European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00040.11K.0825.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 559,44 EUR (darin 93,24 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
Ob der Liegenschaft EZ 169 GB ***** ist laut Grundbuch Wohnungseigentum begründet. Als Klägerin war in den beiden mittlerweile verbundenen Verfahren ursprünglich die Eigentümergemeinschaft bezeichnet. Die Beklagten sind Miteigentümer der Liegenschaft und laut Grundbuch Wohnungseigentümer (bzw Rechtsnachfolger).
Die Kläger(in) begehren (begehrte) von den Beklagten die Zahlung von rückständigen Betriebskosten und laufenden Akonti.
Die Beklagten wandten ‑ soweit hier wesentlich ‑ mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin mit der Begründung ein, die Parifizierung sei gesetzwidrig und nichtig, weil ein notwendig allgemeiner Teil, nämlich der Zugang zum Heizraum einem Wohnungseigentumsobjekt zugeordnet worden sei.
Das Erstgericht bejahte die Aktivlegitimation der Eigentümergemeinschaft, erachtete die Klagsforderungen an Kapital jeweils in voller Höhe als zu Recht bestehend, eine von den Beklagten eingewandte Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verpflichtete folglich die Beklagten zur Zahlung von 775,32 EUR sA und 1.095,50 EUR sA. Die Abweisung von Zinsenmehrbegehren erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.
Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung der Beklagten im früheren Verfahren das Urteil des Erstgerichts sowie das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Der Zugang zum Heizraum sei notwendig allgemeiner Teil der Liegenschaft, an dem Wohnungseigentum nicht begründet werden könne. Der vorliegende Verstoß gegen § 1 Abs 4 WEG 1975 (nunmehr § 3 Abs 3 iVm § 2 Abs 4 WEG 2002) führe zur Nichtigkeit der vertraglichen Widmung, der Nutzwertfestsetzung und der darauf aufbauenden bücherlichen Eintragungen. Die Eigentümer seien in einem solchen Fall nicht Wohnungseigentümer, sondern (nur) schlichte Miteigentümer der Liegenschaft, wonach dann auch eine Eigentümergemeinschaft nicht bestehen könne und eine Klagsführung durch diese ausgeschlossen sei. Damit fehle der Klägerin nicht die Sachlegitimation, sondern die Parteifähigkeit. Eine Sanierung dieses Mangels durch Berichtigung der Parteibezeichnung auf die einzelnen Miteigentümer scheide hier deshalb aus, weil die Klägerin trotz der von der Beklagten schon vor dem Erstgericht eingewandten Nichtigkeit der Parifizierung eine Berichtigung der Parteibezeichnung nicht beantragt, sondern auf ihrem Rechtsstandpunkt beharrt habe. Dass der von der Beklagten erhobene Einwand der mangelnden Aktivlegitimation rechtlich letztlich als Einwand der mangelnden Parteifähigkeit zu qualifizieren gewesen sei, ändere daran nichts.
Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichts erhob die klagende Eigentümergemeinschaft im führenden Verfahren Rekurs und stellte dabei einen Antrag auf Berichtigung der Parteibezeichnung auf die einzelnen Miteigentümer.
Der Oberste Gerichtshof kassierte im führenden Verfahren mit seiner Entscheidung 5 Ob 54/10t ‑ ohne dass dabei zur Frage Stellung zu nehmen war, ob die Ansicht des Berufungsgerichts von der Gesamtnichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung infolge des Parifzierungsfehlers zutrifft ‑ den Beschluss des Berufungsgerichts und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Behandlung des von der klagenden Eigentümergemeinschaft erhobenen Antrags auf Berichtigung der Parteibezeichnung auf.
Das Berufungsgericht hat nunmehr ‑ unbekämpft ‑ die Bezeichnung der klagenden Partei in den verbundenen Verfahren auf die (eingangs ausgewiesenen) Miteigentümer der Liegenschaft berichtigt und nach mündlicher Berufungsverhandlung, in welcher die Klagebegehren um ein Eventualbegehren auf Zahlung an die Kläger entsprechend der im Grundbuch aufscheinenden Anteile an der Liegenschaft modifiziert wurden, aus Anlass der Berufungen der Beklagten die Urteile des Erstgerichts ‑ abgesehen von ihren in Rechtskraft erwachsenen Teilen ‑ sowie die diesen vorangegangenen Verfahren ab Zustellung der Klagen als nichtig aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, die in verfahrenseinleitende Anträge umzudeutenden Klagen im Außerstreitverfahren zu behandeln.
Rechtlich war das Berufungsgericht der Ansicht, dass nach Berichtigung der Parteibezeichnung aus Anlass der zulässigen Rechtsmittel von Amts wegen der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 6 ZPO wahrzunehmen sei. Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs ‑ auch des streitigen, in Abgrenzung zum außerstreitigen ‑ iSd § 40a JN sei in erster Linie das Begehren und Vorbringen in der Klage (im Antrag) maßgebend. Sei zweifelhaft, in welchem Verfahren eine Rechtssache zu behandeln und zu erledigen sei, so habe das Gericht darüber zu entscheiden. § 40a JN sei auch dann anzuwenden, wenn sich die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs erst im Rechtsmittelverfahren herausstelle. Gegenstand des Rechtsstreits sei nach dem Klagsvorbringen die Forderung auf Bezahlung der Verwaltungskosten der Liegenschaft. Nach dem durch das FamErbRÄG 2004, BGBl I 2004/58, eingefügten und per 1. 1. 2005 in Kraft getretenen § 838a ABGB sei über alle Streitigkeiten zwischen Miteigentümern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten im Außerstreitverfahren zu entscheiden. In der Judikatur sei bereits ausgesprochen worden, dass Ansprüche der Miteigentümer gegen einen der ihren, der auch die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache übernommen habe, als Streitigkeit zwischen den Miteigentümern zu beurteilen sei, die als unmittelbar mit der Verwaltung und Benützung zusammenhängend im Außerstreitverfahren auszutragen sei (7 Ob 204/07m). Sei Verfahrensgegenstand die Aufwandsverteilung für die gemeinschaftliche Liegenschaft auf die Teilhaber, so gelte, dass ein Miteigentümer, der gleichzeitig als Verwalter tätig und für einen anderen Miteigentümer in Vorlage getreten sei, bei Streitigkeiten über seine Verwaltertätigkeit in aller Regel auch über die bloße Verwalterstellung hinausgehende, im Miteigentumsverhältnis wurzelnde Eigeninteressen vertrete, die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache im Zusammenhang stehen. Unerheblich sei, ob der Auseinandersetzung eine Vereinbarung der Miteigentümer zugrunde liege. Es handle sich auch um keine Streitigkeit mit einem dritten Verwalter, die vom außerstreitigen Rechtsweg ausgeschlossen wäre. Der aus der Abrechnung des verwaltenden Miteigentümers resultierende Ersatzanspruch betreffend den anteiligen Aufwand der mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Liegenschaft unmittelbar zusammenhängenden Lasten gegenüber einem anderen Miteigentümer sei daher eine im Außerstreitverfahren zu entscheidende Streitigkeit iSd § 838a ABGB (4 Ob 56/09b). Machten nun ‑ nicht mit der Verwaltung betraute ‑ Miteigentümer Kosten der Liegenschaftsverwaltung gegenüber einem säumigen Miteigentümer geltend, so könne schon nach dem Wortlaut des § 838a ABGB nicht zweifelhaft sein, dass es sich dabei um eine auf den außerstreitigen Rechtsweg gehörige Auseinandersetzung handle. Überdies sei auch aus der zitierten Judikatur ableitbar, dass nur Streitigkeiten aus der Abrechnung mit einem dritten Verwalter im Streitverfahren zu entscheiden seien. Aus Anlass der Berufung seien daher die bekämpften Urteile der Vorinstanzen und das diesen vorangegangene Verfahren als nichtig aufzuheben gewesen. Die Klagen seien als Anträge im Außerstreitverfahren zu behandeln. Ob die einzelnen Miteigentümer trotz Verwalterbestellung zur Geltendmachung der Kosten der Liegenschaftsverwaltung befugt seien, wie sich dies aus Teilen der Judikatur ableiten lasse (5 Ob 321/99p), sei im Außerstreitverfahren zu prüfen, handle es sich dabei doch um die Frage der inhaltlichen Berechtigung des Anspruchs, die nur im aufgrund des Klagsvorbringens anzuwendenden Verfahren entschieden werden könne. Ähnliches gelte für die Frage der Schlüssigkeit der Klage bzw der ausreichenden Konkretisierung des Zahlungsbegehrens.
(Nur) Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem die Urteile der Vorinstanzen im bekämpften Umfang sowie das diesen vorangegangene Verfahren ab Zustellung der Klagen als nichtig aufgehoben und dem Erstgericht die Behandlung der in verfahrenseinleitende Anträge umzudeutenden Klagen im Außerstreitverfahren aufgetragen wurde, richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass den Berufungen der Beklagten Folge gegeben und die Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werden. Hilfsweise stellen die Beklagten auch einen Aufhebungsantrag.
Die Kläger erstatteten eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Rekurs der Beklagten keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO; 4 Ob 2018/96k; 6 Ob 98/09v mwN); er ist aber nicht berechtigt.
1. Auch die Zulässigkeit des Rechtswegs, soweit er den Verfahrenstyp betrifft, ist eine Prozessvoraussetzung, die amtswegig zu berücksichtigen ist, sofern noch keine bindende Entscheidung dieser Frage vorliegt (4 Ob 35/09i). Das Berufungsgericht war daher zur amtswegigen Prüfung dieser Frage und erforderlichenfalls zur Entscheidung nach § 477 Abs 1 Z 6 ZPO berechtigt. Dagegen wenden die Beklagten in ihrem Rekurs auch nichts ein.
2. Der am 1. 5. 2005 in Kraft getretene § 838a ABGB sieht vor, dass über alle Streitigkeiten zwischen Miteigentümern über die mit der Verwaltung und Benutzung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist. Die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 471 BlgNR 22. GP 33) führen dazu aus:
„Bei Miteigentumsangelegenheiten wird in der Frage, ob ein Anspruch im streitigen oder außerstreitigen Verfahren durchzusetzen ist, bisher relativ unklar und wenig einsichtig differenziert. ... Es empfiehlt sich daher, solche Unwägbarkeiten durch eine eindeutige, Zuständigkeits- und Rechtswegsstreitigkeiten nicht provozierende Regel möglichst auszuräumen. Einige der Miteigentümerstreitigkeiten passen nicht recht in den Zivilprozess mit seinem strikten Zwei-Parteien-System. Zudem können in diesen Angelegenheiten rechtsvorsorgende und rechtsgestaltende Mehrparteienverfahren vorkommen. Darüber hinaus ermöglicht das neue Außerstreitverfahren auch kontradiktorische Entscheidungen. Aus diesen Gründen ist es für die hier in Frage stehenden Auseinandersetzungen besser geeignet als der Zivilprozess. Mit § 838a ABGB werden daher Streitigkeiten zwischen den Teilhabern einer Miteigentumsgemeinschaft über die Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache in das Außerstreitverfahren verwiesen. Das gilt für Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern, nicht aber für Streitigkeiten mit Dritten. … In das Außerstreitverfahren fallen die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber. …“
3. Für die Beurteilung, ob eine Rechtssache im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, kommt es auf den Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen an (RIS-Justiz RS0013639, RS0046245). Nach der von der (bisher bezeichneten) Klägerin angestrebten und in Rechtskraft erwachsenen Berichtigung der Parteibezeichnung steht ‑ bindend ‑ fest, dass hier ein von Miteigentümern der Liegenschaft gegen Miteigentümer der Liegenschaft gerichtetes Begehren auf Zahlung von mit der Verwaltung der Liegenschaft zusammenhängenden Beträgen vorliegt. Dem liegt offenbar die vom Berufungsgericht vertretene und von der (bisher bezeichneten) Klägerin übernommene Einschätzung von der Gesamtnichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung infolge eines Parifizierungsfehlers zugrunde, welche Beurteilung hier vom Obersten Gerichtshof nicht zu prüfen ist, weil für die vorliegende Verfahrensfrage ‑ wie zuvor dargestellt ‑ das Parteivorbringen maßgeblich ist. Dass demnach besagtes Begehren in den Anwendungsbereich des § 838a ABGB fällt, folgt schon unmittelbar aus dem Wortlaut dieser Bestimmung und steht auch mit bereits vorliegender Rechtsprechung in Einklang (vgl 4 Ob 56/09b immolex 2010/39 [Neugebauer‑Herl] = EvBl 2009/158 = NZ 2010/24). Dieser Beurteilung des Berufungsgerichts treten die Beklagten in ihrem Rekurs auch inhaltlich nicht entgegen.
4. Die Beklagten machen in ihrem Rekurs (nur) geltend, dass infolge Unanwendbarkeit des WEG 2002 eine darauf aufbauende Abrechnung falsch, die Klagebegehren daher mangels Aufgliederung in einzelne Teilbeträge unschlüssig seien und die (bisher bezeichnete) Klägerin trotz dieses Einwands der Beklagten keine Verbesserung vorgenommen habe. Außerdem stehe nach Ansicht der Beklagten nicht den (bloßen) Miteigentümern, sondern nur dem Verwalter die Aktivlegitimation zur Geltendmachung der angesprochenen Beträge zu. Alle Fragen der Sachlegitimation oder der Schlüssigkeit eines Rechtsschutzbegehrens haben aber mit der zulässigen Verfahrensart nichts zu tun, sondern sind nur (materielle) Voraussetzungen für die Begründetheit des Begehrens (RIS-Justiz RS0079246 [insb T2]), die aber in diesem Verfahrensstadium nicht zu prüfen ist.
Der Rekurs ist somit unberechtigt.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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