European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00011.22G.0221.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Kostenentscheidung richtet, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.
Im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die 1995 geschlossene Ehe der Parteien wurde 2019 geschieden. Sie begehren unter anderem die Aufteilung einer Liegenschaft mit einem (als Ehewohnung genutzten) Einfamilienhaus, die ihnen von den Eltern der Frau jeweils zur Hälfte geschenkt (und von den Ehegatten fremdfinanziert saniert) wurde und auf der zugunsten der Mutter der Antragsgegnerin ein grundbücherlich eingetragenes Wohnrecht an der Wohnung im Obergeschoß sowie ein Belastungs- und Veräußerungsverbot besteht, sowie eines weiteren (unbebauten) Grundstücks. Die Frau bezog zuletzt (ohne Berücksichtigung der Sonderzahlungen) ein monatliches Nettoeinkommen von rund 2.380 EUR, von dem sie seit dem Auszug des Mannes unter anderem die monatlichen Kreditrückzahlungen von rund 1.380 EUR bestreitet.
[2] Das Erstgericht wies – wie von beiden Ehegatten angestrebt – die Liegenschaft mit dem Haus zur Gänze der Frau und das unbebaute Grundstück dem Mann zu und verpflichtete die Parteien zur Tragung der jeweils damit im Zusammenhang stehenden Schulden. Aufgrund des sich bei einer Gegenüberstellung der ihnen zugewiesenen bzw verbleibenden Vermögenswerte – neben den Grundstücken und den damit zusammenhängenden Schulden gibt es weitere Kredite, Spar- und Kontoguthaben sowie zwei Fahrzeuge – ergebenden Vermögensüberhangs zugunsten der Frau von rund 98.600 EUR bemaß es die von ihr zu leistende Ausgleichszahlung mit 95.000 EUR, wobei es davon ausging, dass dieser Betrag durch Aufnahme eines (weiteren) Kredits finanziert werden könne.
[3] Das von der Frau angerufeneRekursgericht änderte diese Entscheidung insoweit ab, als es – unter Beibehaltung der von den Parteien nicht beanstandeten Zuweisung der aufgeteilten Vermögensgegenstände – die Ausgleichszahlung mit 70.000 EUR festsetzte. Da dem Mann bereits zahlreiche Fahrnisse zugekommen seien und die Liegenschaft mit dem Haus ursprünglich von der Familie der Antragstellerin stammte, sei der vom Erstgericht festgesetzte Betrag herabzusetzen, zumal die Frau Kreditrückzahlungen und Betriebskosten für das Haus zu zahlen habe. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Mann Aufwendungen für die Beschaffung einer neuen Wohnung zu tragen habe, und es absehbar sei, dass die Frau die von ihrer Mutter (aufgrund des Wohnrechts) benutzte (selbständige) Wohnung im Haus in Zukunft vermieten könne, entspreche eine Ausgleichszahlung in der genannten Höhe dem Grundsatz der Billigkeit. Der Revisionsrekurs sei mangels erforderlicher Klärung einer über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Mannes ist – soweit er sich gegen die zweitinstanzliche Kostenentscheidung richtet – gemäß § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG jedenfalls unzulässig. Im Übrigen ist er mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
[5] 1. Eine nachträgliche Ergänzung des Beschlusses des Rekursgerichts durch einen Bewertungsausspruch ist dann entbehrlich, wenn sich – wie hier – aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ergibt, dass das Gericht von einem 30.000 EUR übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstands ausging (vgl RIS‑Justiz RS0042390 [T1, T3, T4]).
[6] 2. Grundsätzlich ist bei der Ausmessung der Ausgleichszahlung keine streng rechnerische Feststellung erforderlich, vielmehr ist eine unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu bemessende Pauschalzahlung festzusetzen (RS0057596). Dabei sind sogar eine unrichtig angewendete Ermittlungsart oder eine unrichtige Gewichtung einzelner Bemessungselemente zu vernachlässigen, solange sich der Ausgleichsbetrag innerhalb des dem Gericht zukommenden Ermessensspielraums bewegt (vgl RS0108755; RS0115637 [T1]). Durch die Auferlegung einer Ausgleichszahlung soll insgesamt ein individuell gerechtes Aufteilungsergebnis herbeigeführt werden (vgl RS0114144; RS0057910). Der Zahlungspflichtige muss allenfalls seine Kräfte bis zum Äußersten anspannen, um einen angemessenen Ausgleichsbetrag aufzubringen (vgl RS0057965 [T1]; RS0057685 [T4]). Welcher Betrag dem Grundsatz der Billigkeit entspricht, hängt jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher typischerweise keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG (vgl RS0115637; RS0113732). Der Rechtsmittelwerber zeigt nicht auf, dass das Rekursgericht seinen ihm bei der Bemessung der Ausgleichszahlung zustehenden Beurteilungsspielraum in korrekturbedürftiger Art und Weise überschritten hätte.
