European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00150.19F.1127.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger lebt mit seiner Lebensgefährtin und deren Tochter in einer im Eigentum der Lebensgefährtin stehenden Erdgeschosswohnung, der Beklagte mit seiner Ehefrau in der in seinem Eigentum stehenden angrenzenden Erdgeschosswohnung. Beiden Wohnungen sind Gärten zugeordnet, die ebenso aneinander grenzen. Vor diesen Gärten führt ein im Allgemeineigentum stehender Zugangsweg (ausschließlich) zu den Gärten der Streitteile vorbei.
Im April 2017 montierte der Beklagte im Bereich der Außenfassade seiner Wohnung eine Überwachungskamera („Dome-Kamera“). Er brachte diese an einem Kantholz in einer Höhe von etwa 2,2 m an, welches den über seiner Terrasse befindlichen Balkon stützt. Die Kamera ist 360 Grad schwenkbar, hat einen vierfach optischen Zoom und einen Slot für eine Speicherkarte, welche beim Ankauf bereits vorinstalliert war. Dem Beklagten ist es damit möglich, jederzeit Aufnahmen zu erstellen. Die Kamera ist über eine Handyapplikation steuerbar und auch in der Nacht mittels Infrarot funktionsfähig. Diese Infrarotfunktion wird ab entsprechenden Lichtverhältnissen automatisch aktiviert. Die Kamera verfügt außerdem über eine Alarmfunktion, welche anschlägt, sobald sich etwas bewegt; diese Funktion verwendet der Beklagte allerdings nicht.
Der Schwenkbereich der Kamera umfasst den eigenen Garten des Beklagten. Allerdings kann auch der vor dem Garten befindliche Zugangsweg gefilmt werden. Während der Boden des Gartens der Lebensgefährtin des Klägers mit der Kamera nicht erfassbar ist, kann mit ihr in einem äußerst kleinen Bereich in einem Eck dieses Gartens etwa auf Höhe des Kopfes einer erwachsenen Person Einsicht genommen werden, wobei dieser Bereich allerdings derart unscharf ist, dass nichts erkannt werden kann. Über diesen äußerst kleinen Bereich hinaus kann vom Garten der Lebensgefährtin des Klägers mit der Kamera nichts gesehen werden, weil dies die Hauswand verhindert. Der Weg zum Fahrradraum und den Mistkübeln ist durch eine Mauer verdeckt und kann daher mit der Kamera ebenfalls nicht eingesehen werden. Aufgrund der Höhe der Mauer wären zwar (nur) die Köpfe erwachsener vorbeigehender Personen zu sehen, allerdings kann man diese aufgrund der Unschärfe nicht erkennen. Wird dieser Bereich gezoomt, schwenkt die Kamera automatisch nach unten, sodass nur mehr die Mauer ersichtlich ist. Eine andere Positionierung der Kamera wäre nicht möglich, andernfalls der eigene Garten des Beklagten nicht mehr im erforderlichen Ausmaß, nämlich insbesondere die eigene Terrasse und der Bereich vor der Schlafzimmerterrassentüre, der sich auf einer anderen Seite als der Terrassenbereich befindet, gefilmt werden könnte.
Die Kamera wird vom Beklagten bei Tag zur Echtzeitüberwachung verwendet. Eine Aufzeichnung erfolgt hingegen nachts, wobei die Kamera so eingestellt ist, dass ausschließlich die Terrasse und der Bodenbereich des eigenen Gartens des Beklagten gefilmt werden. Über die Zugangsdaten zur Handyapplikation verfügen nur der Beklagte und dessen Ehefrau.
Der Kläger begehrt die Entfernung dieser Überwachungskamera und die Unterlassung der Anbringung einer Überwachungskamera derart, dass der Garten des vom Kläger bewohnten, der Zugangsweg vor den Gärten, der Bereich der Mülltonnen, der Bereich vor dem Kellerabgang/Fahrradabgang (und/oder) sonstige im Allgemeineigentum stehende Flächen überwacht werden. Mit der vom Beklagten angebrachten Überwachungskamera werde insbesondere ein Teil des vom Kläger bewohnten Gartens und der allgemein zugängliche Weg vor den Gärten eingesehen und aufgezeichnet. Da der Kläger, dessen Lebensgefährtin und deren Tochter diesen Weg oft benützten und insgesamt ein ständiger Überwachungsdruck vorliege, seien sie durch die Überwachung in ihrem Grundrecht auf Privatsphäre und ihr Recht am eigenen Bild verletzt. Darüber hinaus stützte der Kläger sein Begehren auf die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes.
