OGH 9ObA94/22x

OGH9ObA94/22x23.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald Fuchs (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. phil. Dr. iur. Robert Toder (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei * S*, vertreten durch Dr. Stephan Duschel ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, Bundesministerium *, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17–19, 1010 Wien, wegen 1) Feststellung und 2) 96.334,04 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Mai 2022, GZ 10 Ra 39/22m‑15, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 10. Dezember 2021, GZ 24 Cga 59/21b‑11, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:009OBA00094.22X.0323.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.202,75 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger schloss mit der Beklagten (Personalstelle: Heerespersonalamt) am 21. 9. 2018 einen Dienstvertrag („gemäß § 4 Vertragsbedienstetengesetz 1948 in Verbindung mit § 15 Auslandszulagen- und -hilfegesetz“) mit (vorgesehenem und tatsächlichem) Dienstantritt 24. 9. 2018 ab. Das Dienstverhältnis wurde befristet für die Dauer der Entsendung gemäß § 1 Z 1 lit a bis c Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE‑BVG), einschließlich einer allfälligen inländischen Vor- oder Nachbereitung, längstens jedoch bis 31. 10. 2019, eingegangen. Im Dienstvertrag wurde als Dienststelle „Auslandseinsatzbasis“ und als Dienstort „Bundesgebiet sowie 22 MINURSO_“ festgelegt (Blg ./A). Der Kläger war in der Folge im Auslandseinsatz als UN‑Militärbeobachter im Rahmen der MINURSO-Mission der Vereinten Nationen in der Westsahara tätig.

[2] Mit vier Nachträgen zum Dienstvertrag wurde das Vertragsbedienstetenverhältnis viermal, jeweils „längstens befristet“, verlängert: Am 1. 10. 2019 bis 27. 4. 2020, am 13. 5. 2020 bis 14. 8. 2020, am 26. 8. 2020 bis 30. 9. 2020 und am 30. 9. 2020 bis 30. 11. 2020.

[3] Am 27. 10. 2020 wurde der Kläger aus dem Einsatzraum nach Österreich repatriiert, woran sich die Nachbereitung bis 26. 11. 2020 anschloss.

[4] Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung von 96.334,04 EUR sA (Gehalt Dezember 2020 bis Oktober 2021) sowie die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses ab 1. 12. 2020. Es lägen unzulässige Kettenarbeitsverträge vor, weil die jeweiligen Befristungen sachlich nicht gerechtfertigt gewesen seien. Das Dienstverhältnis sei daher (unbefristet) aufrecht. Aus dem in § 15 Abs 2 AZHG angeordneten Ausschluss der Anwendbarkeit des § 4 Abs 4 VBG könne nicht gefolgert werden, dass befristete Dienstverhältnisse ohne Einschränkung aneinandergereiht werden dürften.

[5] Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass für Tätigkeiten im Rahmen militärischer Einsätze im Ausland im Anwendungsbereich des § 15 Abs 1 AZHG der Abschluss eines unbefristeten Dienstverhältnisses nicht möglich sei und keine Beschränkungen über die Anzahl und Dauer der Befristungen bestünden. Für eine Anwendbarkeit der allgemeinen Judikatur zu Kettenarbeitsverträgen verbleibe daher kein Raum. Überdies seien die Befristungen jeweils sachlich gerechtfertigt gewesen (kein verfügbarer Personaleinsatz, Reisebeschränkungen aufgrund der Pandemie).

[6] Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es schloss sich der Rechtsauffassung des Erstgerichts an, wonach befristete Verlängerungen von Dienstverhältnissen im Rahmen der Entsendung des Klägers nach § 1 KSE‑BVG aufgrund der Sonderregel des § 15 AZHG keiner speziellen Rechtfertigung bedürften. Die in § 15 Abs 2 AZHG normierte Derogation des § 4 Abs 4 VBG habe nicht zur Folge, dass im Anwendungsbereich des § 15 AZHG an die Stelle des besonderen Kettenvertragsverbots die allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze über die (Un-)Zulässigkeit von Kettenverträgen zum Tragen komme, sondern sie bewirke vielmehr einen ersatzlosen Entfall der in § 4 Abs 4 VBG für den Anwendungsbereich des VBG abschließend normierten Beschränkung.

