OGH 4Ob97/23b

OGH4Ob97/23b17.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H* W*, vertreten durch die Piaty Müller‑Mezin Schoeller Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. W* GmbH & Co KG, 2. W* GmbH, 3. W* GmbH & Co KG, 4. W* GmbH, 5. W* GmbH & Co KG, 6. W* GmbH, 7. W* GmbH & Co KG, 8. W* GmbH, 9. W* GmbH, *, alle vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Kleinszig/Dr. Puswald Partnerschaft in Sankt Veit an der Glan, wegen Vertragszuhaltung (Streitwert 1 Mio EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 13. April 2023, GZ 3 R 36/23y‑25, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 23. Jänner 2023, GZ 19 Cg 9/22h‑20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00097.23B.1017.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien gegenüber dem Kläger schuldig, in den Abschluss der Kaufverträge Beilage ./C und Beilage ./D, welche einen integrierenden Bestandteil des Urteilsspruches bilden würden, einzuwilligen, wobei die Rechtskraft des Urteiles die Einwilligung der beklagten Parteien ersetze, wird abgewiesen.“

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 123.670,75 EUR (darin 7.038,09 EUR USt und 81.442,20 EUR Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaften EZ * („A“) und EZ * („B“), jeweils KG *. Ab Herbst 2019 führte er Gespräche mit K* H* als Geschäftsführer der H* GmbH betreffend den Verkauf dieser Liegenschaften.

[2] Am 9. 12. 2019 wurde ein Optionsvertrag unterzeichnet, in welchem der Kläger der Optionsnehmerin H* GmbH oder einem oder mehreren von ihr namhaft gemachten Dritten das Recht einräumte, mittels Option I die Liegenschaft B zu den im Optionsvertrag enthaltenen Bedingungen zu erwerben. Mit Option II desselben Optionsvertrags räumte der Kläger der Optionsnehmerin oder einem oder mehreren von ihr namhaft gemachten Dritten weiters das Recht ein, die Liegenschaft A zu den im Optionsvertrag enthaltenen Bedingungen ebenfalls zu erwerben. Am 17. 6. 2020 wurde ein Nachtrag zum Optionsvertrag unterfertigt. Am 13. 8. 2021 wurde ein weiterer Nachtrag I zum Optionsvertrag unterfertigt, der ein Grundgerüst für die verfahrensgegenständlichen Kaufverträge beinhaltete. Auf Basis der Optionsverträge, insbesondere des Nachtrags I vom 13. 8. 2021, und auf Grundlage weiterer Gespräche erstellte der Rechtsvertreter der Optionsnehmerin H* GmbH am 13. 8. 2021 Vertragsentwürfe für den Ankauf der Liegenschaften; als Käufer schien darin eine „xxxx GmbH“ auf, da seitens der Optionsnehmerin noch nicht feststand, wer Käufer der Liegenschaften sein würde.

[3] Punkt 2.1.3 des Optionsvertrags vom 9. 12. 2019 enthält betreffend die Liegenschaft B folgende Bestimmung: „Mit dieser Option bleibt der Optionsgeber der Optionsnehmerin bis zum 30.6.2020 im Wort. Bis zu diesem Zeitpunkt kann von der Optionsnehmerin selbst oder von durch diese namhaft gemachten Dritten das Anbot schriftlich an die Adresse des Optionsgebers [= Adresse des Klägers] angenommen werden. […]

[4] Punkt 3.1.3 des Optionsvertrags vom 9. 12. 2019 enthält betreffend die Liegenschaft A folgende Bestimmung:

„Mit dieser Option bleibt der Optionsgeber der Optionsnehmerin bis zum 30.11.2022 im Wort. Bis zu diesem Zeitpunkt kann von der Optionsnehmerin selbst oder von durch diese namhaft gemachten Dritten das Anbot schriftlich an die Adresse des Optionsgebers [= Adresse des Klägers] angenommen werden. […]

