European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00003.17P.0126.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Das Rekursgericht bewilligte der Betreibenden gegen die Verpflichtete aufgrund seiner einstweiligen Verfügung vom 25. Mai 2016 zur Erwirkung des Gebots, es ab sofort zu unterlassen, zu behaupten und/oder zu verbreiten, dass über einen technischen Dienst bei der betreibenden Partei abrufbare Daten, zu deren Schutz die betreibende Partei verpflichtet ist, für jedermann frei zugänglich seien oder sinngleiche Behauptungen aufzustellen, „wegen des Zuwiderhandelns gegen dieses Unterlassungsgebot durch die Verpflichtete am 11. und 12. Juni 2016 durch das weiterhin Behaupten und Verbreiten, dass über einen technischen Dienst bei der betreibenden Partei abrufbare Daten, zu deren Schutz diese verpflichtet sei, für jedermann frei zugänglich wären oder sinngleiche Behauptungen aufzustellen“, die Exekution gemäß § 355 EO und verhängte über die Verpflichtete eine Geldstrafe von 10.000 EUR. Darüber hinaus bewilligte das Rekursgericht der Betreibenden zur Hereinbringung der gleichzeitig bestimmten Exekutionskosten die Exekution durch Pfändung und Verkauf beweglicher körperlicher Sachen aller Art, die sich in Gewahrsam der Verpflichteten befinden, und die Pfändung und Überweisung zur Einziehung der in § 296 EO angeführten Papiere gemäß § 369 EO.
Rechtliche Beurteilung
Die Verpflichtete vermag in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs, mit dem sie die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Abweisung des Exekutionsantrags der Betreibenden anstrebt, keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
1. Zunächst behauptet die Verpflichtete, ihr Recht auf Gehör sei dadurch verletzt worden, dass ihr der Rekurs der Betreibenden nicht zugestellt worden sei, das Rekursgericht aber Exekutionskosten bestimmt und der Betreibenden zu deren Hereinbringung auch die Fahrnisexekution bewilligt habe. Insoweit ist klarzustellen, dass der Rekurs im Exekutionsverfahren grundsätzlich einseitig ist (RIS‑Justiz RS0116198). Für eine nach den Umständen des Einzelfalls ausnahmsweise gebotene Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens im Sinne der grundlegenden Entscheidung des erkennenden Senats 3 Ob 162/03z, 163/03x, zeigt die Verpflichtete keine relevanten Umstände auf; war doch eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs hier nicht jedenfalls unzulässig (vgl 3 Ob 65/12y; 3 Ob 63/16k; RIS‑Justiz RS0116198 [T1 und T5]). Dass die Betreibende mit dem Rekurs gegen die erstgerichtliche Antragsabweisung auch eine Kostenbeschwerde verband, ist ohne Relevanz, weil durch die abändernde Entscheidung des Rekursgerichts die erstgerichtliche Kostenentscheidung bedeutungslos wurde.
2. Nur ein Verhalten des Verpflichteten, welches eindeutig gegen das im Exekutionstitel ausgesprochene Unterlassungsgebot verstößt, rechtfertigt die Exekution gemäß § 355 EO (RIS‑Justiz RS0000595). Das Bewilligungsgericht hat die Verpflichtung nur aufgrund des Titels festzustellen. Es hat sich dabei an den Wortlaut des Titels zu halten und kann nur aus diesem selbst schließen, was die Parteien oder das Gericht dabei in Wirklichkeit gemeint haben (RIS‑Justiz RS0000207).
Die Entscheidungsgründe sind für die Auslegung der Tragweite des Spruchs bei Zweifeln über dessen Tragweite heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0000300 [T6]). Ob derartige Zweifel bestehen, bildet eine Einzelfallfrage (3 Ob 65/12y). Bei der Auslegung eines Rechtsbegriffe enthaltenden Titels kann in gewissem Umfang auch die dazu ergangene Rechtsprechung berücksichtigt werden (3 Ob 11/12g mwN; RIS‑Justiz RS0013493). Die Auslegung des Exekutionstitels im Einzelfall und die Frage, ob ein aus dem Vorbringen der Betreibenden entnehmbares konkretes Verhalten der Verpflichteten gegen den Exekutionstitel verstößt, gehen in der Regel nicht in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinaus und werfen daher keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO auf (RIS‑Justiz RS0000595 [T4, T10]; RS0004662 [T4]; RS0031869 [T4, T5]). Ob die in einem Exekutionsantrag nach § 355 EO enthaltene konkrete Behauptung des Zuwiderhandelns ausreichend ist oder nicht, bildet gleichfalls keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0004745); das gilt auch für die Frage, wie eine Äußerung nach dem Eindruck der angesprochenen Kreise im Einzelfall zu verstehen ist (RIS‑Justiz RS0031883 [T6, T28]; RS0043000).
