OGH 10ObS129/22a

OGH10ObS129/22a22.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Arno Sauberer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Arnaud Berthou (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Dr. Georg-Christian Gass und Dr. Alexander M. Sutter, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, vertreten durch Stingl und Dieter Rechtsanwälte OG in Graz, wegen Kostenersatz, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. August 2022, GZ 7 Rs 17/22 g-21, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. November 2021, GZ 7 Cgs 31/21w-13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00129.22A.0622.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 128,28 EUR (darin enthalten 21,38 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Am 27. Oktober 2020 suchte die Klägerin über telefonischen Rat ihres Hausarztes Dr. S*, der in keinem Vertragsverhältnis zur beklagten Österreichischen Gesundheitskasse steht, abends (außerhalb der Ordinationszeiten) dessen Ordination auf, weil sie tagsüber gehustet und einen schlechten Geschmack im Mund gehabt hatte. In einem (für COVID-19-Verdachtsfälle) vor der Ordination aufgestellten Container erhob Dr. S* zunächst den Lymphknotenstatus der Klägerin und stellte eine Rötung des Gaumenbogens im Rachen fest; eine bakterielle Infektion schloss er aus. Aufgrund der erhöhten Temperatur (37,4 Grad) war für ihn – auch wegen der angegebenen Veränderungen des Geschmackssinns – ein viraler Infekt naheliegend. Er nahm daher einen Nasenabstrich für einen Antigen‑Schnelltest und im gleichen Arbeitsschritt auch einen Rachenabstrich für einen PCR-Test zum direkten Erregernachweis ab. Trotz des negativen Ergebnisses des Antigentests hielt Dr. S* zur genauen Abklärung der klinischen Verdachtslage zusätzlich die Auswertung des PCR‑Tests für angebracht und schickte die Klägerin bis zum Vorliegen des Ergebnisses in Selbstisolation. Am 29. Oktober 2020 langte das negative Ergebnis des PCR-Tests bei Dr. S* ein, der die Klägerin daraufhin (aufgrund eines „banalen“ viralen Infekts) krank schrieb.

[2] Für die erbrachten Leistungen zahlte die Klägerin insgesamt 107,50 EUR an Dr. S*.

[3] Mit Bescheid vom 25. März 2021 stellte die Beklagte fest, dass der Klägerin für die von Dr. S* am 27. Oktober 2020 und 29. Oktober 2020 erbrachten ärztlichen Leistungen eine Kostenerstattung im Ausmaß von 19,41 EUR gebühre und wies das auf Erstattung weiterer 88,09 EUR (für den Antigen- und den PCR-Test) gerichtete Mehrbegehren ab.

[4] Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin den Ersatz auch der Kosten des Antigentests und des PCR-Tests von 52 EUR sA (80 % des in § 3 Abs 1 Z 1 der Verordnung betreffend nähere Bestimmungen über die Durchführung von COVID-19-Tests im niedergelassenen Bereich, BGBl II 2020/453 [künftig: TestV] vorgesehenen Pauschalbetrags von 65 EUR). Sie habe Dr. S* aufgesucht, weil sich ihr Gesundheitszustand laufend verschlechtert und sie deswegen ärztliche Hilfe benötigt habe. Die beiden Tests seien sodann im Rahmen der Therapieentscheidung vom behandelnden Arzt nach einer entsprechenden Diagnostik veranlasst worden und auch (unabdingbar) notwendig gewesen, um eine mögliche Erkrankung an COVID-19 zu bestätigen oder auszuschließen und danach die weitere Behandlung auszurichten. Die Tests seien daher Teil ihrer Krankenbehandlung gewesen, sodass die Beklagte auch die dafür notwendigen Kosten zu tragen habe. Der Umstand, dass die Behandlung durch einen Wahl- und nicht durch einen Vertragsarzt erfolgt sei, führe bloß dazu, dass sie die Kosten der Krankenbehandlung zunächst selbst zu zahlen, aber Anspruch auf Erstattung gemäß § 131 ASVG habe. § 742 ASVG ändere daran nichts, weil die dadurch geschaffene Testmöglichkeit keine Krankenbehandlung iSd § 133 ASVG darstelle und den §§ 131 ff ASVG dadurch nicht derogiert worden sei. Da für die Tests kein Tarif existiere, sei auf die in der TestV vorgesehenen Beträge abzustellen.

