OGH 8Ob111/11y

OGH8Ob111/11y20.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Y***** B*****, vertreten durch Dr. Günter Niebauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Dr. Peter Fichtenbauer, Dr. Klaus Krebs, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert: 5.000 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30. Juni 2011, GZ 36 R 327/10w‑14, womit infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 23. September 2010, GZ 9 C 701/09d‑10 als nichtig aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0080OB00111.11Y.1220.000

 

Spruch:

Dem als „Revisionsrekurs“ bezeichneten Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Beklagte ist zu 5/8, die Klägerin zu 3/8 Miteigentümerin einer Liegenschaft in Wien.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, Baumaßnahmen im Umfang des Protokolls über die Miteigentümerversammlung vom 19. 8. 2009 auf diesem Objekt zu unterlassen. Sie brachte dazu vor, dass die Beklagte trotz der Einwendungen der Klägerin in dieser Miteigentümerversammlung den Beschluss auf Durchführung von Sanierungsmaßnahmen allein gefasst habe. Die von der Beklagten beschlossenen Maßnahmen stellten wichtige Veränderungen iSd § 834 ABGB dar und griffen in das Eigentumsrecht der Klägerin erheblich ein. Die Beklagte wolle das Gebäude gänzlich umgestalten und erhebliche Teile der alten, unter Denkmalschutz stehenden Substanz beseitigen. Zur Beschlussfassung wäre daher Einstimmigkeit erforderlich gewesen. Da der Klägerin bei Durchführung der geplanten und behördlich nicht genehmigten Arbeiten ein unwiederbringlicher Schaden drohe und akute Eingriffsgefahr bestehe, habe sie einen Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in ihr Eigentumsrecht. Hilfsweise erhob die Klägerin das Begehren, die in der Eigentümerversammlung am 18. 9. 2009 gefassten Beschlüsse für unwirksam zu erklären.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte unter anderem dessen Unschlüssigkeit sowie die Unzulässigkeit des (offenbar gemeint: streitigen) Rechtswegs ein.

Das Erstgericht wies das Unterlassungsbegehren der Klägerin als unschlüssig ab, ohne in seiner rechtlichen Beurteilung auf die Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs einzugehen. Das Eventualbegehren verwies es mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluss gemäß § 40a JN in das außerstreitige Verfahren.

Das Berufungsgericht hob das Urteil sowie das vom Erstgericht durchgeführte Verfahren aus Anlass der Berufung der Klägerin als nichtig auf und sprach aus, dass die Rechtssache gemäß § 40a JN im außerstreitigen Verfahren zu behandeln sei. Es führte aus, dass Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern ohne Rücksicht darauf, ob eine vollstreckbare Anordnung verlangt wird, auf den außerstreitigen Weg gehörten, wenn die Miteigentümer die nach den §§ 833 - 835 ABGB allenfalls erforderliche Unterstützung durch das Gericht in Anspruch nehmen. Die Klägerin stütze sich im Wesentlichen in ihrer Klage darauf, dass eine außerordentliche Verwaltungsangelegenheit vorliege, weshalb die Beschlussfassung unwirksam sei. Gegenstand des Verfahrens sei daher die Frage der Wirksamkeit bzw der Zweckmäßigkeit der in der Miteigentümerversammlung gefassten Beschlüsse, sodass gemäß § 838a ABGB der streitige Rechtsweg nicht zulässig sei. Das Unterlassungsbegehren sei lediglich im Hinblick auf die drohende Gefahr der Bauführung gestellt worden, ein bereits erfolgter oder unmittelbar drohender Eingriff in das Miteigentum der Klägerin werde in der Klage nicht behauptet.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zulässig sei, weil hinsichtlich der Auslegung des § 838a ABGB im Fall von Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Beschlüssen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der unrichtig als „Revisionsrekurs“ bezeichnete Rekurs der Klägerin .

