OGH 13Os71/15p

OGH13Os71/15p23.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Wüstner als Schriftführer in der Finanzstrafstrafsache gegen Richard S***** und andere Angeklagte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Richard S*****, Adi D*****, Günther Z*****, Franz F***** und Wolfgang H***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 23. Juli 2014, GZ 14 Hv 41/03w‑715, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00071.15P.0923.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden sowie die Berufung des Angeklagten Wolfgang H***** wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten Richard S*****, Adi D*****, Günther Z*****, Franz F***** und Wolfgang H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Richard S***** und Adi D***** (dieser zu II iVm § 11 dritter Fall FinStrG [US 215 f]) jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 1999/28 und BGBl I 2004/57 (I und II) sowie der vorsätzlichen Eingriffe in die Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl 1996/421 (II), Günther Z*****, Franz F***** und Wolfgang H***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 11 (zu ergänzen) dritter Fall, 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 1999/28 und BGBl I 2004/57 (Franz F***** nur nach ersterer Fassung) sowie der vorsätzlichen Eingriffe in die Rechte des Tabakmonopols nach §§ 11 (zu ergänzen) dritter Fall, 44 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl 1996/421 (jeweils II) schuldig erkannt.

Danach haben im Zuständigkeitsbereich des Zollamts Innsbruck vorsätzlich

(I) Richard S***** und Adi D***** teils im einverständlichen Zusammenwirken mit abgesondert verfolgten Mittätern (§ 11 erster Fall FinStrG) vom 9. Jänner 2002 bis zum 19. Juli 2004 gewerbsmäßig unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten eine Verkürzung an Tabaksteuer um 26.999.820,80 Euro bewirkt, indem sie in 61, im Urteil einzeln aufgelisteten Angriffen 771.093 kg Tabak‑Feinschnitt dem Steueraussetzungsverfahren entzogen ohne die Tabaksteuer unverzüglich beim zuständigen Zollamt anzumelden und zu entrichten (§ 24 Abs 5 dritter Satz TabStG idF BGBl I 2000/142 und BGBl I 2003/124),

(II) vom Jänner 2002 bis zum 31. Juli 2004 gewerbsmäßig in zahlreichen, im Urteil einzeln angeführten Angriffen unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten Verkürzungen an Tabaksteuer bewirkt, nämlich Richard S*****, Adi D***** und Günther Z***** um jeweils 71.599.223,22 Euro, Franz F***** um 24.888.447,12 Euro und Wolfgang H***** um 46.710.776,10 Euro, indem sie aus dem von I umfassten Tabak‑Feinschnitt 771.093.000 Stück, Franz F***** 273.154.000 Stück und Wolfgang H***** 497.939.000 Stück, Zigaretten ohne Bewilligung gewerblich herstellten (§ 9 Abs 1 Z 2 TabStG), ohne die Tabakwarenmengen binnen einer Woche beim zuständigen Zollamt anzumelden, die Tabaksteuer selbst zu berechnen und den errechneten Steuerbetrag zu entrichten (§ 12 Abs 5 TabStG), und

in Tateinheit hiezu zu ihrem oder eines anderen Vorteil die in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltenen Gebote oder Verbote hinsichtlich der Erzeugung, Herstellung und Veräußerung von oder des Handels mit Monopolgegenständen (§§ 5, 6 TabMG) verletzt, nämlich Richard S*****, Adi D***** und Günther Z***** hinsichtlich eines Kleinverkaufspreises von 130.198.110 Euro, Franz F***** bezüglich eines solchen von 45.548.480 Euro und Wolfgang H***** hinsichtlich eines Kleinverkaufspreises von 84.649.630 Euro,

wobei Richard S***** für die Organisation des Produktionsablaufs und den Vertrieb verantwortlich war, Adi D***** die Produktionsmittel zu den Produktionsstätten transportierte, Günther Z***** Druckvorlagen zur Erzeugung der Zigarettenverpackungen erstellte, die Druckerzeugnisse bezahlte und für deren Transport zu den Produktionsstätten sorgte, Franz F***** die Räumlichkeiten für eine Produktionsstätte zur Verfügung stellte und Wolfgang H***** die Produktionsabfälle entsorgte und Richard S***** beim Vertrieb der Zigaretten unterstützte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen erhoben die Angeklagten Nichtigkeitsbeschwerden, nämlich Richard S***** aus Z 1, 2, 3 und 4, Adi D***** aus Z 3, 4, 5, 5a und 11, Günther Z***** aus Z 4, 5, 9 (richtig) lit b und 11, Franz F***** aus Z 11, sowie Wolfgang H***** aus Z 2, 4, 5 und (richtig) 9 lit a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO. Die Beschwerden gehen ‑ wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt ‑ fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Richard S *****:

Der Einwand der Besetzungsrüge (Z 1), die Schöffen seien nicht ordnungsgemäß beeidet worden, entzieht sich schon deshalb einer inhaltlichen Erwiderung, weil der Beschwerdeführer den angeblich Nichtigkeit begründenden Umstand nicht gerügt hat.

Hinzugefügt sei, dass die Frage nach der Beeidigung eines Laienrichters für die gehörige Besetzung des erkennenden Gerichts ohne Relevanz ist (15 Os 161/99, RIS‑Justiz RS0098262).

Unter dem Aspekt allfälliger Nichtigkeit aus Z 3 sei hervorgehoben, dass nach der Aktenlage die Vorsitzende die Beeidigung (im Rahmen der Hauptverhandlung) im gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt, nämlich nach der Befragung der Angeklagten zu ihren Generalien und Vornahme der in § 240 StPO vorgesehenen Belehrung, vorgenommen hat (ON 538 S 15).

Die Verfahrensrüge (Z 2) übersieht, dass unter „nichtigen“ Vorgängen im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes nur solche Erkundigungen oder Beweisaufnahmen im Ermittlungsverfahren zu verstehen sind, die das Gesetz ausdrücklich als nichtig bezeichnet ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 173), was mit dem Einwand, die „sogenannten Altakten aus den Jahren 1992 und 1993, 22 Vr 923/87, 12 EHv 10/94 Kreisgericht Wels“ seien zu Unrecht verlesen worden, nicht behauptet wird.

Mit Blick auf § 281 Abs 1 Z 3 StPO sei festgehalten, dass sich die Bestimmungen über die Verlesungsverbote (§ 252 Abs 1 und 4 StPO) ausschließlich auf Beweismittel beziehen, welche die jeweils aktuelle Strafsache betreffen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 252 Abs 1 StPO, der unter anderem auf „Mitbeschuldigte“ und „Zeugen“, also vom Beschuldigten verschiedene Personen, die zur Aufklärung „der Straftat wesentliche oder sonst den Gegenstand des Verfahrens betreffende“ Tatsachen wahrgenommen haben könnten (§ 154 Abs 1 StPO), Bezug nimmt. Der Einwand, Vorstrafakten seien zu Unrecht verlesen worden, geht somit auch aus diesem Blickwinkel ins Leere (vgl auch § 252 Abs 2 StPO, wonach gegen den Angeklagten früher ergangene Straferkenntnisse verlesen werden müssen).

Die weitere Verfahrensrüge (Z 3) bezieht sich nicht auf eine Bestimmung, deren Einhaltung (im Rahmen der Hauptverhandlung) das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet, und ist deswegen einer meritorischen Erledigung nicht zugänglich.

Nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung informierte die Vorsitzende den Beschwerdeführer darüber, dass er nach entsprechenden Sachverständigengutachten sowohl aus psychiatrischer als auch aus internistischer Sicht uneingeschränkt verhandlungsfähig sei, ein allfälliges absichtliches Versetzen in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit daher bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 427 StPO zur Durchführung eines Abwesenheitsverfahrens führen werde (ON 538 S 3).

Hievon ausgehend folgte das Erstgericht dem Antrag des Beschwerdeführers, die Hauptverhandlung zu vertagen, weil deren Fortsetzung „eine konkrete Gefahr für den Gesundheitszustand“ des Beschwerdeführers darstelle (ON 538 S 11), nicht, sondern führte die Verhandlung in dessen Abwesenheit durch (ON 538 S 12).

Die Sachverhaltsgrundlage dieser Entscheidung, über die das Schöffengericht in freier Beweiswürdigung zu entscheiden hatte, ist im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde der Überprüfung nur dahin zugänglich, ob das Gericht diese in formal einwandfreier Weise, also nicht willkürlich, geschaffen hat (12 Os 38/04, SSt 2005/18; RIS‑Justiz RS0118977; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 40 f).

