OGH 2Ob39/14w

OGH2Ob39/14w11.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ilse L*****, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, gegen die beklagte Partei Manuela Andrea D*****, vertreten durch Dr. Rolf Philipp, Dr. Frank Philipp, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen 47.811,69 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. November 2013, GZ 1 R 152/13g‑44, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 19. Juni 2013, GZ 56 Cg 38/12m‑40, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00039.14W.0911.000

 

Spruch:

 

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 7.482,78 EUR (darin enthalten 793,13 EUR USt und 2.724 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin, Elke B***** und Günter A***** sind die ehelichen Kinder des am 31. 11. 1995 verstorbenen Eduard A***** und der am 29. 9. 2011 verstorbenen Herta A*****.

Die Beklagte ist die Enkelin von Herta A***** und Tochter der Elke B*****.

Die Eltern der Klägerin waren zu Lebzeiten dahingehend übereingekommen, dass der Sohn einmal die Textilfabrik des Vaters und die Töchter das Liegenschaftsvermögen der Mutter bekommen sollten. Herta A***** war nämlich Alleineigentümerin zweier Liegenschaften. Die Liegenschaft in L*****, auf welcher ein Wohnhaus errichtet ist, bewohnte sie bis zu ihrem Tod.

Am 25. 6. 1997 überwies Herta A***** zur Abgeltung der Ansprüche aus der Verlassenschaft des Vaters je 350.000 ATS an die Klägerin und deren Schwester. Da sie den Grund dieser Auszahlung nicht einsah, beschloss sie ihren Töchtern das ihnen zugedachte Vermögen nicht zukommen zu lassen. Mit Vertrag vom 3. 7. 1997 übergab sie daher eine ihrer Liegenschaften an die Beklagte. Im Vertrag räumte die Beklagte der Übergeberin das lebenslängliche und unentgeltliche Fruchtgenussrecht an der Liegenschaft als Dienstbarkeit sowie ein Veräußerungs‑ und Belastungsverbot ein. Die Beklagte sollte insgesamt erst beim Ableben der Übergeberin in den faktischen Besitz und Genuss des Übergangsobjekts eintreten, daran aber bereits ab Vertragsabschluss „Wert und Gefahr“ tragen.

Weiters enthält der Übergabsvertrag eine Klausel, wonach sich die Übernehmerin verpflichtet, diesen Übergabsvertrag geheim zu halten. Die Verschwiegenheitsverpflichtung sollte bei Entbindung durch die Übergeberin, spätestens bei deren Ableben erlöschen.

Am 3. 3. 1998 errichtete Herta A***** ein Testament, in dem sie ihren Sohn zum Universalerben einsetzte. Die Klägerin und ihre Schwester setzte sie auf den Pflichtteil und ordnete an, dass sie sich die Leistung der je 350.000 ATS wertgesichert anrechnen lassen müssen.

Ebenfalls am 3. 3. 1998 schenkte die Erblasserin ihre weitere in ihrem Alleineigentum stehende Liegenschaft je zur Hälfte den Söhnen ihres Sohnes. Auch in diesen Verträgen behielt sie sich ein Fruchtgenussrecht und ein Belastungs‑ und Veräußerungsverbot vor. Dieser Schenkungsvertrag wurde im Jahr 1999 verbüchert.

Der Übergabsvertrag mit der Beklagten wurde im Jahr 2000 verbüchert.

Der Sohn gab im Verlassenschaftsverfahren eine bedingte Erbantrittserklärung ab. Es wurde ihm mit Beschluss vom 12. 10. 2012 der Nachlass zur Gänze eingeantwortet.

Die Klägerin begehrt 47.811,69 EUR sA bei sonstiger Exekution in die geschenkte Sache. Bei dem zwischen der Erblasserin und der Beklagten abgeschlossenen Übergabsvertrag handle es sich um eine Schenkung, von der der Klägerin ein Schenkungspflichtteil gebühre, der in der begehrten Höhe im Nachlass keine Deckung finde. Die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB beginne bei einer Fruchtgenusseinräumung erst mit dem Erlöschen des Fruchtgenussrechts. Die Schenkung an die Beklagte habe den alleinigen Zweck verfolgt, die Klägerin an ihren Erbrechten zu schädigen. Allfällige (bestrittene) Auseinandersetzungen zwischen ihr und der Erblasserin seien kein Enterbungsgrund gewesen. Den Betrag von 350.000 ATS müsse sich die Klägerin nicht anrechnen lassen, weil es sich dabei um eine Zahlung in Bezug auf ihre Erbansprüche nach dem Vater gehandelt habe. Die Beklagte könne die Anrechnung dieses Betrags auch nicht verlangen, weil sie nicht Noterbin nach der Erblasserin sei.

