OGH 5Ob106/14w

OGH5Ob106/14w23.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. V***** W*****, vertreten durch Schaffer Sternad Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei H***** D*****, vertreten durch Mag. Thomas Blaho, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung und Abgabe einer Willenserklärung (Gesamtstreitwert 45.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 27. März 2014, GZ 16 R 7/14p‑27, mit dem infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. Dezember 2013, GZ 16 Cg 143/11h‑23, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00106.14W.1023.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei jeweils binnen vierzehn Tagen die mit 1.654,74 EUR (darin 275,79 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist Wohnungseigentümerin der im ersten Stock des Hauses gelegenen Wohnung 2 und die Beklagte ist Wohnungseigentümerin der Wohnung 3. Ein weiteres Objekt steht im Wohnungseigentum einer dritten Person.

Die Beklagte verkaufte mit Kaufvertrag vom 24. 7. 2009 an die Klägerin 185/419 Miteigentumsanteile an der Liegenschaft mit der Zusage, Wohnungseigentum an der Wohnung 2 zu begründen. Der Dachboden über der Wohnung 2 wurde ausschließlich diesem Wohnungseigentumsobjekt als Zubehör zugeordnet. Die Klägerin verpflichtete sich in Punkt VI.b. des Kaufvertrags, den Dachboden bei Lebzeiten der Beklagten nicht auszubauen und der Beklagten ein „persönliches, nicht übertragbares, lebenslängliches unentgeltliches Mitnutzungsrecht am Dachboden, insbesondere für das Wäschetrocken (sic!) einzuräumen.“ Am selben Tag wurde der Wohnungseigentumsvertrag geschlossen.

Strittig ist zwischen den Streitteilen, ob sich das Wohnungseigentumsrecht der Klägerin auch auf das Stiegenhaus ab dem Podest des ersten Stocks bis zum Dachboden und dem dortigen Podest erstreckt. Diese Podeste werden im Nutzwertgutachten als „Vorraum“ der Wohnung 2 mit einem Ausmaß von 1,3 m² und 3,07 m² bezeichnet.

Die Klägerin begehrte zuletzt und soweit für das Revisionsrekursverfahren noch wesentlich zu 2. des Klagebegehrens, „die beklagte Partei (sei) schuldig, ihre Zustimmung gegenüber der zuständigen Baubehörde zum Antrag auf baubehördliche Bewilligung gemäß Einreichplan Beilage ./J zu erteilen“. Die Klägerin stützt dieses Begehren auf den von den Streitteilen abgeschlossenen Kaufvertrag, wonach die strittigen Podeste („Vorraum“) nach Ansicht der Klägerin zum Kaufobjekt gehörten und die betreffenden Objektteile der Top 2 in der bei Übergabe des Kaufgegenstands an die Klägerin bestandenen Ausführung nicht baubehördlich bewilligt gewesen seien.

Die Beklagte wandte ‑ soweit hier relevant - Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs ein. In der Sache bestritt die Beklagte, die beiden Podeste („Vorraum“) an die Klägerin verkauft zu haben.