Die rekursgerichtliche Titelauslegung und die Beurteilung der von der Betreibenden zum Gegenstand ihres Exekutionsantrags gemachten Äußerungen der Verpflichteten bzw ihres Prokuristen entsprechen den Grundsätzen der Rechtsprechung. Dieser folgend wurde die Behauptung, Kundendaten der Verpflichteten seien auf einem der Server der Betreibenden über das Internet frei und unverschlüsselt zugänglich gewesen, vom Rekursgericht – ohne vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung – als Verstoß gegen den eingangs genannten Exekutionstitel beurteilt. Warum es sich bei auf einem Server der Betreibenden für Kunden bereit gestellten Daten nicht um eine „technische Dienstleistung“ handeln sollte, ist nach den Rechtsmittelausführungen der Verpflichteten nicht nachvollziehbar. Dass die Betreibende zum Schutz dieser Daten verpflichtet war, ergibt sich nicht nur aus den Gründen der den Exekutionstitel betreffenden Entscheidung 4 Ob 165/16t (Schadenersatzansprüche der Kunden), sondern ist naheliegend auch aus dem Gesamtzusammenhang der beanstandeten Äußerung abzuleiten: Nach der Erwartungshaltung der angesprochenen Leserschaft ist grundsätzlich jedes Unternehmen zum Schutz seiner Kundendaten verpflichtet; die Behauptung eines Datenlecks setzt eine derartige Verpflichtung erkennbar voraus.
Soweit die Verpflichtete argumentiert, sie habe lediglich auf einen vergangenen Zustand hingewiesen, es sei ihr aber nur verboten worden, einen Ist‑Zustand zu behaupten, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Exekutionstitel nicht nur ein auf die Behauptung gegenwärtiger Zustände gerichtetes Verbot, sondern auch eines auf sinngleiche Behauptungen enthält.
Ebenso wie bei einer Exekutionsbewilligung nicht die materielle Rechtslage, sondern allein der Inhalt des Exekutionstitels selbst für die Exekutionsbewilligung maßgebend ist, ist auch beim Exekutionsantrag auf Verhängung einer Beugestrafe lediglich zu prüfen, ob das darin behauptete Verhalten aufgrund der Exekutionsbewilligung verboten war (RIS‑Justiz RS0000279). Sämtliche Überlegungen über aus der materiellen Rechtslage abzuleitende oder allenfalls zu beschränkende Ansprüche der Betreibenden können daher auf sich beruhen (3 Ob 243/15d). Der Einwand, der genannte Titelverstoß bilde eine zulässige Meinungsäußerung im Sinn des Art 10 EMRK, kann daher nur Gegenstand des Titelverfahrens sein, er ist im Exekutionsverfahren nicht (nochmals) zu prüfen.
Der Prokurist der Beklagten war für diese als Dienstnehmer und bevollmächtigter Vertreter tätig, weshalb die Verhaltenszurechnung zu Lasten der Verpflichteten ständiger Rechtsprechung entspricht (RIS‑Justiz RS0004565, RS0004484; 3 Ob 220/11s mwN).
3. Die Bemessung von Geldstrafen im Rahmen der Unterlassungsexekution wirft schon wegen der darin angeordneten Bedachtnahme auf Art und Schwere des jeweiligen Zuwiderhandelns gegen den Exekutionstitel, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und das Ausmaß von dessen Beteiligung an der Zuwiderhandlung, also auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO auf (RIS‑Justiz RS0012388 [T1]). Durch die verhängte Strafe soll der Verpflichtete für begangenes Unrecht wirksam zur Rechenschaft gezogen und von weiteren Verletzungen des Exekutionstitels abgehalten werden; bloß symbolische Geldstrafen scheiden daher aus (RIS‑Justiz RS0010057). Es kommt nicht auf die Größe der wirtschaftlichen Bedeutung des konkreten Verstoßes für das Unternehmen des Verpflichteten oder die wirtschaftliche Leistung einzelner Sparten davon an (3 Ob 191/04s; RIS‑Justiz RS0119427). Im Hinblick darauf, dass die maßgeblichen Titelverstöße auf das Kerngeschäft der Betreibenden zielen und durchaus hohes Schädigungspotenzial aufweisen, ist ein vom Obersten Gerichtshof aufzugreifender Ermessensmissbrauch des Rekursgerichts nicht zu erkennen.
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
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