European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E132141
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. * K* jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (2), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (3), nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB (4) und nach § 207 Abs 2 zweiter Fall StGB (5), jeweils mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 2 Z 1 erster und dritter Fall StGB (6), der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 207a Abs 1 Z 1 StGB (7) und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs 4 Z 1 SMG (10) sowie eines Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (11) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz – von Anfang 2002 bis Jänner 2019 in G* und an anderen Orten
(2) mit einer unmündigen Person eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, und zwar
2.1.) am 5. August 2011 mit dem am * geborenen, somit 13‑jährigen * Kr* durch das Einführen eines Stabes in den Anus,
2.2.) vom 7. Dezember 2017 bis zum 19. September 2018 in drei Fällen mit dem am * geborenen, somit 13‑jährigen * M* durch das Eindringen mit zumindest einem Finger in den Anus,
2.3.) „vermutlich“ in den Jahren 2010 oder 2011, jedenfalls vor dem 16. Mai 2015, in einem Fall mit dem am * geborenen, somit 9‑ bis 10‑jährigen * H* durch das Einführen eines Fingers in den Anus,
(3) außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zur Folge hatte, und zwar
3.1.) von Ende 2009 bis zum 9. August 2012 an dem am * geborenen, somit 11‑ bis 13jährigen * G* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen bis zur Ejakulation, wobei die Tat eine krankheitswertige Anpassungsstörung mit Elementen einer Depression und Angst verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, zur Folge hatte,
3.2.) am 9. Dezember 2010 an dem am * geborenen, somit 13‑jährigen * Ka* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen, wobei die Tat eine krankheitswertige Anpassungsstörung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung zur Folge hatte,
(4) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen, nämlich Masturbationshandlungen, teils bis zur Ejakulation, teils auch durch die „Vermessung des Penis“ an 38 im Urteil namentlich genannten unmündigen Personen, teils in mehreren Fällen, von Anfang 2002 bis zum 10. Jänner 2019 vorgenommen [4.1.) bis 4.38.)], darunter
4.2.) im August 2005 an dem am * geborenen, somit 10‑jährigen * B* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen,
4.5.) am 1. Februar 2007 an dem am * geborenen, somit 8‑jährigen S* E* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen,
4.7.) von Ende 2009 bis zum 9. August 2012 in mehreren Fällen an dem am * geborenen, somit 11‑ bis 13‑jährigen * G* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen teilweise bis zur Ejakulation,
4.9.) von 2008 bis 2011 in etwa drei Fällen an dem am * geborenen, somit 7‑ bis 10‑jährigen * H* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen,
4.21.) im Jahr 2011 bis zum 12. Oktober 2011 in mehreren Fällen an dem am * geborenen, somit 13‑jährigen * Kr* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen teilweise bis zur Ejakulation und durch die „Vermessung des Penis“,
4.23.) vom 7. Dezember 2017 bis zum 19. September 2018 in drei Fällen an dem am * geborenen, somit 13‑jährigen * M* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen, und
4.35.) am 4. Februar 2016 an dem am * geborenen, somit 12‑jährigen * S* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen,
(5) unmündige Personen, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu verleitet, geschlechtliche Handlungen an sich selbst vorzunehmen, indem er vom August 2005 bis zum 19. September 2018 14 im Urteil namentlich Genannte, teils in mehreren Fällen, zur Vornahme von Masturbationshandlungen an sich selbst aufforderte [5.1.) bis 5.14.)], darunter
5.2.) im August 2005 den am * geborenen, somit 10‑jährigen * B*,
5.4.) von Ende 2009 bis zum 9. August 2012 in mehreren Fällen den am * geborenen, somit 11- bis 13‑jährigen * G*,