Die Beklagte wandte ein, dass keine Schenkung vorliege und die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB verstrichen sei. Die Zahlung von 350.000 ATS habe sich die Klägerin anrechnen zu lassen. Im Übrigen sei sie aufgrund von Beschimpfungen der Erblasserin erbunwürdig gewesen. Streitigkeiten zwischen ihr, ihrer Schwester und der Erblasserin wären im Juni 1997 eskaliert. Die Erblasserin sei bedroht worden. Deswegen habe sie sich gefürchtet und daher in den Übergabsvertrag die Verschwiegenheitsverpflichtung aufgenommen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Beim Übergabsvertrag handle es sich um eine Schenkung, weil der Wert der Liegenschaft im Verhältnis zum zurückbehaltenen Fruchtgenussrecht in einem krassen Missverhältnis stehe und die Beklagte keine Gegenleistung zu erbringen hatte. Da die Mutter der Beklagten noch am Leben sei, sei die Beklagte weder konkret noch abstrakt pflichtteilsberechtigt iSd § 785 Abs 3 ABGB. Die Berufung auf die Zweijahresfrist dieser Bestimmung erfolge hier aber rechtsmissbräuchlich, weil die Schenkung der Liegenschaft an die Beklagte nur erfolgt sei, um die Klägerin und ihre Schwester hinsichtlich ihrer Pflichtteilsansprüche zu benachteiligen, was der Beklagten auch bekannt gewesen sei. Letztlich sei auch von der „Vermögensopfertheorie“ auszugehen, wonach bei schenkungsweiser Übertragung eines Grundstücks an eine nicht pflichtteilsberechtigte Person und gleichzeitiger Begründung eines Fruchtgenussrechts zu Gunsten des Geschenkgebers das Vorliegen des Vermögensopfers und damit der Beginn der Zweijahresfrist solange zu verneinen sei, als das Fruchtgenussrecht aufrecht sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im klagsabweislichen Sinne ab. Die Erblasserin habe zwar ungefähr ein Jahr nach der Schenkung an die Beklagte eine weitere Liegenschaft an ihre Enkelsöhne geschenkt, weitere anfechtbare Schenkungen seien aber nicht von Amts wegen zu berücksichtigen. Eine entsprechende Einrede der Beklagten sei nicht erfolgt. Der sogenannten „Vermögensopfertheorie“ könne nicht gefolgt werden. Die geschenkte Liegenschaft scheide trotz des bücherlich einverleibten Fruchtgenussrechts zweifelsfrei aus dem Vermögen des Geschenkgebers aus, sodass dieser bereits in diesem Zeitpunkt das Vermögensopfer erbringe. Ab dann könne er nicht mehr auf die Substanz seines vormaligen Eigentums greifen und sich auch nicht mehr durch die Veräußerung oder Belastung derselben erforderliche Mittel verschaffen oder durch Vermietung Erträgnisse erzielen. Bei der Schenkung einer Liegenschaft an eine natürliche Person könne der Geschenkgeber trotz Einräumung eines Fruchtgenussrechts die Schenkung nicht widerrufen. Hier sei daher die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB beim Tod der Erblasserin 2011 längst abgelaufen gewesen. Die Berufung auf die Frist des § 785 Abs 3 ABGB könne nach ständiger Rechtsprechung rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Geschenknehmer im Zeitpunkt der Schenkung Noterbe gewesen sei und einen Pflichtteilsverzicht abgegeben habe, um sich damit auf die Zweijahresfrist der Bestimmung berufen zu können. Einem Geschenknehmer, der sich auf die Frist berufe, könne nicht schon alleine deshalb missbräuchliche Rechtsausübung vorgeworfen werden, weil das Motiv des Geschenkgebers für die Schenkung ein rechtsmissbräuchliches gewesen sei. Dies könne nur dann angenommen werden, wenn ihm das unlautere Motiv und der Schädigungszweck zum Zeitpunkt der Annahme der Schenkung bekannt gewesen oder zweifelsfrei erkennbar gewesen seien. Hier sei zwar die rechtsmissbräuchliche Absicht der Erblasserin nahegelegen, es dürfe aber nicht übersehen werden, dass der Schenkungsvertrag an die Beklagte aus einer unter Druck an die Töchter geleisteten Zahlung, die nach Überzeugung der Erblasserin nicht geschuldet gewesen sei, resultiert habe. Insofern könne ein unlauterer Beweggrund der Erblasserin bei der Schenkung an die Beklagte nicht angenommen werden, zumal die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt noch über weiteres Liegenschaftsvermögen verfügt habe, aus dem die Pflichtteilsansprüche der Klägerin und ihrer Schwester befriedigt hätten werden können. Außerdem könne der Beklagten nicht vorgeworfen werden, dass sie den Schädigungszweck gekannt habe oder eindeutig erkennen habe können. Die Schenkung sei für die Beklagte nach den Feststellungen völlig überraschend gekommen. Die ihr bekannten Streitigkeiten zwischen der Großmutter und der Klägerin mussten sie noch nicht davon abhalten, die Schenkung ihrer Großmutter anzunehmen. Dass damit die Pflichtteilsansprüche der Klägerin gefährdet sein könnten, habe sie im Hinblick auf das weitere Vermögen der Großmutter nicht befürchten müssen. Die Berufung auf das Verstreichen der Frist des § 785 Abs 3 ABGB sei damit nicht rechtsmissbräuchlich und das Klagebegehren daher abzuweisen.

