OGH 6Ob54/22t

OGH6Ob54/22t18.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, Slowenien, vertreten durch Mag. Helmut Gruber, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Mag. Rolf Gabron, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen Feststellung und Unterlassung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 10. Februar 2022, GZ 3 R 166/21b‑11, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 5. November 2021, GZ 5 C 178/21t‑7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00054.22T.0518.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss lautet:

Die Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs wird verworfen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei, die mit 1.148,98 EUR (darin 191,50 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt mittels Klage im streitigen Verfahren die Feststellung, die Beklagte sei als ehemalige Ehegattin des Rechtsvorgängers der Klägerin, welche daraus ihr auf einer näher bezeichneten (in Österreich gelegenen) Liegenschaft beruhendes Nutzungsrecht ableite, ihr gegenüber als Eigentümerin dieser Liegenschaft und ihren Rechtsnachfolgern im Eigentum dieses Grundstücks nicht berechtigt, das Wohnhaus außerhalb der Einlegerwohnung, die Garage und den Technikraum zu nutzen; in eventu die Einschränkung des Nutzungsrechts der Beklagten auf die Einlegerwohnung und überdies, die Beklagte schuldig zu erkennen, ab sofort Nutzungen über die Einlegerwohnung hinaus zu unterlassen.

[2] Sie brachte dazu vor, sie sei (seitdem ihr ihr Sohn die Liegenschaft im Jahr 2015 geschenkt habe) Alleineigentümerin dieser Liegenschaft. Die Beklagte sei die ehemalige Ehegattin ihres Sohnes. Die Ehe sei im November 2013 geschieden worden. Die Beklagte habe im Verfahren vor dem zuständigen Gericht in Slowenien die „Klage“ im Aufteilungsverfahren zurückgezogen, woraufhin das Verfahren auf Ermittlung des Umfangs und der Aufteilung des Gesamtvermögens eingestellt worden sei. Die Beklagte leite ihr Nutzungsrecht an der Liegenschaft (die nie als Ehewohnung genutzt oder als solche bestimmt gewesen sei) aus dem seinerzeit gemeinschaftlichen Vermögen während aufrechter Ehe mit ihrem Sohn ab.

[3] Durch die Nutzung der Beklagten werde ihr der Zugang zu dem in ihrem Alleineigentum stehenden Haus gänzlich verwehrt. Es sei verhältnismäßig und der Beklagten auch zumutbar, zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses (und auch jenes ihres Kindes) ihr Nutzungsrecht auf die Einlegerwohnung im Gartengeschoß zu beschränken.

[4] Die Beklagte wendete die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs ein.

[5] Das Erstgericht sprach aus, dass das Verfahren gemäß § 40a JN im Außerstreitverfahren zu führen sei.

[6] Es beurteilte die mit der Klage eingeleitete Streitigkeit als eine, die im Kern die Nichteinigung über die Nutzung gemeinsamen Vermögens betreffe. Dass es sich um gemeinsames Vermögen handle, lasse die Klägerin nach ihrem Vorbringen gegen sich gelten. Aufgrund ihres Vorbringens sei klar, dass die Ehe zwischen ihrem Sohn und der Beklagten in Slowenien zwar rechtskräftig geschieden worden sei, ein Aufteilungsverfahren jedoch noch nicht durchgeführt worden sei. Nach § 9 Abs 1 IPRG iVm § 19 IPRG sei slowenisches Recht in Bezug auf die Aufteilung anzuwenden. Nach diesem anzuwendenden Sachrecht sei der gesetzliche Güterstand in Slowenien eine Form der Errungenschaftsgemeinschaft. Das gemeinschaftliche Vermögen der Ehegatten gehöre diesen gemeinsam, wobei die Anteile eines jeden nicht bestimmt seien. Das gemeinschaftliche Vermögen sei von den Ehegatten gemeinsam und einvernehmlich zu verwalten.

[7] Mit der Klage solle geklärt werden, welcher Teilhaber welche Räume in welchem Ausmaß nutzen dürfe. Der Streit betreffe also ähnlich einer Benutzungsregelung die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Gesamthandeigentümer. Bei fiktiver Zugrundelegung von schlichtem Miteigentum wäre das Verfahren gemäß § 838a ABGB im Außerstreitverfahren zu führen. Aufgrund der Zielsetzung dieser Bestimmung und der vorwiegend dogmatischen Unterscheidung zwischen schlichtem Miteigentum und Gesamthandeigentum müsse diese Bestimmung auch dann gelten, wenn materiell‑rechtlich an einer Sache Gesamthandeigentum bestehe, zumal auch hier dieselben Probleme zu erwarten und zu regeln seien.