[5] Mit Nachtrag vom 17. 6. 2020 zum Optionsvertrag wurde der Optionsnehmerin die Möglichkeit eingeräumt, die Option zu verlängern (Punkt 2.1.3 des Nachtrags) bzw eine verlängerte Optionsfrist eingeräumt (Punkt 3.1.3 des Nachtrags). Am Erfordernis, dass das Angebot von der Optionsnehmerin selbst oder von durch diese namhaft gemachten Dritten schriftlich an die Adresse des Optionsgebers (Klägers) angenommen werden kann, wurden keine Änderungen vorgenommen. Mit Nachtrag I vom 13. 8. 2021 zum Optionsvertrag vereinbarten die Vertragsparteien, dass Option I (betreffend die Liegenschaft B) und Option II (betreffend die Liegenschaft A) nur gemeinsam ausgeübt werden können und die Optionsfrist am 28. 2. 2022 endet. Am Erfordernis, dass das Angebot von der Optionsnehmerin selbst oder von durch diese namhaft gemachten Dritten schriftlich an die Adresse des Optionsgebers (Klägers) angenommen werden kann, wurden keine Änderungen vorgenommen.

[6] Aufgrund der Größe des von ihr geplanten Bauvorhabens benötigte die Optionsnehmerin H* GmbH einen Partner für das Projekt. Im Sommer 2021 hat sie „den G*-Konzern als Partner angeworben“.

[7] Der G*-Konzern war in die Vertragsverhandlungen, welche die H* GmbH und deren Rechtsvertreter, der nunmehrige Beklagtenvertreter Dr. K*, mit dem Kläger und seinem Rechtsanwalt, dem nunmehrigen Klagsvertreter Mag. M* führten, nicht aktiv involviert. G* L* als Geschäftsführer (unter anderem) der Bauunternehmung G* GmbH und der G* Holding GmbH und sein Mitarbeiter Mag. K* erhielten die Vertragsentwürfe sowie relevante Informationen von der H* GmbH übermittelt. Gegenüber dem Kläger oder dem Klagsvertreter traten sie jedoch nicht in Erscheinung. Es wurde gegenüber dem Kläger oder dem Klagsvertreter (mindestens) bis zum vereinbarten Unterschriftstermin am 14. 2. 2022 nicht offengelegt, dass die H* GmbH das Projekt gemeinsam mit einem Partner umsetzen wollte.

[8] Am 3. 12. 2021 unterzeichneten K* H* und G* L* die Gesellschaftsverträge der 2.-, 4.-, 6.- und 8.‑beklagten Partei (Komplementär-GmbH) sowie der 9.‑beklagten GmbH (Käufergesellschaft). Geschäftsführer aller dieser Gesellschaften waren seit Eintragung im Firmenbuch K* H* und G* L*, die jeweils nur gemeinsam vertretungsbefugt waren und sind.

[9] Zu diesem Zeitpunkt hatte G* L* die Information, dass die Kaufverträge zeitnah unterschrieben werden sollen. In einem E-Mail des Beklagtenvertreters vom 10. 12. 2021 an den Klagsvertreter teilte jener unter anderem mit, dass es begrüßenswert wäre, wenn die beiden Kaufverträge noch vor Weihnachten unterfertigt werden könnten.

[10] Mit Schreiben vom 15. 12. 2021 übermittelte der Beklagtenvertreter dem Klagsvertreter geringfügig überarbeitete Kaufvertragsentwürfe, die als „Endfassung 15.12.2021“ bezeichnet waren. Im Betreff des Schreibens ist „H* GmbH – Dr. H* W*, Optionssache (...)“ angeführt. Der Beklagtenvertreter führt in diesem Schreiben aus:

„Ich hoffe, dass die nunmehrigen Entwürfe von Ihrem Mandanten als Endfassungen akzeptiert werden, ersuche um kurze Bestätigung und werde bezüglich der Unterfertigung dieser beiden Versionen auf Sie zukommen.“

[11] Unter einem ersuchte der Beklagtenvertreter zur Vorbereitung des Treuhandauftrags um Bekanntgabe näher angeführter Informationen bzw Übermittlung bestimmter Unterlagen. Die mit diesem Schreiben vom 15. 12. 2021 übermittelten Vertragsversionen entsprechen inhaltlich den Verträgen laut Blg ./C und ./D, auf deren Unterfertigung das Klagebegehren gerichtet ist. In den mit Schreiben vom 15. 12. 2021 übermittelten Vertragsversionen waren lediglich die Firmenwortlaute der Käufergesellschaften noch nicht eingefügt. Abgesehen davon wurden lediglich Schreibfehler bzw ein Zahlensturz ausgebessert, was im Korrespondenzweg erfolgte und keine inhaltliche Änderung mit sich brachte.

