OGH 7Ob70/23d

OGH7Ob70/23d28.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D* B*, vertreten durch Dr. Marco Fiel, Rechtsanwalt in Feldkirch, dieser vertreten durch die Blum, Hagen & Partner Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, sowie deren Nebenintervenienten 1. A* G* und 2. H* G*, beide vertreten durch Mag. Daniel Vonbank, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei W* R*, vertreten durch Mag. Dr. Dietmar Fritz, Rechtsanwalt in Bezau, wegen 205.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. März 2023, GZ 4 R 16/23v‑105, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00070.23D.0628.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ließ auf der Liegenschaft in EZ * (in der Folge Liegenschaft) ein zweistöckiges Einfamilienhaus mit einer freistehenden Garage errichten. Für das Wohnhaus, die Balkonerweiterung des Jahres 2011 und die im Jahr 2012 errichtete Garage liegen Baubescheide vor.

[2] Im Baubescheid von 2007 ist festgehalten, dass das Bauwerk im „braunen Hinweisbereich“ (Rutschungsgefährdung) errichtet wird. Deshalb holte die von der Beklagten beauftragte Architektin im Zuge der Einreichplanung eine geotechnische Stellungnahme durch ein Ziviltechnikerbüro ein. Darin wurde wegen des ungleichmäßigen Bodens der Liegenschaft die Tiefengründung mit Magerbetonschlitzen empfohlen. Diese Stellungnahme wurde dem Bauakt angeschlossen und deren Empfehlungen im Baubescheid für verbindlich erklärt. Die von der Beklagten beauftragte Bauunternehmerinführte die vorgeschriebene Tiefengründung mit Magerbetonschlitzen jedoch nicht aus.

[3] Nachdem mit der Errichtung des Fertigteilhauses und des Kellergeschosses begonnen worden war, stellte ein Amtssachverständiger der Gemeinde bei einer Überprüfung im Februar 2007 fest, dass die Fundierung und Drainage nicht den behördlichen Vorgaben entsprachen. Unter Beiziehung von zwei Ziviltechnikerbüroskonnte zumindest die Gleitsicherheit des Bauwerks hergestellt werden.

[4] Im Schlussüberprüfungsprotokoll gemäß § 43 Vbg BauG vom 26. November 2010 ist festgehalten, dass keine Mängel vorhanden sind, es in den letzten Jahren keine Setzungen gegeben habe, die statischen Nachweise vorliegen sowie die fachgerechte Ausführung von einem Ziviltechnikerbüro überprüft wurde. In weiterer Folge bestätigtedie Gemeinde mit Bescheid vom 14. Dezember 2010, dass nach Überprüfung keine Mängel „verfügt werden“, da der Bau plangemäß ausgeführt wurde.

[5] Mit Kaufvertrag vom 12./16. Mai 2011 verkaufte die Beklagte dem Kläger die Liegenschaft. Der Kaufvertrag lautet auszugsweise:

„I.

[...]

2 In Entsprechung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht erklärt die Verkäuferin:

2.1. Die auf der Liegenschaft befindliche Baulichkeit wurde im Jahr 2006 errichtet;

2.2. Die Bau- und Benützungsbewilligung liegen vor;

2.3. Alle für die Baulichkeit maßgeblichen Urkunden, Bescheide und sonstigen Dokumente, wie z.B. Baubewilligungsbescheid, Baupläne, Ausstattungs-beschreibungen, Energieausweise, Wärmeschutznachweis, verschiedenste Unterlagen zur statischen Berechnung, Dienstbarkeitsvertrag über das vorangeführte Geh- und Fahrrecht, Anschlusspläne, Unterlagen zu den zu erwartenden Betriebskosten, Bescheid der Schlussüberprüfung durch die Baubehörde wurden dem Käufer vor Vertragsunterfertigung übergeben.

[...]

4. Weiters erklärt die Verkäuferin, dass die Liegenschaft samt Baulichkeit nach ihrem Wissen frei von Sach- und Rechtsmängeln ist.

II.

Mittels dieser Urkunde verkauft und übergibt [die Beklagte] ihre vorangeführte Liegenschaft an [den Kläger]

und der Letztere kauft und übernimmt diese Liegenschaft in sein Eigentum zu den nachstehenden

B e d i n g u n g e n :

1. Der einverständlich festgesetzte Kaufpreis beträgt pauschal € 331.000,00

[...]

