere gegen jene Kostenersatzforderungen, hinsichtlich derer mit dem vorliegenden Teilurteil die Haftung der Gesellschafter nach § 128 UGB beurteilt wurde) ergeben sollen.

[37] II.3.5. Damit lässt das Revisionsvorbringen die trotz Zulassung der Revision erforderliche Anwendung der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage auf den konkret zu beurteilenden Fall (vgl RS0102059 [T21]; 6 Ob 113/20s) vermissen. Da eine Zuordnung allfälliger Aufrechnungserklärungen zu konkreten Kostenersatzansprüchen des Klägers nicht dargetan wird, gelingt es der Revision nicht aufzuzeigen, dass die Sachentscheidung im vorliegenden Fall von der Beantwortung der vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung formulierten Rechtsfrage überhaupt abhängt. Die Präjudizialität der Rechtsfrage ist aber eine (weitere) Voraussetzung der Zulässigkeit der Revision (RS0088931; Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 502 Rz 125).

[38] Aus diesem Grund sind die Revisionsausführungen zu einer allfälligen außergerichtlichen Aufrechnung mit Forderungen der OG nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zu begründen.

[39] II.3.6. Auch im Zusammenhang mit einer allfälligen außergerichtlichen Aufrechnung mit Forderungen der Gesellschafter wird keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ausgeführt. Die vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung formulierte Rechtsfrage betrifft die Aufrechnung gegen titulierte Ansprüche; titulierte Kostenersatzansprüche des Klägers aus den liegenschaftsbezogenen Verfahren bestehen aber nicht gegen die Beklagten, sondern ausschließlich gegen die OG.

[40] Die an eine unbedingte Aufrechnungserklärung gegen titulierte Forderungen zu stellenden Anforderungen sind daher für die in der eigenen Person der Gesellschafter begründeten Einwendungen nicht präjudiziell.

[41] Aufgrund der hier vorliegenden bloß abstrakten Bezugnahme auf die Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts ohne Anwendung auf den konkreten Fall ist die Zulässigkeit der Revision trotz des Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts nicht gegeben (vgl RS0102059 [T21]).

[42] II.4. Soweit die Revision ergänzend rügt, das Berufungsgericht sei von seiner rechtlichen Beurteilung der Konnexität von Gegenforderungen im Aufhebungsbeschluss vom 8. 2. 2019 abgewichen, verkennen sie, dass das Berufungsgericht die Rechtssache zum Zweck der Erörterung der Schlüssigkeit der Gegenforderungen an das Erstgericht zurückverwies.

[43] II.5. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, der vom Gericht zweiter Instanz verneint wurde – hier: die Nichtdurchführung von Zeugenbeweisen mangels schlüssigen Vorbringens – im Revisionsverfahren nicht mehr aufgegriffen werden.

[44] II.6. Die Revision ist daher auch insoweit zurückzuweisen.

[45] III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 4 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte