OGH 5Ob235/21a

OGH5Ob235/21a20.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H*, 2. I*, ebenda, beide vertreten durch Mag. Ulrich Ortner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. E*, 2. J*, ebenda, beide vertreten durch Dr. Christian Kurz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert 35.000 EUR) über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. Oktober 2021, GZ 1 R 136/21s‑18, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00235.21A.0120.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren der Kläger als Käufer auf Feststellung der Haftung der Beklagten als Verkäufer für alle Schäden daraus, dass der Wintergarten und die südseitige Gartenüberdachung der den Klägern verkauften Wohnung keine baurechtliche Genehmigung hat und die Mit‑ und Wohnungseigentümer der Anlage ihre Zustimmung zur Errichtung dieses Wintergartens nicht erteilt haben.

[2] Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[5] 1. Die behauptete Aktenwidrigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor. Dass das Berufungsgericht davon ausging, es stehe nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass eine baubehördliche Genehmigung und/oder die Zustimmung aller übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer zu keinem künftigen Zeitpunkt erlangt werden kann, beruht auf vom Erstgericht – disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung – angestellten Erwägungen, die – nach der Beurteilung des Berufungsgerichts – die erstgerichtliche Feststellung, die Baumassedichte sei überschritten und eine Genehmigung komme nicht in Betracht, dahin ergänzen, dass nur derzeit eine derartige Genehmigung nicht in Betracht kommt. Abgesehen davon, dass die Auslegung von Urteilsfeststellungen im Einzelfall regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 2 ZPO aufwirft (RIS‑Justiz RS0118891), kann eine solche, durch die Aktenlage gedeckte und aus Feststellungen abgeleitete Schlussfolgerung nicht den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit bilden (vgl RS0043256 [T6]).

[6] 2. Mit dem Argument der Revisionswerber, das Berufungsgericht verkenne „möglicherweise“ die rechtliche Relevanz eines schlüssigen Geständnisses iSd § 267 ZPO, wollen sie offenbar auf eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens hinaus, die nicht vorliegt (§ 510 Abs 3 ZPO). Wie bereits erörtert, ging das Berufungsgericht nicht von einer Feststellung ab, sondern legte sie unter Berücksichtigung der Erwägungen in der rechtlichen Beurteilung aus.

[7] 3.1. Die Frage, wie ein bestimmtes Begehren und das dazu erstattete Vorbringen zu verstehen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0042828, RS0113563) und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, wenn dem Berufungsgericht keine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist (RS0113563 [T1]). Dies ist hier nicht der Fall.

[8] 3.2. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, die Kläger hätten ein schadenersatzrechtliches Feststellungsbegehren erhoben, weshalb zur Prüfung seiner Berechtigung die Bestimmungen der §§ 933a, 1295 ff ABGB und § 228 ZPO maßgeblich seien, ist nicht korrekturbedürftig. § 933a Abs 1 ABGB normiert den Grundsatz der vollen Konkurrenz zwischen Gewährleistung und Schadenersatz explizit. Der Übernehmer hat daher wegen der vom Übergeber verschuldeten Mängel nicht nur Gewährleistungs‑, sondern auch Schadenersatzansprüche (RS0122651).

[9] 3.3. Die ständige Rechtsprechung (RS0039018; 4 Ob 111/05k [zu vertraglichem Schadenersatz aufgrund mangelhafter Verlegung von Leitungen]) bejaht ein Feststellungsinteresse iSd § 228 ZPO dann, wenn die Möglichkeit offen bleibt, dass das schädigende Ereignis einen künftigen Schaden verursacht. Es genügt ein Vorfall, aufgrund dessen ein konkreter Schaden hätte eintreten können und in Zukunft ein Schaden ohne weiteres Zutun des Schädigers eintreten kann, weil die Feststellungsklage nicht nur dem Ausschluss der Verjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach dient (RS0038976; 4 Ob 111/05k). Für das rechtliche Interesse ist es nicht erforderlich, dass der Schaden bis zum Schluss der Verhandlung bereits eingetreten ist, sofern sich das schädigende Ereignis, das einen konkreten Schaden hätte auslösen können, bereits ereignet hat und der Schaden auch ohne weiteres Zutun des Schädigers in der Zukunft eintreten kann (RS0038909; 1 Ob 162/15b [zu vertraglichem Schadenersatz aufgrund Nichteinhaltung einer Vereinbarung über die Gestaltung einer Wegkreuzung]). Das Feststellungsbegehren ist aber dann unbegründet, wenn mit Bestimmtheit weitere Schäden aus dem schädigenden Ereignis nicht zu erwarten oder Spätfolgen mit absoluter Sicherheit auszuschließen sind (RS0039018).

[10] 3.4. Die Feststellungsklage wäre mangels rechtlichen Interesses dann unzulässig, wenn die Kläger ihren Anspruch zur Gänze bereits mit Leistungsklage geltend machen könnten (RS0038817). Dies gilt aber nur dann, wenn durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch ausgeschöpft wird, wenn also weitere als die durch das Leistungsbegehren gezogenen Rechtsfolgen aus der Feststellung des fraglichen Rechtsverhältnisses dieses Anspruchs nicht in Betracht kommen (RS0039021).

[11] 3.5. Wenn noch nicht feststeht, welche einklagbare Rechtswirkung (Wandlung, Preisminderung oder Verbesserung bzw Schadenersatz wegen Verzugs des Gewährleistungspflichtigen mit der Verbesserung in Form des Ersatzes der Mängelbehebungskosten) der Leistungsstörung entspringt, ist nach der Judikatur (RS0018668) dem Gewährleistungsberechtigten das Feststellungsinteresse jedenfalls zuzuerkennen.

[12] 3.6. Letztlich richtet sich das Bestehen eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung iSd § 228 ZPO immer nach den Umständen des Einzelfalls, denen – vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen – keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0039177 [T1]).

[13] 4.1. Hier stützen die Kläger ihr schadenersatzrechtliches Feststellungsbegehren darauf, dass die Beklagten – schuldhaft – weder eine baubehördliche Bewilligung noch eine Zustimmung der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer zu dem von ihnen errichteten Wintergarten eingeholt und ihnen das Wohnungseigentumsobjekt daher mit diesem Rechtsmangel verkauft haben. Ihr Feststellungsinteresse begründen sie damit, dass sie mit einem Auftrag zum Rückbau des Wintergartens rechnen müssten, der hohe Kosten verursache, außerdem mit der Wertminderung der von ihnen erworbenen Einheit. Damit haben die Kläger aber nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung der Vorinstanzen ausreichend behauptet, das von den Beklagten zu verantwortende schädigende Ereignis könnte zu Mängel‑ bzw Mängelfolgeschäden führen. Im Hinblick darauf, dass zum relevanten Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz eine Sanierung des rechtswidrigen Zustands nicht mit Sicherheit auszuschließen war, kann nach der im Einzelfall nicht zu beanstandenden Auffassung der Vorinstanzen keine Rede davon sein, es stehe schon mit Sicherheit fest, welche einklagbare Rechtswirkung der hier zu beurteilenden Leistungsstörung zuerkannt werden kann.

[14] 4.2. Die in der Revision zitierte Entscheidung 7 Ob 211/97y ist nicht einschlägig: Art und Umfang der Mängel waren bekannt, Angaben fehlten nur über die Höhe der Verbesserungskosten. Nur aus diesem Grund verneinte der 7. Senat das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines konkreten Gewährleistungsanspruchs. Ein vergleichbarer Fall ist hier nicht zu beurteilen.

[15] 5. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dies einer näheren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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