3. Übergabe und Übernahme erfolgen in allen Rechten und Lasten, Grenzen und Marken wie die Verkäuferin das Kaufobjekt bisher besessen und benutzt hat, jedoch ohne Haftung für eine bestimmte Beschaffenheit, lediglich mit Gewährleistung,

3.1. für das Ausmaß der Kaufliegenschaft,

3.2. für die Widmung der Kaufliegenschaft Gst‑Nr. 961/21 und 961/28 überwiegend als Baufläche-Wohngebiet,

3.3. für Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunden und Angaben laut Punkt I des Vertrages,

3.4. dafür, dass die für Zwecke der ordentlichen Benützung der Kaufliegenschaft nötige Wegeverbindung mit dem öffentlichen Wegenetz besteht,

3.5. für Freiheit von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten, [...]

3.6. dafür, dass die Kaufliegenschaft nicht mit Altlasten aus umweltschädlicher Verunreinigung (gefährliche Abfälle, Kontamination etc) belastet ist.

[...]

4. Allfällige Gewährleistungs‑ und/oder Schadenersatzansprüche der Verkäuferin gegenüber Dritten aus der Errichtung der unter Punkt I angeführten Baulichkeit werden hiermit von der Verkäuferin an den Käufer abgetreten. Die Verkäuferin steht dafür ein, dass durch die gegenständliche Abtretung der Käufer vermögensrechtlich so gestellt wird, wie die Verkäuferin gestanden wäre, wenn sie die Liegenschaft nicht veräußert hätte. Die gegenständliche Abtretung versteht sich ausdrücklich ungeachtet des Gewährleistungsausschlusses in Punkt II. 3 dieses Vertrages.“

[6] Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wussten weder der Kläger noch die Beklagte von der mangelhaften Fundierung des Gebäudes. Die Beklagte wusste jedoch, dass es bei der Ausführung des Gewerks Schwierigkeiten mit der Baubehörde gegeben hatte. Die Streitteile gingen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags davon aus, dass das Bauwerk auf der Liegenschaft auf Dauer gebrauchsfähig, gleitsicher und standfest ist.

[7] Da die in der geotechnischen Stellungnahme vorgeschlagene Tiefenfundierung auf Magerbetonschlitzen fehlt, sind weder Standsicherheit noch Gebrauchstauglichkeit des Hauses auf Dauer gegeben. Die Mängel lassen sich nur durch eine Unterfangung und Tiefenfundierung des Gebäudes sowie der Terrasse mit Kleinbohrpfählen beheben. Die Sanierungskosten betragen 152.710 EUR.

[8] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 152.710 EUR sA und wies das Mehrbegehren ab. Das Berufungsgericht wies das gesamte Klagebegehren wegen Verjährung ab.

Rechtliche Beurteilung

[9] Gegen die Abweisung des vom Erstgericht zugesprochenen Betrags richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers.

[10] 1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[11] 2. Der Kläger zieht die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach der geltend gemachte Anspruch nach österreichischem Sachrecht zu beurteilen sei, in der Revision nicht in Zweifel. Auf die selbständig zu beurteilende Rechtsfrage des anwendbaren Rechts ist daher nicht einzugehen (6 Ob 236/19b; 5 Ob 190/20g; 7 Ob 111/22g).

[12] 3. Gemäß § 933 Abs 1 ABGB idF von den Gewährleistungsrichtlinien‑Umsetzungsgesetz (BGBl I 2021/175) muss das Recht auf Gewährleistung, wenn es unbewegliche Sachen betrifft, binnen drei Jahren gerichtlich geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit dem Tag der Ablieferung der Sache, bei Rechtsmängeln aber erst mit dem Tag, an dem der Mangel dem Übernehmer bekannt wird.

[13] 3.1. Im vorliegenden Fall erfolgte die Übergabe des Kaufobjekts von der Beklagten an den Kläger im Jahr 2011. Damals wusste keiner der Streitteile von der mangelhaften Fundierung des Gebäudes. Jedenfalls im Jahr 2017 wusste der Kläger von diesem Mangel. Am 21. Dezember 2018 brachte er die Klage ein.

