OGH 2Ob125/15v

OGH2Ob125/15v6.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj F***** B*****, gesetzlich vertreten durch seine Mutter J***** B*****, diese wiederum vertreten durch Mag. Ulrich Salburg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** Z*****, vertreten durch Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 100.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 17. April 2014, GZ 2 R 54/14w‑15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 6. Februar 2014, GZ 9 Cg 119/13w‑11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt :

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00125.15V.0806.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.133,54 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 355,59 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Vater des Klägers hatte dem Beklagten - seinem Neffen - mit einem in Notariatsaktform errichteten Übergabevertrag vom 24. November 2004 unter anderem eine Liegenschaft mit einem Wohnhaus geschenkt. Nach dem Tod des Vaters im März 2012 begehrt der Kläger die Berücksichtigung dieser Liegenschaft bei der Bemessung seines Pflichtteils (§ 785 Abs 1 ABGB), was wegen unzureichenden Nachlasses zu einem Anspruch gegen den Beklagten führe (§ 951 ABGB). Strittig ist, ob der Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB die Berücksichtigung der Schenkung ausschließt.

Im Übergabevertrag hatte der Beklagte dem Übergeber „auf dessen Lebensdauer“ ein „unentgeltliches Wohnungsrecht im Sinne eines Wohnungsgebrauchsrechtes gemäß § 521 ABGB“ am „gesamten“ Wohnhaus eingeräumt. Damit „verbunden“ war nach dem Vertrag das „Recht des Übergebers“ auf „Mitbenützung“ der Garage, des Gartens, des Dachbodens und des Kellers. Sämtliche Betriebskosten der Liegenschaft waren vom Übergeber zu tragen; er war auch verpflichtet, die Liegenschaft auf seine Kosten „in gut bewohnbarem und tadellosen Zustand“ zu erhalten. Der Beklagte verpflichtete sich, die Liegenschaft ohne Zustimmung des Übergebers nicht zu belasten und zu veräußern. Zur faktischen Sicherstellung dieser (nach § 364c ABGB nicht verbücherungsfähigen) Verpflichtung räumte der Beklagte dem Übergeber ein dingliches Vorkaufsrecht ein.

Nach dem Tod des Übergebers wurde die gesamte Verlassenschaft aufgrund des Gesetzes dem Kläger eingeantwortet. Ihr Wert betrug (ohne Berücksichtigung der geschenkten Liegenschaft) 5.659,38 EUR.

Der Kläger begehrt vom Beklagten 100.000 EUR sA. Die geschenkte Liegenschaft sei nach § 785 Abs 1 ABGB bei der Bemessung des Pflichtteils zu berücksichtigen. Sie habe einen Wert von 488.000 EUR. Unter Einbeziehung des Reinnachlasses von 5.659,38 EUR betrage der erhöhte Pflichtteilanspruch des Klägers daher 246.829,99 EUR. Unter Berücksichtigung des ihm zugekommenen Nachlasses ergebe sich daher eine Verkürzung des Pflichtteils um 241.170,61 EUR. Da die Verlassenschaft nicht ausreiche, habe der Beklagte diesen Betrag nach § 951 Abs 1 ABGB zu ersetzen, dies bei Exekution in die geschenkte Sache. Vorsichtshalber begehre der Kläger zunächst nur 100.000 EUR. § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB sei nicht anwendbar, weil sich der Erblasser auf Lebenszeit eine eigentümerähnliche Stellung vorbehalten und damit bis zu seinem Tod kein tatsächliches „Vermögensopfer“ erbracht habe. Umgekehrt habe der Beklagte bis zum Tod des Erblassers keine Verfügungsmöglichkeit und damit keinen Nutzen aus der Schenkung gehabt. Die Schenkung sei daher in Wahrheit erst mit dem Tod des Übergebers erfolgt.