Die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil dieser bislang zur „Vermögensopfertheorie“ außer zu Privatstiftungen noch nicht Stellung bezogen habe, insbesondere zur Frage, wann die Schenkung einer Liegenschaft unter gleichzeitiger Einräumung eines lebenslangen Fruchtgenussrechts „gemacht“ iSd § 785 Abs 3 ABGB sei. Darüber hinaus erhebe sich die Frage, ob und gegebenenfalls wann eine Schlechtgläubigkeit des Geschenknehmers vorliegen müsse, um ihm die Berufung auf die Zweijahresfrist der Bestimmung zu verwehren, wenn die Schenkung nicht unter gleichzeitigem Pflichtteilsverzicht des Geschenknehmers erfolge.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichts zulässig , sie ist auch berechtigt .

I. Revisionsvorbringen:

Die Revisionswerberin stellt sich unter umfassender Zitierung von Literatur und Rechtsprechung auf den Standpunkt, dass die sogenannte „Vermögensopfertheorie“ anzuwenden sei und die Frist des § 785 Abs 3 ABGB erst mit dem Tod der Erblasserin zu laufen begonnen habe. Zum Rechtsmissbrauch bzw zur Schädigungsabsicht führt sie ‑ ebenfalls unter umfassender Zitierung von Literatur und Judikatur ‑ aus, dass ein Abstellen auf die Pflichtteilsberechtigung im Todeszeitpunkt zu unbilligen Ergebnissen führe und Vertragsgestaltungen geradezu provoziere, die zur Pflichtteilsverkürzung anderer Noterben führten. Selbst wenn die Schlechtgläubigkeit der Beklagten im Schenkungszeitpunkt nicht vorgelegen hätte, was tatsächlich der Fall gewesen sei, sei dies rechtlich irrelevant, weil Ansprüche auf den Schenkungspflichtteil unabhängig davon bestünden, ob die beschenkte Person im Schenkungszeitpunkt die Schlechtgläubigkeit bzw die rechtsmissbräuchlichen Motive gekannt hätte. Die Erblasserin habe auch Vereinbarungen mit ihren beiden Töchtern gebrochen, in dem sie ihre Liegenschaften nicht an ihre beiden Töchter, sondern an ihre Enkelkinder übergeben habe. Es liege daher ein Vertragsbruch vor und sei das Urteil des Erstgerichts richtig.