[8] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zur hier vorliegenden Frage der gesetzlichen Zulässigkeit einer mehrfachen Verlängerung von befristeten Dienstverhältnissen nach § 15 Abs 1 AZHG zugelassen.

[9] In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[10] Die Beklagte beantragt in ihrerRevisionsbeantwortung, die Revision des Klägers mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Revision des Klägers ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[12] Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob eine Aneinanderreihung mehrerer gemäß § 15 Abs 1 AZHG nach dem VBG abgeschlossener befristeter Dienstverträge aufgrund der ständigen Rechtsprechung zu den sogenannten Kettenverträgen (RS0021824; RS0028327) so zu behandeln ist, als bestünde ein unbefristeter Dienstvertrag, wenn die Befristungen nicht durch besondere wirtschaftliche oder soziale Gründe gerechtfertigt sind. Dazu hat der Senat erwogen:

[13] 1. Das Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE‑BVG) ermöglicht es Einheiten und einzelne Personen für folgende Aufgaben in das Ausland zu entsenden (§ 1 Abs 1 Z 1 und 2):

1. zur solidarischen Teilnahme an

a) Maßnahmen der Friedenssicherung einschließlich der Förderung der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Menschenrechte im Rahmen einer internationalen Organisation oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder in Durchführung von Beschlüssen der Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik oder

b) Maßnahmen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe oder

c) Maßnahmen der Such- und Rettungsdienste oder

d) Übungen und Ausbildungsmaßnahmen zu den in lit. a bis c genannten Zwecken sowie

2. zur Durchführung von Übungen und Ausbildungsmaßnahmen im Bereich der militärischen Landesverteidigung (Art. 79 Abs. 1 B-VG)“.

[14] 2. Das Bundesgesetz über Auslandszulagen und besondere Hilfeleistungen bei Entsendungen aufgrund des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz – AZHG) regelt im 1. Teil, 1. Abschnitt (§§ 1 bis 14) den Anspruch des Bundesbediensteten auf Auslandszulage und enthält im 2. Abschnitt (§ 15) eine Bestimmung über das Dienstverhältnis aus Anlass der Entsendung. Die weiteren Teile dieses Gesetzes sind im Verfahren nicht relevant.

[15] § 15 Abs 1 und 2 AZHG lautet:

(1) Mit Personen, die nicht in einem aktiven Dienstverhältnis zum Bund stehen und keine Angehörigen des Bundesheeres sind, ist für die Dauer ihrer Entsendung nach § 1 KSE-BVG, einschließlich einer allfälligen inländischen Vor- und Nachbereitung, ein befristeter Dienstvertrag nach dem Vertragsbedienstetengesetz 1948 abzuschließen.

(2) Auf dieses Dienstverhältnis ist § 4 Abs. 4 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 nicht anzuwenden.

[16] 3. § 4 Abs 4 VBG 1948 lautet:

Ein Dienstverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen worden ist, kann auf bestimmte Zeit einmal verlängert werden; diese Verlängerung darf drei Monate nicht überschreiten. Wird das Dienstverhältnis darüber hinaus fortgesetzt, so wird es von da ab so angesehen, wie wenn es von Anfang an auf unbestimmte Zeit eingegangen worden wäre.