Dagegen wendete der Beklagte ein, die Kamera sehe den Garten des Klägers (bzw deren Lebensgefährtin) nicht ein, es erfolge lediglich eine Echtzeitüberwachung und diese sei zum Schutz von Leib und Leben des Beklagten und seiner Ehefrau sowie deren Eigentums aufgrund zahlreicher Vorfälle und Verhaltensweisen des Klägers erforderlich und gerechtfertigt.
Das Erstgericht, das umfangreich Beobachtungs- und Verfolgungshandlungen durch den Kläger, dessen auffälliges, ungewöhnliches und provokatives Verhalten, Lärmbelästigungen sowie Beeinflussungen und Einschüchterungen feststellte, wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte greife zwar mit seiner Kamera in die Privatsphäre des Klägers ein, dessen Verhalten sei jedoch unverständlich, von jenem eines Durchschnittsmenschen erheblich abweichend, besorgniserregend, undurchschaubar und provokativ; aufgrund seiner Äußerungen seien auch weitere Eingriffe in Form von Rechtsverletzungen (etwa in Form von Sachbeschädigungen) zu befürchten. Eine Interessenabwägung habe deshalb zugunsten des Beklagten auszuschlagen.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anwendbarkeit „der neuen Rechtsordnung“ (gemeint: des Datenschutzgesetzes idF des Datenschutz-Anpassungsgesetzes 2018, BGBl I 2018/120) auf den konkreten Fall und zur Frage, ob und in welcher Form eine Bildverarbeitung von allgemeinen Teilen der Liegenschaft zulässig ist, wenn sich ein Lebensgefährte der Wohnungseigentümerin in der Gemeinschaft in der festgestellten Form nicht angepasst verhält.
In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht unter Hinweis auf § 12 DSG in der erwähnten Fassung die Auffassung, dass eine Bildverarbeitung zwar zulässig sei, wenn im Einzelfall überwiegende berechtigte Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten bestehen; es müsse aber auch die Verhältnismäßigkeit gegeben sein. Dies sei hier nicht der Fall, weil eine tatsächliche ernstliche und unmittelbare Drohung erheblicherer und schwerwiegenderer Aktionen des Klägers im von der Kamera umfassten Bereich nicht festgestellt worden seien. Das übermäßige Abschneiden von Thujen und eines Essigbaums des Beklagten durch den Kläger vom Zugangsweg aus habe mangels Vorsatzes nicht einmal eine strafbare Sachbeschädigung dargestellt; die übrigen Verhaltensweisen des Klägers hätten nicht im Sichtbereich der Kamera stattgefunden bzw hätten durch diese nicht verhindert werden können.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
1. Wie der Oberste Gerichtshof bereits festgehalten hat (6 Ob 131/18k ecolex 2019/151 [Zemann] = iFamZ 2019/78 [Deixler-Hübner] = jusIT 2019/29 [Thiele; Jahnel, 123] = RZ 2019/11 [Spenling] = ZIIR 2019, 168 [Thiele, 147] = MR 2019, 190 [Walter]; 6 ObA 1/18t ZIIR 2019, 285 [Thiele] = wbl 2019, 587 [Goricnik] = jusIT 2019/76 [Thiele]), gilt nach Art 99 Abs 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. 4. 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO) diese Verordnung ab dem 25. 5. 2018. Für Österreich bestimmt § 69 Abs 4 DSG idF des Datenschutz-Anpassungsgesetzes 2018 (BGBl I 2018/120), dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes (am 25. 5. 2018; § 70 Abs 1 leg cit) bei der Datenschutzbehörde oder bei den ordentlichen Gerichten zum Datenschutzgesetz 2000 anhängige Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der DSGVO fortzuführen sind, mit der Maßgabe, dass die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte aufrecht bleibt. Sowohl die DSGVO als auch das Datenschutzgesetz idF des Datenschutz-Anpassungsgesetzes 2018 sind somit in diesem Verfahren bereits beachtlich.