[12] Welche Gesellschaften als Käufergesellschaften auftreten würden, wusste der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Allerdings war diese Frage für ihn inhaltlich nicht von Bedeutung, da die H* GmbH gemäß dem Optionsvertrag das Recht hatte, Dritte als Käufer namhaft zu machen. Der Kläger hätte jede von der H* GmbH namhaft gemachte Käufergesellschaft akzeptiert.

[13] Auf das Schreiben des Beklagtenvertreters vom 15. 12. 2021 antwortete der Klagsvertreter mit Schreiben vom 17. 12. 2021 wie folgt:

„In obiger Angelegenheit bedanke ich mich für die Übermittlung der beiden Endfassungen der Kaufverträge, welche nunmehr auch für [den Kläger] unterschriftsreif sind. Die von Ihnen angeforderten Unterlagen erliegen im Original in meiner Kanzlei. Anbei übermittle ich Kopien per Mail. Ich ersuche um Kontaktaufnahme zur Vereinbarung eines Unterschriftentermins.“

[14] Am 24. 1. 2022 unterzeichneten K* H* und G* L* als Geschäftsführer der vier Komplementär-GmbH (2.-, 4.-, 6.- und 8.‑beklagte Partei) die Gesellschaftsverträge der 1.-, 3.-, 5.- und 7.‑beklagten Partei (alle GmbH & Co KG; weitere Käufergesellschaften neben der 9.‑beklagten Partei). Die 2.‑beklagte Partei ist die einzige unbeschränkt haftende Gesellschafterin (Komplementär-GmbH) der 1.‑beklagten Partei. Die 4.‑beklagte Partei ist die einzige unbeschränkt haftende Gesellschafterin (Komplementär-GmbH) der 3.‑beklagten Partei. Die 6.‑beklagte Partei ist die einzige unbeschränkt haftende Gesellschafterin (Komplementär-GmbH) der 5.‑beklagten Partei. Die 8.‑beklagte Partei ist die einzige unbeschränkt haftende Gesellschafterin (Komplementär-GmbH) der 7.‑beklagten Partei.

[15] Weder im Rahmen der Gesellschaftsgründungen vom 3. 12. 2021 (2.-, 4.-, 6.-, 8.- und 9.‑beklagte Parteien) oder der Gesellschaftsgründungen vom 24. 1. 2022 (1.-, 3.-, 5.- und 7.‑beklagte Parteien), noch zu einem Zeitpunkt davor oder danach erteilte G* L* als Geschäftsführer der 2.-, 4.-, 6.-, 8.- und 9.‑beklagten Parteien und als vertretungsbefugtes Organ der 1.-, 3.-, 5.- und 7.‑beklagten Parteien an K* H* (in dessen Funktion als Geschäftsführer bzw vertretungsbefugtes Organ der Beklagten) eine Vollmacht zum Abschluss der Liegenschaftskaufverträge mit dem Kläger. G* L* erteilte als Geschäftsführer bzw vertretungsbefugtes Organ der genannten Gesellschaften auch keine Vollmacht an den Beklagtenvertreter zum Abschluss der Liegenschaftskaufverträge mit dem Kläger.

[16] G* L* wusste im Rahmen der Gesellschaftsgründungen am 24. 1. 2022, dass die Kaufverträge mit dem Kläger zeitnah unterzeichnet werden sollen. Dabei war ihm ebenfalls bewusst, dass betreffend die Käufergesellschaften lediglich eine gemeinsame Zeichnungsberechtigung zusammen mit K* H* besteht. Gegenüber dem Kläger oder dem Klagsvertreter hat G* L* nicht mitgeteilt oder offengelegt, dass seine Zustimmung zu den Verträgen noch nicht feststeht oder dass diese aufgrund der gemeinsamen Vertretungsbefugnis überhaupt erforderlich ist.