[17] 4. Unstrittig und zutreffend ist daher, dass nach § 15 Abs 2 AZHG im – hier eröffneten – Anwendungsbereich des § 15 Abs 1 AZHG das in § 4 Abs 4 VBG 1948 normierte Verbot von Kettendienstverträgen (vgl RS0031374; RS0081784) nicht gilt. Ob aber auf das Dienstverhältnis des Klägers die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Frage der Zulässigkeit der Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverhältnisse im allgemeinen Arbeitsrecht anzuwenden sind, bedarf einer näheren Betrachtung:

[18] 4.1. Nach ständiger Rechtsprechung (zuletzt 9 ObA 25/20x Pkt 1.1. mwN) ist die Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverhältnisse mit einer für den Arbeitnehmer nachteiligen Unsicherheit für seine weitere berufliche Zukunft verbunden und birgt in hohem Maß die Gefahr der Umgehung zwingender Rechtsnormen. Wenn gesetzliche Bestimmungen mehrere befristete Arbeitsverhältnisse in Aufeinanderfolge zulassen, ist eine auf den Normzweck Bedacht nehmende Interpretation vorzunehmen; es ist daher zu prüfen, ob im konkreten Fall die Vereinbarung mehrerer, sich unmittelbar aneinanderreihender Arbeitsverhältnisse zulässig ist (RS0021824 [T7]). Aus diesen Gründen ist die Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverhältnisse im allgemeinen Arbeitsrecht nur dann zulässig, wenn besondere wirtschaftliche oder soziale Gründe das rechtfertigen. Andernfalls sind solche „Kettenarbeitsverträge“ als unbefristete Arbeitsverhältnisse zu behandeln (RS0021824). Im Allgemeinen gilt, dass die erste Befristung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zulässig ist, ohne dass es außerhalb sondergesetzlicher Regelungen, wie etwa des § 11 Abs 2 Z 4 AÜG oder des § 10a MSchG, einer sachlichen Rechtfertigung bedarf. Aber bereits die erste Verlängerung auf bestimmte Zeit ist darauf zu prüfen, ob damit nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers die Bestimmungen des Kündigungsschutzes oder (auch) die gesetzlichen Vorschriften über Kündigungsfristen und Kündigungstermine umgangen werden (RS0105948). Je öfter die Aneinanderreihung von Befristungen erfolgt, desto strenger sind die inhaltlichen Anforderungen an die Rechtfertigungsgründe (RS0028327 [T3, T17]). Auch die Dauer der Befristung und die Art der Arbeitsleistung sind in die Überlegungen einzubeziehen (RS0028327 [T7]); dies im Hinblick auf die durch die mehrfache Verlängerung verstärkte Erwartung des Arbeitnehmers, es werde zu weiteren Verlängerungen kommen, sowie im Hinblick auf die gegenüber dem Verlust des Kündigungsschutzes immer mehr zurücktretenden Vorteile für den Arbeitnehmer aus der Befristung (RS0021818).

[19] 4.2. Teilweise normieren Sondergesetze, wie etwa § 4 Abs 4 VBG 1948 weitere Beschränkungen oder lassen – nach ihrem Wortlaut – wiederholt Befristungen ohne Beschränkungen zu, wie etwa die Bestimmung des § 32 Abs 5 ORF‑G (9 ObA 25/20x Pkt 1.2.). Zur Vorschrift des § 4 Abs 4 VBG 1948, die ausschließlich die Zulässigkeit von mehrfach befristeten Dienstverhältnissen für Vertragsbedienstete des Bundes regelt, hat der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt, dass die außerhalb des Geltungsbereichs dieser Gesetzesstelle vorzunehmende Prüfung der Rechtfertigung durch besondere wirtschaftliche oder soziale Gründe im Anwendungsbereich des § 4 Abs 4 VBG 1948 nicht stattzufinden hat (8 ObA 214/95; 8 ObA 5/19x Pkt 2.2.).