[5] Die Beklagte hielt dem entgegen, dass § 742 Abs 1 ASVG nur die im niedergelassenen Bereich tätigen Vertragspartner berechtige, COVID-19-Tests durchzuführen. Der jeweilige Krankenversicherungsträger werde in diesem Zusammenhang nur insofern tätig, als er über Auftrag des Bundes seinem Vertragspartner ein pauschales Honorar gegen Kostenersatz durch den Bund auszahle. Da die Kosten somit nicht von den Krankenversicherungsträgern getragen würden, handle es sich nicht um eine Leistung der Sozialversicherung. Im Gegensatz zu § 735 ASVG habe sich der Gesetzgeber im Rahmen des § 742 ASVG bewusst dazu entschieden, diese Leistung den Vertragspartnern der Versicherungsträger vorzubehalten und Wahlärzte nicht einzubeziehen. Selbst wenn man der Ansicht der Klägerin folge, sei der begehrte Betrag überhöht, weil davon auszugehen sei, dass der in Anspruch genommene Wahlarzt im Oktober 2020 bereits Testungen durchgeführt habe und daher nur eine geringere Fallpauschale zustehe.

[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[7] Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren (52 EUR) mit Ausnahme des Zinsenbegehrens statt. Entgegen der Ansicht der Beklagten scheitere der Kostenerstattungsanspruch nicht an § 742 ASVG, weil die Testungen notwendig gewesen seien, um überhaupt erst eine Diagnose stellen und darauf aufbauend die Klägerin adäquat behandeln zu können. Die beiden Tests seien daher im Rahmen der Krankenbehandlung der Klägerin und nicht im Zuge der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie vorgenommen worden. Als Teil der Krankenbehandlung habe die Beklagte für deren Kosten aber unabhängig davon aufzukommen, ob ihr diese gemäß § 742 ASVG vom Bund ersetzt werden. Da für COVID-19-Tests in der Honorarordnung des Gesamtvertrags kein Tarif vorgesehen sei, orientiere sich der Kostenersatz zwar an den für vergleichbare Leistungen festgelegten Tarifen. Es sei aber nicht zu beanstanden, wenn der Ersatz auf Basis des Pauschalbetrags des § 3 Abs 1 Z 1 TestV erfolge. Dass nicht feststehe, dass Dr. S* im Oktober 2020 schon 30 Tests vorgenommen habe – was eine Reduktion der Pauschale bewirken würde – gehe zu Lasten der dafür behauptungs- und beweispflichtigen Beklagten.

[8] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Versicherter Anspruch auf Kostenersatz für einen bei einem Wahlarzt durchgeführten COVID-19-Test habe.

[9] In ihrer Revision begehrt die Beklagte, das Klagebegehren abzuweisen. Hilfsweise stellt sie auch Aufhebungsanträge.

[10] Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

[12] In ihrer Revision hält die Beklagte an ihrer Ansicht fest, dass COVID-19-Tests keine Krankenbehandlung im Sinn des ASVG seien, sie nur im Auftrag des Bundes tätig werde und der Gesetzgeber Wahlärzte in § 742 ASVG bewusst nicht erwähnt habe. Außerdem seien die Tests für die Erstellung einer Diagnose und die (weitere) Therapie der Klägerin gar nicht notwendig gewesen, weil die Behandlung mit oder ohne die Testungen ident gewesen wäre. Selbst wenn man dem Standpunkt der Klägerin folge, enthalte § 742 ASVG eine zulässige Beschränkung der freien Arztwahl. Zudem habe das Berufungsgericht zu Unrecht § 131 ASVG angewandt, weil die in Rede stehende Leistung kein Gegenstand eines Vertragsverhältnisses sei.