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sieht die Revisionswerberin in abweichenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts ohne Beweiswiederholung.

II.  Die Beklagte steht dagegen in ihrer Revisionsbeantwortung auf dem Standpunkt, dass eine Schenkung „gemacht sei“, sobald die Bereicherung des Beschenkten eintrete, weil der Geschenkgeber danach ‑ unabhängig von einem allfälligem Fruchtgenussrecht ‑ nicht mehr auf die Substanz des Geschenkobjektes greifen könne. Die Berufung der Beklagten auf die zweijährige Frist des § 785 Abs 3 ABGB sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Von einem unlauteren Beweggrund der Erblasserin könne keine Rede sein, auch weil sie im Zeitpunkt der Schenkung noch über weiteres Liegenschaftsvermögen verfügt habe. Im Übrigen sei ein allenfalls rechtsmissbräuchlicher Zweck für die Beklagte nicht erkennbar gewesen. Ein Vertragsbruch sei schon deshalb nicht anzunehmen, weil keine vertragliche Vereinbarung bestanden habe.

III. Zur „Vermögensopfertheorie“:

III.1.  Gemäß § 785 Abs 1 ABGB sind auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes oder Ehegatten bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen des Erblassers in Anschlag zu bringen. Nach § 785 Abs 3 letzter Satz ABGB bleiben Schenkungen unberücksichtigt, die früher als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers an nicht pflichtteilsberechtigte Personen gemacht wurden.

III.2. Lehrmeinungen:

III.2.1.  Welser in Rummel , ABGB 3 § 785 Rz 8 sieht die Schenkung als gemacht, sobald der Beschenkte ein Recht erworben hat. Bei Schenkungen ohne wirkliche Übergabe genüge der Titelvertrag, wenn die Notariatsform erfüllt sei.

In FS Straube, Privatstiftung und Reform des Pflichtteilsrechts (2009), 223 ff hält er den Vertretern der Vermögensopfertheorie entgegen, dass sie dogmatisch fragwürdig und nur ein äußerster Notbehelf sei. Sie habe nur das Ziel vor Augen, die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB zu vermeiden, berücksichtige aber nicht sonstige schuld- und sachenrechtliche Strukturen.

III.2.2. Anders Kralik , Erbrecht 304, der auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Vermögensopfers abstellt, in der Regel auf jenen der wirklichen Übergabe des Geschenks.

III.2.3. Auch Umlauft , Die Anrechnung von Schenkungen und Vorempfängen im Erb‑ und Pflichtteilsrecht, 210 f, verweist darauf, dass nach dem historischen Gesetzgeber Schenkungen zur Umgehung des Pflichtteilsrechts vor allem in der letzten Zeit vor dem Tode zu befürchten wären. Er beruft sich auf die Erläuterungen der Regierungsvorlage zu § 785 Abs 2 letzter Satz idF der III. Teilnovelle, der damals vorsah, dass die Zweijahresfrist bei Schenkungen unter Ehegatten nicht vor der Auflösung oder Scheidung der Ehe beginne, weil, so die Erläuterungen, vor Auflösung der Ehe oder ehelichen Gemeinschaft der Geschenkgeber zumeist auch im Genuss des geschenkten Gegenstands sei und gerade solche Schenkungen leicht zur absichtlichen Verletzung des Pflichtteilsanspruchs missbraucht würden. Daraus sei zu folgern, dass (auch wenn diese Bestimmung durch die Reform des Ehegattenerbrechts 1978 ersatzlos weggefallen sei) die Frist allgemein dann nicht zu laufen beginne, wenn die Sache faktisch weiter auch dem Geschenkgeber zur Verfügung stehe, sodass das Vermögensopfer für ihn in diesem Stadium noch nicht spürbar sei. Für den Beginn der Zweijahresfrist sei daher nicht das Titelgeschäft sondern grundsätzlich die Erbringung der Leistung maßgeblich (Vermögensopfertheorie). In konsequenter Anwendung dieser Theorie sei bei schenkungsweiser Übertragung von Grundstücken an nicht pflichtteilsberechtigte Personen und gleichzeitiger Begründung eines Fruchtgenusses zugunsten des Geschenkgebers das Vorliegen des Vermögensopfers so lange zu verneinen, bis das Fruchtgenussrecht erlösche. Erst dann beginne die Frist des § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB zu laufen.