Indem die weitere Verfahrensrüge (Z 4) in Bezug auf das Begehren, die Hauptverhandlung zu vertagen, anhand spekulativer Überlegungen die Hypothese entwickelt, der Beschwerdeführer sei sehr wohl verhandlungsunfähig gewesen, verlässt sie den dargestellten Anfechtungsrahmen.

Das übrige Vorbringen basiert nicht auf einem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag oder dort erhobenen Widerspruch des Beschwerdeführers, sondern auf einem außerhalb der Hauptverhandlung eingebrachten Schriftsatz (ON 651), und orientiert sich solcherart nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0099099, jüngst 11 Os 10/15b).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Adi D *****:

Die Hauptverhandlung wurde nach der Aktenlage in der Zeit vom 26. Mai 2014 (ON 538) bis zum 23. Juli 2014 (ON 690) an mehreren Verhandlungstagen durchgeführt.

Die Verfahrensrüge (Z 3) wendet unter Bezugnahme auf die Hauptverhandlungstermine vom 25. Juni sowie vom 8., 9. und 22. Juli 2014 ein, dass der Beschwerdeführer „offensichtlich in dieser Zeit auch gesundheitlich so schlecht beieinander“ gewesen sei, dass „es nicht einmal seinem Verteidiger geglückt ist, mit ihm in Kontakt zu treten“, und er demnach nicht „ordnungsgemäß geladen“ worden sei. Mit diesem Vorbringen wird keine Bestimmung bezeichnet, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet, und solcherart der herangezogene Nichtigkeitsgrund nicht prozess-ordnungskonform zur Darstellung gebracht.

Hinzugefügt sei, dass das Gesetz die Verletzung der Bestimmungen über die Vorbereitungsfrist (§ 221 Abs 2 erster Satz StPO) nur in Bezug auf den ersten Verhandlungstermin mit Nichtigkeit, bedroht (RIS‑Justiz RS0098370; Danek , WK‑StPO § 221 Rz 9). Ein solcher prozessualer Fehler wird hier (aktenkonform) nicht behauptet.

Entgegen der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf Einholung weiterer Gutachten zur Frage der Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers (ON 690 S 3) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 690 S 4):

Am 28. Mai 2014 erstattete der Sachverständige Ass. Prof. Dr. Ernst Griebnitz über Auftrag des Erstgerichts nach entsprechender Befundaufnahme ein Gutachten, wonach der Beschwerdeführer sehr wohl verhandlungsfähig war (ON 549). Hievon ausgehend hätte der Antrag entweder Befund‑ oder Gutachtensmängel im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO oder Indizien für eine zwischen dem Zeitpunkt der Befundaufnahme (22. Mai 2014 [ON 549 S 7]) und jenem der Antragstellung (23. Juli 2014 [ON 690 S 1]) eingetretene relevante Verschlechterung des Gesundheitszustands des Beschwerdeführers (vgl RIS‑Justiz RS0118444) aufzeigen müssen. Beides ist nicht erfolgt.

Das den Antrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.

Die Mängelrüge (Z 5) erachtet das Urteil als undeutlich (Z 5 erster Fall), weil aus verwendeten Kurzbezeichnungen nicht hervorgehe, ob es sich bei den dadurch individualisierten Mengen um Tabak‑Feinschnitt handle. Ersichtlich wird damit das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO [US 3 f]) angesprochen. Da die Beschwerde dabei die ‑ äußerst eingehenden (US 25 bis 30) ‑ in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) getroffenen Feststellungen gänzlich übergeht, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0117995 und RS0119370).

Entsprechendes gilt für den Einwand der Urteilsunvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), weil die Rüge insoweit nicht erkennen lässt, welche Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) übergangen worden seien (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS‑Justiz RS0118316).

Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (Art 6 Abs 2 MRK, § 14 StPO) wird ebenfalls kein Begründungsmangel geltend gemacht (RIS‑Justiz RS0102162).

Die Ausführungen zum Verfahrensgrundsatz der Unmittelbarkeit lassen keinen Konnex zu den Anfechtungskriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) aus „UFS‑Erkenntnissen hinsichtlich des Erst‑ und Zweitangeklagten“ argumentiert, ohne die Fundstellen in den ‑ 20 Bände umfassenden und damit äußerst umfangreichen ‑ Akten zu bezeichnen, entzieht sie sich zur Gänze einer inhaltlichen Erwiderung (13 Os 83/08t, SSt 2008/61; RIS‑Justiz RS0124172).