[20] 5.1. Die (innerstaatliche) Auslegung des § 15 AZHG durch das Berufungsgericht wird vom Senat geteilt. Schon bei der Einführung des § 15 Abs 2 AZHG wurde erläutert, dass eine Entsendung nunmehr auch um mehr als drei Monate verlängert werden könne, ohne dass dadurch ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes Dienstverhältnis entstehe (ErläutRV 1632 BlgNR 20. GP 11). Später wurde im Zuge einer redaktionellen Änderung erläutert, der Zweck des § 15 Abs 2 AZHG bestehe darin, dass das Dienstverhältnis bei ein- oder mehrmaliger Verlängerung nicht als von Anfang an auf unbestimmte Zeit eingegangen angesehen wird (ErläutRV 585 BlgNR 25. GP 23). Dass dadurch nicht mehr gesagt werde als ohnehin schon aus dem Gesetzeswortlaut hervorgehe – so der Revisionswerber –, ist insofern nicht zutreffend, als die Materialien nicht nur negativ, also was nicht gelten soll, formulieren, sondern positiv, was gelten soll: Auch mehrfache und mehr als dreimonatige Verlängerungen sollen zulässig sein. Die historische Interpretation (die Wortinterpretation führt zu keinem eindeutigen Ergebnis) der Bestimmung des § 15 AZHG ergibt daher, dass Kettenverträge im Anwendungsbereich des § 15 AZHG ohne Prüfung auf deren sachliche Rechtfertigung erlaubt sein sollen.

[21] 5.2. Dieses Ergebnis wird durch systematisch-teleologische Erwägungen gestützt: Der Gesetzgeber hat in einem bestimmten Bereich (VBG) ein spezielles Verbot angeordnet (§ 4 Abs 4 VBG) und in einem bestimmten Teilbereich (§ 15 AZHG) eine Ausnahme davon normiert (§ 15 Abs 2 AZHG). Das AZHG geht daher in diesen Sonderfällen von vornherein davon aus, dass eine – von der Rechtsprechung im Allgemeinen geforderte – Rechtfertigung für die mehrfachen Befristungen von Dienstverhältnissen vorliegt. Das diesen Entsendungsfällen zugrunde liegende KSE‑BVG wurde mit dem Ziel eingeführt, um den Entwicklungen auf internationaler Ebene (Bereitschaft Österreichs „sich im vollen Umfang und aktiv an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, so wie sie im Vertrag über die Europäische Union definiert ist, zu beteiligen“) Rechnung zu tragen und um ua auch die Entsendung von einzelnen Personen verwirklichen zu können (vgl ErläutRV 503 BlgNR 20. GP 1 ff). § 1 KSE‑BVG knüpft an jene Fälle der Entsendung von den in § 4 Abs 1 leg cit bezeichneten Personen in das Ausland an, deren Zweck ua in der solidarischen Teilnahme an internationalen Maßnahmen der Friedenssicherung, an Maßnahmen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe bzw an Maßnahmen der Such- und Rettungsdienste besteht. Nach § 4 Abs 1 KSE‑BVG können für die Zwecke nach § 1 Angehörige des Bundesheeres, Angehörige der Wachkörper des Bundes und andere Personen, wenn sie sich zur Teilnahme verpflichtet haben, entsendet werden. Mit dem Gesetz soll dem entsendenden Organ ermöglicht werden, nicht nur geschlossene Kontingente von Angehörigen des Bundesheeres, von Angehörigen der Wachkörper des Bundes und von Personen, die sich zur Dienstleistung für den betreffenden Einsatz verpflichtet haben, sondern auch einzelne Personen in das Ausland zu entsenden (ErläutRV 503 BlgNR 20. GP 6).