Die Beklagte beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1.  Hat sich das Erstgericht - wie hier - mit der Frage der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs in seiner Entscheidung nicht auseinandergesetzt, ist der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem das Ersturteil als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur Entscheidung in das außerstreitige Verfahren überwiesen wurde, auch ohne Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts mittels Rekurs an den Obersten Gerichtshof anfechtbar (RIS‑Justiz RS0043890; RS0116348; E. Kodek in Rechberger , ZPO³ § 519 Rz 10).

2.  Ob ein Begehren im außerstreitigen Verfahren oder im Prozess zu entscheiden ist, richtet sich nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt des Begehrens und dem Parteivorbringen (§ 40a JN). Ist zweifelhaft, in welchem Verfahren eine Rechtssache zu behandeln und zu erledigen ist, so hat das Gericht darüber zu entscheiden. Von Bedeutung ist vor allem der innere Sachzusammenhang des jeweils geltend gemachten Anspruchs mit einer entweder in die streitige oder in die außerstreitige Gerichtsbarkeit verwiesenen Materie (1 Ob 117/10b mwH). Ohne Einfluss ist hingegen, was der Gegner einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist (RIS‑Justiz RS0005861, RS0013639). An diesen Grundsätzen hat auch § 838a ABGB nichts geändert ( H. Böhm in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.00 § 838a Rz 4 unter Hinweis auf missverständliche Ausführungen in den Gesetzesmaterialien).

3.  § 838a ABGB wurde mit dem FamErbRÄG, BGBl I 2004/58 geschaffen und trat mit 1. 1. 2005 in Kraft. Die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 471 BlgNR 22. GP 33) weisen unter Darstellung der früheren Rechtsprechung zur Frage, ob ein Anspruch im streitigen oder außerstreitigen Verfahren durchzusetzen ist, zunächst darauf hin, dass diesbezüglich „bisher relativ unklar und wenig einsichtig differenziert“ wurde. In den Materialien heißt es weiter:

Dies führt allerdings dazu, dass es notwendig ist, nur von den Angaben des Antragstellers auszugehen, um den zulässigen Rechtsweg herauszufinden. In der Praxis zeigt sich, dass diese Abgrenzung den verfahrenseinleitenden Anträgen oft nicht ausreichend zu entnehmen ist. Derartige Unsicherheiten können immer wieder zu fruchtlosen Streitigkeiten führen, in denen der meritorische Rechtsschutz von der Frage, in welchem Verfahren er zu gewähren ist, überlagert wird. Es empfiehlt sich daher, solche Unwägbarkeiten durch eine eindeutige, Zuständigkeits- und Rechtswegstreitigkeiten nicht provozierende Regel möglichst auszuräumen.

Einige der Miteigentümerstreitigkeiten passen nicht recht in den Zivilprozess mit seinem strikten Zwei- Parteien-System. Zudem können in diesen Angelegenheiten rechtsvorsorgende und rechtsgestaltende Mehrparteienverfahren vorkommen. Darüber hinaus ermöglicht das neue Außerstreitverfahren auch kontradiktorische Entscheidungen. Aus diesen Gründen ist es für die hier in Frage stehenden Auseinandersetzungen besser geeignet als der Zivilprozess.

In weiterer Folge präzisiert der Gesetzgeber in den Materialien seine der Schaffung des § 838a ABGB zu Grunde liegenden Erwägungen zur Abgrenzung der Verfahrensarten:

Mit § 838a ABGB werden daher Streitigkeiten zwischen den Teilhabern einer Miteigentumsgemeinschaft über die Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache in das Außerstreitverfahren verwiesen. Das gilt für Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern, nicht aber für Streitigkeiten mit Dritten. Auseinandersetzungen zwischen den Miteigentümern über die Bestellung, den Wechsel und die Enthebung eines Verwalters gehören künftig allein in das Außerstreitverfahren. Gleiches gilt etwa für Ansprüche eines Miteigentümers gegen die anderen Teilhaber aus von diesen beschlossenen Handlungen des Verwalters. Über den Anspruch auf Durchsetzung einer Mehrheitsentscheidung … oder den Anspruch auf Rechnungslegung gegen einen nicht der Gemeinschaft angehörigen dritten Verwalter ist dagegen weiterhin im Prozess zu entscheiden.

In das Außerstreitverfahren fallen die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber. Das betrifft jedenfalls die dem Richter nach den §§ 833 bis 838 ABGB zukommenden Aufgaben, aber auch Streitigkeiten aus einer Benützungsregelung, den Anspruch auf Rechnungslegung und auf die Verteilung des Erlöses zwischen den Miteigentümern (§ 830 Satz 1 ABGB) sowie die Verteilung des Nutzens und des Aufwandes unter ihnen (§ 839 ABGB). Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Auseinandersetzung der Teilhaber eine Vereinbarung zu Grunde liegt oder nicht. In beiden Fällen ist der Außerstreitrichter zur Verhandlung und Entscheidung berufen.

Die Verweisung in das Außerstreitverfahren erstreckt sich aber nur auf die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten. Ansprüche, die nicht nur auf das Miteigentumsverhältnis, sondern darüber hinaus auch noch auf weitere Rechtsgrundlagen gestützt werden (etwa ein Besitzstörungsanspruch, ein Schadenersatzanspruch, ein Bereicherungsanspruch oder ein auf das Nachbarrecht gestützter Unterlassungsanspruch zwischen Miteigentümern), sind weiterhin im streitigen Verfahren geltend zu machen. Die Teilung der Miteigentumsgemeinschaft kann ebenfalls nur im streitigen Verfahren verlangt und durchgesetzt werden.

4. Die Klägerin wendet sich mit ihrem Unterlassungsbegehren gegen eine ihrem Vorbringen nach zwar mehrheitlich, aber unwirksam beschlossene Maßnahme der Beklagten. Die Materialien enthalten zwar keine Ausführungen zu einem solchen Begehren, sie halten jedoch zum (umgekehrten) Anspruch auf Durchsetzung einer Mehrheitsentscheidung fest, dass darüber im streitigen Rechtsweg zu entscheiden sei. Diese Rechtsansicht wird in der Lehre von Sailer (in KBB³ § 838a Rz 3) und von Egglmeier‑Schmolke (in Schwimann, ABGB, Ta‑Komm § 838a Rz 3) geteilt.

Demgegenüber vertritt H. Böhm (aaO § 838a Rz 6) die Ansicht, dass sich der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 838a ABGB nicht auf eine Festschreibung der bisherigen Judikatur beschränken, sondern die Grenze neu ziehen wollte, und zwar deutlich zugunsten des Außerstreitverfahrens. Es sei insbesondere nicht einzusehen, warum die Durchsetzung von Mehrheitsbeschlüssen weiterhin auf dem streitigen Rechtsweg betrieben werden sollte (aaO Rz 8). In einem solchen Verfahren werde die überstimmte Minderheit regelmäßig einwenden, dass die Maßnahme nicht in die ordentliche Verwaltung falle oder die Willensbildung sonst fehlerhaft gewesen sei. Es handle sich dabei nachgerade um „prototypische Verwaltungsstreitigkeiten“, die in den Kernbereich des § 838a ABGB fielen. Daher gehöre auch ein Unterlassungs- bzw Beseitigungsbegehren der Minderheit gegen die Durchführung einer mehrheitlich beschlossenen Maßnahme, das sich auf die Behauptung fehlerhafter Willensbildung (etwa weil keine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung vorliege) stütze, in das Außerstreitverfahren. Entgegen den Ausführungen in den Materialien handle es sich in Wahrheit dabei um einen „höchst unmittelbar“ mit der Verwaltung, nämlich mit der für sie zentralen Frage der Willensbildung, zusammenhängenden Anspruch.

Auch Call weist auf die sich schon nach dem Text des § 838a ABGB ergebende Schwierigkeit der Abgrenzung des streitigen vom außerstreitigen Verfahren hin (Anm zu 3 Ob 144/08k in wobl 2008/133, 365 [368]). Es sei fraglich, wie eng oder weit die stark wertungsgeladenen verba legalia „die mit der Verwaltung und Benützung … unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten“ der Teilhaber zu verstehen seien. Call schlägt als Lösungsweg vor, zwischen einerseits dem Verfügungsrecht (Anteilsrecht) des einzelnen (oder mehrerer, oder aller) Miteigentümer gemäß §§ 828, 829 ABGB, und andererseits der gemeinschaftlichen Nutzung sowie Verwaltung einschließlich der Willensbildung der Teilhaber iSd §§ 833 bis 840 ABGB zu unterscheiden. Aus systematischen und teleologischen Gründen sei die Durchsetzung von Ansprüchen im Außerstreitverfahren klar auf die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten der Miteigentümer gemünzt, die in den §§ 833 bis 840 ABGB verankert seien, während alle aus dem Anteilsrecht erfließenden Ansprüche, also Verfügungen jedes Einzelnen, mehrerer oder aller Teilhaber (§§ 828, 829 ABGB) dem streitigen Rechtsweg vorbehalten seien.

Gegenstand der von Call besprochenen Entscheidung 3 Ob 144/08k war das Begehren eines Miteigentümers auf Unterlassung der (weiteren) Demontage einer historischen Liftanlage und Errichtung einer neuen Liftanlage durch die anderen Miteigentümer. Dabei handle es sich um eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung. Diese sei ohne Zustimmung des klagenden Miteigentümers erfolgt und daher nicht zulässig. Call betont den Umstand, dass vom Sachverhalt her die Frage im Mittelpunkt stand, ob die Demontage des Personenlifts von der Willensbildung in der Miteigentumsgemeinschaft getragen war. Weiters war zu beurteilen, ob es sich dabei um eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung iSd § 833 ABGB oder um eine wichtige Veränderung iSd § 834 ABGB gehandelt habe. Er folgert daraus, dass das Unterlassungsbegehren in diesem Fall im Außerstreitverfahren gemäß § 838a ABGB und nicht im streitigen Rechtsweg zu verfolgen gewesen wäre.

5. Nach der Rechtsprechung sind Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinsamen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten ganz allgemein im Außerstreitverfahren zu entscheiden. Dies gilt auch dann, wenn der Auseinandersetzung eine Vereinbarung der Miteigentümer zu Grunde liegt (4 Ob 76/07s). So hat beispielsweise die Ersetzung der fehlenden Zustimmung eines Miteigentümers zur Aufkündigung eines Bestandvertrags durch den Außerstreitrichter zu erfolgen (4 Ob 76/07s, zustimmend Call in wobl 2007/125, 320 [321]; 5 Ob 8/09a). Auch Ansprüche der Miteigentümer gegen einen der ihren, der auch die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache übernommen hat, sind im Außerstreitverfahren durchzusetzen (4 Ob 56/09b; 7 Ob 204/07m, zustimmend Call in wobl 2008/52, 149 [150]; 5 Ob 40/11k, 51/11b). Das Begehren auf Feststellung einer Benützungsregelung ist auch dann im außerstreitigen Rechtsweg zu verhandeln, wenn sie iSd § 828 Abs 2 ABGB auch für die Rechtsnachfolger wirken soll (6 Ob 233/10y).

5.1 Der Oberste Gerichtshof hat auch im Zusammenhang mit behaupteten rechtswidrigen Eingriffen in das Eigentumsrecht im Verhältnis zwischen Miteigentümern bereits in mehreren Entscheidungen zu § 838a ABGB Stellung genommen:

5.2  In der Entscheidung 1 Ob 213/07s bejahte der Oberste Gerichtshof die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs für ein auf titellose Benützung gestütztes Räumungsbegehren eines Miteigentümers gegen (ua) einen anderen Miteigentümer. Dazu merkt Call in wobl 2008/85, 247 an, dass nicht § 366 ABGB, sondern § 838a ABGB zur Anwendung gelange, sodass Räumungsansprüche wegen titelloser Benützung im Außerstreitverfahren durchzusetzen seien. Auch in der Entscheidung 10 Ob 53/08d wurde die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs für ein Räumungsbegehren bejaht, das die dortige Klägerin (Minderheitseigentümerin) auf ein einseitiges Abgehen von der bisherigen Benutzungsregelung und die alleinige titellose Benutzung durch die beklagte Miteigentümerin stützte (abermals kritisch Call in wobl 2008/109, 305).