Die Behauptung der Sanktionsrüge (Z 11), der Ausspruch einer Wertersatzstrafe (§ 19 FinStrG) verstoße mit Blick auf die Verpflichtung, die hinterzogenen Abgaben zu entrichten, gegen das Verbot der „Doppelbestrafung“, ist unverständlich.

Das Erstgericht hat die in der unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer gelegene Grundrechtsverletzung anerkannt und durch die Reduktion (§ 23 Abs 2 letzter Satz FinStrG iVm § 34 Abs 2 StGB) der Freiheitsstrafe um ein Jahr ausgeglichen (US 236).

Hievon ausgehend wird mit dem Einwand, die Strafreduktion sei zu gering, bloß ein Berufungsvorbringen erstattet.

Die Erklärung, dieses Vorbringen „auch als Nichtigkeitkeitsgrund gemäß § 281 (1) Z 9 b StPO geltend“ zu machen, ist nicht nachvollziehbar, weil damit das Vorhandensein von Umständen, durch welche die Strafbarkeit der Tat aufgehoben oder die Verfolgung wegen der Tat ausgeschlossen ist, nicht behauptet wird.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Günther Z *****:

Indem die Verfahrensrüge (Z 4) den Antrag auf Vernehmung des Andreas K***** als Zeugen (ON 661 S 31 f) releviert, fehlt ihr die Beschwer, weil das Erstgericht diesem Beweisantrag ohnedies nachgekommen ist (ON 661 S 34).

Hätte der Beschwerdeführer die Befragung dieses Zeugen durch das Erstgericht als unzureichend erachtet, wäre es an ihm gelegen, von seinem Fragerecht (§ 249 Abs 1 StPO) Gebrauch zu machen. Gegen allfällige Beschränkungen dieses Rechts durch die Vorsitzende wäre sodann ein (hier nicht gestellter) Antrag an den erkennenden Senat offengestanden, dessen Abweisung zur Urteilsanfechtung aus Z 4 berechtigt hätte ( Kirchbacher , WK‑StPO § 249 Rz 41).

Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also ‑ soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden von der Beschwerde nicht angesprochen) ‑ über schuld‑ oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS‑Justiz RS0106268). Hievon ausgehend nennt das Gesetz fünf Kategorien von Begründungsfehlern, die Nichtigkeit aus Z 5 nach sich ziehen:

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn ‑ nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht ‑ nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0117995 [insbesondere T3 und T4]).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS‑Justiz RS0118316).

Widersprüchlich sind zwei Urteilsaussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können (13 Os 113/14p). Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen (15 Os 51/04, SSt 2004/43; RIS‑Justiz RS0119089).

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (14 Os 72/02, SSt 64/39; RIS‑Justiz RS0116732 und RS0118317).

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, SSt 63/112; RIS‑Justiz RS0099431).

Wo das Gesetz auf einen Vergleich der angefochtenen Entscheidung mit Verfahrensergebnissen abstellt (Z 5 zweiter Fall und Z 5 fünfter Fall), ist überdies der entsprechende Aktenbezug herzustellen, was bei ‑ wie hier ‑ umfangreichem Aktenmaterial die genaue Angabe der jeweiligen Fundstelle erfordert (RIS‑Justiz RS0124172).

Diese Anfechtungskriterien verfehlt die Beschwerde zur Gänze, indem sie der Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts (§ 258 Abs 2 StPO) eigene, aus aktenfremden Prämissen und spekulativen Überlegungen entwickelte Beweiswerterwägungen entgegenstellt.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) lässt nicht erkennen, welcher „Strafaufhebungs‑ bzw. Strafausschließungsgrund“ durch die ‑ im Übrigen bei der Strafbemessung ohnedies berücksichtigte (US 239) ‑ lange Verfahrensdauer hergestellt sein soll, und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung.

Wie bereits dargelegt, hat das Erstgericht die in der unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer gelegene Grundrechtsverletzung anerkannt und durch eine Reduktion (§ 23 Abs 2 letzter Satz FinStrG iVm § 34 Abs 2 StGB) der Geldstrafe ausgeglichen (US 239).

