OGH 7Ob230/12t

OGH7Ob230/12t27.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Hochleitner und andere, Rechtsanwälte in Perg, und der Nebenintervenientinnen 1. S*****gesellschaft m.b.H., *****, 2. A***** GmbH, *****, beide vertreten durch huber ebmer partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei Dr. Klaus Schiller, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, als Insolvenzverwalter im Konkurs der P***** GmbH, ***** (20 S 34/11t des Landesgerichts Wels), und die Nebenintervenientin Z*****-AG, *****, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 3. Oktober 2012, GZ 6 R 114/12w‑77, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 14. Mai 2012, GZ 2 Cg 153/09s‑72, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Die klagende Partei ist schuldig, der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei die mit 2.675,77 EUR (darin enthalten 445,96 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage aufgefunden zu haben, ob ein die Verladetätigkeit durchführender Lieferant, der in keinem nachgewiesenen Vertragsverhältnis zum verladepflichtigen Absender stehe, allein auf Grund seines faktischen Handelns als Dritter, der „für“ den Absender oder Empfänger handle, im Sinn der Art 17 Abs 4 lit c CMR zu qualifizieren sei. Die Klägerin schloss sich dieser Zulässigkeitsbegründung an.

Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Rechtliche Beurteilung

Dies ist hier nicht der Fall:

Dass die Verladung durch die Mitarbeiter der Herstellerfirma von den Vorinstanzen dahin beurteilt wurde, sie gelte als für die Klägerin erbracht, weil die Vereinbarung einer Verladung durch die Beklagte nicht einmal behauptet worden sei, ist auf der Grundlage der dazu bereits vorhandenen ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht zu beanstanden; die fallspezifischen Einwände des Beklagten begründen daher keine erhebliche Rechtsfrage im dargelegten Sinn (vgl 7 Ob 191/11f mwN).

In der Entscheidung 7 Ob 5/13f vom 18. 2. 2013 hat der Oberste Gerichtshof festgehalten, dass die CMR keine Regelung darüber enthält, wer das Verladen und Verstauen des Frachtgutes vorzunehmen hat. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass nach der CMR im Zweifel die Verladung Sache des Absenders ist (RIS‑Justiz RS0073756; 7 Ob 182/08b; 7 Ob 5/13f). Die Haftungsbefreiung nach Art 17 Abs 4 lit c CMR richtet sich ausschließlich nach den tatsächlichen Verhältnissen; maßgebend ist daher allein, wer die Verladeoperationen bzw Verstauungsoperationen tatsächlich durchgeführt hat. Haben Leute des einen und Personal des anderen Teils zusammengewirkt, ist die Operation als von jenem Teil vorgenommen anzusehen, der persönlich oder durch seine Leute die Oberaufsicht innehatte (RIS-Justiz RS0073871; 7 Ob 5/13f mwN).

Die Haftung des Frachtführers für einen während des Transports entstandenen Schaden am Frachtgut entfällt, wenn er ‑ wie hier ‑ die Verladung weder übernommen noch tatsächlich durchgeführt hat und das Schadensereignis aus einer durch die Verladung begründeten Gefahr entstanden ist, das heißt Folge unsachgemäßer Verladung oder Verstauung ist (RIS-Justiz RS0073871 [T2]). Der Verlust oder die Beschädigung des Frachtguts ist auf das Verladen durch den Absender, für das der Frachtführer, wenn nichts anderes vereinbart ist, nicht haftet, auch dann zurückzuführen, wenn der Schaden nicht beim Verladen selbst, sondern nach Übernahme des Guts als Folge mangelhafter Verladung oder Stauung während der Fahrt eintritt (RIS-Justiz RS0073865; 7 Ob 182/08b; 7 Ob 5/13f). Es kommt zur Haftungsbefreiung des Frachtführers, wenn der Verladevorgang unter der Verantwortlichkeit des Absenders vorgenommen wurde und hiebei zustande gekommene Mängel für den Eintritt des Schadens ursächlich waren (RIS-Justiz RS0073877).

