European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124524
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Akten werden dem Berufungsgericht zurückgestellt.
Begründung:
Die Kläger machen – als Eigentümer von (herrschenden) Liegenschaften – aufgrund der aufgrund zweier verschiedener Verträge zu ihren Gunsten verbücherten Wasserbezugs- und Wasserleitungsrechte jeweils mehrgliedrige Unterlassungsbegehren, mehrere (zum Teil wiederum mehrgliedrige) Feststellungs- und auch Leistungsbegehren geltend. Dabei geht es nicht nur um behauptete – anlässlich der Neufassung der Quelle erfolgte – Veränderungen der Leitungen, die zu einer Verschmutzung ihres Wassers und zu einer (Mengen-)Beeinträchtigung ihres Wasserbezugs geführt haben sollen, sondern auch um die Absperrung des Quellsammelschachts, eine von ihnen geforderte Ausführung von Ableitungen in bestimmter Weise, die Haftung für Kosten, die bei Neueinzäunung eines (erst festzulegenden) Quellschutzgebiets entstehen, sowie um den Umfang und die Ausgestaltung des Wasserbezugsrechts selbst.
Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung teilweise Folge und hob das Urteil des Erstgerichts zur begehrten Unterlassung auf (Punkte 1.a. bis 1.c. und 6.a. bis 6.c.), bestätigte aber im Übrigen mit Teilurteil die Abweisung der übrigen Begehren (2., 3.a. bis 3.c., 4., 5., 7., 8.a. bis 8.c., 9. und 10.). Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands „hinsichtlich der erstklagenden und der zweitklagenden Partei jeweils insgesamt“ 30.000 EUR übersteige und gegen das Teilurteil die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Dazu führte es – nachdem es zuvor die zu Spruchpunkt 2. bzw 7. zusätzlich zu den korrespondierenden Unterlassungsansprüchen (laut 1.a. bis 1.c. bzw 6.a. bis 6.c.) begehrten Ermächtigungen als vorbeugende Leistungsbegehren beurteilt hatte – aus, es stünden die in Bezug auf dieselben Beeinträchtigungen erhobenen (unterschiedlichen) Begehren in einem rechtlichen Zusammenhang, sodass die Ansprüche laut den Spruchpunkten 1.a. bis 1.c. einerseits sowie 6.a. bis 6.c. andererseits mit jenem zu Spruchpunkt 2. bzw 7. zusammenzurechnen seien. Da die Wasserversorgung der Kläger nur durch die vorliegende Quelle gewährleistet sei, sei der Wert des „Entscheidungsgegenstandes dieser (in beiden Fällen vier) Begehren jeweils mit insgesamt“ über 30.000 EUR zu bewerten. Eine Bewertung der weiteren, iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN selbständigen Begehren, erübrige sich daher.
Rechtliche Beurteilung
Dabei übersieht das Berufungsgericht, dass eine gemeinsame Bewertung (des einheitlichen Streitgegenstands) nur bei iSd § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnenden Begehren genügt. Diese Bestimmung ist als Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzusammenrechnung (vgl RIS‑Justiz RS0110872 [T8]) anzusehen (RIS-Justiz RS0122950). Bei selbständigen Begehren bedarf es aber – weil die Revisionszulässigkeit für jeden einzelnen Entscheidungsgegenstand zu beurteilen ist (§ 55 Abs 4 JN) – einer gesonderten Bewertung. Es kann sonst die für jeden selbständigen Streitgegenstand gesondert vorzunehmende Prüfung der Zulässigkeit der Revision (RIS‑Justiz RS0130936; RS0042642) nicht erfolgen.
Eine Zusammenrechnung kommt nach § 55 Abs 1 Z 1 JN dieser Bestimmung nur in Frage, wenn die einzelnen Ansprüche – nach den Klagsangaben (RIS-Justiz RS0042741 [insbes T7]) – in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen.
Ein tatsächlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn allen Ansprüchen derselbe Klagsgrund zugrunde liegt und keiner der Ansprüche die Behauptung eines ergänzenden Sachverhalts – zumindest zum Grund des Anspruchs –erfordert (vgl RIS-Justiz RS0037899 [T3]). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037648). Ein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann (RIS-Justiz RS0037899). So stehen nach der Rechtsprechung etwa mehrere Ansprüche aus einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, die sich auf verschiedene Eingriffshandlungen stützen, nicht in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN (RIS-Justiz RS0110012; 1 Ob 113/14w ua; ebenso zur actio confessoria 3 Ob 276/08x; 4 Ob 238/15a).
Das Berufungsgericht, das in diesem Sinn ohnehin selbst das Vorliegen mehrerer selbständiger Entscheidungsgegenstände angenommen hat, wird daher die fehlende getrennte Bewertung nachzuholen haben.
Sollte der Wert eines selbständigen Begehrens 5.000 EUR nicht übersteigen, wäre die Revision insoweit zurückzuweisen (§ 502 Abs 2 ZPO). Sollte das Berufungsgericht aussprechen, dass der Wert eines selbständigen Begehrens zwar 5.000 EUR nicht aber 30.000 EUR übersteigt, wird es – allenfalls nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens, was seiner Beurteilung vorbehalten bleibt (vgl RIS-Justiz RS0109623 [T14]) – den als „außerordentliche Revision“ bezeichneten Schriftsatz der Kläger insoweit als Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO zu behandeln und darüber abzusprechen haben, ob der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision abgeändert (§ 508 Abs 3 ZPO) oder der Antrag gemeinsam mit der Revision insoweit zurückgewiesen wird (§ 508 Abs 4 ZPO).
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