5.9.) im Jahr 2011 bis zum 12. Oktober 2011 in mehreren Fällen den am * geborenen, somit 13‑jährigen * Kr*, und
5.11.) vom 7. Dezember 2017 bis zum 19. September 2018 in drei Fällen den am * geborenen, somit 13‑jährigen * M*, sowie
(6) als Arzt, somit als Angehöriger eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufs, mit berufsmäßig betreuten, in seiner Behandlung stehenden Personen, unter Ausnützung seiner Stellung diesen Personen gegenüber, an diesen geschlechtliche Handlungen vorgenommen und, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, diese Personen dazu verleitet, geschlechtliche Handlungen an sich selbst vorzunehmen, und zwar vom Jahr 2002 bis zum Jänner 2019, teils in mehreren Fällen, hinsichtlich 109 im Urteil namentlich genannten (teils unmündigen, teils mündigen minderjährigen, teils volljährigen) Patienten, indem er an diesen Masturbationshandlungen, teilweise bis zur Ejakulation, teils auch eine „Vermessung des Penis“, in fünf Fällen überdies Analpenetrationen und in zwei Fällen Oralverkehr vornahm, und sie zur Vornahme von Masturbationshandlungen an sich selbst, teilweise bis zur Ejakulation, aufforderte [6.1.) bis 6.109.)], darunter
6.6.) im August 2005 an dem 10‑jährigen * B* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen und durch die Aufforderung, solche an sich selbst vorzunehmen,
6.16.) am 1. Februar 2007 an dem 8‑jährigen S* E* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen,
6.26.) von Ende 2009 bis 2017 in zumindest 15 Fällen an dem 11- bis 18‑jährigen * G* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen bis zur Ejakulation und von Oralverkehr sowie durch die Aufforderung, Masturbationshandlungen an sich selbst vorzunehmen,
6.29.) von 2008 bis November 2017 in zumindest 10 Fällen an dem 7‑ bis 17‑jährigen * H* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen, teilweise bis zur Ejakulation, die „Vermessung des Penis“, das Einführen eines Fingers in den Anus sowie durch die Aufforderung, Masturbationshandlungen an sich selbst vorzunehmen,
6.60.) von 2011 bis Juli 2014 in mehreren Fällen an dem 13‑ bis 17‑jährigen * Kr* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen, teilweise bis zur Ejakulation, die „Vermessung des Penis“, das Einführen eines Stabes in den Anus und durch die Aufforderung, Masturbationshandlungen an sich selbst vorzunehmen, sowie
6.96.) am 4. Februar 2016 an dem 12‑jährigen * S* durch die Vornahme von Masturbationshandlungen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 5, 10 und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
[4] Zu Punkt 2.) des Schuldspruchs:
[5] Die Verfahrensrüge (Z 3) behauptet zu 2.3.) angesichts des mit „vermutlich 2010 oder 2011, jedenfalls vor dem 16. 05. 2015“ bezeichneten Tatzeitpunkts eine mangelnde Individualisierung der Tat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), ohne deutlich zu machen, weshalb bei vorliegender Anführung der Identität des Opfers, des Tatorts und der Beschreibung der Tatmodalität (US 3 und 47) der exakte Zeitpunkt der Tat zu deren Individualisierung erforderlich sein soll (RIS‑Justiz RS0117498, RS0098693; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 290).
[6] Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat das Erstgericht die Aussage des Angeklagten zu 2.2.) und 2.3.), wonach es sich bei den inkriminierten Handlungen um „Analsphinkterabtastungen“ und nicht um Prostatauntersuchungen gehandelt habe, nicht übergangen (Z 5 zweiter Fall). Vielmehr haben sich die Tatrichter mit der die Analpenetrationen leugnenden Verantwortung des Angeklagten, wonach er bei M* außen „auf den Damm gedrückt“ und bei H* äußerlich den Analsphinktertonus abgetastet habe (ON 277 S 31 bis 34), sehr wohl auseinandergesetzt, diese jedoch als durch die Angaben der Zeugen M* und H*, die Ausführungen des urologischen Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. * J* und die Eintragungen in den Patientendateien widerlegt beurteilt (US 45, 47, 86 bis 95). Zu einer Erörterung sämtlicher Details der Aussage des Angeklagten war das Erstgericht schon mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS-Justiz RS0106642).