Die Beweislastverteilung bei den Haftungsausschlussgründen nach Art 17 Abs 2 und 4 CMR ergibt, dass dann, wenn der Frachtführer dargelegt hat, dass nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls der Schaden aus der im Art 17 Abs 4 lit c CMR bezeichneten besonderen Gefahr entstehen konnte, nach Art 18 Abs 2 CMR vermutet wird, dass er tatsächlich daraus entstanden ist. Sache des Verladers ist es zu beweisen, dass zu dem Schaden auch solche Umstände beigetragen haben, für die der Frachtführer nach Art 17 Abs 1 oder Abs 3 CMR einzustehen hat (RIS‑Justiz RS0073756). Im letzteren Fall kommt es wieder zu einer Haftungsteilung gemäß Art 17 Abs 5 CMR (Thume in Thume, CMR-Kommentar³ [2013] Art 18 Rn 66). Wenn die Verladung nicht dem Frachtführer oblag, spielt die tatsächliche Mithilfe des Fahrers bei der Verladung keine Rolle, weil diese Mithilfe nicht Gegenstand der vertraglichen Pflichten aus dem Frachtvertrag war und eine Handlung außerhalb des Haftungszeitraums darstellte (RIS-Justiz RS0073835).

Nach diesen Grundsätzen, insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtssätze RIS-Justiz RS0073871; RS0073756 und RS0073835, war die Verladung auch hier Sache des Absenders. Eine ‑ gegenteilige ‑ Verantwortlichkeit des Frachtführers hätte entweder eine Vereinbarung oder (zumindest) die tatsächliche Ausführung der Verladung unter Ausübung seiner Oberaufsicht erfordert. Da das „allgemeine Gefahrenpotential“ der Verladung also im dargelegten Sinn grundsätzlich beim Absender liegt, kann ‑ wie bereits ausgeführt ‑ der vorliegende Fall auf der Grundlage der dazu bereits vorhandenen ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gelöst werden. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage stellt sich somit nicht:

Darauf, ob die eine Verladung durchführenden Dritten im Vertragsverhältnis zum Absender stehen, kommt es nicht an; entscheidend ist vielmehr, dass weder der Frachtführer zur Verladung verpflichtet war, noch faktisch seine Fahrer die Oberaufsicht darüber durchführten (so auch 7 Ob 5/13f, wo ein vergleichbarer Transportschaden ‑ der auch auf Grund überschrittener behördlich vorgeschriebener [dort] Transporthöhe nach unsachgemäßer Verladung durch die Mitarbeiter des Herstellers = Beladers, welche ebenfalls der [dort] klagenden Absenderin zugerechnet wurden, beim Passieren einer Autobahnbrücke mit 75 km/h [zulässige Höchstgeschwindigkeit: 80 km/h] eintratausdrücklich dahin beurteilt wurde, dass der Beklagten der Haftungsausschluss nach Art 17 Abs 4 lit c CMR zugute komme).

Wenn die Revision außerdem geltend macht, dem Lenker sei ‑ entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ‑ grobe Fahrlässigkeit anzulasten und die Haftungsteilung nach § 17 Abs 5 CMR bekämpft, ist ihr noch Folgendes zu erwidern:

Gemäß Art 29 Abs 1 CMR kann sich „der Frachtführer auf die Bestimmungen dieses Kapitels, die seine Haftung ausschließen oder begrenzen oder die Beweislast umkehren, nicht berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden verursacht hat, das nach dem Recht des angerufenen Gerichts dem Vorsatz gleichsteht“. Das gilt nach Abs 2 leg cit auch, wenn nicht dem Frachtführer selbst, sondern seinen Bediensteten oder sonstigen Beförderungsgehilfen ein solches grobes Verschulden zur Last fällt. Dem Vorsatz gleichstehende Fahrlässigkeit bedeutet in Österreich grobe Fahrlässigkeit; die Beweislast für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Frachtführers trifft den Geschädigten (RIS‑Justiz RS0073961; RS0062591). Wenn die Voraussetzungen des Art 29 CMR vorliegen, entfällt nach einhelliger Meinung jedenfalls das Recht des Frachtführers auf Haftungsbegrenzung nach Art 17 Abs 2 und 4 CMR, nach Art 18 CMR, aber auch nach Art 23 und 25 CMR (7 Ob 5/13f; 7 Ob 126/09v mwN).