Das Erstgericht sprach aus, dass der von der beklagten Partei erhobene Einwand der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs verworfen werde, der streitige Rechtsweg zulässig (Punkt 1.) und das Erstgericht für die gegenständliche Rechtssache zuständig sei (Punkt 2.). Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass gemäß § 838a ABGB in Streitigkeiten zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten im Außerstreitverfahren zu entscheiden sei. Allerdings seien Ansprüche, die ‑ wie hier ‑ nicht nur auf das Miteigentum, sondern auch auf andere Rechtsgrundlagen gestützt würden, weiterhin im streitigen Verfahren geltend zu machen. Die Klägerin stütze ihre Ansprüche auf den zwischen den Streitteilen geschlossenen Kaufvertrag. Damit nehme sie die Beklagte nicht in ihrer Eigenschaft als Miteigentümerin, sondern vielmehr als Verkäuferin in Anspruch (3 Ob 144/08k). Der von der Beklagten erhobene Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs sei daher zu verwerfen und die Zuständigkeit des Erstgerichts auszusprechen gewesen.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung erhobenen und im Übrigen erfolglosen Rekurs der Beklagten dahin Folge, dass es ‑ soweit für das Revisionsrekursverfahren noch wesentlich ‑ gemäß § 40a JN aussprach, das Klagebegehren zu Punkt 2., wonach die Beklagte schuldig sei, ihre Zustimmung gegenüber der zuständigen Baubehörde zum Antrag auf baubehördliche Bewilligung gemäß Einreichplan ./J zu erteilen, sei im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen (Spruchpunkt 2.), aus Anlass des Rekurses werde das dem angefochtenen Beschluss vorangegangene erstinstanzliche Verfahren über das Klagebegehren zu Punkt 2. als nichtig aufgehoben und dieses in einen außerstreitigen Antrag umgedeutete Begehren werde an das Bezirksgericht Hernals zur Verhandlung und Entscheidung überwiesen (Spruchpunkt 3.). Rechtlich war das Rekursgericht ‑ zusammengefasst und soweit für das Revisionsrekursverfahren noch wesentlich ‑ der Meinung, dass das wiedergegebene Zustimmungsbegehren der Klägerin unter den Regelungsbereich des § 16 Abs 2 Z 1, 2 und 4 WEG 2002 und damit unter die Verweisungsnorm des § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 falle. Dabei sei es unerheblich, dass die Klägerin ‑ wie die meisten Wohnungseigentümer ‑ ihr Mit- und Wohnungseigentumsrecht aufgrund eines schuldrechtlichen Vertrags (hier: Kauf- und Wohnungseigentumsvertrags) erworben habe. Die Klägerin leite eine Zustimmungspflicht der Beklagten aus dem Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag ab, um den baulichen Zustand herzustellen, der ihren dort vereinbarten Nutzungs- und Verfügungsrechten entspreche. Hingegen behaupte sie nicht, dass eine konkrete Zustimmungspflicht der Beklagten zu konkreten Maßnahmen vereinbart worden sei. Damit sei das Zustimmungsbegehren laut Punkt 2. des Klagebegehrens im Außerstreitverfahren zu verhandeln und zu entscheiden.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Soweit überblickbar, habe der Oberste Gerichtshof bei der Frage der Verweisung von Angelegenheiten in das Außerstreitverfahren nach § 838a ABGB sowie nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 über die vorliegende Fallkonstellation noch nicht entschieden. Hier sei (ua) das Begehren auf Zustimmung der Beklagten zu baulichen Änderungen zu beurteilen, wobei die Klägerin diese Verpflichtung der Beklagten ‑ allgemein ‑ aus dem Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrag ableite.

Gegen diesen Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung (Spruchpunkte 2. und 3.) richtet sich der Revisionsrekurs der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, die Entscheidung des Rekursgerichts in Bezug auf Punkt 2. seines Spruchs (gemeint: Überweisung des Klagebegehrens zu 2. in das Außerstreitverfahren) zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt, weil das Rekursgericht von Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu § 838a ABGB abgewichen ist.

1. Der mit 1. 5. 2005 in Kraft getretene § 838a ABGB (idF FamErbRÄG 2004 BGBl I 2004/58) sieht vor, dass über alle Streitigkeiten zwischen Miteigentümern „über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden“ ist.

2. Die Gesetzesmaterialien (ErlRV 471 BlgNR 22. GP 33) führen dazu aus, dass in Miteigentumsangelegenheiten die Frage, ob ein Anspruch im streitigen oder außerstreitigen Verfahren durchzusetzen sei, „relativ unklar und wenig einsichtig differenziert“ werde. Es empfehle sich daher, die Unwägbarkeiten durch eine eindeutige, Zuständigkeits‑ und Rechtswegsstreitigkeit nicht provozierende Regel möglichst auszuräumen. Der neue § 838a ABGB gelte nur für Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern, nicht aber mit Dritten. Auseinandersetzungen zwischen den Miteigentümern über die Bestellung, den Wechsel und die Enthebung eines Verwalters könnten künftig allein im Außerstreitverfahren entschieden werden, gleiches gelte etwa für Ansprüche eines Miteigentümers gegen die anderen Teilhaber aus von diesen beschlossenen Handlungen des Verwalters. Über den Anspruch auf Durchsetzung von Mehrheitsentscheidungen oder den Anspruch auf Rechnungslegung gegen einen nicht der Gemeinschaft angehörenden dritten Verwalter sei dagegen weiterhin im Prozess zu entscheiden. In das Außerstreitverfahren dagegen fielen auch die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber. Dies betreffe jedenfalls die dem Richter nach den §§ 833 bis 838 ABGB zukommenden Aufgaben, aber auch Streitigkeiten aus einer Benützungsregelung, den Anspruch auf Rechnungslegung und die Verteilung des Erlöses zwischen den Miteigentümern bzw die Verteilung des Nutzens und des Aufwandes unter ihnen. Dabei mache es keinen Unterschied, ob der Auseinandersetzung der Teilhaber eine Vereinbarung zu Grunde liege oder nicht. Die Verweisung in das Außerstreitverfahren erstrecke sich aber auch auf die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten. Ansprüche, die nicht nur auf das Miteigentumsverhältnis, sondern darüber hinaus auch noch auf weitere Rechtsgrundlagen gestützt würden(etwa Besitzstörungsansprüche, Schadenersatzansprüche, Bereicherungsansprüche oder ein auf das Nachbarrecht gestützter Unterlassungsanspruch zwischen Miteigentümern) seien weiterhin im streitigen Verfahren geltend zu machen (ErlRV aaO).

