OGH 1Ob38/17w

OGH1Ob38/17w29.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. C* F*, 2. E* F*, und 3. I* F*, alle vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt W*, vertreten durch die Rudeck – Schlager Rechtsanwalts KG, Wien, wegen 127.305,30 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2016, GZ 11 R 159/16g‑173, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11. Mai 2016, GZ 22 Cg 30/11k‑163, in mit Beschluss vom 12. Mai 2016, GZ 22 Cg 30/11k‑164, berichtigter Fassung, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117659

 

Spruch:

I. Die außerordentliche Revision der zweit‑ und drittklagenden Parteien wird zurückgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision der erstklagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Patient hatte die auf Zahlung von Schmerzengeld und Feststellung gerichtete Klage wegen Arzthaftung noch selbst eingebracht, verstarb aber während des Verfahrens erster Instanz. An seine Stelle als Kläger traten seine drei mittlerweile rechtskräftig eingeantworteten Erben. Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Zu I.:

Mit der Einantwortung zerfallen teilbare Nachlassforderungen – insbesondere Geldforderungen – in selbständig obligatorische Teilforderungen im Sinne der §§ 888 f ABGB (2 Ob 103/15h mwN). Es ist bei der Verfolgung teilbarer Ansprüche, wie sie im vorliegenden Fall geltend gemacht wurden (vgl zur Teilbarkeit von Schmerzengeldforderungen 2 Ob 180/00k; 3 Ob 247/07f; 2 Ob 213/15k; zum Feststellungsbegehren s nur 5 Ob 207/10t), daher jeder auf seinen Anteil beschränkt (vgl RIS‑Justiz RS0013214). Nur wenn eine einheitliche Streitpartei iSd § 14 ZPO vorläge, was aber hier – wie dargelegt – nicht der Fall ist, hätte der am 29. 11. 2016 allein von der erstklagenden Partei eingebrachte Verfahrenshilfeantrag Unterbrechungswirkung gemäß § 505 Abs 2 iVm § 464 Abs 3 ZPO auch für die zweit‑ und drittklagende Partei entfalten können.

Den klagenden Parteien wurde das Urteil des Berufungsgerichts am 4. 11. 2016 zugestellt. Da die außerordentliche Revision der zweit‑ und drittklagenden Parteien außerhalb der vierwöchigen Revisionsfrist gemäß § 505 Abs 2 ZPO, nämlich erst am 7. 2. 2017, erhoben wurde, ist sie als verspätet zurückzuweisen.

Zu II.:

II.1. Das Maß der ausreichenden Aufklärung bestimmt sich auch nach der Dringlichkeit der Operation (RIS-Justiz RS0026772; RS0026313). Je notwendiger der Eingriff für die Gesundheit der Patienten ist, umso weniger umfassend braucht die Aufklärung zu sein (RIS-Justiz RS0026772 [T10]). Bei einer dringenden Operation, die für den Patienten vitale Bedeutung hat, ist die Aufklärungspflicht des Arztes nicht zu überspannen (RIS-Justiz RS0026772 [T23]). Letztlich ist der konkrete Umfang der Aufklärungspflicht aber stets eine Frage des Einzelfalls und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0026529 [T20, T31]; RS0026763 [T5]).

Im vorliegenden Fall bestand für den Patienten subakute Lebensgefahr. Dass ihm keine ausreichende Überlegungsfrist zur Verfügung gestanden wäre, war von Klagsseite weder im Verfahren erster Instanz noch in der Berufung vorgebracht worden. Wenn die erstklagende Partei unrichtig unterstellt, die Aufklärung und die Operation hätten am selben Tag stattgefunden, und bekrittelt, es sei „unerfindlich, ob und warum nicht“ im Sinne der von ihr zitierten Rechtsprechung (vgl dazu etwa 7 Ob 64/11d und 3 Ob 194/16z) „zwischen der Aufklärung und der Operation zumindest eine Nacht lag“, geht sie zudem nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Danach fand die eineinhalbstündige Aufklärung am 10. 4. 2008, die Operation aber am 11. 4. 2008 statt. Die vom Erstgericht in seinen Feststellungen benutzte Wendung „am selben Tag“ bezog sich auf die Schilderung des Gesundheitszustands und des Konsils der Ärzte am 10. 4. 2008 und nicht auf den Tag der Operation, den 11. 4. 2008. Dies war den Klägern noch in ihrer Berufung bewusst gewesen, in der sie behaupteten, es sei der Patient „am 9. 4. 2008 – somit einen Tag vor der gegenständlichen Aufklärung – stark verwirrt … gewesen“. Auch die Dauer der dem Patienten nach entsprechender Aufklärung durch den Arzt einzuräumenden Überlegungsfrist hängt im Übrigen von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Dringlichkeit der ärztlichen Behandlung (8 Ob 129/13y; RIS‑Justiz RS0118651) und daher in der Regel nicht von der Beurteilung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ab.

II.2. Der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsacheninstanz (RIS-Justiz RS0042903 [T5]). Der geltend gemachte Verfahrensmangel betrifft das Verfahren erster Instanz. Eine bereits vom Berufungsgericht verneinte Mangelhaftigkeit (hier die unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens) kann in dritter Instanz nicht mehr angefochten werden (RIS-Justiz RS0042963, vgl zum Sachverständigenbeweis [insbesondere T64]; RS0043086).

Da es der Klägerin nicht gelungen ist, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

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