Der Beklagte wendet ein, die Frist des § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB habe mit Vertragsschluss zu laufen begonnen. Sollte es tatsächlich auf das „Vermögensopfer“ ankommen, sei ebenfalls dieser Zeitpunkt maßgebend, weil der Übergeber seither nicht mehr „rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer“ der Liegenschaft gewesen sei. Faktisch habe er ohnehin nur die Wohnung im ersten Stock benützt, während jene im Erdgeschoß zunächst leer gestanden sei und der Übergeber sie in weiterer Folge dem Beklagten zur alleinigen Nutzung überlassen habe. Der Erblasser habe auch den Keller nicht benützt.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Nach der bisherigen Rechtsprechung und einem Teil der Lehre sei eine Schenkung im Sinne des § 785 Abs 3 ABGB „gemacht“, sobald ein formgerechter Schenkungsvertrag geschlossen worden sei. Das gelte auch dann, wenn sich der Geschenkgeber Gebrauchsrechte vorbehalten habe. Daran sei aus Gründen der Rechtssicherheit festzuhalten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur „Vermögensopfertheorie“ bei der Schenkung von Liegenschaften fehle.

Der Erblasser habe die Liegenschaft ohne Widerrufsvorbehalt übergeben. Er habe dadurch - anders als der Stifter im zu 10 Ob 45/07a entschiedenen Fall - endgültig die Möglichkeit verloren, sie durch Belehnung oder Veräußerung zu Geld zu machen, sie jemandem letztwillig zuzuwenden oder sie (etwa durch einen Umbau des Hauses) nachhaltig zu verändern. Diese Dispositionseinschränkungen gingen weit genug, um die Schenkung im Sinne des § 785 Abs 3 ABGB als „gemacht“ anzusehen und darin ein ausreichendes „Vermögensopfer“ zu erblicken. Auf subjektive Elemente komme es nicht an. Sie würden die praktische Anwendung des § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB mit erheblichen Unwägbarkeiten und (Prozess-)Risiken belasten.

Mit seiner Revision strebt der Kläger eine stattgebende Entscheidung an, hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Die Frist des § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB habe erst mit dem tatsächlichen „Vermögensopfer“ zu laufen begonnen. Dieses habe der Erblasser zu seinen Lebzeiten wegen des Wohnungsgebrauchsrechts und des Belastungs- und Veräußerungsverbots nicht erbracht.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Die Schenkung sei mit Abschluss des formgültigen Vertrags iSd § 785 Abs 3 ABGB „gemacht“ worden; damit habe die Zwei-Jahres-Frist zu laufen begonnen. Das „Vermögensopfer“ habe der Erblasser mit der Übertragung des „Substanzwerts“ erbracht.

Rechtliche Beurteilung

Die bereits im Mai 2014 beim Erstgericht eingebrachte, dem Obersten Gerichtshof aber erst im Juni 2015 vorgelegte Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen noch nicht auf die inzwischen ergangene Entscheidung 2 Ob 39/14w Bedacht nehmen konnten und die Rechtslage einer weiteren Klarstellung bedarf. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Der Senat hat in der Entscheidung 2 Ob 39/14w (NZ 2015, 20 [ Battlogg ] = EF‑Z 2015, 38 [ A. Tschugguel ] = iFamZ 2015,39 [ Mondel ] = ecolex 2015, 273 [ Schoditsch ]) die zunächst in stiftungsrechtlichem Zusammenhang (10 Ob 45/07a, SZ 2007/92 = EF‑Z 2007, 187 [ Zollner ] = ecolex 2007, 674 [ Limberg ] = GesRZ 2007, 437 [ Arnold ]) herangezogene Vermögensopfertheorie auch auf die Schenkung von Liegenschaften angewendet. Werde dem Geschenknehmer sowohl die Nutzungs- als auch die Verfügungsmöglichkeit bis zum Tod des Geschenkgebers vorenthalten, so sei die Schenkung trotz des Vertragsschlusses noch nicht iSd § 785 Abs 3 ABGB „gemacht“.

Damit ging der Senat in einem entscheidenden Punkt über 10 Ob 45/07a hinaus: Während dort darauf abgestellt worden war, dass sich der Stifter ein umfassendes Änderungs- und Widerrufsrecht vorbehalten hatte, genügten hier bereits das fortbestehende (umfassende) Nutzungsrecht und das Belastungs- und Veräußerungsverbot, um das Vorliegen eines (relevanten) „Vermögensopfers“ zu verneinen; der unwiderrufliche Charakter der Schenkung schadete nicht.