[17] Da sämtliche Käufergesellschaften am 24. 1. 2022 gegründet waren, koordinierte ein Angestellter der H* GmbH im Auftrag von und nach Abstimmung mit K* H* in weiterer Folge einen Termin zur notariell beglaubigten Unterzeichnung der Kaufverträge. Mit dem Kläger vereinbarte er hierfür einen Termin am 14. 2. 2022. Spätestens zu diesem Zeitpunkt stand für den Kläger fest, dass die Käufergesellschaften gegründet waren. Am 28. 1. 2022 übermittelte ein Mitarbeiter der H* GmbH an K* H*, G* L*, den Notar Mag. G*, den Beklagtenvertreter sowie den Kläger folgendes E-Mail mit dem Betreff „Vertragsunterzeichnung“:

„Ich habe mit [dem Kläger] den Termin für die Kaufvertragsunterzeichnung fixiert: 14.2.2022 9 Uhr *. Ich bitte um Kenntnisnahme und verlässliches Erscheinen.“

[18] Der Kläger wusste auch zu diesem Zeitpunkt nicht, dass die H* GmbH die Projektgesellschaften, die als Käuferinnen auftraten, gemeinsam mit einem Partnerunternehmen gegründet hatte. Die Frage, welche Gesellschaft bzw welche Gesellschaften als Käuferinnen auftreten würden, spielte für den Kläger und den Klagsvertreter keine zentrale Rolle. Bei der Vereinbarung des Unterschriftentermins vertraute der Kläger darauf, dass die Käufergesellschaften feststehen und allfällige Projektgesellschaften, die als Käuferinnen auftreten würden, wirksam gegründet wurden. Er vertraute auch darauf, dass die Käufergesellschaften, die aus der Sphäre der H* GmbH als Optionsnehmerin stammten, durch K* H* bzw den Beklagtenvertreter wirksam ihre Zustimmung zu den Verträgen erteilen können und (auch schriftlich) erteilen werden.

[19] Mit E-Mail vom 4. 2. 2022 übermittelte der Beklagtenvertreter dem Klagsvertreter ein E-Mail mit folgendem Inhalt:

„Sehr geehrter Herr Kollege!

Abschließend hat die Gründung der Käufergesellschaften seitens unserer Mandantschaft leider etwas länger gedauert. Diese Woche haben wir nun die Unterlagen erhalten und konnten die Verträge dahingehend vervollständigen. Wie Sie vielleicht bereits informiert sind, haben unsere Mandantschaften direkt einen Unterfertigungstermin für den 14.2.2022 um 09:00 Uhr mit dem Notariat Mag. G*, in * vereinbart.“

[20] Mit diesem E-Mail des Beklagtenvertreters wurden dem Klagsvertreter die Endfassungen der beiden nunmehr um die fünf Käufergesellschaften ergänzten Kaufverträge samt Beilagen sowie die Treuhandaufträge im Entwurf, die Treuhänderranganmerkung für den Kaufvertrag betreffend die Liegenschaft B sowie die Ranganmerkung für den Kaufvertrag betreffend die Liegenschaft A übermittelt. Festgehalten wurde noch, dass dem Notariat diese Unterlagen bereits übermittelt worden seien.

[21] Auch bei Erhalt dieses E-Mails vertrauten der Kläger und der Klagsvertreter darauf, dass die Käufergesellschaften, die aus der Sphäre der H* GmbH als Optionsnehmerin stammten, durch K* H* bzw den Beklagtenvertreter wirksam ihre Zustimmung zu den Verträgen erteilen könnten und (auch schriftlich) erteilen würden.

[22] Der Unterschriftentermin am 14. 2. 2022 wurde von K* H* kurzfristig abgesagt.

[23] Zu einer schriftlichen Annahme der Option im Sinne des Wortlauts von Punkt 2.1.3 und Punkt 3.1.3 des Optionsvertrags vom 9. 12. 2019 in der Fassung des Nachtrags vom 17. 6. 2020 zum Optionsvertrag bzw in der Fassung des Nachtrags I vom 13. 8. 2021 zum Optionsvertrag – mittels Schreibens an die Adresse des Klägers bis 28. 2. 2022 – kam es nicht.