[8] Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und verwies auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts. Die Liegenschaft sei während der Ehe erworben worden und stelle Gesamthandvermögen der Ehegatten dar. Die Klägerin habe sich selbst auf das daraus abgeleitete Nutzungsrecht der Beklagten bezogen. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur (analogen) Anwendbarkeit des § 838a ABGB auf slowenisches Gesamthandeigentum fehle.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der von der Beklagten beantwortete Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

[10] 1.1. Die Wahl der Verfahrensart durch die verfahrenseinleitende Partei bestimmt die anzuwendenden Rechtsmittelvorschriften (RS0046238 [T2]; RS0046245 [T4, T9]). Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist daher nach § 528 ZPO zu beurteilen.

[11] 1.2. Wiewohl das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts zur Gänze bestätigt hat, ist der Revisionsrekurs dennoch nicht nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig. Die Überweisung der Rechtssache vom streitigen in das außerstreitige Verfahren ist nämlich dann der Zurückweisung einer Klage gleichzuhalten, wenn mit der Überweisung der Rechtssache eine Veränderung der anzuwendenden materiellen Bestimmungen verbunden ist (RS0044538 [T4]; RS0103854 [T3, T4]; RS0106813 [T4, T5]; hier kämen bei Unterstellung unter § 838a ABGB die §§ 825 ff ABGB anstelle von § 523 ABGB zur Anwendung).

[12] 2.1. Maßgebend für die Bestimmung der Art des Rechtswegs sind nach § 40a JN der Wortlaut des Begehrens und (ausschließlich die von der klagenden Partei [vgl RS0005896]) zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen (RS0005896 [T17]; RS0013639; RS0005861), wobei vor allem der innere Sachzusammenhang des jeweils geltend gemachten Anspruchs mit einer entweder in die streitige oder in die außerstreitige Gerichtsbarkeit verwiesenen Materie von Bedeutung ist (RS0013639 [T15]; 6 Ob 162/19w; 6 Ob 203/19z). Einwendungen des Gegners oder die vom Gericht (hier in zutreffender Weise gar nicht) getroffenen Feststellungen sind für die Zulässigkeit der gewählten Verfahrensart nicht maßgeblich (RS0013639 [T9]).

[13] 2.2. Im Zweifel gehören alle in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen auf den Prozessweg (RS0012214 [insb T5, T14]).

[14] 2.3. An diesen Grundsätzen hat auch der mit dem Familien- und Erbrechts‑Änderungsgesetz 2004 (FamErbRÄG 2004, BGBl I 2004/58) eingeführte § 838a ABGB nichts geändert (8 Ob 111/11y; 1 Ob 39/13m; 5 Ob 33/20v; 5 Ob 106/14w).

[15] Entscheidend für die Verweisung auf den außerstreitigen Rechtsweg nach § 838a ABGB ist, ob eine Streitigkeit zwischen Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten „den Kern des Begehrens“ bildet (5 Ob 106/14w5 Ob 200/14v; RS0013622 [T10]). Die Verweisung in das Außerstreitverfahren erstreckt sich nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 471 BlgNR 22. GP  33) nur auf diese mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber. Weiterhin auf den streitigen Rechtsweg gehören Ansprüche, die nicht (nur) auf das Miteigentumsverhältnis gegründet sind, sondern auf andere Rechtsgrundlagen, etwa Besitzstörungs-, Schadenersatz- und Bereicherungs- oder auch nachbarrechtliche Unterlassungsansprüche sowie Ansprüche nach § 523 ABGB (vgl Sailer in KBB6 § 838a Rz 2 f mwN; 5 Ob 33/20v).

[16] 3.1. Der Klägerin gelingt es im Revisionsrekurs, eine gegen ihren erklärten Willen (5 Ob 67/09b) vorgenommene – und damit auch im Einzelfall korrekturbedürftige (vgl RS0042828 [T7, T11, T15, T23, T31]) – Auslegung ihres Klagebegehrens und der zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen darzulegen.

[17] 3.2. Ihre Klage ist nämlich nach den behaupteten anspruchsbegründenden Tatsachen und dem oben dargestellten primären Rechtsschutzziel sehr wohl als – nach österreichischem Sachenrecht zu beurteilende (§ 31 IPRG) – Eigentumsfreiheitsklage im Sinn des § 523 ABGB anzusehen.