Derselbe Autor in FS Binder, Pflichtteilsermittlung im Zusammenhang mit Privatstiftungen ‑ gleichzeitig ein Beitrag zur Vermögensopfertheorie im Anrechnungsrecht des Pflichtteilsrechts, 884 f bezeichnet die Vermögensopfertheorie „zwischenzeitlich als herrschend“. Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen, die schon länger als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers gemacht worden seien, bei denen aber das Vermögensopfer (zB durch Vorbehalt des Fruchtgenussrechts) noch nicht endgültig erbracht worden sei, seien in die Pflichtteilsbemessungsgrundlage nach dem Erblasser einzubeziehen.

III.2.4.  Schauer , Privatstiftung und Pflichtteilsrecht, NZ 1993, 251 ff stellt zwar ebenfalls auf das Vermögensopfer ab, sieht dies aber darin, dass der Zuwendende sein Recht am Vermögensgegenstand ‑ das Eigentum an einer Sache oder die Rechtszuständigkeit an einer Forderung ‑ dem Begünstigten überträgt. Dies gelte auch dann, wenn der Zuwendende sich die weitere Nutzung des Gegenstands ‑ etwa durch Vereinbarung eines Fruchtgenussrechts ‑ vorbehalte. Dass der bloße Rechtsübergang bereits genüge, lasse sich damit rechtfertigen, dass der Zuwendende sich durch ihn der Substanz der Sache entäußere. Dies könne selbst bei einem Nutzungsvorbehalt zu spürbaren Nachteilen führen. So sei die Sache für Zwecke der Kreditsicherung verloren und habe der Zuwendende auch keine Möglichkeit mehr, ihren Wert zur Veräußerung gegen Geld oder andere Sachwerte einzutauschen.

An dieser Meinung hat Schauer in OGH: Schutz der Pflichtteilsberechtigten gegenüber Privatstiftung, JEV 2007, 90 ff, festgehalten. Im Zusammenhang mit Stiftungen meinte er, dass es darauf ankomme, ob der Stifter in der Lage sei, sich das in die Stiftung eingebrachte Vermögen wieder zuzuwenden. Auch wenn er sich am eingebrachten Vermögen Gebrauchs‑ oder Nutzungsrechte, beispielsweise ein Fruchtgenussrecht, vorbehalte, sei das Vermögensopfer erbracht, weil der Stifter das Eigentum an der Sache verloren und somit den Substanzwert eingebüßt habe. Er könne die Gegenstände weder durch Veräußerung zu Geld machen noch durch Bestellung eines Sicherungsrechts zum Zweck der Kreditbesicherung einsetzen.

III.2.5.  Rabl , Die Auswirkung eines Fruchtgenussvorbehalts auf die Schenkungsanrechnung (Teil II) NZ 1999, 299 ff, meint im Zusammenhang mit der Bewertung der Schenkung einer Liegenschaft unter lebenslangem Vorbehalt des Fruchtgenussrechts verbunden mit einem Veräußerungs‑ und Belastungsverbot, dass in diesem Fall dem Beschenkten nicht nur die Nutzungsmöglichkeit, sondern auch die dingliche Verfügungsmöglichkeit über den Substanzwert bis zum Tod des Erblassers entzogen sei und dieser Fall daher im Ergebnis einer Schenkung auf den Todesfall noch mehr angenähert sei als Schenkung unter bloßem Fruchtgenussvorbehalt. Der Umstand, dass der Beschenkte zu Lebzeiten des Erblassers die veräußerte Liegenschaft ohne Zustimmung des Erblassers weder dinglich veräußern noch belasten könne, ja diese nicht einmal seinen Gläubigern als Befriedigungsfonds diene, lege die Überlegung nahe, die Schenkung als noch nicht vollzogen anzusehen. Dagegen spreche aber die Tatsache der formellen Eigentumsübertragung. Die Erfüllung sei trotz der wirtschaftlichen Beschränkung des Beschenkten bereits mit seinem Eigentumserwerb anzunehmen.