2. Nach deren Art 2 Abs 1 ist die DSGVO auf die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen, anwendbar. Dabei werden alle Arten von personenbezogenen Daten geschützt; dieser Begriff, den die DSGVO in Art 4 Z 1 definiert („alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen“), ist weit zu verstehen (RS0132655). Nach Hödl (in Knyrim, DatKomm [2019] Art 4 DSGVO Rz 9) ist (auch) der Begriff der Informationen weit zu verstehen und umfasst neben den äußeren Merkmalen (wie etwa Geschlecht, Größe, Gewicht) auch Identifikationsmerkmale (wie etwa Name, Geburtsdatum), sachliche Informationen (wie etwa Vermögens- und Eigentumsverhältnisse), innere Zustände (wie etwa Überzeugungen, Werturteile) und auch sonstige Beziehungen der betroffenen Person zu Dritten und ihrer Umwelt.
3. Die Begriffsdefinition der personenbezogenen Daten enthält drei Komponenten: Eine Verarbeitungskomponente, eine Inhaltskomponente und eine Identitätskomponente (Hödl aaO Rz 10). Zutreffend führt Bergauer (in Knyrim, Datenschutz-Grundverordnung – Das neue Datenschutzrecht in Österreich und der EU [2016] 47) dazu aus, dass es sich beim äußeren Erscheinungsbild dann um ein personenbezogenes Datum handelt, wenn diese Information in eine verarbeitbare Darstellung gebracht wird. Im Fall von Bilddaten muss die abgebildete Person zumindest erkennbar sein; dafür reicht es auch aus, dass die Betroffenen im Nachhinein bestimmbar sind (Hödl aaO Rz 16). Außerdem ist eine Identifikation einer Person möglich, wenn zwar die Information für sich genommen nicht ausreicht, um sie einer Person zuzuordnen, jedoch dies möglich ist, sobald man diese Information mit anderen Informationen verknüpft (Hödl aaO Rz 12). Auch Erwägungsgrund 26 Satz 3 der DSGVO sieht vor, dass bei der Frage, ob es sich um eine identifizierbare Person handelt, alle Mittel berücksichtigt werden sollten, die von dem Verantwortlichen nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich genutzt werden, um die natürliche Person direkt oder indirekt zu identifizieren. Daraus geht hervor, dass ein vorliegender Personenbezug auch erst im Nachhinein entstehen kann, weil es bei der Feststellung, ob Mittel nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich zur Identifizierung der natürlichen Person genutzt werden, auf den Zeitpunkt der Verarbeitung ankommen soll und nicht den der Erhebung (Feiler/Forgó, EU-DSGVO [2016] Art 4 Rz 3). Dies steht mit der (bisherigen) zu § 16 ABGB indizierten Rechtsprechung im Einklang, wonach eine Videoaufzeichnung dann „identifizierend“ ist, wenn sie aufgrund eines oder mehrerer Merkmale letztlich einer bestimmten Person zugeordnet werden kann (RS0120422).
4. Die Legaldefinition der Verarbeitung in Art 4 Z 2 DSVGO besteht aus einer allgemeinen Definition und einer demonstrativen Aufzählung unterschiedlicher Verarbeitungsarten. Verarbeitung ist dabei jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten oder jede solche Vorgangsreihe (Hödl in Knyrim, DatKomm Art 4 DSGVO Rz 27). In der demonstrativen Aufzählung finden sich unter anderem die Vorgänge des Erhebens und des Erfassens. Durch diese beiden Vorgänge gelangen Daten in den Verfügungsbereich des Verantwortlichen, wobei dabei aktive Handlungen gesetzt werden müssen. Eine inhaltliche Kenntnisnahme der Aufzeichnungen ist nicht erforderlich, wohl aber die Möglichkeit, inhaltlich Kenntnis zu nehmen. Unterschieden werden diese Vorgänge dadurch, dass das Erheben auf eine gezielte Beschaffung abstellt und das Erfassen eine kontinuierliche Aufzeichnung ist (Hödl aaO Rz 29).