[22] 5.3. Daraus folgt nun zunächst, dass anders als in den Verfahren 9 ObA 11/22s und 8 ObA 58/22w, in welchen aufgrund der zur Anwendung zu gelangenden Bestimmungen des Theaterarbeitsgesetzes (TAG) für die davon umfassten Tätigkeitsbereiche generell der befristete Arbeitsvertrag den Normalfall darstellt, der Gesetzgeber hier die Möglichkeit schaffen wollte, neben dem geschlossenen Kontingent von Angehörigen des Bundesheeres bzw der Wachkörper des Bundes, auch einzelne Personen, die sich zur Dienstleistung für den betreffenden Einsatz verpflichtet haben, zeitlich befristet entsenden zu können. Nur für diese Personen, die nicht in einem aktiven Dienstverhältnis zum Bund stehen und keine Angehörigen des Bundesheeres sind, sieht § 15 Abs 1 AZHG vor, dass für die Dauer ihrer Entsendung nach § 1 KSE‑BVG, einschließlich einer allfälligen inländischen Vor- und Nachbereitung, ein befristeter Dienstvertrag nach dem VBG abzuschließen ist, wobei auf diese Dienstverhältnisse § 4 Abs 4 VBG nicht zur Anwendung zu gelangen hat. Nach § 15 Abs 1 und Abs 2 AZHG ist ein befristeter Dienstvertrag abzuschließen und kommt dabei das VBG unter Ausschluss der Bestimmung des § 4 Abs 4 VBG zur Anwendung. Dass diese Bestimmung einen gesetzlichen Ausschluss von sonst an sich zulässigen Kettenverträgen darstellt (RS0031374) und daher die außerhalb des Geltungsbereichs dieser Gesetzesstelle vorzunehmende Prüfung der Rechtfertigung durch besondere wirtschaftliche oder soziale Gründe nicht stattzufinden hat (RS0031374 [T1]), ist ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Anders als das TAG sieht das VBG den befristeten Vertrag nicht als Normalfall an, sondern sollen befristete Dienstverträge die Ausnahme bilden und nur in den im Gesetz (eng) umschriebenen Fällen zulässig sein (8 ObA 5/19x Pkt 2.2.). Bei der Auslegung der Ausnahmebestimmungen ist ein strenger Maßstab anzulegen, da das sich aus § 4 Abs 4 VBG ergebende Verbot von Kettenarbeitsverträgen einer extensiven Interpretation von Ausnahmebestimmungen entgegen steht (8 ObA 5/19x Pkt 2.2.).

[23] Die von der Revision als nicht einschlägig erachtete Entscheidung 9 ObA 225/01f, worin im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 7 NÖ LVBG ausgeführt wurde, dass es keiner speziellen Rechtfertigung bedarf, wenn eine positivgesetzliche Regelung eine Verlängerung eines befristeten Dienstverhältnisses ausdrücklich zulässt, fügt sich in diese Rechtsprechung ein (vgl 9 ObA 25/20x Pkt 1.2.).

[24] 5.4. Die Entsendung nach § 15 Abs 1 und Abs 2 AZHG iVm § 1 KSE‑BVG stellt nach Ansicht des Senats eine solche Ausnahmebestimmung dar. Die Entsendung auf Grundlage eines befristeten Dienstvertrags darf ausschließlich in den in § 1 KSE‑BVG konkret umschriebenen Fällen erfolgen und es können nur Personen, die sich zur Dienstleistung für den betreffenden Einsatz verpflichtet haben und nicht Angehörige des Bundesheeres bzw des Wachkörpers des Bundes sind, davon erfasst sein. Mit Einführung des KSE‑BVG sollte ua auch die prompte Entsendung zur Hilfeleistung in besonders dringlichen Situationen sichergestellt werden (vgl § 2 Abs 5 KSE‑BVG; vgl ErläutRV 503 BlgNR 20. GP 6) bzw sollten auch Personen entsendet werden können, die konkret für einen Einsatzfall benötigt werden (allenfalls aufgrund der Notwendigkeit in Bezug auf die konkrete Maßnahme bzw aufgrund des Bedarfs ziviler Experten – vgl ErläutRV 503 BlgNR 20. GP 6).