III.2.6.  Kletečka , Pflichtteilsrechtliche Behandlung der Errichtung einer Privatstiftung, EF‑Z 2012/2 legt dar, dass das Wort „gemacht“ im § 785 Abs 3 ABGB darauf hindeuten könne, dass das Gesetz mit dem Fristbeginn nicht auf den Vertragsabschluss sondern auf die Erfüllung abstelle. Dass der historische Gesetzgeber mit dieser Formulierung aber tatsächlich bereits erfüllte Schenkungen gemeint habe, sei zweifelhaft. Bei Erörterung der Zweijahresfrist im HHB werde die Unterscheidung zwischen dem Abschluss des Vertrags und seiner Erfüllung nicht erwähnt. Vielmehr weise der HHB bei der Frage, welche Schenkung unter § 785 ABGB zu subsumieren sei, ausdrücklich darauf hin, dass alle Schenkungen, ohne zwischen vollzogenen (Schenkungen mit wirklicher Übergabe) und noch nicht erfüllten Schenkungsversprechen zu unterscheiden, anzurechnen seien. In letzter Zeit finde die Vermögensopfertheorie in der Lehre mehr Zuspruch. Die Rechtsprechung folge dagegen ‑ mit Ausnahme der Entscheidung 10 Ob 45/07a ‑ nach wie vor der Auffassung, dass bereits der Abschluss des Schenkungsvertrags die Frist des § 785 Abs 3 ABGB auslöse. Dies zeige auch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Schenkung auf den Todesfall besonders deutlich, die nach dem Erbanfall wie ein Vermächtnis behandelt werde, weil der Oberste Gerichtshof davon ausgehe, dass die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB bereits mit dem Abschluss des Vertrags und nicht erst mit dessen Erfüllung zu laufen beginne. Würde der Oberste Gerichtshof hingegen der Vermögensopfertheorie folgen und den Beginn des Fristenlaufes mit der Erfüllung und nicht schon mit dem Abschluss ansetzen, wäre es völlig entbehrlich, die Schenkung auf den Todesfall wie ein Vermächtnis zu behandeln. Die Entscheidung 10 Ob 45/07a sei dagegen mit der ständigen Rechtsprechung zur Rechtsnatur der Schenkung auf den Todesfall nicht in Einklang zu bringen.

Mit den §§ 785, 951 ABGB verfolge das Gesetz zwei Ziele: zum einen solle dadurch die Umgehung des Noterbrechts hintangehalten, zum anderen ‑ wenn Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte erfolgt seien ‑ ein Ausgleich unter den Noterben hergestellt werden. Die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB erkläre sich daraus, dass nur die letzte Zeit vor dem Tod des Erblassers im Hinblick auf Umgehungen kritisch sei. Der Vermögensopfertheorie sei zumindest insofern zu folgen, als der Beginn der Frist des § 785 Abs 3 ABGB frühestens mit dem Eigentumsübergang anzusetzen sei. Der Vermögensopfertheorie sei jedenfalls im grundsätzlichen durchaus zuzustimmen. Die ratio legis verlange aber eine Lösung, die sicherstelle, dass einerseits ein spürbares Vermögensopfer der Umgehung des Noterbrechts entgegenwirke und andererseits auf ein klar definiertes Gestaltungskriterium abgestellt werde, welches die schematische, der Rechtssicherheit dienende Konzeption des § 785 Abs 3 ABGB nicht konterkariere.

Gebrauchs‑ oder Nutzungsrechte stünden dem Vermögensopfer nicht entgegen, weil der Verlust der Substanz eine ausreichende umgehungshemmende Wirkung habe. Der Geschenkgeber könne seine Sache nicht mehr durch Veräußerung zu Geld machen oder sich durch Verwendung als Sicherungsmittel einen Kredit verschaffen. Wären solche Rechte fristschädlich, wäre dies mit einer nicht zu tolerierenden Rechtsunsicherheit verbunden, sei doch völlig unklar, wie umfassend solche Befugnisse sein müssten, um den Beginn des Fristenlaufs zu verhindern.