[24] Mit Schreiben vom 4. 3. 2022 an den Beklagtenvertreter, welches auch an die Käufergesellschaften (1.-, 3.-, 5., 7.- und 9.‑beklagte Parteien) gerichtet war, forderte der Klagsvertreter die Käufergesellschaften auf, die Kaufverträge bis längstens 15. 3. 2022 zu unterfertigen. Zu einer Unterfertigung durch die Käufergesellschaften kam es jedoch nicht mehr.

[25] Der Kläger begehrte mit seiner mit 1 Mio EUR bewerteten Klage vom 7. 4. 2022, die 9.‑beklagte GmbH und die 1.-, 3.-, 5.- und 7.‑beklagten GmbH & Co KG als Käufergesellschaften sowie die 2.-, 4.-, 6.- und 8.‑beklagten Komplementär-GmbH zu verpflichten, in den Abschluss der Kaufverträge Blg ./C und ./D einzuwilligen. Spätestens am 4. 2. 2022, als der Rechtsvertreter der H* GmbH die Endversionen der Kaufverträge übermittelt habe, in welchen nunmehr auch die Beklagten als Käuferinnen aufgeschienen seien, und mit der Vereinbarung des Unterschriftentermins beider Kaufverträge am 14. 2. 2022 habe es zwischen dem Kläger und den Beklagten vollkommene Willenseinigung über sämtliche Punkte in den vom Vertreter der Käuferinnen erstellten Kaufverträgen gegeben. Der nunmehrige Beklagtenvertreter Rechtsanwalt Dr. K* habe damit zum Ausdruck gebracht, dass er nicht nur K* H* und die H* GmbH vertreten habe, sondern auch die Beklagten. Er habe entsprechende Erklärungen im Namen aller Beklagten abgegeben und nicht kundgetan, dass er die Beklagten nicht vertrete; es wäre aber seine Aufgabe gewesen, entsprechend darauf hinzuweisen, dass er die Beklagten nicht vertrete; da er das nicht getan habe, hätten der Kläger bzw der Klagsvertreter davon ausgehen dürfen, dass er im Namen aller Beklagten handle. K* H* sei stets als Vertreter der Käuferseite – in Gestalt der H* GmbH und später der Beklagten – aufgetreten. Der Kläger habe davon ausgehen dürfen, dass G* L* damit einverstanden gewesen sei, dass K* H* die Käuferseite nach außen hin vertrete, weil es der Lebenserfahrung entspreche, dass auch die Gründung des gesamten Käuferkonsortiums der Beklagten bereits am 3. 12. 2021, die Anpassung der Kaufverträge sowie deren Übersendung an die Klagsvertreterin nicht ohne Zustimmung von G* L* erfolgen habe können. K* H* habe in Vollmacht des G* L* gehandelt und zumindest jedenfalls für den Kläger diesen Anschein erweckt. Das Verhalten von K* H* bei der Festlegung der Kaufvertragsparameter und das Verhalten von G* L* „im Hintergrund“ sowohl bei der Gründung der Beklagten als auch bei der Abwicklung der Kaufverträge habe den Eindruck der Vertretungsbefugnis von K* H* hinsichtlich aller Beklagten erweckt. Damit habe der Kläger davon ausgehen dürfen, dass der nunmehrige Beklagtenvertreter Rechtsanwalt Dr. K* dazu bevollmächtigt und beauftragt gewesen sei, für die Beklagten durch sein E-Mail vom 4. 2. 2022 die verfahrensgegenständlichen Kaufverträge abzuschließen.