[7] 3. Dass das Gericht zweiter Instanz die Ausgleichszahlung gegenüber dem rein rechnerisch ermittelten Betrag reduzierte, begründet schon deshalb keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, weil der vom Rekursgericht festgesetzte Ausgleichsbetrag insgesamt dem Grundsatz der Billigkeit entspricht.
[8] 4. Für dessen Bemessung ist neben den vom Rekursgericht angestellten Erwägungen auch zu berücksichtigen, dass die Liegenschaft mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot belastet ist, wodurch ihre Verkehrsfähigkeit derzeit nicht vorliegt und eine Orientierung am (nur theoretischen) vollen „Verkehrswert“ nicht zu erfolgen hat (vgl 1 Ob 33/10z; 2 Ob 25/10f; 1 Ob 182/16w). Schließlich erscheint auch der bloße Abzug des kapitalisierten Werts des Wohnrechts vom (theoretischen) Verkehrswert ungenügend, trägt er doch den realen Marktverhältnissen nicht ausreichend Rechnung, nach denen ein Kaufinteressent typischerweise einen höheren Preisabschlag verlangen wird, wenn (weiterhin) eine fremde Person im gekauften Haus mitwohnt (vgl 1 Ob 241/13t). Damit kann die vom Rekursgericht festgesetzte Ausgleichszahlung aber insgesamt nicht als unangemessen niedrig angesehen werden (zum zulässigen Abweichen vom – hier nur eingeschränkt aussagekräftigen – „Verkehrswert“ bei der Bemessung der Ausgleichszahlung aus Gründen der Billigkeit vgl RS0043536 [T9]), sodass dessen Entscheidung keiner Korrektur bedarf.
[9] 5. Im Übrigen ist bei der Bemessung der Ausgleichszahlung auch die finanzielle Möglichkeit des verpflichteten Ehegatten zu deren Aufbringung zu berücksichtigen (RS0057765 [T15]). Ob die Frau aufgrund ihrer (bescheidenen) Einkommensverhältnisse eine höhere als die vom Rekursgericht festgesetzte Ausgleichszahlung auch bei erforderlicher Anspannung ihrer Kräfte (vgl RS0057685) aufbringen oder einen dazu aufzunehmenden Kredit (vgl RS0057706; RS0057685 [T14]) – soweit ihr ein solcher überhaupt gewährt werden würde – tilgen könnte, erscheint fraglich. Während des Bestands des auf der Liegenschaft mit dem Haus lastenden Belastungs- und Veräußerungsverbots wäre sie auch nicht in der Lage, diese „notfalls“ (wenn sie die Ausgleichszahlung nicht aufbringen könnte) zu verkaufen. Eine Zahlungsverpflichtung, die die Frau in ihrer neuen wirtschaftlichen Lage nicht „wohl bestehen“ ließe, widerspräche aber dem Grundsatz der Billigkeit (vgl RS0057579).
[10] 6. Der Revisionsrekurswerber verkennt, dass das Rekursgericht nicht von einer – aufgrund gleichwertiger Beiträge der Ehegatten zur ehelichen Errungenschaft zu Recht angenommenen – gleichteiligen Aufteilungsquote abging, sondern im Rahmen der Billigkeit eine etwas geringere Ausgleichszahlung als das Erstgericht bemaß. Soweit der Mann in dritter Instanz auf das überwiegende Verschulden der Frau an der Ehescheidung hinweist, ist ihm zu entgegnen, dass diesem Umstand im Aufteilungsverfahren grundsätzlich keine Bedeutung zukommt, weil die Aufteilung des ehelichen Vermögens kein Instrument der Bestrafung bzw Belohnung für ehegerechtes oder ehewidriges Verhalten ist (vgl RS0057387).
[11] 7. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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