[25] 5.5. Der Kläger bestritt nicht, im Rahmen seiner befristeten Dienstverhältnisse anders als in seinen Dienstverträgen vereinbart, eingesetzt worden zu sein. Im Anlassfall ist es maßgeblich, dass der Kläger aufgrund der jeweiligen Verlängerungen auch tatsächlich als UN‑Militärbeobachter im Rahmen der MINURSO-Mission der Vereinten Nationen in der Westsahara tätig wurde. Nach § 15 AZHG iVm § 1 Z 1 KSE‑BVG kommt es entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht auch darauf an, welche Gründe konkret für die Entsendung (bzw deren Aufrechterhaltung) ursächlich waren, wenn damit nur ein in § 1 KSE‑BVG aufgezählter Zweck erfüllt wird und zudem die Voraussetzungen des § 15 AZHG vorliegen. Nach § 1 KSE‑BVG sind Entsendungen dem Handlungsermessen der zur Entsendung berufenen Organe anheimgestellt; es kann, muss aber nicht entsendet werden (§ 1 Z 1 KSE‑BVG; „Einheiten und einzelne Personen können in das Ausland entsendet werden […].“; vgl ErläutRV 503 BlgNR 20. GP  8). Dem Revisionswerber ist weiters darin nicht zuzustimmen, dass zufolge der Vereinbarung auch des österreichischen Bundesgebiets als Dienstort das Dienstverhältnis nicht ausschließlich den Anwendungsbereich des § 15 AZHG betroffen hätte. Die Dienstverhältnisse des Klägers wurden für die Dauer der Entsendung gemäß § 1 Z 1 KSE‑BVG, einschließlich einer allfälligen inländischen Vor- oder Nachbereitung, zur Verrichtung eines Auslandseinsatzes als UN-Militärbeobachter im Rahmen der MINURSO-Mission der Vereinten Nationen in der Westsahara abgeschlossen. Der Kläger war in diesem Rahmen in der Westsahara tätig.

[26] 6. Im konkreten Fall ist aberauch eine unionsrechtliche Beurteilung der vom AZHG erlaubten Befristung von Dienstverhältnissen erforderlich (RS0043352 [T7]). Mit dem Unionsrecht im Zusammenhang von Befristungen von Dienstverhältnissen hat sich der Oberste Gerichtshof zuletzt in den Entscheidungen 9 ObA 25/20x, 8 ObA 58/22w und 9 ObA 11/22s beschäftigt und dazu ausgeführt:

[27] 6.1. Mit der Richtlinie 1999/70/EG des Rates über befristete Dienstverträge vom 28. 6. 1999 (Befristungs‑RL) wurde die EGB‑UNICE‑CEEP‑Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse vom 18. 3. 1999 übernommen. Das erklärte Ziel dieser Richtlinie gemäß § 1 der Rahmenvereinbarung ist es, durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität der befristeten Arbeitsverhältnisse zu verbessern und einen Rahmen zu schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse verhindert (9 ObA 11/22s Rz 21 mwN).

[28] 6.2. Grundsätzlich überlässt § 5 Nr 2 der Befristungs‑RL es aber den Mitgliedstaaten zu bestimmen, unter welchen Bedingungen befristete Arbeitsverträge und ‑verhältnisse als aufeinanderfolgend bzw als unbefristet zu betrachten sind (9 ObA 11/22s Rz 26 mwN).

[29] 6.3. Die Befristungs‑RL geht von der Prämisse aus, dass unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses sind. Gleichzeitig wird aber anerkannt, dass befristete Arbeitsverträge für die Beschäftigung in bestimmten Branchen oder für bestimmte Berufe und Tätigkeiten charakteristisch sind. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, eine oder mehrere der in § 5 Nr 1 lit a bis c der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen zu erlassen, um die missbräuchliche Verwendung von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen wirksam zu verhindern, sofern ihr innerstaatliches Recht keine „gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen“ zur Verhinderung eines solchen Missbrauchs umfasst. Die Mitgliedstaaten können nach § 5 Nr 1 lit a bis c der Befristungs‑RL die Zulässigkeit einer mehrfachen Befristung vom Vorliegen sachlicher Gründe abhängig machen, sie können eine maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverhältnisse oder die zulässige Zahl der Verlängerungen festlegen. Schon aus dem Wortlaut ergibt sich, dass die verschiedenen, darin angeführten Maßnahmen als „gleichwertig“ angesehen werden. Somit wird in § 5 Nr 1 der Befristungs‑RL mit der Verwendung „gleichwertige gesetzliche Maßnahmen“ auf alle Maßnahmen des nationalen Rechts abgestellt, die wie die in diesen Paragraphen genannten Maßnahmen die missbräuchliche Verwendung von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen oder ‑verhältnissen auf effektive Weise verhindern sollen. Die Mitgliedstaaten verfügen nach dieser Bestimmung über einen Spielraum dabei, wie sie dieses Ziel zu erreichen gedenken, was jedoch unter der Bedingung steht, dass sie das gemeinschaftsrechtlich vorgegebene Ergebnis gewährleisten (9 ObA 11/22s Rz 30 mwN).