Von einer automatisierten Verarbeitung spricht man, wenn sämtliche Verarbeitungsschritte ohne menschlich-manuelle Interaktion (etwa Tastatureingaben) programmgesteuert bzw elektronisch vorgenommen werden (Heißl in Knyrim, DatKomm Art 2 DSGVO Rz 49). Eine teilweise automatisierte Verarbeitung liegt dann vor, wenn zumindest einzelne Schritte der Verarbeitung maschinell oder programmgesteuert erfolgen. Denn von einer nichtautomatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten spricht man nur dann, wenn diese vollkommen ohne IT‑Unterstützung erfolgt (Bergauer in Knyrim, Datenschutzverordnung – Das neue Datenschutzrecht in Österreich und der EU 44 f). Der erkennende Fachsenat hat bereits in der Entscheidung 6 Ob 131/18k ausgeführt, dass eine automatisierte Verarbeitung immer dann vorliegt, wenn Datenverarbeitungsanlagen zum Einsatz kommen, wobei unerheblich ist, ob die Dateien in irgendeiner Weise strukturiert abgespeichert sind; eine automatisierte Datenverarbeitung liege also vor, soweit der Einsatz der Datenverarbeitungsanlage zur Zugänglichkeit der Daten und zur Auswertung des Datenbestands beiträgt, wobei allerdings die rein manuelle Auswertung automatisch aufgezeichneter Daten diese Voraussetzung nicht erfülle. Damit führe jede Benutzung von Computer, Internet oder E-Mail zur Anwendbarkeit der Verordnung, sobald personenbezogene Daten involviert sind; der weite Begriff des Art 2 Abs 1 DSGVO erfasse sämtliche heute gebräuchlichen rechnergestützten Verarbeitungen personenbezogener Daten.
Die genaue Unterscheidung zwischen automatisierter und teilweise automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten ist allerdings nicht notwendig, weil auf beide Arten die DSGVO anwendbar ist. Nur bei einer nichtautomatisierten Verarbeitung wäre weiter zu prüfen, ob die Daten in einem Dateisystem gespeichert werden oder gespeichert werden sollen (Bergauer aaO 45). Ein Dateisystem ist gemäß Art 4 Z 6 DSGVO dabei jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird.
Beim Verantwortlichen nach der DSGVO handelt es sich um jene Person, welche dafür zu sorgen hat, dass deren Bestimmungen auch eingehalten werden. Er wird in Art 4 Z 7 DSGVO dahin definiert, dass es sich dabei um diejenige Person handelt, welche allein oder gemeinsam mit anderen über die Mittel und Zwecke der Verarbeitung entscheidet. Er ist Adressat von Ansprüchen von betroffenen Personen (Hödl in Knyrim, DatKomm Art 4 DSGVO Rz 77).
5. Vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen sind die Voraussetzungen zur Anwendbarkeit der DSGVO im vorliegenden Fall gegeben. Der Beklagte ist als Verantwortlicher anzusehen, weil er die Verfügungsgewalt über die Kamera hat und diese auch über sein Handy bedienen kann und somit bestimmt, wann welcher Bereich gefilmt wird. Beim Filmen werden Bilddaten aufgenommen, es liegt somit ein Erfassen vor. Bei den aufgenommenen Bilddaten handelt es sich um personenbezogene Daten, weil diese zumindest im Nachhinein einer bestimmten Person, nämlich dem Kläger bzw dessen Familie, zugeordnet werden können. Bei den Aufnahmen des Zugangswegs zu den Gärten kann der Kläger sogar unmittelbar durch die Aufnahme erkannt werden. Schließlich handelt es sich auch um eine (zumindest teil-)automatisierte Verarbeitung, weil der Beklagte eine Handyapplikation sowie die vorinstallierte Software für die Steuerung seiner Kamera verwendet.