[7] Soweit die Rüge aus den Angaben des Angeklagten für diesen günstigere Schlüsse zieht, indem sie vermeint, aus dessen Wissen, dass eine rektale Prostata-Untersuchung bei Unmündigen nie indiziert sei, könne nicht auf den Vorsatz auf Vornahme dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen geschlossen werden, bekämpft sie bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[8] Mit dem Hinweis auf die zu 2.1.) bis 2.3.) getroffenen Konstatierungen, wonach die inkriminierten rektalen (Prostata‑)Untersuchungen bei diesen Opfern im Speziellen und bei Kindern und Jugendlichen generell medizinisch nicht indiziert waren und der Angeklagte dies wusste (US 42 f, 45 f, 49 f, vgl auch US 88 f und 91), und die (Negativ‑)Feststellung des Erstgerichts zum freigesprochenen Faktum * Mo* (US 30 f), wonach nicht festgestellt werden konnte, dass in diesem Fall die durchgeführte Untersuchung des Analsphinktertonus medizinisch kontraindiziert gewesen wäre (US 61), zeigt die Rüge keinen Widerspruch in der Bedeutung der Z 5 dritter Fall (vgl dazu RIS‑Justiz RS0119089) auf.
[9] Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu 2.1) bis 2.3.) stützte das Schöffengericht auf das objektive Tatgeschehen, das urologische Sachverständigengutachten des Univ.‑Prof. Dr. J*, wonach im Allgemeinen und im Speziellen keine medizinische Indikation für rektale Untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen vorliege, sowie zu 2.1.) überdies auf den Umstand, dass für Kinder und Jugendliche kein Rektal‑Ultraschallstab existiere (US 84, 88 f und 93 f). Diese Ableitung ist – entgegen dem Beschwerdestandpunkt (Z 5 vierter Fall) – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882).
[10] Dass die im Urteil angeführten Gründe den Angeklagten nicht überzeugen, stellt keine Nichtigkeit her (RIS‑Justiz RS0118317 [T9]).
[11] Entgegen dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) wurde die leugnende Verantwortung des Angeklagten zu 2.1.) vom Erstgericht nicht übergangen (US 81 ff; vgl erneut RIS‑Justiz RS0106642).
[12] Angesichts des zu 2.) frühestens im Jahr 2010 beginnenden Tatzeitraums macht das weitere Rügevorbringen (Z 5 zweiter Fall) nicht klar, weshalb den zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen die Angaben des Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. J*, wonach etwa bis zum Jahr 2000 die Untersuchungsmethode des Abtastens des Sphinkertonus durch Einführen eines Fingers in den Analkanal eine gängige Untersuchungsmethode gewesen sei (ON 292 S 31 f), erörterungspflichtig entgegenstehen sollen (vgl RIS‑Justiz RS0116767, RS0099578; vgl im Übrigen die gerade auf dieses Verfahrensergebnis Bezug nehmenden Entscheidungsgründe [US 62, 128 f, freigesprochenes Faktum * W*]).
[13] Selbiges gilt für die weiteren, als übergangen relevierten Verfahrensergebnisse, nämlich die Aussage des Zeugen Dr. * Sa* (ON 292 S 7 ff), wonach dem Angeklagten bei seiner Facharztausbildung diese Untersuchungsmethode vermittelt worden und während dessen Tätigkeit im Krankenhaus in den Jahren 1998/1999 bei Bettnässern (in einzelnen Fällen und nur in Anwesenheit der Eltern, einer Schwester oder eines Pflegers sowie unter Verwendung von Handschuhen [ON 292 S 8]) angewandt worden sei, sowie die Powerpoint‑Präsentation des Dr. * Se* und des Univ.‑Prof. Dr. * Sc* unter anderem zur „digital rektale[n] Untersuchung zur Feststellung des Analsphinktertonus“ als Untersuchungsmethode bei „Harninkontinenz beim Mann“ (ON 282 S 4 und Beilage 2/b).