[13] Dazu ist vorweg festzuhalten, dass (auch) die Beklagte davon ausgeht, dass die COVID‑19‑Testungen nicht Teil der bei der Klägerin vorgenommenen medizinischen Behandlungen waren und gesondert von diesen als eigenständige Leistung zu beurteilen sind.

[14] 1. Nach dem – seit seiner Einführung mit dem am 1. Oktober 2020 in Kraft getretenen Bundesgesetz BGBl I 2020/105 in den hier relevanten Passagen unveränderten – § 742 Abs 1 ASVG sind die im niedergelassenen Bereich tätigen Vertragsärztinnen und Vertragsärzte bzw Vertragsgruppenpraxen sowie die selbständigen Vertragsambulatorien für Labormedizin unter den in der TestV genannten Voraussetzungen berechtigt, Tests für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit SARS‑CoV-2 (COVID-19-Test) durchzuführen.

[15] Die Gesetzesmaterialien (Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses vom 21. September 2020, AB 371 BlgNR 27. GP  2) zu § 742 ASVG führen dazu – auszugsweise – aus:

„Die Bestimmungen der §§ 742 ASVG, 380 GSVG, 374 BSVG und 261 B-KUVG sehen vor, dass die im niedergelassenen Bereich tätigen Vertragsärztinnen und Vertragsärzte bzw. Vertragsgruppenpraxen sowie die selbständigen Ambulatorien für Labormedizin unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt sind, Tests für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit SARS-CoV-2 (COVID-19-Test) durchzuführen. […]

Der Krankenversicherungsträger hat für die Durchführung eines COVID-19-Tests für die Probenentnahme sowie für die Dokumentation bzw. für die Auswertung der Probe ein pauschales Honorar zu bezahlen. […]

Auch für die COVID-19-Tests wird gesetzlich vorgesehen, dass der Bund dem jeweiligen Krankenversicherungsträger die ausgewiesenen tatsächlichen Kosten für die zu leistenden Honorare aus dem COVID‑19‑Krisenbewältigungsfonds zu ersetzen hat. […]

Ferner beschloss der Gesundheitsausschuss […] folgende Feststellung:

In § 742 ASVG (und Parallelbestimmungen) wird die Verrechenbarkeit von Covid-19-Tests im niedergelassenen Bereich im Wege der Krankenversicherungsträger im übertragenen Wirkungsbereich gegen Kostenersatz durch den Bund und zu einem durch Verordnung festgesetzten Pauschaltarif eingeführt.“

[16] 2. Darauf aufbauend ist der Beklagten zuzustimmen, dass § 742 ASVG nicht zuletzt deshalb einen epidemiologischen Hintergrund hat, weil die Bestimmung auf Beratungen des parlamentarischen Gesundheitsausschusses über einen Antrag auf Änderung des EpiG 1950, des TuberkuloseG und des COVID-19-MaßnahmenG zurückgeht (AB 371 BlgNR 27. GP  1). Zu den 2021 in Kraft getretenen §§ 742a und 742b ASVG verweisen die Materialien (Bericht des Gesundheitsausschusses vom 22. Februar 2021) auch ausdrücklich auf die (damit fortgesetzte) umfassende Teststrategie zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie (AB 673 BlgNR 27. GP  1). Für die darauf basierende Ansicht der Beklagten, aus § 742 ASVG folge e contrario, dass COVID‑19-Tests niemals Teil einerKrankenbehandlung sein könnten, weil es der Regelung andernfalls nicht bedurft hätte, fehlt jedoch eine Grundlage.