2. Die Entscheidung 2 Ob 39/14w wurde in der Literatur zwiespältig aufgenommen. Während Battlogg (NZ 2015, 24 [am Verfahren beteiligt]) und Schoditsch (ecolex 2015, 273) zustimmten und Welser (in Rummel/Lukas 4 § 785 Rz 8) sie kommentarlos wiedergab, äußerten sich Mondel (iFamZ 2015, 40) und vor allem A.   Tschugguel (EF‑Z 2015, 40) kritisch. Beide beanstandeten die ihrer Ansicht nach unzureichende Begründung, weshalb das „Vermögensopfer“ nicht schon in der „unwiderruflichen Aufgabe des Eigentums“ liege. A. Tschugguel lehnte dieses Ergebnis auch in der Sache ab: Der mit der (formgültigen) Schenkung verbundene „Substanzverlust“ habe eine „ausreichend umgehungshemmende Wirkung“. Zudem führe die Entscheidung zu Rechtsunsicherheit: Es sei unklar, ob ein bloßes Fruchtgenuss- oder auch ein Wohnrecht genüge oder ob eine Kombination mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot erforderlich sei; weiters stelle sich die Frage, ob es wegen der Bezugnahme des Senats auf die „[nicht] wahrnehmbare Änderung der Lebensumstände“ des Geschenkgebers auch auf dessen „subjektive Bedürfnislage“ ankomme.

3. Trotz dieser Kritik ist an der Entscheidung 2 Ob 39/14w im Kern festzuhalten.

3.1. Ausgangspunkt der Erwägungen ist der Zweck der Zweijahresfrist in § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB. Er liegt nach den Gesetzesmaterialien darin, dass bei innerhalb dieser Frist gemachten Schenkungen typischerweise der Verdacht einer bewussten Verkürzung von Pflichtteilsberechtigten besteht, bei länger zurückliegenden hingegen nicht; die „kritische Zeit für Umgehungen des Noterbenrechts“ sei „hauptsächlich nur die letzte Zeit vor dem Tode des Erblassers“ (78 BlgHH 21. Sess 238 [= Herrenhausbericht 116]). Diese typisierende Betrachtung setzt aber, worauf vor allem Kralik (Erbrecht [1983] 304) und Umlauft (Die Anrechnung von Schenkungen und Vorempfängen im Erb- und Pflichtteilsrecht [2001] 211) hinweisen, voraus, dass der Geschenkgeber tatsächlich ein „Vermögensopfer“ erbringt. Denn nur wenn er schon den Nachteil der Veräußerung zu tragen hat, ist die Vermutung fehlender Verkürzungsabsicht gerechtfertigt; tritt dieser Nachteil aber erst mit seinem Tod (oder - nach der Wertung des Gesetzes - innerhalb von zwei Jahren davor) ein, liegt nahe, dass es ihm bei der Verfügung in erster Linie um eine „Umgehung des Noterbenrechts“ ging.

Aus diesem Regelungszweck - der Bedachtnahme auf eine typischerweise vorliegende Verkürzungsabsicht des Geschenkgebers - ist abzuleiten, das es für das Vorliegen eines (relevanten) „Vermögensopfers“ ausschließlich auf die Änderung in der Rechtsstellung des Geschenkgebers ankommt. Wie sich dieses „Vermögensopfer“ beim Geschenknehmer auswirkt, ist demgegenüber unerheblich.

3.2. Auf dieser Grundlage ist ein „Vermögensopfer“ jedenfalls dann zu verneinen, wenn der Geschenkgeber die Veräußerung durch einseitige Rechtshandlung rückgängig machen kann. In diesem Fall hat er nämlich schon die Substanz der Sache nicht endgültig aufgegeben; auf die Frage zurückbehaltener Nutzungen kommt es nicht an. Dieser Fall war bereits von der (die Errichtung einer Privatstiftung betreffenden) Entscheidung 10 Ob 45/07a erfasst; er ist auch in der Literatur - soweit die Vermögensopfertheorie nicht grundsätzlich abgelehnt wird - unbestritten (vgl etwa Schauer , Schutz der Pflichtteilsberechtigten gegenüber der Privatstiftung, JEV 2007, 90 mwN in FN 6 und 7; Kletečka , Pflichtteilsrechtliche Behandlung der Errichtung einer Privatstiftung, EF-Z 2012, 4 [8 ff]; ebenso auch A.   Tschugguel aaO).