5.3 Zum selben Ergebnis gelangte der Oberste Gerichtshof in der bereits dargestellten und in diesem Aspekt von Call kritisierten Entscheidung 3 Ob 144/08k. Er führte aus, dass eine Streitigkeit über die mit der Verwaltung und Benutzung der gemeinschaftlichen Sache zusammenhängenden Rechte und Pflichten iSd § 838a ABGB nicht vorliege, weil der erhobene Anspruch nicht allein auf dem Miteigentumsverhältnis beruhe, sondern auf einem rechtswidrigen Eingriff in das Miteigentumsrecht des Klägers, der nicht durch einen (jedenfalls durch keinen rechtswirksamen) Beschluss der Miteigentümer gedeckt war.

5.4 In 5 Ob 275/08i bejahte der Oberste Gerichtshof unter ausführlicher Darstellung von Rechtsprechung und Lehre die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs für eine von einem der Miteigentümer gegen den anderen erhobene Eigentumsfreiheitsklage (ebenso 5 Ob 2/11x; zustimmend Edelhauser in immolex 2009, 183). Er führte aus, dass Ansprüche wegen eigenmächtiger Veränderung der bisherigen Benutzungsverhältnisse durch einzelne Miteigentümer als rechtswidriger Eingriff in die Anteilsrechte der anderen nicht § 838a ABGB zu unterstellen sind, sondern dem streitigen Verfahren vorbehalten bleiben (RIS‑Justiz RS0013622). Gegenstand dieser Entscheidung war ein Begehren auf Unterlassung des Parkens von Kraftfahrzeugen und Motorrädern auf einer „Allgemeinfläche“ und des Abstellens von Fahrnissen im Stiegenhaus eines im Mit- und Wohnungseigentum stehenden Wohnhauses. Anders als im nunmehr zu beurteilenden Fall war in dieser Entscheidung daher keine - weder wirksame noch unwirksame - Beschlussfassung oder Willensbildung der Miteigentümer zu beurteilen, sondern ausschließlich Ansprüche wegen eigenmächtiger Veränderung der bisherigen Benützungsverhältnisse durch einzelne Miteigentümer.

6. Nach ihrem maßgeblichen Vorbringen behauptet die Klägerin im konkreten Fall, dass die Beklagte ihr geplantes Vorgehen auf einen Beschluss der Miteigentümerversammlung stütze. Gerade gegen die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit dieser Beschlussfassung, die entgegen § 834 ABGB nicht einstimmig erfolgt sei, richtet sich nun das das Unterlassungsbegehren tragende Vorbringen der Klägerin. Es geht der Klägerin darum, dass die Beklagte sich nicht auf diesen Beschluss der Miteigentümerversammlung als Grundlage für die in Aussicht genommenen Sanierungsmaßnahmen stützen könne. Eine außerhalb des Miteigentumsverhältnisses bestehende Rechtsgrundlage macht die Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs nicht geltend.

Gegenstand des Verfahrens über das Hauptbegehren ist im konkreten Fall vielmehr ein Konflikt zwischen Miteigentümern über die gemeinschaftliche Nutzung der Liegenschaft und die damit zusammenhängenden Rechte, bzw - im Kern - ein Streit um die Wirksamkeit des in der Miteigentümerversammlung vom 19. 8. 2009 gefassten Beschlusses (H. Böhm aaO § 838a Rz 8, nennt wie ausgeführt ausdrücklich das Beispiel des Unterlassungs- bzw Beseitigungsbegehrens der Minderheit gegen die Durchführung der mehrheitlich beschlossenen Maßnahme). Der geltend gemachte Anspruch, der in einem engen inneren Zusammenhang mit einem Streit über die mit der Benützung einer gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten iSd § 838a ABGB steht (1 Ob 117/10b; Call in wobl 2008/133, 368) und auf keine weitere Rechtsgrundlage als das Miteigentumsverhältnis gegründet ist, ist daher im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden.

7. Dem Rekurs der Klägerin war daher keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.

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