[17] 2.1. Ihr Standpunkt unterstellt zunächst, dass bei den von § 742 ASVG, § 1 Abs 1 TestV erfassten Personen, bei denen wegen Symptomen ein Infektionsverdacht besteht, stets auch eine Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn vorliegt. Wie sie an anderer Stelle der Revision aber selbst betont, bedarf es für die Erfüllung des Begriffs der Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn neben der Regelwidrigkeit auch der Notwendigkeit ihrer Behandlung (RIS-Justiz RS0084692). Diese liegt vor, wenn der regelwidrige Zustand ohne ärztliche Hilfe nicht mit Aussicht auf Erfolg behoben, zumindest aber gebessert oder vor einer Verschlimmerung bewahrt werden kann oder wenn die Behandlung erforderlich ist, um Schmerzen oder sonstige Beschwerden zu lindern (RS0117777 [T1]). Äußert ein Versicherter wegen (subjektiv) als störend empfundener Symptome das Bedürfnis nach ärztlicher Behandlung, obliegt es dem Arzt, festzustellen, wann diese ein Ausmaß erreicht haben, dass Behandlungsbedürftigkeit medizinisch geboten ist (10 ObS 57/16d mwN). Ist das bei Personen, die Symptome einer möglichen Erkrankung an COVID-19 aufweisen, (noch) nicht der Fall, besteht zwar aus epidemiologischer Sicht ein Interesse an einer Testung und der Verhinderung einer weiteren Übertragung des Virus, es liegt aber (noch) keine Krankheit iSd § 120 Z 1 ASVG vor. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass der Krankheitsbegriff des ASVG nicht unbedingt auf alle jene (symptomatischen) Personen zutrifft, die von der verfolgten Teststrategie erfasst werden sollten. Dass der Gesetzgeber mit § 742 ASVG eine überflüssige Regelung geschaffen hätte, wenn ohnedies schon im Rahmen der Krankenbehandlung ein Anspruch auf einen solchen Test bestünde, trifft daher nicht zu.

[18] 2.2. Zudem ist weder aus dem Gesetzeswortlaut noch den Materialien ableitbar, dass COVID-19-Tests nicht auch von § 133 ASVG erfasst sein können. Erklärtermaßen sollten mit § 742 ASVG die niedergelassenen Vertragsärzte nämlich nur ermächtigt werden, die vom Bund verfolgte Teststrategie für ihn im übertragenen Wirkungsbereich gegen Kostenersatz im Wege der Krankenversicherungsträger umzusetzen (AB 371 BlgNR 27. GP  3). Für die Annahme, dass durch die Schaffung der kostenlosen Testmöglichkeit Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Krankenversicherung verdrängt oder abgeändert werden sollten, finden sich keine Anhaltspunkte. Sowohl nach dem keine Einschränkungen und keinen Bezug zur Krankenbehandlung aufweisenden Wortlaut, dem erklärten Ziel der Bestimmung und ihrer systematischen Stellung in den Schlussbestimmungen (Zehnter Teil, Abschnitt II) des ASVG ist § 742 ASVG keine Regelung, die zwingend den Leistungen der Krankenversicherung zuzuordnen wäre. Die mit § 742 ASVG etablierte Testmöglichkeit besteht vielmehr unabhängig bzw losgelöst von einer etwaigen Leistungspflicht der Krankenversicherungsträger. Dass diese im Ergebnis insoweit von ihrer Leistungspflicht befreit werden, weil im Rahmen des § 742 ASVG erfolgte Testungen häufig auch Teil einer Krankenbehandlung sind, ändert daran nichts. Da die TestV die Testmöglichkeit ausdrücklich auf symptomatische Personen beschränkt (§ 1 Abs 1 TestV) kann diese Konsequenz dem Gesetzgeber auch nicht verborgen geblieben sein.

[19] 2.3. Aus denselben Erwägungen kann auch nicht davon ausgegangen werden, § 742 Abs 1 ASVG schränke den Grundsatz der freien Arztwahl ein. Auch dafür geben weder der Gesetzeswortlaut, die systematische Stellung der Regelung oder die Gesetzesmaterialien tragfähige Hinweise. Aus letzteren lässt sich vielmehr ableiten, dass der Bund durch die Einschränkung auf die Vertragspartner der Krankenversicherungsträger bloß deren bereits vorhandene Verrechnungsstruktur nutzen wollte.