[30] 6.4. Würde zugelassen, dass eine nationale Vorschrift von Gesetzes wegen oder ohne weitere Präzisierung aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge rechtfertigen kann, so liefe dies auf eine Missachtung der Zielsetzung der Rahmenvereinbarung, mit der Arbeitnehmer gegen unsichere Beschäftigungsverhältnisse geschützt werden sollen, und auf eine Aushöhlung des Grundsatzes hinaus, dass unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses sind (9 ObA 11/22s Rz 32 mwN).

[31] 6.5. Sieht eine innerstaatliche Regelungüber die Befristung eines Arbeitsverhältnisse keine den in § 5 Nr 1 der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen vor, ist zu prüfen, ob der Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge in diesem Bereich durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt werden kann (vgl EuGH C‑331/17 , Sciotto, Rn 37, ECLI:EU:C:2018:859). Der Begriff „sachliche Gründe“ ist dahin zu verstehen, dass er genau bezeichnete, konkrete Umstände meint, die eine bestimmte Tätigkeit kennzeichnen und daher in diesem speziellen Zusammenhang den Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge rechtfertigen können. Diese Umstände können sich etwa aus der besonderen Art der Aufgaben, zu deren Erfüllung die Verträge geschlossen worden sind, und deren Wesensmerkmalen oder gegebenenfalls aus der Verfolgung eines legitimen sozialpolitischen Ziels durch einen Mitgliedstaat ergeben (EuGH C‑331/17 , Sciotto, Rn 39). Hingegen entspräche eine nationale Vorschrift, die sich darauf beschränkte, den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge allgemein und abstrakt durch Gesetz oder Verordnung zuzulassen, nicht den in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils dargelegten Erfordernissen. Einer solchen rein formalen Vorschrift lassen sich nämlich keine objektiven und transparenten Kriterien für die Prüfung entnehmen, ob die Verlängerung derartiger Verträge tatsächlich einem echten Bedarf entspricht und zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist. Eine solche Vorschrift birgt somit die konkrete Gefahr eines missbräuchlichen Rückgriffs auf derartige Verträge und ist daher mit dem Ziel und der praktischen Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung unvereinbar (EuGH C‑331/17 , Sciotto, Rn 40).

[32] 6.6. Wie bereits oben (Pkt 5.4.) dargestellt, sind der Regelung des § 15 AZHG iVm § 1 KSE‑BVG sachliche Gründe für die Befristung im Sinn der vom EuGH judizierten Grundsätze immanent. Es handelt sich nicht um eine Norm, die im Allgemeinen für einen bestimmten Tätigkeitsbereich und ohne die Angabe konkreter Gründe die Befristung von Verträgen zulässt. Die Zulässigkeit mehrfacher aufeinanderfolgender Befristungen von Dienstverhältnissen nach § 15 AZHG iVm § 1 Z 1 KSE‑BVG zielt auch nicht darauf ab, einen ständigen oder dauerhaften Bedarf an Personen, die nicht in einem aktiven Dienstverhältnis zum Bund stehen und keine Angehörigen des Bundesheeres sind (§ 15 Abs 1 Z 1 KHVG), abzudecken, sondern einen vorübergehenden Bedarf, wenn es eine Situation iSd § 1 KSE‑BVG ausnahmsweise erfordert.

[33] Der Revision des Klägers war daher nicht Folge zu geben.

[34] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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