[18] 3.3. Die Vorinstanzen nehmen in diesem Zusammenhang nicht darauf Bedacht, dass sich die Klägerin ausdrücklich (und mehrmals) auf ihr alleiniges Eigentum an der Liegenschaft aufgrund einer Schenkung berufen hat. Sie hat damit zum Ausdruck gebracht, dass sie sich auf die Rechtstatsache des Vorliegens von Eigentum iSd §§ 353 ff ABGB in Bezug auf die (eben in ihrem Alleineigentum stehende) Liegenschaft stützt. Dagegen bezeichnete sie durchgehend das Recht der Beklagten immer bloß als „Nutzungsrecht“. Sie referiert zwar in der Klage die in Gerichtsentscheidungen (die aber andere Verfahren betreffen) und von der Beklagten geäußerte Rechtsansichten. Dass sie sich damit diese von ihr bloß wiedergegebenen Auffassungen anderer (zu gemeinschaftlichem Vermögen – im Übrigen mit der Einschränkung – „während aufrechter Ehe“) als ihren Standpunkt zu eigen hätten machen wollen, ist aber nicht zu erkennen, zumal sie auch in diesem Zusammenhang auf die Beeinträchtigung des Zugangs zu dem in ihrem Alleineigentum stehenden Haus verweist (also auf eine ihr Alleineigentum störende Handlung der Beklagten).

[19] Aus welchen von ihr vorgebrachten Tatsachen sich (Gesamthand-)Eigentum (mit) der Beklagten ergeben sollte, lässt sich ihren Ausführungen nicht entnehmen; ihr Vorbringen ist vor dem Hintergrund und nach dem Verständnis des nach § 31 IPRG berufenen Rechts der gelegenen Sache (nach dem Realstatut; hier also nach österreichischem Recht) auszulegen und zu beurteilen. Das Realstatut gilt für alle sachenrechtlichen Fragen, also etwa auch Typenzwang, Entstehung, Erwerb, Inhalt, Wirkungen, Schutz, Änderung, Übertragung und Untergang dinglicher Rechte (Neumayr in KBB6 § 31 IPRG Rz 2).Eigentum zur gesamten Hand ist dem österreichischen Recht unbekannt (RS0022320). Auf Basis des im Bereich des Sachenrechts herrschenden Typenzwangs und des Eintragungsgrundsatzes (§ 431 ABGB; allg dazu RS0011117; RS0011111 [T3]) lassen sich der Klage – auch unter der Annahme eines von den Vorinstanzen angenommenen Zugeständnisses eines Nutzungsrechts der Beklagten – keine Tatsachen entnehmen, aus denen zu schließen wäre, die Klägerin hätte das Vorliegen von (außerbücherlichem) Gesamthandeigentum der Streitteile an der – nach ihren Behauptungen im Gegenteil ja in ihrem Alleineigentum stehenden – Liegenschaft behauptet.

[20] Dem Klagevorbringen in seiner Gesamtheit kann damit nicht entnommen werden, die Klägerin sähe die Beklagten als Teilhaberin an der Sache im Sinne eines gleichgearteten (bzw „qualitativ“ gleichwertigen) Rechts an (womit auch die Ausführungen der Beklagten zu einer analogen Anwendung von § 838a ABGB in der Revisionsrekursbeantwortung scheitern [vgl die bei Sailer in KBB6 § 825 Rz 7 f genannten Beispiele]). Die Klage zielt – gleich, ob und in welchem Umfang Nutzungsrechte der Beklagten bestehen mögen – nicht auf die Verwaltung einer gemeinschaftlichen Sache ab, sondern auf den Schutz des Alleineigentums der Klägerin durch die Untersagung der ihr Eigentum (in bestimmtem Umfang) beeinträchtigenden Nutzungen der Beklagten.

[21] 4. Es bedarf damit der Abänderung der Beschlüsse der Vorinstanzen. Die unberechtigte Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs ist zu verwerfen. Das Erstgericht hat das Verfahren über die Klage fortzusetzen.

[22] 5. Die Kostenentscheidung richtet sich im Zwischenverfahren nach § 40a JN nach jener Verfahrensart, die in dem das Verfahren einleitenden Rechtsschutzantrag gewählt und behauptet wurde (RS0046245).

[23] Die Kostenentscheidung beruht daher auf § 50 iVm § 52 Abs 1 Satz 2 und § 41 ZPO. Die Klägerin hat im selbständigen Zwischenstreit über die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs obsiegt, sodass die Beklagte der Klägerin die Kosten des Rekurs‑ und Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen hat (RS0035955).

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