[20] Soweit die Beklagte dazu auf § 735 ASVG verweist, trifft zu, dass dessen Abs 2a (eingeführt mit dem Bundesgesetz BGBl I 2020/54) bei der Honorierung nicht zwischen Vertrags- und Wahlärzten unterscheidet (vgl AB 10347/BR 2). Relevante Rückschlüsse auf § 742 ASVG lassen sich daraus mangels Vergleichbarkeit der Bestimmungen aber nicht ziehen, zumal das in § 735 ASVG geregelte COVID-19-Risiko-Attest evidentermaßen keinen Bezug zu einer Krankenbehandlung aufweist.

[21] 3. Nicht zu folgen ist der Beklagten auch, wenn sie die Notwendigkeit der Testungen mit dem Argument bestreitet, es gebe weder eine Therapie noch ein wirksames Medikament zur Behandlung einer SARS‑CoV‑2‑Infektion, sodass die Tests bzw deren Ergebnisse von vornherein nicht geeignet gewesen seien, sich auf die konkrete Behandlung der Klägerin auszuwirken. Sie übergeht dabei, dass auch der Krankheitsverdacht dem Versicherungsfall der Krankheit zuzurechnen ist, unabhängig davon, ob er sich bewahrheitet oder nicht (RS0124982; 10 ObS 67/11t SSV-NF 25/81 ua). Bestehen objektiv diagnostizierbare Symptome, hat der Versicherte somit Anspruch auf Krankenbehandlung in Form der Klärung des Verdachts (RS0127741; RS0124508). Bei Unklarheit über die Behandlungsbedürftigkeit besteht zunächst ein Anspruch auf die entsprechende Diagnostik (10 ObS 99/08v SSV‑NF 23/2 ua). Mit diesen, schon vom Berufungsgericht dargelegten Grundsätzen setzt sich die Revision nicht näher auseinander. Ebenso wenig klärt sie (nachvollziehbar) auf, warum der Ausschluss einer von mehreren möglichen Erkrankungen keinen Einfluss auf die weitere Therapie haben sollte. Eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigt sie damit nicht auf.

[22] 4.1. Richtig ist, dass Kosten eines Wahlarztes nicht nach § 131 Abs 1 ASVG ersetzt werden können, wenn die Leistungen nicht Gegenstand eines Vertragsverhältnisses sind (RS0084810). Auf § 131 ASVG hat sich das Berufungsgericht aber nicht gestützt, sondern ausgeführt, dass sich der begehrte Ersatz an den für vergleichbare Pflichtleistungen festgelegten Tarifen zu orientieren habe. Dass der Versicherte insoweit einen Anspruch auf einen Kostenzuschuss hat, wenn eine (neuartige) ärztliche Leistung vertraglich (noch) nicht erfasst ist und daher ein anwendbarer Tarif und – wie die Beklagte in ihrer Berufungsbeantwortung vorgetragen hat – auch eine einschlägige Satzungsregelung fehlen, entspricht der ständigen Rechtsprechung (10 ObS 100/22m; 10 ObS 43/15v SSV-NF 29/35; RS0113972). Eine Fehlbeurteilung wird auch insoweit nicht dargetan.

[23] 4.2. Gegen die vom Kläger angestrebte und vom Berufungsgericht als sachgerecht erachtete Bemessung der Höhe des Ersatzbetrags anhand der Honorarpositionen des § 3 Abs 1 TestV hat sich die Beklagte nicht unmittelbar ausgesprochen, sondern auf das degressive Entlohnungsschema der TestV verwiesen. Sie behauptet(e) auch nicht, dass eine Orientierung anhand eines bestehenden Tarifs für vergleichbare Pflichtleistungen für sie günstiger wäre.

[24] 5. Die Entscheidung des Berufungsgerichts entspricht daher der Rechtslage, weshalb der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben ist.

[25] Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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