III.2.7.  Bittner/Hawel in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON § 785 Rz 8 meinen, dass Schenkungszeitpunkt nach richtiger Ansicht nicht der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei, sondern jener, in dem das Geschenk für den Erblasser wirtschaftlich maßgeblich werde.

Auch Apathy in KBB 4 § 785 ABGB Rz 5 und Eccher in Schwimann/Kodek ABGB 4 § 785 ABGB Rz 4 und 8 vertreten unter Hinweis auf Literatur und Judikatur zum Privatstiftungsrecht die Vermögensopfertheorie.

III.3. Judikatur:

III.3.1. Nach der bisherigen Judikatur ist eine Schenkung als „gemacht“ anzusehen, wenn ein formgerechter Schenkungsvertrag abgeschlossen worden ist. Der Zeitpunkt der Erfüllung ist dagegen gleichgültig. Die Zweijahresfrist des § 785 ABGB beginnt demnach nicht mit der Leistung sondern schon mit der Vertragsschließung (RIS‑Justiz RS0012910; 1 Ob 198/71 = SZ 44/137).

III.3.2. Die Vermögensopfertheorie selbst wurde bisher ‑ soweit ersichtlich ‑ nur in Zusammenhang mit Privatstiftungen thematisiert:

So hat 6 Ob 180/01s im Zusammenhang mit einem Anspruch auf Heiratsgut zur Frage der Einbeziehung von Stiftungsvermögen in dessen Bemessungsgrundlage die im Schrifttum vertretenen Meinungen ausführlich und weitgehend billigend wiedergegeben.

Auch in 6 Ob 290/02v wurde im Zusammenhang mit einer Privatstiftung auf die Vermögensopfertheorie eingegangen. Der Senat gelangte dort zur Auffassung, dass sich aus der Organisation einer Privatstiftung, in die der Erblasser sein wesentliches Vermögen eingebracht habe, eine Umgehung der unbefristeten Anrechnung von Schenkungen an einem Pflichtteilsberechtigten ergeben könne.

In 10 Ob 45/07a ging der Senat davon aus, dass im Fall einer Stiftungserklärung, die einen umfassenden Änderungsvorbehalt sowie einen Widerrufsvorbehalt zugunsten des Stifters vorsehe, der Stifter noch so wesentliche Einflussmöglichkeiten auf das Stiftungsvermögen habe, dass das von § 785 ABGB geforderte Vermögensopfer noch nicht als erbracht anzusehen sei.

III.3.4. Im Zusammenhang mit Schenkungen auf den Todesfall hat der Oberste Gerichtshof aber ausgesprochen, dass diese nicht als Schenkungen iSd § 785 ABGB anzusehen seien und ihr Wert bei der Berechnung des Pflichtteils daher auch dann zu berücksichtigen sei, wenn die Schenkung länger als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers gemacht wurde. Dafür spreche die Verfügungsmöglichkeit des Geschenkgebers bis zu seinem Tod. Der Erblasser könne andernfalls mit Schenkungen auf den Todesfall Pflichtteilsansprüche bezüglich seines ganzen Vermögens völlig vereiteln. Schenkungen auf den Todesfall seien daher wie Vermächtnisse zu behandeln. Das auf den Todesfall Geschenkte sei zum Zeitpunkt des Todes noch Vermögen des Geschenkgebers und der Beschenkte könne sich auf die Verfristung nach § 785 Abs 3 ABGB nicht berufen (6 Ob 37/02p mit Verweis auf SZ 69/108 ua). So sind auch nach 4 Ob 2029/96 unter Schenkungen des Erblassers iSd § 785 Abs 1 ABGB nur solche unter Lebenden zu verstehen, Schenkungen auf den Todesfall dagegen nach dem Erbanfall für die Pflichtteilsberechnung wie Vermächtnisse zu behandeln (RIS‑Justiz RS0012517).