[14] Im Ergebnis wendet sich die Beschwerde mit diesen Einwänden, der Kritik an einzelnen beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter und eigenen Beweiswerterwägungen, aus denen sie für den Angeklagten günstigere Schlüsse zieht, bloß erneut unzulässig gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
[15] Die zu 2.) der Sache nach eine Verurteilung nach § 207 Abs 1 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) vermisst Feststellungen zu einer „entsprechenden Intensität“ der verfahrensgegenständlichen Analpenetrationen. Indem sie bloß behauptet, die „neuere Rechtsprechungslinie“, nach der jede digitale (Vaginal‑)Penetration – unabhängig von der Dauer des Eingriffs und der Tiefe des Eindringens (RIS‑Justiz RS0095211 [T4]) – das Tatbild (einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung) erfülle (RIS‑Justiz RS0132647), sei auf den gegenständlichen – Analpenetrationen betreffenden – Fall nicht unmittelbar anwendbar und dazu auf eine Kommentarstelle verweist (Hinterhofer, SbgK § 201 Rz 50, der seine Ansicht, das Eindringen mit dem Finger oder einem Gegenstand in den After stelle keine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung dar, ohne nähere Begründung darauf stützt, dass „kein Geschlechtsteil in das Geschehen involviert sei“), legt sie nicht dar, aus welchem Grund die konstatierte Penetration des Anus von Unmündigen mit einem Ultraschallstab (2.1.) oder dem Finger (2.2. und 2.3.) nach der Intensität der sexuellen Inanspruchnahme oder der Schwere des Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung der Opfer nicht dem sozialen Bedeutungsinhalt des Beischlafs entsprechen und die vermissten Konstatierungen zur vorgenommenen Subsumtion erforderlich wären (vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0073566, RS0115232; Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 25 mwN; Fabrizy, StGB13 § 201 Rz 2; vgl auch RIS‑Justiz RS0120457). Solcherart verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0116569, RS0118429).
[16] Zu Punkt 3.) des Schuldspruchs:
[17] Entgegen dem Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) haben die Tatrichter die Angaben des Sachverständigen Univ.‑Doz. Dr. Ho* zu 3.) keineswegs in ihren wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergegeben (RIS‑Justiz RS0099431 [T1]; US 102 f und 106 ff; ON 121 iVm ON 292 S 78 ff sowie ON 135 iVm ON 292 S 85 ff).
[18] Die zu 3.1.) erhobene Kritik, das Erstgericht habe die Kausalität (zumindest einer) der vom Angeklagten vor dem 14. Lebensjahr des * G* gesetzten Taten für die beim Opfer konstatierte, mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung verbundene Anpassungsstörung (US 54) durch den „bloßen Verweis auf das Gutachten […] und auf die Gutachtenserörterung“ offenbar unzureichend begründet (der Sache nach Z 5 vierter Fall), übergeht die diesbezügliche – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstandende – Beweiswürdigung (US 102 f; siehe aber RIS‑Justiz RS0119370 [T1]).
[19] Ebensowenig wurde zu 3.2.) die Feststellung der Kausalität der Tathandlung des Angeklagten für die bei * Ka* eingetretene schwere Körperverletzung in Form einer Anpassungsstörung (US 56) offenbar unzureichend begründet. Vielmehr wurde sie – logisch und empirisch einwandfrei – aus den Schilderungen des Opfers zur Tathandlung und zu den Tatfolgen sowie aus dem für schlüssig erachteten Gutachten des Sachverständigen Univ.‑Doz. Dr. Ho* samt dessen mündlicher Erörterung abgeleitet (US 106 ff). Dass diese Gründe den Angeklagten nicht überzeugen, vermag keine Nichtigkeit herzustellen (RIS‑Justiz RS0118317 [T9]).
[20] Soweit der Angeklagte aus diesen Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für sich günstigere Schlüsse zieht, wendet er sich erneut in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
[21] Zu den Punkten 4.), 5.) und 6.) des Schuldspruchs:
[22] Dem Vorwurf der Mängelrüge zuwider (Z 5 zweiter Fall) hat das Schöffengericht die „Masturbationshandlungen […] an Vorpubertierenden, sohin zumeist an 12‑jährigen und unter 12‑jährigen“ leugnende Verantwortung des Angeklagten nicht „mit Stillschweigen übergangen“ (US 64), sondern unter Verweis auf die als glaubwürdig erachteten Aussagen zahlreicher, im Urteil detailliert angeführter, Zeugen (Opfer und teilweise auch deren Eltern) und das als nachvollziehbar und schlüssig beurteilte urologische Gutachten des Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. J* als unglaubwürdig verworfen (US 64 ff).
[23] Desgleichen gilt für die Patientenakten, die die Tatrichter ebenfalls nicht unberücksichtigt ließen (vgl etwa US 65 f, 67, 70, 80 ff).