[26] Die Beklagten wandten ein, die bis 28. 2. 2022 verlängerten Optionen seien nicht in der vereinbarten zwingenden Form – schriftlich an die Adresse des Klägers – ausgeübt worden; Kaufverträge zwischen den Streitteilen seien nicht zustande gekommen. Für die Käufergesellschaften seien K* H* und G* L* nur gemeinsam zeichnungsberechtigt. Allfälliges Verhalten von K* H* alleine gegenüber dem Kläger könne nie zu einer Anscheinsvollmacht geführt haben. G* L* habe auch kein Verhalten gesetzt, dass das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht rechtfertigen würde und sei zu keinem Zeitpunkt in Erscheinung getreten oder habe Handlungen gesetzt, die die Annahme begründeten, die Beklagten hätten den Beklagtenvertreter bevollmächtigt bzw diesen ermächtigt, die Kaufverträge mit dem Kläger abzuschließen. G* L* habe weder den Beklagtenvertreter ausdrücklich oder konkludent bevollmächtigt noch K* H* beauftragt, Erklärungen abzugeben. Dem Beklagtenvertreter Dr. K* sei G* L* vorerst gar nicht bekannt gewesen; jener sei auch nicht in die Gespräche zwischen K* H* und G* L* oder die Gründung der neuen Gesellschaften eingebunden gewesen. Er sei dem Kläger gegenüber ausschließlich als Vertreter von K* H* bzw der H* GmbH aufgetreten, habe deren Interessen vertreten und sei von den Beklagten weder bevollmächtigt worden noch habe er in deren Namen rechtsverbindliche Erklärungen abgegeben. Es wäre die Pflicht des Klagsvertreters gewesen, in das Firmenbuch Einsicht zu nehmen, wo er hätte feststellen können, dass nur beide Geschäftsführer gemeinsam zeichnungsberechtigt seien und auch ein allfälliges Verhalten von K* H* nicht dem zweiten Geschäftsführer G* L* zugerechnet werden könne.

[27] Das Erstgericht gab der Klage statt. Es bejahte eine Anscheinsvollmacht von G* L* an K* H* und die Einigung zwischen dem Kläger und K* H* über die Kaufverträge.

[28] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und bejahte ebenfalls einen von G* L* geschaffenen äußeren Tatbestand, der das Vertrauen des Klägers in eine Einzelvertretungsmacht von K* H* für die Beklagten gerechtfertigt habe. Dass der Kläger nicht ins Firmenbuch Einsicht genommen habe, könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden.

[29] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert seines Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

[30] Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragen die Beklagten die Abänderung im klagsabweisenden Sinne; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[31] Der Kläger beantragt in der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[32] Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[33] Die Beklagten führen zusammengefasst ins Treffen, die Vorinstanzen hätten angebliches Rechtsschein begründendes Verhalten von G* L* und das Vorliegen von Anscheinsvollmacht sowie die Voraussetzungen schlüssigen Verhaltens im Sinne des § 863 ABGB unrichtig beurteilt.

[34] 1.1. Eine Anscheinsvollmacht (= Vollmacht wegen Vertrauens auf den äußeren Tatbestand) setzt voraus, dass zwar tatsächlich keine Vollmacht erteilt worden ist, jedoch Umstände vorliegen, die geeignet sind, im Dritten den begründeten Glauben an die Berechtigung des Vertreters zum Abschluss des beabsichtigten Geschäfts zu erwecken (RS0019609). Um Vertretungsmacht begründen zu können, muss dieser „äußere Tatbestand“ vom Vertretenen selbst geschaffen sein (RS0020145) und im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses vorliegen (vgl RS0020145 [T1]). Der Vertretene muss daher einen Tatbestand setzen, der beim gutgläubigen Dritten die begründete Annahme rechtfertigt, er habe dem für ihn Handelnden eine entsprechende Vollmacht erteilt (vgl RS0019609 [T10], RS0014300). Der Dritte ist nur dann im Vertrauen auf den äußeren Tatbestand rechtlich relevanter Momente zu schützen, wenn der rechtfertigende Tatbestand mit Zutun desjenigen zustande gekommen ist, dem der Schutz zum Nachteile gereicht (RS0020004).

[35] 1.2. Im Fall einer kollektiven Vertretungsbefugnis muss der das Vertrauen des Dritten rechtfertigende äußere Tatbestand von allen Gesamtvertretungsbefugten gemeinsam gesetzt werden, weil nur so der Zweck der Kollektivvertretungsbefugnis erreicht wird (RS0048336, RS0020448); bei kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführern einer GmbH muss der Wille beider Geschäftsführer nach außen zum Ausdruck kommen und es kann die fehlende Mitwirkung des anderen Geschäftsführers nicht durch das Verhalten eines Geschäftsführers ersetzt werden (RS0017976 [T14]). Wenn die Erklärung nur von einem Vertretungsbefugten herrührt, muss zugleich vom zweiten Vertretungsbefugten ein äußerer Tatbestand geschaffen werden, welcher die Annahme der Einzelvertretungsmacht rechtfertigt (RS0017976 [T8]).

