OGH 3Ob147/14k

OGH3Ob147/14k18.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Mag. Martin Krumschnabel, Rechtsanwalt in Kufstein, gegen die beklagte Partei V*****, vertreten durch Dr. Gerald Albrecht, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision und den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen das Urteil und den in dieses Urteil aufgenommenen Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. Juli 2014, GZ 3 R 171/14i‑103, womit der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 27. März 2014, GZ 2 C 22/10g‑97, nicht Folge gegeben wurde und womit der Rekurs der beklagten Partei gegen den in dieses Urteil aufgenommenen Beschluss zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00147.14K.0918.000

 

Spruch:

1. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

2. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Das Erstgericht stellte ‑ im dritten Rechtsgang ‑ mit in seinem in das Urteil aufgenommenen Beschluss nach § 33 Abs 2 MRG einen Mietzinsrückstand für das von der beklagten Partei gemietete Objekt in Höhe von 40.086 EUR fest und verpflichtete die Beklagte zur Räumung des zur Führung einer Pizzeria gemieteten Geschäftslokals.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und wies den von der Beklagten erhobenen Rekurs mit der Begründung zurück, der Beschluss nach § 33 Abs 2 MRG entfalte keine über das Räumungsverfahren hinausgehende Bindungswirkung. Da das Erstgericht zutreffend davon ausgegangen sei, dass die Beklagte jedenfalls ein grobes Verschulden an den bestehenden Mietzinsrückständen treffe, bedürfe es keiner Beschlussfassung nach § 33 Abs 2 MRG.

Rechtliche Beurteilung

I. Die gegen das Berufungsurteil erhobene außerordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Die Beklagte stellte im dritten Rechtsgang ausdrücklich (S 5 in ON 92) die im Schriftsatz des Klägers vom 25. November 2013 dargestellten Zahlungen (ON 89) außer Streit. Danach zahlte sie von Mai 2011 bis September 2012 jeweils 450 EUR brutto monatlich, also knapp mehr als 20 % des vereinbarten Bruttohauptmietzinses von 2.160 EUR. Ab diesem Zeitpunkt leistete sie keinerlei Mietzinszahlungen mehr.

2. Das Berufungsgericht hat in seinem im zweiten Rechtsgang ergangenen Aufhebungsbeschluss vom 3. September 2013 (ON 85) im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0021324) darauf verwiesen, dass sich das Ausmaß der Zinsminderung infolge der bestehenden Mängel (im Anlassfall insbesondere Schimmelbildung im hinteren Gastraum des Geschäftslokals) an der verbundenen konkreten Gebrauchsbeeinträchtigung zu orientieren hat.

3. Unstrittig ist im Revisionsverfahren, dass die Beklagte das Geschäftslokal, das durch einen vom Bruder des Geschäftsführers der Beklagten verursachten Brand beschädigt wurde, ab Wiedereröffnung am 15. August 2010 durchgehend zumindest im vorderen Teil betrieb bzw während der Terrassensaison auch die Terrasse verwendete, wobei das Lokal überdies dem Gassenverkauf diente. (Erst) Ab Jänner 2014 bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz im dritten Rechtsgang ist das Geschäftslokal geschlossen.

4. Davon ausgehend in Verbindung mit der festgestellten Fläche des gebrauchsfähigen und von der Beklagten auch genutzten Teils des Objekts (53,30 %) ist die auf den konkreten Umständen des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0042773 [T1]) beruhende Auffassung des Berufungsgerichts, es liege ein grobes Verschulden der Beklagten an den eingetretenen Zinsrückständen vor, jedenfalls vertretbar: Zwar können Zweifel über die wahre Rechtslage, also auch eine Fehleinschätzung des Ausmaßes der Zinsminderung (7 Ob 242/01s SZ 2002/13 = RIS‑Justiz RS0116111), in der Regel nur leichte Fahrlässigkeit begründen (RIS‑Justiz RS0070327). Hier ist aber zu berücksichtigen, dass die Beklagte trotz Nutzung des Geschäftslokals in dem von den Vorinstanzen festgestellten Umfang ab Oktober 2012 keinerlei Mietzinszahlungen mehr leistete. Spätestens durch den im zweiten Rechtsgang gefällten Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts musste der Beklagten bewusst sein, dass eine gänzliche Zinsbefreiung nicht in Betracht kommt, wenn das Objekt zumindest teilweise gebrauchsfähig ist und auch zum bedungenen Gebrauch verwendet wird. Darauf, dass dies ungeachtet des Umstands gilt, ob ein solcher Gebrauch überhaupt „stattfinden hätte dürfen oder nicht“ hat das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen. Selbst für eine behördliche Vorschriften widersprechende Benützung steht ein Entgelt zu. Es kommt auf den tatsächlich erzielten Vorteil des Mieters an (RIS‑Justiz RS0020870).

5. Dass es aber einer Beschlussfassung nach § 33 Abs 2 MRG nicht bedarf, wenn das grobe Verschulden des Mieters bereits feststeht, entspricht ebenfalls der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0111942 [T6]; 1 Ob 205/12x).

6. Da aus den dargelegten Gründen eine Beschlussfassung nach § 33 Abs 2 MRG wegen des bereits feststehenden groben Verschuldens der Beklagten nicht geboten war, kommt dem Umstand, dass das Berufungsgericht von seiner im zweiten Rechtsgang geäußerten Rechtsansicht zur Notwendigkeit einer Beschlussfassung nach § 33 Abs 2 MRG abwich, schon aus diesem Grund keine Relevanz zu (RIS‑Justiz RS0042181).

Darüber hinaus wurde erst durch das Vorbringen des Klägers im dritten Rechtsgang klargestellt, dass die Beklagte ab Oktober 2012 keinerlei Mietzinszahlungen leistete.

II. Der gegen den Beschluss des Berufungsgerichts erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist absolut unzulässig:

1. Der Beschluss nach § 33 Abs 2 MRG entfaltet keine über den Prozess hinausgehende Rechtskraftwirkung über die strittige Höhe des Zahlungsrückstands (RIS‑Justiz RS0041543).

2. Das für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn der Entscheidung nur mehr theoretisch‑abstrakte Bedeutung zukäme, da es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanz ist, über bloß theoretisch bedeutsame Fragen abzusprechen (RIS‑Justiz RS0002495).

3. Dabei muss die Beschwer zur Zeit der Einlegung des Rechtsmittels gegeben sein und zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen; andernfalls ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0041770).

4. Da aus den dargelegten Gründen die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Berufungsurteil zurückzuweisen ist, das Räumungsbegehren daher mit Zurückweisung der außerordentlichen Revision rechtskräftig ist, käme der Entscheidung über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts nur noch abstrakt‑theoretische Bedeutung zu.

5. § 50 Abs 2 ZPO ist nicht anzuwenden: Eine Beschlussfassung nach § 33 Abs 2 MRG stellt keinen Zwischenstreit dar. Das gilt umso mehr für die ‑ den Gegenstand des außerordentlichen Revisionsrekurses bildende ‑ Frage, ob die Beklagte ein Rechtsschutzinteresse an ihrem Rekurs gegen den vom Erstgericht in das Urteil aufgenommenen Beschluss nach § 33 Abs 2 MRG hatte. Selbst bei Erfolg ihres Rekurses ‑ der zum Auftrag an das Rekursgericht geführt hätte, den Rekurs inhaltlich zu behandeln ‑ wäre mit Kostenvorbehalt vorzugehen gewesen.

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