3. Dem entsprechend hat der Oberste Gerichtshof in 1 Ob 123/11m darauf abgestellt, ob eine Streitigkeit zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten „den Kern des Begehrens“ bildet.

4. In 1 Ob 39/13m (immolex 2013/101) hat der 1. Senat des Obersten Gerichtshofs dessen Rechtsprechung zu § 838a ABGB dahin referiert, dass Streitigkeiten zwischen Miteigentümern nur dann auf den außerstreitigen Rechtsweg verwiesen seien, wenn der Anspruch auf keine weitere Rechtsgrundlage als das Miteigentumsverhältnis selbst gegründet sei.

5. In der Lehre geht H. Böhm in Kletečka/Schauer ABGB‑ON § 838a ABGB Rz 9 davon aus, dass von einer mittlerweile bereits hM der Grundsatz des alten Rechts, Begehren, die sich auf zwischen den Teilhabern geschlossene Verträge gründeten, gehörten auf den Rechtsweg, mittlerweile aufgegeben worden sei. Auch solche Begehren sollen nun außerstreitfähig sein. Dem könne durchaus zugestimmt werden. Allerdings müsse es sich um Verträge ausschließlich zwischen den Teilhabern handeln, die zudem als „gemeinschaftsrechtlich“ zu qualifizieren seien, wie insbesondere eine Benützungsvereinbarung; weiter ins streitige Verfahren gehörten daher zB die Durchsetzung einer aus einem Kaufvertrag zwischen den nunmehrigen Miteigentümern resultierenden Pflicht zur baulichen Verbesserung.

6. In 5 Ob 186/13h war ein Benützungsbegehren an einer Parkfläche im Hof zu beurteilen, welches einerseits ausschließlich eine Teilfläche betraf, die zum Wohnungseigentumsobjekt des Beklagten gehörte, demnach allein dessen Nutzungsrecht unterlag, und für welches andererseits den Klägern als behauptete Anspruchsgrundlage eine Vereinbarung diente, nach welcher die Kläger im Austauschverhältnis für diese Benützung die Zustimmung zu einem Bauansuchen des Beklagten hätten geben sollen. Dieses Begehren war im Streitverfahren zu beurteilen, weil es nicht die „Benützung der gemeinschaftlichen Sache“ iSd § 838a ABGB betraf und auf einer individuellen vertraglichen Vereinbarung nur zweier Wohnungseigentümer beruhte.

7. Ob ein Begehren im außerstreitigen Verfahren oder im Prozess zu entscheiden ist, richtet sich nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt des Begehrens und dem Parteivorbringen (§ 40a JN). Maßgebend für die Bestimmung der Art des Rechtswegs sind also der Wortlaut des Begehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen (RIS‑Justiz RS0013639; RS0005896). Im Zweifel gehören alle in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen auf den Prozessweg (RIS‑Justiz RS0012214; jüngst 9 Ob 18/13g).

8. Im vorliegenden Fall stützt die Klägerin ihre Begehren ausdrücklich auf den zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Kaufvertrag, aus dem sie offenbar ableitet, dass auch die strittigen Bauteile („Podeste/Vorraum“) Gegenstand des zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrags gewesen seien. Daraus leitet die Klägerin auch ihren Anspruch zu Punkt 2. ihres Klagebegehrens, dass nämlich die betreffenden Teile des Kaufobjekts im Sinn der vermeintlich vertraglichen geschuldeten Leistung mit der geforderten Unterstützung der Beklagten als Verkäuferin einem baubehördlichen Konsens zugeführt werden müssten, ab. Ob diese Ansicht zutrifft und der Kaufvertrag die von der Klägerin reklamierte Pflicht der Beklagten als Verkäuferin zu begründen vermag, ist dagegen bereits die hier nicht mehr maßgebliche materielle Beurteilung des erhobenen Anspruchs. Dessen Grundlage und damit den „Kern des Begehrens“ bildet aber der zwischen den Parteien abgeschlossene Kaufvertrag, während der Wohnungseigentumsvertrag der Klägerin nur dazu dient, den vermeintlichen Umfang des Kaufobjekts abzugrenzen. Über das Klagebegehren zu Punkt 2. (Zustimmung zum Antrag auf baubehördliche Bewilligung) ist daher ebenfalls im Streitverfahren zu entscheiden, weshalb dem darauf gerichteten Revisionsrekurs Folge zu geben und der Beschluss des Erstgerichts insgesamt wiederherzustellen war.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die im Revisionsrekurs verzeichnete Pauschalgebühr wurde rücküberwiesen und war daher nicht zuzuerkennen.

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