OGH 15Os161/99

OGH15Os161/9916.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mezera als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Norbert S***** wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. Juli 1999, GZ 5c Vr 3985/99-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Norbert S***** des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (I) sowie der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall (II 1) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, (richtig) 84 Abs 2 Z 4 StGB (II 2)schuldig erkannt.

Danach hat er am 3. Mai 1999 in Wien

I) Johann K***** eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen

versucht, indem er mit einem 31 cm langen Messer in Richtung dessen Kopfes bzw. Halses stach, wobei er ihm eine Stichverletzung im linken Unterkieferbereich mit Durchstich der Wange und eine Schnittwunde an der linken Hand zufügte;

II) dadurch, dass er mit einem Messer auf den Sicherheitswachebeamten Christian W***** einstach und mit den Händen um sich schlug,

1) mit Gewalt versucht, Beamte an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme, zu hindern, sowie

2) Beamte während der Vollziehung ihrer Aufgaben vorsätzlich am Körper verletzt, wobei er Christian W***** eine Stichverletzung am rechten Oberarm und Friewald K***** eine Abschürfung am rechten Ellbogen zufügte.

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 1, 3, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.

Soweit die Beschwerde eine nicht gehörige Besetzung des Gerichtshofs (Z 1) rügt, weil im Hauptverhandlungsprotokoll keine Beeidigung der als Schriftführerin beigezogenen Vertragsbediensteten vermerkt sei, vernachlässigt sie zweierlei:

Rechtliche Beurteilung

Nicht gehörig besetzt ist der Gerichtshof nur dann, wenn seinen Mitgliedern die für das Richteramt vorgeschriebene Qualifikation abgeht, wenn sie nicht in der gesetzlich bestimmten Zahl oder Zusammensetzung an der Hauptverhandlung teilnehmen oder wenn die Beiziehung eines Protokollführers unterblieben ist (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 1 E 1, Foregger/Kodek StPO7 § 281 Anm V); die Unterlassung einer Beeidigung hingegen steht einer gehörigen Besetzung des Gerichtshofs nicht entgegen, sondern könnte nur in Bezug auf die an der Entscheidungsfindung mitwirkenden Laienrichter (§§ 240a, 305 StPO) den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 3 StPO begründen. Eine Nichtbeeidigung des Schriftführers (§ 23 StPO) stellt keinen Nichtigkeitsgrund dar. Dass die Schriftführerin im konkreten Fall ohnedies beeidet war, ergibt sich im Übrigen aus § 5 Abs 3 VBG, ohne dass es eines Vermerks darüber im Protokoll bedurfte.

Der unter Heranziehung der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO aufgestellten Behauptung, die Zeugin Maria O***** sei als Lebensgefährtin des Angeklagten nicht über ihr Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO belehrt worden, steht entgegen, dass - nach der Aktenlage (S 213 ff) - zum maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung eine frühere Lebensgemeinschaft jedenfalls bereits aufgehoben war, zumal sich der Angeklagte bereits rund 2 1/2 Monate in Untersuchungshaft befand und die Zeugin keine Fortsetzung der Beziehung beabsichtigte (vgl Jerabek in WK2 Rz 17 f, Leukauf-Steininger Komm3 RN 156, beides zu § 72).

Die Mängelrüge (Z 5) bekämpft mit der auf aktenfremdes Vorbringen zur Person des Zeugen K***** und die pauschale Behauptung nicht näher konkretisierter Widersprüche der vernommenen Zeugen gestützten Forderung, das Schöffengericht hätte der Verantwortung des Angeklagten glauben sollen, ausschließlich die - ausführliche und sorgfältige - Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der - denkmöglich begründeten (US 11) - erstgerichtlichen Annahmen zur subjektiven Tatseite zu I) des Schuldspruchs zu erzeugen, zumal sie übersieht, dass nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu Tatsachenfeststellungen berechtigen (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 148 f).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil sie nicht von den Urteilsannahmen erster Instanz ausgeht, sondern mit der Behauptung von - eine Beurteilung in Richtung Putativnotwehr hindernden - Feststellungsmängeln zu I) des Schuldspruchs lediglich trachtet, der - vom Erstgericht jedoch ausdrücklich als unglaubwürdig verworfenen (US 10 f) - Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

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