[24] Zu einer Auseinandersetzung mit sämtlichen Details dieser Verfahrensergebnisse waren die Tatrichter nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0098778, RS0106295).
[25] Soweit die Mängelrüge das „Übergehen“ von Verfahrensergebnissen zur Anwesenheit der Eltern von unmündigen Patienten im Behandlungsraum und zum Tragen von Handschuhen durch den Angeklagten während der „Untersuchung“ kritisiert (Z 5 zweiter Fall), spricht sie keine entscheidende Tatsache an (siehe aber RIS‑Justiz RS0117499).
[26] Dem zu den angeführten Punkten des Schuldspruchs erhobenen Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 38 f) zuwider begegnet deren Ableitung aus dem objektiven Geschehen (US 80 f) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken (RIS‑Justiz RS0116882, RS0098671).
[27] Mit der Hervorhebung einer einzelnen Textpassage der Aussage der Zeugin A* E* (vgl aber RIS‑Justiz RS0116504) behauptet das zu den Punkten 4.5.) und 6.16.) des Schuldspruchs (betreffend S* E*) erhobene Vorbringen der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) keine unrichtige oder unvollständige Wiedergabe des eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalts einer Aussage oder Urkunde (erneut RIS‑Justiz RS0099431 [T1]). Vielmehr bekämpft der Angeklagte damit bloß unzulässig die diesbezügliche tatrichterliche Beweiswürdigung (US 65 ff; RIS‑Justiz RS0099431 [T2, T5, T13]).
[28] Entgegen der weiteren Kritik der Mängelrüge blieben die Feststellungen zu den Punkten 4.35.) und 6.96.) des Schuldspruchs (betreffend * S* [US 8 und 22 iVm US 33 ff]) weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht unbegründet (Z 5 vierter Fall). Denn die Tatrichter verwiesen dazu zulässig (RIS‑Justiz RS0119301 [insb T10]) auf konkrete Aktenbestandteile, stützten sich damit hinreichend deutlich auf die den Beschwerdeführer belastende Aussage des Opfers und schlossen vom objektiven Geschehen und den Ausführungen des urologischen Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. J* auf die subjektive Tatseite, während sie die leugnende Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdig verwarfen (US 64 ff und 78 ff iVm US 8 und 22 iVm ON 66 S 301).
[29] Zum Konfiskationsausspruch:
[30] Das Schöffengericht sprach gemäß § 19a Abs 1 StGB (unter anderem) die Konfiskation einer im Eigentum des Angeklagten stehenden Liegenschaft mit dem darauf befindlichen Gebäude (sog „Seehaus“) aus (US 26, 32, 60, 139).
[31] Dagegen wendet sich die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) mit der Behauptung, die Konfiskation des Grundstücks samt Gebäude sei rechtsfehlerhaft, weil § 19a Abs 1 StGB auf bewegliche Sachen beschränkt sei.
[32] § 19a StGB wurde – in Umsetzung des Art 2 Abs 1 des Rahmenbeschlusses 2005/212/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Einziehung von Erträgen, Tatwerkzeugen und Vermögensgegenständen aus Straftaten, ABl 2005 L 68 – mit BGBl I 2010/108 eingeführt und trat am 1. Jänner 2011 in Kraft. Diese Strafbestimmung (vgl RIS‑Justiz RS0129178) darf demnach (§ 1 Abs 2 erster Satz StGB) nur auf Taten angewendet werden, die ab diesem Zeitpunkt begangen wurden (Fuchs/Tipold in WK2 StGB Vor §§ 19a–20c Rz 8 und 11 und § 19a Rz 1).
[33] Der Konfiskation nach § 19a Abs 1 StGB unterliegen Gegenstände, die zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz im Alleineigentum des Täters stehen (Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 19a Rz 28) und von diesem zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendet wurden oder werden sollten (instrumenta sceleris) oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind (producta sceleris).
[34] Gegenstände im Sinn des § 19a Abs 1 StGB sind nur körperliche Sachen (Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 19a Rz 9 mwN; Salimi, SbgK § 19a Rz 17; Leukauf/Steininger/Stricker, StGB4 § 19a Rz 8).