[36] 1.3. Im vorliegenden Fall handelte lediglich K* H* (zuletzt) als einer von zwei Kollektivvertretungsbefugten der Beklagten. G* L* ist nach den Feststellungen gegenüber dem Kläger oder seinem Anwalt überhaupt nie in Erscheinung getreten und hat selbst keinerlei Handlungen gesetzt, die einen ihm zurechenbaren äußeren Anschein begründet hätten. Der festgestellte Sachverhalt bietet nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass die Erwartung des Klägers, K* H* oder der nunmehrige Beklagtenvertreter Dr. K* würden berechtigterweise namens der Beklagten auftreten, auf irgendein Verhalten von G* L* zurückführbar wäre.

[37] 1.4. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, es liege eine vom zweiten kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer der Beklagten G* L* geschaffene Vollmacht wegen Vertrauens des Klägers auf den äußeren Tatbestand vor, wird vom Senat nicht geteilt. Der Kläger kann ein solches Vertrauen nicht auf Verhalten des G* L* stützen.

[38] 2.1. Bei der Annahme der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen ist gemäß § 863 ABGB Vorsicht geboten und ein strenger Maßstab anzulegen (RS0014157; RS0013947; RS0014420; RS0014146). Eine konkludente Handlung darf nur angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist; es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt (RS0013947 [T1]; RS0014150).

[39] 2.2. Die nachträgliche Zurechnung vollmachtslosen Handelns im Falle schlüssiger Genehmigung setzt voraus, dass entweder der Vertreter oder der Dritte nach den Umständen des Falles darauf vertrauen durfte und auch darauf vertraut hat, der vollmachtslos Vertretene wolle ihm gegenüber zum Ausdruck bringen, dass er mit einem ohne Vollmacht abgeschlossenen Geschäft einverstanden ist. Es durfte für den Vertreter oder den Dritten kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig sein, dass der unwirksam Vertretene ihm gegenüber einen solchen Willen äußern wollte (vgl RS0014374).

[40] 3.1. Das Berufungsgericht scheint mit seiner Wendung, G* L* habe die Handlungen von K* H* „schlüssig genehmigt“, (auch) auf eine – von der oben erörterten Frage der Anscheinsvollmacht zu unterscheidende – nachträgliche Zurechnung vollmachtslosen Handelns abzustellen.

[41] 3.2. Eine solche Genehmigung könnte nach den Feststellungen nur durch Handlungen nach den Gesellschaftsgründungen am 24. 1. 2022 erfolgt sein. Der Kläger selbst brachte vor, die Streitteile hätten spätestens aufgrund des Schreibens des Beklagtenvertreters vom 4. 2. 2022 Einigung über den Vertrag erzielt. Nach den Feststellungen war G* L* aber in diesem Zeitraum lediglich Empfänger des E-Mails betreffend den Unterschriftstermin, ohne dass er darauf reagiert oder sonstige Handlungen gesetzt hätte. Eine schlüssige nachträgliche Genehmigung eines durch K* H* bewirkten Geschäftsabschlusses ist daraus nicht abzuleiten.

[42] 3.3.1. Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass G* L* weder K* H* noch dem nunmehrigen Beklagtenvertreter Dr. K* eine Vollmacht zum Abschluss der Liegenschaftskaufverträge mit dem Kläger erteilte.

[43] 3.3.2. Selbst wenn man diese Feststellungen nur dahin versteht, dass sie sich im Tatsächlichen nur auf ausdrückliche Erklärungen des G* L* beziehen, und selbst wenn man weiters dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers eine hinreichend substanziierte Behauptung entnehmen wollte, dass G* L* von Anfang an K* H* Vollmacht erteilt hätte, dann wären dem Sachverhalt auch sonst keine hinreichenden Umstände zu entnehmen, aus denen rechtlich ohne jeden Zweifel geschlossen werden könnte, G* L* habe etwa in konkludenter Weise K* H* oder den Beklagtenvertreter bevollmächtigt, ihn beim – nach den Klagsbehauptungen bereits vor dem Unterschriftstermin am 14. 2. 2022 schon perfekten – Vertragsabschluss zuletzt auch in seiner Rolle als einer von zwei jeweils nur kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführern zu vertreten.