III.4.  Nach der deutschen Judikatur zu § 2325 BGB ist für den Beginn der Frist in Bezug auf die Schenkung auf den Eintritt des rechtlichen Leistungserfolges abzustellen, also auf den Zeitpunkt, in dem der Erblasser als Schenker den Gegenstand wirklich an den Beschenkten verliert, weil erst durch die Verfügung über den verschenkten Gegenstand dieser auch wirtschaftlich aus seinem Vermögen ausgegliedert wird ( Palandt , Bürgerliches Gesetzbuch 72 , § 2325 Rz 25). Die Frist beginnt daher bei Grundstücksschenkungen mit der Umschreibung im Grundbuch. Verbleibt bei einer Schenkung wegen Nießbrauchvorbehalts oder schuldrechtlicher Vereinbarung der Nutzwert im Wesentlichen beim Schenker, ist der für den Fristbeginn maßgebliche Zeitpunkt der Leistung nicht der des Eigentumsübergangs, sondern erst der des Nutzungsrechtswegfalls. Um Missbrauch zu verhindern, erfordert die Leistung außer dem Eigentumsverlust auch die wirtschaftliche Ausgliederung des zugewendeten Gegenstands aus dem Vermögen des Übergebers. Nutzt der Erblasser den Gegenstand aufgrund eines vorbehaltenen Rechts noch bis zu seinem Tode selbst umfassend weiter, muss er den Genuss des verschenkten Gegenstands tatsächlich noch gar nicht entbehren, sondern hat ihn nur formal verloren, beginnt die Frist nicht zu laufen ( Palandt aaO Rz 26 mwN).

In diese Richtung geht auch BGH IV ZR 132/93, wonach eine Leistung iSv § 2325 III Halbsatz 1 BGB vorliegt, wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand ‑ sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche ‑ im Wesentlichen weiterhin zu nutzen. Behält er sich bei der Schenkung eines Grundstücks den Nießbrauch uneingeschränkt vor, gibt er den Genuss des verschenkten Gegenstands nicht auf.

IV. Schlussfolgerungen:

Die Erblasserin hat hier der Beklagten eine Liegenschaft unter Vorbehalt eines Fruchtgenussrechts und eines Veräußerungs- und Belastungsverbots übergeben. Dieser Übergabsvertrag wurde vom Erstgericht angesichts der Wertrelationen als Schenkung eingestuft, was im Revisionsverfahren nicht mehr thematisiert wird.

Damit wurde der Beschenkten sowohl die Nutzungsmöglichkeit der Liegenschaft als auch die Verfügungsmöglichkeit über deren Substanzwert bis zum Tod der Geschenkgeberin vorenthalten, wohingegen die Lebensumstände der Geschenkgeberin in den für sie tatsächlich relevanten und wahrnehmbaren Belangen, insbesondere in ihrer Wohnsituation, bis zu ihrem Tode unverändert blieben.

Auch wenn die Vermögensdisposition der Geschenkgeberin im Gegensatz zur Widerrufsmöglichkeit bei der Privatstiftung in der Entscheidung 10 Ob 45/07a nicht mehr einseitig rückgängig gemacht werden konnte, wurde das geschenkte Eigentum doch praktisch zur Gänze ausgehöhlt.

Nach Ansicht des erkennenden Senats ist auch im Fall einer solchen umfassenden und weitreichenden Beschneidung des übertragenen Eigentums durch Fruchtgenuss samt Veräußerungs‑ und Belastungsverbot im Sinne der Vermögensopfertheorie davon auszugehen, dass bis zum Wegfall der Einschränkungen durch den Tod der Geschenkgeberin, die den Genuss der geschenkten Sache vorher nicht aufgegeben hatte, die Schenkung iSd § 785 Abs 3 ABGB noch nicht „gemacht“ wurde und daher die dort normierte Frist noch nicht zu laufen begonnen hat. Eine Gefährdung schuld‑ und sachenrechtlicher Strukturen ist bei Beschränkung auf den hier strittigen erbrechtlichen Aspekt nicht zu befürchten.

Allfällige Auswirkungen dieser Rechtsansicht auf die Behandlung der Schenkung auf den Todesfall (vgl RIS‑Justiz RS0012517; Bollenberger in KBB 4 § 956 ABGB Rz 4; Parapatis in Schwimann/Kodek 4 § 956 Rz 22 ff) sind hier nicht zu untersuchen (vgl dazu Rabl , Die Schenkung auf den Todesfall im Pflichtteilsrecht, NZ 2005/32).

V.  Es war daher der Revision Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

VI.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.

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