[35] Diese umfassen – entgegen dem Vorbringen der Sanktionsrüge – bewegliche und unbewegliche Sachen (vgl schon die Begriffsbestimmung der von der Einziehung nach Art 2 Abs 1 umfassten „Tatwerkzeuge“ [„alle Gegenstände, die in irgendeiner Weise ganz oder teilweise zur Begehung einer oder mehrerer Straftaten verwendet werden oder verwendet werden sollen“] und „Vermögensgegenstände“ [welcher Begriff ausdrücklich auch „unbewegliche“ Sachen umfasst] in Art 1 des angeführten Rahmenbeschlusses ABl 2005 L 68, demnach auch Grundstücke und Gebäude (vgl 11 Os 76/17m; Salimi, SbgK § 19a Rz 19 und 35; vgl auch Ratz in WK2 StGB § 26 Rz 2 sowie Tischler, SbgK § 26 Rz 9 ebenso zum dt Recht Eser/Schuster in Schönke/Schröder 30 § 74 Rz 6; aA Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 19a Rz 14, die unter Verweis auf den „natürlichen Wortsinn“ den Begriff „Gegenstände“ als auf „kleinere, festere Körper“ und auf eine „materielle Sache, die nicht allzu groß ist“, beschränkt erachten).
[36] Zur – hier relevant – Tatbegehung verwendet werden nicht nur jene Gegenstände, deren „Verwendung“ der jeweilige Tatbestand erfordert, sondern auch alle körperlichen Sachen, die der Täter sonst unmittelbar zur Förderung des Tatgeschehens eingesetzt hat (Salimi, SbgK § 19a Rz 28 ff; vgl auch die Judikaturbeispiele bei Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 19a Rz 12).
[37] Nach den – von der Beschwerde nicht bekämpften – Urteilskonstatierungen war der Angeklagte im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz Alleineigentümer des gegenständlichen Grundstücks samt dem darauf befindlichen Gebäude (sog „Seehaus“) mit einer Grundstücksfläche von 183 m2. Er „verwendete“ diese Liegenschaft (ab dem Inkrafttreten des § 19a StGB mit 1. Jänner 2011 beispielsweise auch) bei Begehung der zum Nachteil von * Kr* (4.21., 5.9. und 6.60.), * H* (6.29.) und * G* (4.7., 5.4. und 6.26.) im „Seehaus“ erfolgten Vorsatztaten, indem er die Opfer in sein „Seehaus“ einlud, um insbesondere durch vertrauliche Gespräche in einer persönlichen und intimen Atmosphäre das Vertrauen der Opfer zu gewinnen und zu intensivieren, wodurch diese die an ihnen durchgeführten Masturbationshandlungen teils nicht hinterfragten, teils aus der sich daraus ergebenden vermeintlichen freundschaftlichen Verbundenheit zuließen und mit niemand anderem darüber sprachen, was dem Angeklagten über viele Jahre hinweg die Tatbegehung zumindest wesentlich erleichterte (US 39 ff, 48 f, 52 ff, 60, 132 und 139).
[38] Ausgehend davon hat der Angeklagte das „Seehaus“ – entgegen dem Beschwerdevorbringen, diese Liegenschaft sei lediglich der Tatort gewesen – unmittelbar zur Förderung der Tatbegehung im oben dargestellten Sinn des § 19a Abs 1 StGB verwendet.
[39] Der weiteren Behauptung (Z 11 dritter Fall) zuwider fehlen Verhältnismäßigkeitserwägungen (§ 19a Abs 2 StGB) im Ersturteil keineswegs gänzlich (siehe US 132 und 139; RIS‑Justiz RS0088035 [insb T7]). Die Kritik an den diesbezüglichen Ausführungen der Tatrichter stellt bloß ein Berufungsvorbringen dar.
[40] Hinzugefügt sei, dass der Beschluss auf Zurückweisung des Anschlusses wegen privatrechtlicher Ansprüche (§ 67 Abs 4 Z 3 StPO) – unter dem Aspekt der Nichtigkeitsbeschwerde bedeutungslos – verfehlt (Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 18/5 und Rz 50) in die Urteilsausfertigung aufgenommen wurde.
[41] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[42] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
[43] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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