3.3. Der Annahme eines relevanten „Vermögensopfers“ steht aber auch ein Zurückbehalten aller Nutzungen entgegen.

(a) Zwar trifft zu, dass der Geschenkgeber nach Abschluss eines (formgültigen und unwiderruflichen) Schenkungsvertrags nicht mehr anderweitig über die geschenkte Sache verfügen darf . Schon darin liegt ein „Substanzverlust“ im Sinn der Ausführungen A.   Tschugguels , der einen Teil des mit jeder Schenkung unter Lebenden verbundenen „Vermögensopfers“ ausmacht. Gegen die Annahme, dass bereits dieser Umstand für das Vorliegen eines für die Anwendung eines nach § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB relevanten „Vermögensopfers“ ausreicht, spricht allerdings der sonst bestehende Wertungswiderspruch zu Schenkungen auf den Todesfall, was zu 2 Ob 39/14w noch ausdrücklich offen gelassen worden war (P IV, letzter Absatz).

Auch bei einer Schenkung auf den Todesfall verliert der Geschenkgeber nämlich die Befugnis, über die geschenkte Sache (neuerlich) zu verfügen; verletzt er diese Pflicht, ist der Nachlass Schadenersatzansprüchen ausgesetzt (7 Ob 589/84, NZ 1985, 69; 5 Ob 547/85; Bollenberger in KBB4 § 956 Rz 5; Parapatits in Schwimann/Kodek 4 § 956 Rz 20; beide mwN). Ungeachtet dessen ist aber ganz unbestritten, dass die auf den Todesfall geschenkte Sache unabhängig vom Zeitpunkt der Schenkung bei der Bemessung des Pflichtteils zu berücksichtigen ist (RIS-Justiz RS0012970; vgl auch RS0103393). Dabei ist im gegebenen Zusammenhang unerheblich, ob diese Berücksichtigung (erst) bei der Bestimmung des Schenkungspflichtteils, also nach § 785 Abs 1 ABGB erfolgt (so die ältere Rsp, 1 Ob 198/71, SZ 44/137; RIS-Justiz RS0012916, RS0012966; zuletzt offenbar 1 Ob 652/92) oder - wegen des vom Obersten Gerichtshof angenommenen Legatscharakters solcher Schenkungen - schon bei der Ermittlung des Nachlasspflichtteils (1 Ob 726/85, SZ 59/9; 7 Ob 2373/96p, SZ 70/107; 4 Ob 2029/96b, SZ 69/108; RIS-Justiz RS0012970, RS0007843, RS0107683). Denn die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB ist nach keiner dieser Varianten anzuwenden (vgl zu deren Unterschieden zuletzt ausführlich Parapatits in Schwimann/Kodek 4 § 956 Rz 20 ff mwN).

Mit dieser Rechtslage bei Schenkungen auf den Todesfall wäre es aber nicht vereinbar, wenn (allein) der (formgültige und unwiderrufliche) Abschluss eines Schenkungsvertrags unter Lebenden zur Anwendung der Zweijahresfrist führte. Denn aus Sicht des Geschenkgebers führt auch dieser Vertrag (zunächst) nur dazu, dass er nicht mehr über die geschenkte Sache verfügen darf. Weshalb allein deswegen die Schenkung als „gemacht“ angesehen werden sollte, ist angesichts der abweichenden - und in der Sache unbestrittenen - Behandlung der Schenkung auf den Todesfall nicht zu erkennen.

(b) Damit ist in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob der bei einer Schenkung unter Lebenden sofort mögliche oder auch tatsächlich erfolgte Verlust des Eigentumsrechtseinen tragfähigen Unterschied zur Schenkung auf den Todesfall begründet. Das trifft bei wertender Betrachtung nicht zu: Denn für den redlichen Geschenkgeber macht es keinen Unterschied, ob er nach Abschluss eines Schenkungsvertrags nicht mehr über die Sache verfügen darf (Schenkung auf den Todesfall) oder ob er nach dessen sachenrechtlicher Durchführung (bei Liegenschaften also nach der Verbücherung) auch nicht mehr darüber verfügen kann (Schenkung unter Lebenden). Denn von diesem rechtlichen Können durfte er ohnehin keinen Gebrauch machen. Der auch sachenrechtliche „Substanzverlust“ führt daher für den redlichen Geschenkgeber zu keiner weitergehenden Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung gegenüber dem bloß „schuldrechtlichen Substanzverlust“ durch Abschluss des Schenkungsvertrags, der seinerseits in gleicher Weise bei einer Schenkung auf den Todesfall eintritt.