Das Haushaltsprivileg des Art 2 Abs 2 lit c DSGVO kommt hingegen nicht zur Anwendung: Der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO ist nicht gegeben, wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten erfolgt (Art 2 Abs 2 lit c DSGVO). Dieses Privileg ist restriktiv auszulegen (Heißl in Knyrim, DatKomm Art 2 DSGVO Rz 64). Grundsätzlich fallen zwar auch private Foto- und Videoaufnahmen unter diese Ausnahme und wären somit nicht vom Anwendungsbereich der DSGVO umfasst. Sobald jedoch ein Kamerasystem nicht nur für familiäre Zwecke eingesetzt wird, sondern zum Beispiel zur Beweissicherung, dann greift dieses Haushaltsprivileg nicht (Heißl aaO Rz 69, EuGH C-212/13 [František Ryneš/Úřad pro ochranu osobních údajů]). Da im vorliegenden Fall – ähnlich dem der Entscheidung des EuGH C-212/13 zugrunde liegenden Fall – auch der öffentliche Zugangsweg zu den Gärten gefilmt wird, kommt eine Anwendung des Haushaltsprivilegs nicht in Betracht.
6. Gemäß Art 6 Abs 1 lit d DSGVO ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten rechtmäßig, wenn lebenswichtige Interessen der betroffenen Person (hier: des Klägers) oder einer anderen natürlichen Person (hier: des Beklagten und dessen Ehefrau) geschützt werden. Dieser Rechtfertigungsgrund ist jedoch eng auszulegen; er erfasst lediglich die höchsten Rechtsgüter wie etwa die körperliche Unversehrtheit und das Leben (Kastelitz/Hötzendorfer/Tschohl in Knyrim, DatKomm Art 6 DSGVO Rz 44). Solche sind hier nicht betroffen.
Nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO ist zu prüfen, ob die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt. Dabei ist nach folgendem Prüfschema vorzugehen: Vorliegen eines berechtigten Interesses zur Verarbeitung, Erforderlichkeit der Verarbeitung zur Verwirklichung dieses Interesses und kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person (ausführlich Kastelitz/Hötzendorfer/Tschohl in Knyrim, DatKomm Art 6 DSGVO Rz 51 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH). Zu dieser Abwägung der berührten Interessen der Streitteile vgl unter Punkt 7.2.
7. Das Datenschutzgesetz idF des Datenschutz-Anpassungsgesetzes 2018 (BGBl I 2018/120) enthält im Gegensatz zur DSGVO explizite Bestimmungen zur Bildverarbeitung, weshalb im Folgenden (auch) auf §§ 12 und 13 DSG näher einzugehen ist (vgl auch Knyrim, DatKomm Vorbemerkung Entwicklung des österreichischen DSG und aktuelle Rechtsentwicklung im Datenschutzrecht Rz 13).
7.1. Der Begriff der „Bildaufnahme“ gemäß § 12 DSG ist sehr weit gefasst und umfasst neben Videoanwendungen wie Action-Cams und Wildkameras (Pollirer/Weiss/Knyrim/Haidinger, DSG4 [2019] § 12 Anm 1a) fast jede Bildaufnahme zur Feststellung von Ereignissen zu privaten Zwecken mit technischen Einrichtungen (Kastelitz/Hötzendorfer/Tschohl in Knyrim, DatKomm Art 6 DSGVO Rz 83). Dementsprechend wird auch in den Materialien (ErläutRV 1664 BlgNR 25. GP 14) ausgeführt, dass die neue Regelung darauf abzielt, grundsätzlich alle Bildaufnahmen durch Verantwortliche des privaten Bereichs diesen Bestimmungen unterliegen zu lassen, sofern diese nicht aufgrund von Art 2 Abs 2 lit c DSGVO („Haushaltsausnahme“) vom Anwendungsbereich ausgenommen sind und auch nicht andere Gesetze hierzu Besonderes vorsehen. Die gegenständliche Überwachungskamera ist somit vom Anwendungsbereich umfasst.
7.2. § 12 DSG regelt die Zulässigkeitserfordernisse für eine Bildaufnahme. Dabei könnte hier lediglich der Zulässigkeitstatbestand des § 12 Abs 2 Z 4 DSG („wenn im Einzelfall überwiegende berechtigte Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten bestehen und die Verhältnismäßigkeit gegeben ist“) anwendbar sein.