Hievon ausgehend wird mit dem Einwand der Sanktionsrüge (Z 11), die vorgenommene Reduktion sei zu gering, bloß ein Berufungsvorbringen erstattet.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Franz F *****:

Die Sanktionsrüge (Z 11) strebt eine Reduktion des strafbestimmenden Wertbetrags (§ 38 Abs 1 FinStrG) auf rund 16.000.000 Euro sowie der Bemessungsgrundlage (§ 44 Abs 2 FinStrG) auf etwa 29.000.000 Euro an und wendet sich mit diesem Ziel gegen die diesbezügliche Urteilsbegründung.

Der Sache nach spricht sie somit für die Strafbefugnis entscheidende Tatsachen an (Z 11 erster Fall), womit nach ständiger Judikatur die Relevierung von Begründungsmängeln aus dem genannten Nichtigkeitsgrund in Verbindung mit jenem der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO zulässig ist (RIS‑Justiz RS0118581 und RS0124509, Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 21).

Mit eigenständigen Spekulationen darüber, an wie vielen Tabaklieferungen der Beschwerdeführer beteiligt gewesen sei, und der Berufung auf den (in § 14 StPO normierten, durch Art 6 Abs 2 MRK verfassungsrechtlich garantierten) Zweifelsgrundsatz (hiezu RIS‑Justiz RS0102162) wird die Beschwerde diesen Anfechtungskriterien nicht gerecht.

Die in der unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer gelegene Grundrechtsverletzung hat das Erstgericht anerkannt und durch eine Reduktion (§ 23 Abs 2 letzter Satz FinStrG iVm § 34 Abs 2 StGB) der Geldstrafe ausgeglichen (US 242).

Hievon ausgehend wird mit den Einwänden, die Reduktion der Geldstrafe sei zu gering und es hätte auch die neben der Geldstrafe verhängte Freiheitsstrafe herabgesetzt werden müssen, bloß ein Berufungsvorbringen erstattet.

Gleiches gilt für die Behauptung, die Ersatzfreiheitsstrafe sei zu hoch bemessen.

Zur ‑ verfehlt als „Berufung über die Nichtigkeit“ bezeichneten ‑ Nichtigkeitsbeschwerde des Wolfgang H *****:

Die Verfahrensrüge (Z 2) lässt nicht erkennen, warum „Tagebuchseintragungen“ der „Ex‑Lebensgefährtin“ des Beschwerdeführers Protokolle oder andere amtliche Schriftstücke über eine nichtige Erkundigung oder Beweisaufnahme im Ermittlungsverfahren sein sollen, und entzieht sich solcherart einer meritorischen Erledigung.

Entsprechendes gilt für die weitere Verfahrensrüge (Z 4), die einerseits auf das Vorbringen zu Z 2 verweist und andererseits den Antrag stellt, Hannes Sc***** als Zeugen zu vernehmen. Der herangezogene Nichtigkeitsgrund greift nämlich nur dann, wenn während der Hauptverhandlung über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden ist oder wenn durch einen gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefassten Beschluss Gesetze oder bestimmte Verfahrensgrundsätze hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind.

Die Mängelrüge (Z 5) lässt nicht erkennen, welche konkreten Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) das Erstgericht unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) übergangen haben soll, und ist demnach einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) erschöpft sich in der Bestreitung des von den Tatrichtern festgestellten Sachverhalts und verfehlt somit den gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß § 285d Abs 1 StPO ‑ ebenso wie die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung des Angeklagten Wolfgang H***** wegen des Ausspruchs über die Schuld ‑ schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen gegen die Strafaussprüche kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Mit Blick auf das Berufungsverfahren wird festgehalten, dass das Erstgericht beim Angeklagten Adi D***** hinsichtlich des Schuldspruchs II zutreffend von Beitragstäterschaft (§ 11 dritter Fall FinStrG) ausging (US 215 f). Der Umstand, dass § 11 dritter Fall FinStrG im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) insoweit nicht zitiert worden ist (US 13), schadet nicht, weil die Beteiligungsform mit Blick auf das ‑ auch § 11 FinStrG zugrunde liegende ( Lässig in WK² FinStrG § 11 Rz 8) ‑ System der funktionalen Einheitstäterschaft (hiezu Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 5 bis 17) die Subsumtion nicht tangiert (12 Os 25/03, RZ 2003, 234; RIS‑Justiz RS0117604, jüngst 13 Os 21/14h).

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