(c) Kriterium für das Vorliegen eines relevanten „Vermögensopfers“ kann daher tatsächlich ‑ neben der Unwiderruflichkeit der Schenkung - nur die Aufgabe der Nutzungsmöglichkeit sein. Hier ist aber aus Gründen der Rechtssicherheit eine typisierende Betrachtung erforderlich: Das „Vermögensopfer“ kann bei Schenkung einer Liegenschaft nur dann verneint werden, wenn sich der Geschenkgeber tatsächlich sämtliche Nutzungen durch Begründung eines beschränkten dinglichen Rechts zurückbehält. Dies trifft im Regelfall nur bei einer Fruchtnießung iSv § 509 ABGB zu. Denn dann ist die Rechtsstellung des Geschenkgebers tatsächlich nicht anders als bei der (typischen) Schenkung auf den Todesfall: Er hat die Verfügungsbefugnis über die Substanz verloren, die Nutzungen aber umfassend und aufgrund eines absoluten Rechts - bei der Schenkung auf den Todesfall aufgrund des fortbestehenden Eigentums, hier aufgrund eines beschränkten dinglichen Rechts - behalten. Eine unterschiedliche Behandlung verbietet sich daher auch hier.

(d) Anders verhält es sich hingegen dann, wenn der Geschenkgeber bei der Veräußerung zwar nicht alle, aber doch bestimmte Nutzungsmöglichkeiten aufgibt. Das trifft etwa zu, wenn er die geschenkte Sache zwar weiter selbst gebrauchen darf, allfällige Erträge aber nicht ihm, sondern dem Geschenknehmer zustehen. In diesem Fall liegt ein über den Substanzverlust hinausgehendes „Vermögensopfer“ vor, das die unter Lebenden gemachte Schenkung eindeutig von einer Schenkung auf den Todesfall unterscheidet. Ein bloßes Gebrauchsrecht steht der Annahme eines „Vermögensopfers“ daher nicht entgegen.

3.4. Demgegenüber ist unerheblich, ob sich der Geschenkgeber auch ein (obligatorisches oder dinglich wirkendes) Belastungs- und Veräußerungsverbot einräumen lässt oder nicht. Denn seine Rechtsstellung wird durch die Möglichkeit oder Unmöglichkeit solcher Verfügungen des Geschenknehmers nicht beeinträchtigt: Sein dingliches Nutzungsrecht ginge ihnen aufgrund des bücherlichen Rangprinzips jedenfalls vor. Für die Beurteilung der Frage, ob ein relevantes „Vermögensopfer“ vorliegt, kommt es aber nach dem Zweck der Norm (oben 3.1.) nicht auf die (in diesem Fall weiter eingeschränkte) Rechtsstellung des Geschenknehmers an, sondern ausschließlich auf jene des Geschenkgebers. Irrelevant ist weiters, ob der Geschenkgeber sein zurückbehaltenes Nutzungsrecht auch tatsächlich ausgeübt hat. Entscheidend für das Vorliegen eines „Vermögensopfers“ ist ausschließlich die durch die Veräußerung in relevanter Weise beeinträchtigte Rechtsstellung des Geschenkgebers, nicht sein tatsächliches Verhalten.

4. Im Ergebnis ist § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB bei Schenkung einer Liegenschaft daher nicht anwendbar, wenn die Schenkung unter Widerrufsvorbehalt erfolgt oder sich der Geschenkgeber alle Nutzungen der geschenkten Sache in Form eines dinglichen Fruchtgenussrechts zurückbehält. In einem solchen Fall tritt das (für den Fristbeginn maßgebende) „Vermögensopfer“ erst mit dem Tod oder einem wirksamen Verzicht des Geschenkgebers auf diese Rechte ein. Unerheblich sind demgegenüber die Vereinbarung eines Belastungs- und „Veräußerungsverbots“ und die tatsächliche Ausübung oder Nichtausübung eines Widerrufs- oder Nutzungsrechts.

5. Im vorliegenden Fall erfolgte die Schenkung ohne Widerrufsvorbehalt, und der Geschenkgeber ließ sich nur ein Wohnungsgebrauchsrecht, nicht aber ein umfassendes Fruchtgenussrecht einräumen. Damit hat er bereits mit dem Vertragsabschluss ein relevantes Vermögensopfer erbracht. Die Schenkung ist daher nach § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB bei der Berechnung des Pflichtteils nicht in Anschlag zu bringen. Damit ist der Kläger nicht in seinem Pflichtteil verkürzt. Seine Revision muss daher scheitern.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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