7.2.1. In § 12 Abs 3 DSG wird die Interessenabwägung bereits auf gesetzlicher Ebene für „quasi massenhaft auftretende Fallkonstellationen“ vorgenommen (Kastelitz/Hötzendorfer/Tschohl aaO Rz 85). Es sind dies (beispielhafte) Fälle, in denen die Bildaufnahme „insbesondere“ zulässig ist, wobei hier lediglich § 12 Abs 3 Z 1 und 2 DSG Anwendung finden könnte.
Gemäß § 12 Abs 3 Z 1 DSG ist eine Bildaufnahme gemäß § 12 Abs 2 Z 4 DSG dann zulässig, wenn sie dem vorbeugenden Schutz von Personen oder Sachen auf privaten Liegenschaften, die ausschließlich vom Verantwortlichen genutzt werden, dient und räumlich nicht über die Liegenschaft hinausreicht, mit Ausnahme einer zur Zweckerreichung allenfalls unvermeidbaren Einbeziehung öffentlicher Verkehrsflächen. Dieser Zulässigkeitstatbestand ist hier jedoch nicht gegeben, weil der Beklagte über das „unvermeidliche“ Ausmaß hinaus einen Teil des öffentlichen Zugangswegs und zusätzlich noch einen (wenngleich kleinen) Teil des privaten Gartens der Lebensgefährtin des Klägers filmt.
Nach § 12 Abs 3 Z 2 DSG ist eine Bildaufnahme dann zulässig, wenn sie für den vorbeugenden Schutz von Personen oder Sachen an öffentlich zugänglichen Orten, die dem Hausrecht des Verantwortlichen unterliegen, aufgrund bereits erfolgter Rechtsverletzungen oder eines in der Natur des Orts liegenden besonderen Gefährdungspotenzials erforderlich ist. Als Beispiele werden in der Literatur Diebstähle und Sachbeschädigungen angeführt (Pollirer/Weiss/Knyrim/Haidinger aaO § 12 Anm 10; Kastelitz/Hötzendorfer/Tschohl aaO Rz 85). Darunter würden zwar die von den Vorinstanzen festgestellten Beschädigungen der Thujen, des Essigbaums, des Fensterblechs und des Zauns des Beklagten durch den Kläger fallen und damit als Anlasstaten für eine Überwachung gemäß §§ 12 Abs 2 Z 4 iVm 12 Abs 3 Z 2 DSG angesehen werden können. Allerdings bedarf es auch in einem solchen Fall einer Verhältnismäßigkeitsprüfung für den konkreten Einzelfall (vgl 6 Ob 256/12h ecolex 2013/222 [Hofmarcher] = ZIR 2013, 205 [Höhne] = EvBl 2013/104 [Karner; Schmidthuber, ÖJZ 2017, 211] = ÖBl 2013/56 [Büchele] = AnwBl 2013, 332 [Fischer, 476]).
7.2.2. Im Rahmen der somit zu erfolgenden Interessenabwägung ist auf jene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu verweisen, wonach das Recht auf Achtung der Geheimsphäre als Persönlichkeitsrecht im Sinn des § 16 ABGB angesehen wird (RS0009003). Das Recht auf Wahrung der Geheimsphäre schützt sowohl gegen das Eindringen in die Privatsphäre der Person als auch gegen die Verbreitung rechtmäßiger erlangter Information über die Geheimsphäre (RS0009003 [T9]). Systematische, verdeckte, identifizierende Videoüberwachung stellt immer einen Eingriff in das geschützte Recht auf Achtung der Geheimsphäre dar (6 Ob 6/19d).