[44] Weder die Gründung der Käufergesellschaften, in denen gerade nur Kollektivvertretungsbefugnis vorgesehen wurde, noch der Umstand, dass sich G* L* an den von K* H* geführten Vertragsverhandlungen nicht beteiligte, kann in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise – zudem entgegen der übereinstimmenden Auffassung sowohl des Vertreters als auch des Vertretenen – dahin gedeutet werden, er habe Letzteren bevollmächtigt, Verpflichtungen der neu gegründeten Gesellschaften alleine zu begründen.

[45] 4. Zusammengefasst ist aus dem Sachverhalt rechtlich nicht abzuleiten, dass sich die Beklagten in rechtsgültiger Weise im Sinne der im Spruch angeführten Kaufverträge verpflichtet hätten, womit sich die Entscheidungen der Vorinstanzen als korrekturbedürftig erweisen. Der Revision war daher Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen, ohne dass auf Fragen der Gutgläubigkeit des Klägers einzugehen wäre.

[46] 5.1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO, für das erstinstanzliche Verfahren in Verbindung mit § 54 Abs 1a ZPO und für das Rechtsmittelverfahren in Verbindung mit § 50 ZPO.

[47] 5.2.1. Der Kläger wandte für das erstinstanzliche Verfahren nach § 54 Abs 1a ZPO ein, dass die Voraussetzungen für den Zuspruch des von den Beklagten verzeichneten doppelten Einheitssatzes nach § 23 Abs 5 RATG nicht vorlägen.

[48] 5.2.2. Nach ständiger Rechtsprechung sind Mehrkosten, welche durch die Bestellung eines nicht am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts entstehen, nur dann zu ersetzen, wenn die Partei selbst nicht am Gerichtsort wohnt, es sein denn, es würden besondere Gründe für die Bestellung des auswärtigen Rechtsanwalts durch die am Gerichtsort wohnhafte Partei bescheinigt (RS0036203, 2 Ob 167/22f).

[49] 5.2.3. Die Beklagten haben hierzu in erster Instanz behauptet, K* H* verbinde mit dem Beklagtenvertreter Dr. K* ein jahrelanges Vertrauensverhältnis, der ihn in den intensiven und schwierigen Vertragsverhandlungen mit dem Kläger vertreten und sich eingehend mit der vorliegenden Sache befasst habe.

[50] Die Beklagten haben in erster Instanz zur Sache aber ausdrücklich vorgebracht, Beklagtenvertreter Dr. K* sei in ihre Gründung nicht eingebunden gewesen, habe diese nicht vertreten und zusammengefasst auch mit G* L* vor der Vertretung im vorliegenden Verfahren nichts zu tun gehabt. Schon daraus erhellt, dass die vorprozessuale Tätigkeit des Beklagtenvertreters Dr. K* keine solche in Verfolgung der auch nicht zwangsläufig gleichgerichteten Interessen der Beklagten war, sodass berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne des § 23 Abs 5 RATG, keinen Rechtsanwalt am Sitz der Beklagten und des Erstgerichts in Graz zu bestellen, nicht erkennbar sind.

[51] Eine Bescheinigung für frühere Tätigkeiten vor dem verfahrensgegenständlichen Sachverhaltskomplex wurde nicht einmal angeboten.

[52] 5.2.4. Es war daher für die Tagsatzungen jeweils nur der einfache Einheitssatz zuzusprechen.

[53] 5.3. Zusammengefassthaben die Beklagten für das erstinstanzliche Verfahren netto 23.286,44 EUR ersetzt zu erhalten; die Kosten für das Rechtsmittelverfahren waren mit netto 6.610,11 EUR für das zweitinstanzliche und netto 5.293,91 EUR für das Revisionsverfahren richtig verzeichnet und – ebenso wie die richtig verzeichneten Gerichtsgebühren – in voller Höhe zuzusprechen.

[54] Insgesamt gebühren den Beklagten daher netto 35.190,46 EUR an tariflichen Kosten des gesamten Verfahrens.

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