[14] 3.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Erkennbarkeit des Sachmangels keine Voraussetzung für den Beginn des Fristenlaufs (RS0018937; RS0018982), außer es wurden besondere Sacheigenschaften zugesichert (RS0018982 [T10, T11], RS0018909). Ob eine Eigenschaft als zugesichert anzusehen ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen (RS0018547 [T6]). Dies kann letztlich nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl 7 Ob 24/21m). Diese Grundsätze gelten auch bei Geschäften zwischen Nichtunternehmern (8 Ob 111/19k; 3 Ob 148/22v).

[15] Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, weder aus dem Kaufvertrag noch aus einem sonstigen Erklärungsverhalten der Parteien lasse sich ableiten, dass die Standfestigkeit und Gleitsicherheit des Gebäudes zugesichert worden sei, weshalb der auf einen Sachmangel gegründete Gewährleistungsanspruch verjährt sei, ist nicht korrekturbedürftig, zumal es im Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Streitteile je über Tiefenfundierung, Standfestigkeit, Gleitsicherheit oder ähnliche Eigenschaften des Hauses gesprochen hätten. Dass der Kläger und die Beklagte jeweils für sich davon ausgingen, dass das Haus standfest, gleitsicher und damit gebrauchstauglich sei, reicht für die Annahme einer derartigen Zusicherung nicht aus, weil dieser Umstand für die andere Partei nicht nach außen erkennbar in Erscheinung getreten ist.

[16] Der Kläger vermengt in seiner Revision auch die gewöhnlich vorausgesetzten mit den (ausdrücklich) zugesicherten Eigenschaften einer Sache. Eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft einer Sache ist nämlich entgegen seiner Ansicht nicht notwendigerweise eine (ausdrücklich) zugesicherte Eigenschaft (vgl 3 Ob 148/22v). Seine Rechtsansicht, die Beklagte müsse beweisen, dass die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften der Standfestigkeit sowie Gleitsicherheit abbedungen worden seien, ist daher unrichtig.

[17] 3.3. Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn der Veräußerer dem Erwerber nicht die Rechtsposition verschafft, die er ihm nach dem Vertrag verschaffen hätte müssen (10 Ob 21/08y; 5 Ob 26/17k). Dies hat nach allgemeinen Grundsätzen (RS0018553) der Erwerber zu beweisen, Sach- und Rechtsmängel sind insoweit grundsätzlich gleich zu behandeln (RS0124755). Allerdings reicht es für die Bejahung des Rechtsmangels bereits aus, dass die Umstände, aus denen er sich ableitet, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehen (5 Ob 26/17k mwN).

[18] Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die nicht nur technisch mangelhafte, sondern auch baubescheidwidrige Fundierung des Gebäudes, sei nicht als Rechtsmangel zu werten, ist schon deshalb nicht korrekturbedürftig, weil für das Wohnhaus, die Balkonerweiterung und die Garage Baubescheide vorliegen, im Schlussüberprüfungsprotokoll vom November 2010 gemäß § 43 des Vorarlberger Baugesetzes (LGBl Nr 52/2001) festgehalten ist, dass keine Mängel vorhanden sind, es in den letzten Jahren keine Setzungen gegeben habe, die statischen Nachweise vorlägen sowie die fachgerechte Ausführung von einem Ziviltechnikerbüro überprüft worden sei und die Gemeinde mit Bescheid vom Dezember 2010 gemäß § 40 Abs 4 und § 43 Abs 2 des Vorarlberger Baugesetzes bestätigte, dass nach Überprüfung keine Mängel vorlägen, da der Bau plangemäß ausgeführt worden sei. Ein Tatsachenvorbringen, dass die Behörde dem Kläger trotz der Schlussüberprüfung und dieses Bescheids die Tiefenfundierung des Gebäudes bei sonstigem Abbruch oder die Einholung einer neuen Baubewilligung aufgetragen oder auch nur in den Raum gestellt hätte, hat der Kläger in erster Instanz nicht erstattet.

[19] 4. Da somit die Verjährung des Sachmangels und das Nichtvorliegen eines Rechtsmangels durch das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gedeckt ist, muss auf die weiteren in der Revision aufgeworfenen Fragen nicht mehr eingegangen werden.

[20] 5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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