Einer Person darf nicht das Gefühl gegeben werden, dass sie jederzeit überwacht werden kann: Der Oberste Gerichtshof hielt dazu in der Entscheidung 6 Ob 2401/96y fest, dass es stets auf eine genaue Abwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen auf Geheimhaltung und den Interessen des Handelnden auf der anderen Seite ankommt. § 16 ABGB umfasse genauso wie Art 8 EMRK den höchstpersönlichen Lebensbereich als Schutzbereich. Somit sei unter anderem auch das Leben in und mit der Familie umfasst (RS0122148), dies insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass gemäß § 16 ABGB jeder Mensch ein Recht auf Achtung seiner Geheimspähre hat (RS0009003). Dabei ist auf den Überwachungsdruck abzustellen, den der Überwachte empfindet, sodass es nicht darauf ankommt, wie die Kamera konkret eingestellt ist und wie scharf die Aufnahme tatsächlich ist (6 Ob 6/06k). In diesem Sinne wurde erst jüngst zu 3 Ob 195/17y (ErwGr 4.2) ausgesprochen, dass die dort konfigurierte Verpixelung von Teilen der von den Videokameras erfassten Bereiche außerhalb des Grundstücks der Beklagten nur am Bildschirm im Wohnzimmer der Beklagten in Erscheinung tritt und daher für einen unbefangenen, objektiven Betrachter von außen nicht erkennbar ist. Entscheidend ist, ob nach den Umständen des Falls die konkrete Befürchtung besteht, dass die Kamera jederzeit in Betrieb gesetzt werden könnte; die Eingriffsgefahr ist somit zu bejahen, wenn die konkrete Befürchtung besteht, die Beobachtung mit der Kamera könnte einsetzen (3 Ob 195/17y [ErwGr 2.2]). Abzustellen ist dabei auf den Eindruck, der sich für einen „unbefangenen, objektiven Betrachter“ bei Betrachtung der Kamera ergibt (6 Ob 231/16p).
Das Recht am eigenen Bild kann schon dann verletzt sein, wenn die Herstellung von Bildnissen einer Person in der Öffentlichkeit ohne Verbreitungsabsicht geschieht (RS0128659). Es darf dabei zwar nicht zu einer Überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte kommen, weil dies zu unerträglichen Einschränkungen der Interessen anderer und jener der Allgemeinheit führen würde (RS0008990). Jedoch gehört nach der Entscheidung 6 Ob 16/18y zu den Gründen, die eine private Videoüberwachung rechtfertigen, nicht die Erlangung von Beweismitteln in einem Zivilrechtsstreit (RS0132122).
7.2.3. Im vorliegenden Fall überwiegen die Interessen des Klägers auf Datenschutz und insbesondere seines Geheimhaltungsinteresses, weil der Beklagte den Zugangsweg zum Garten der Lebensgefährtin des Klägers überwacht und so jederzeit feststellen kann, wann der Kläger den Garten betritt (vgl RS0107155 [T3, T4]; 6 Ob 6/06k). Insbesondere der Umstand, dass die Kamera auch den Garten der Lebensgefährtin des Klägers filmt, greift in dessen Geheimhaltungsinteresse ein (vgl RS0107550). So wurde auch in der Entscheidung 6 Ob 6/06k festgehalten, dass das Interesse des Beklagten am Schutz seines Eigentums keine Überwachung des Grundstücks des Klägers erfordert, weil für die bezweckte Abschreckung die Überwachung des eigenen Grundstücks genügt.
Damit ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Überwachungsmaßnahme des Beklagten sei im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überschießend, nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat kein berechtigtes Interesse zu erfahren, wann und wie oft der Kläger und dessen Familie den Zugangsweg und den Eckbereich des eigenen Gartens benützen; gerade insoweit besteht aber auch der durch die Anbringung der Kamera ausgelöste Überwachungsdruck. Hinzu kommt, dass die Videoüberwachung hinsichtlich eines Teils der festgestellten Handlungen tatsächlich auch nicht geeignet ist, Störungshandlungen zu unterbinden (zB hinsichtlich Belästigungen beim Spazierengehen), teilweise erscheint sie bei Betrachtung der erfolgten Handlungen auch als Reaktion unverhältnismäßig (zB hinsichtlich des Durchzwickens eines Kabelbinders).
Der Revision des Beklagten war somit ein Erfolg zu versagen.
8. Auch auf die Argumentation des Beklagten in seiner Revision, bei der angeordneten Beseitigung der Kamera handle es sich nicht um das gelindeste Mittel, könnte doch der Zweck auch in Form eines Unmöglichmachens des Filmens des Wegs und des anderen Gartens durch eine Verblendung der Kamera erreicht werden, braucht nicht näher eingegangen zu werden. Diese Einrede hätte der Beklagte bereits im Verfahren erheben müssen (vgl RS0108589; RS0042025). Die nunmehr erhobene Einrede verstößt somit gegen das Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO und ist nicht zu beachten.
9. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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