OGH 1Ob39/13m

OGH1Ob39/13m29.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** H*****, vertreten durch Gabler Gibel & Ortner Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei MMag. Dr. P***** M*****, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. DI R***** K*****, 2. Mag. M***** K*****, beide *****, vertreten durch Hopmeier & Wagner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Vertragszuhaltung (30.000 EUR) und Feststellung (10.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Dezember 2012, GZ 11 R 146/12i‑20, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 22. Mai 2012, GZ 27 Cg 238/11k‑12, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0010OB00039.13M.0429.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Klägerin war bei Einbringung der Klage zu drei Fünftel Eigentümerin einer Liegenschaft. Der auf ihrer Seite dem Verfahren beigetretene Nebenintervenient ist zu einem Fünftel Miteigentümer dieser Liegenschaft, auf der ein Haus errichtet ist. Mit Kaufvertrag vom 4. 6. 2004 hatte die Klägerin den Beklagten jeweils ein Zehntel der Anteile an dieser Liegenschaft zum Zweck des Ausbaus des Dachgeschoßes und zur Begründung von Wohnungseigentum veräußert. Der von ihnen ausgebaute Dachbodenteil liegt oberhalb der Wohnung des Nebenintervenienten.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten, den Aufbau des Fußbodens bzw die Zwischendecke über der Wohnung des Nebenintervenienten dergestalt zu verbessern, dass eine Deckenkonstruktion mit einer dem heutigen Stand der Technik, hilfsweise dem Stand der Technik zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags entsprechenden sehr guten Trittschalldämmung errichtet werde. Darüber hinaus erhebt sie ein Eventualbegehren und ein auf die Haftung der Beklagten für alle weiteren Schäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Mit den Beklagten sei die notwendige Trittschalldämmung beim Dachgeschoßausbau thematisiert worden. In Punkt IX. des Kaufvertrags hätten sich diese verpflichtet, für den Aus‑ und Umbau die entsprechenden Ö‑Normen, insbesondere in Bezug auf die Trittschalldämmung einzuhalten. Den Beklagten sei bei Abschluss des Kaufvertrags klar gewesen, dass eine dem Stand der Technik entsprechende, sehr gute Schallschutzdämmung geschuldet werde.

Das Erstgericht sprach aus, dass der streitige Rechtsweg unzulässig und die Rechtssache im außerstreitigen Verfahren zu führen sei. Es erklärte das bisherige Verfahren für nichtig und überwies die Sache an das sachlich und örtlich nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht.

Dem dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin und des Nebenintervenienten gab das Rekursgericht zur Gänze, jenem der Beklagten teilweise Folge. Es hob den Beschluss des Erstgerichts auf und trug diesem die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage auf. Die Klägerin stütze ihren Anspruch auf Vornahme einer baulichen Maßnahme an der gemeinschaftlichen Liegenschaft nicht auf das zwischen den Parteien bestehende Miteigentumsverhältnis, sondern begründe diesen Anspruch mit der von den Beklagten im Kaufvertrag oder im Zuge von dessen Abschluss übernommenen vertraglichen Verpflichtung.

Soweit der Abänderungsantrag der Beklagten auf die Zurückweisung der Klage gerichtet sei, komme deren Rechtsmittel keine Berechtigung zu. Fragen der Aktivlegitimation beträfen die materielle Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs und seien daher nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des (außerstreitigen) Rechtswegs zu klären. Demgegenüber sei das Rechtsmittel der Beklagten jedoch berechtigt, soweit sich diese gegen die Überweisung des Feststellungsbegehrens in das Außerstreitverfahren wendeten. In diesem Umfang sei auch deren Rechtsmittel erfolgreich.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs „in einer Konstellation, wie sie hier vorliegt“, noch nicht Stellung genommen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist in Ermangelung einer Rechtsfrage von der Bedeutung gemäß § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1.1 Bei der Beurteilung, ob eine Rechtsache im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu erledigen ist, ist nicht auf die Bezeichnung der Parteien, sondern ausschließlich auf den Inhalt des Begehrens und das Parteienvorbringen abzustellen (§ 40a JN). Ohne Einfluss für diese Frage ist, was der Gegner einwendet, oder ob der behauptete Anspruch begründet ist (RIS‑Justiz RS0005861; RS0013639). An diesen Grundsätzen hat auch der mit dem Familien‑ und Erbrechts‑Änderungsgesetz 2004 (FamErbRÄG 2004, BGBl I 2004/58) eingeführte § 838a ABGB nichts geändert (8 Ob 111/11y = EvBl 2012/61, 416 = immolex 2012/70, 214 [Prader]).

1.2 Nach § 838a ABGB ist über Streitigkeiten zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden. Weiterhin auf den streitigen Rechtsweg gehören jedoch Ansprüche, die nicht nur auf das Miteigentumsverhältnis gegründet sind, sondern auch auf weitere Rechtsgrundlagen wie die in den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 471 BlgNR 22. GP 33) beispielhaft genannten Besitzstörungs‑, Schadenersatz‑ und Bereicherungs‑ sowie nachbarrechtlichen Unterlassungsklagen (Sailer in KBB³ § 838a Rz 3). Auch nach der Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 838a ABGB sind Streitigkeiten zwischen Miteigentümern nur dann auf den außerstreitigen Rechtsweg verwiesen, wenn der Anspruch auf keine weitere Rechtsgrundlage als das Miteigentumsverhältnis selbst gegründet ist (vgl 8 Ob 111/11y; 2 Ob 71/12y = EvBl 2013/38, 265 [ Schwab ] = immolex 2013/26, 84 [ Limberg ]).

1.3 Die Klägerin begehrt Vertragszuhaltung und leitet damit ihren Anspruch auf bauliche Verbesserung aus einem eigenständigen, vom Miteigentumsverhältnis unabhängigen Rechtsgrund ab. Der zwischen ihr und den Beklagten abgeschlossene Kaufvertrag als Grundlage für den geltend gemachten Anspruch war auch keine Vereinbarung der Teilhaber über die unmittelbar mit der Verwaltung unter Benützung der gemeinschaftlichen Sache zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber im Sinne der § 838a ABGB. Die Entscheidung des Rekursgerichts entspricht damit der ständigen Rechtsprechung, nach der die Rechtsdurchsetzung im außerstreitigen Verfahren nur stattfindet, wenn eine Sache durch das Gesetz ausdrücklich oder zumindest schlüssig in diese Verfahrensart verwiesen ist (RIS‑Justiz RS0012214 [T1]; RS0005948; vgl auch RS0109644). Da auch das Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung noch keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RIS‑Justiz RS0102181), ist der Revisionsrekurs der Beklagten zurückzuweisen.

2. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a ZPO iVm § 510 Abs 3 ZPO).

3. Über die Zulässigkeit der Nebenintervention ist noch nicht abgesprochen. Die Legitimation des Nebenintervenienten zur Revisionsrekursbeantwortung ergibt sich daher aus § 18 Abs 3 ZPO.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO. Ein selbständiger Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rechtswegs lag nicht vor, weil die Frage nach der Zulässigkeit des (streitigen) Rechtswegs von Amts wegen aufgegriffen wurde (8 Ob 89/06f).

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