Will also der Anspruchsteller den Frachtführer für den eingetretenen Schaden ‑ wie hier ‑ ohne jede Beschränkung haftbar machen, so hat er ihm gemäß Art 29 CMR qualifiziertes Verschulden nachzuweisen. Es trifft ihn in diesem Fall die volle Beweislast hinsichtlich der Umstände, aus denen sich die qualifiziert schuldhafte Schadensverursachung durch den Frachtführer ergibt. Dafür wird es als ausreichend angesehen, wenn der Anspruchsteller das konkrete Verhalten des Schädigers und alle objektiven Tatsachen des Geschehens beweist. Aus diesen objektiven Tatsachen kann regelmäßig auf die innere Einstellung des Täters geschlossen werden (7 Ob 5/13f mwN).

Die Wertung, ob ein Verhalten grob fahrlässig ist, erfolgt jedoch ‑ wie jene, ob die Beurteilung des Mitverschuldens angemessen ist ‑ maßgeblich nach den Umständen des Einzelfalls (7 Ob 265/09k; 7 Ob 69/08k mwN; RIS-Justiz RS0087606; vgl auch 2 Ob 54/12y; 7 Ob 145/12t). Eine erhebliche Rechtsfrage könnte daher nur dann vorliegen, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, was hier jedoch nicht der Fall ist; die Wertung des Berufungsgerichts, dass dem Fahrer in Beurteilung und Würdigung aller konkreten Umstände insgesamt keine grobe Fahrlässigkeit ‑ nämlich keine ungewöhnliche, auffallende Vernachlässigung von Sorgfalt, wodurch der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist (7 Ob 65/11a; 7 Ob 69/08k mwN; RIS-Justiz RS0085373; RS0030644) ‑ zur Last fällt, liegt im Rahmen der Judikatur.

Nach den ‑ im Revisionsverfahren nicht mehr angreifbaren ‑ Feststellungen der Tatsacheninstanzen verblieb als zentraler Anknüpfungspunkt für die Fahrlässigkeit des Lenkers der (geringfügige) Fahrfehler, wodurch das Frachtgut „etwa 4 bis 8 cm“ an einem in 3 m Höhe gelegenen, in der Nacht nicht erkennbaren Felsvorsprung (an‑)streifte und der (die Fahrzeugbreite weit überragende) Stahlträger beschädigt wurde. Die Beurteilung, dass dies mangels zusätzlicher erschwerender Umstände (wie hohe Geschwindigkeit oder Alkoholisierung) keine grobe Fahrlässigkeit darstelle, ist jedenfalls vertretbar. Selbst wenn man dem Lenker eine Pflicht zur Kontrolle der (exakten) Breite des Transports auferlegen wollte (vgl jedoch 7 Ob 5/13f [zur exakten Höhe]), müsste eine diesbezügliche Unterlassung ‑ bei der gebotenen Gesamtbetrachtung ‑ nicht zwingend als grob fahrlässig qualifiziert werden; war doch auch in diesem Zusammenhang der Eintritt eines Schadens jedenfalls nicht als „geradezu wahrscheinlich“ zu erwarten. Weshalb ein Verhalten des Fahrers nach dem Unfall (die Weiterfahrt) grobe Fahrlässigkeit des Lenkers für den Unfallschaden (mit‑)begründen sollte, ist nicht einzusehen.

Da die Entscheidung des Berufungsgerichts in Einklang mit den Grundsätzen der zur CMR vorliegenden Rechtsprechung steht, ist die Revision mangels erheblicher Rechtsfragen (§ 502 Abs 1 ZPO) zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Anders als die Beklagte hat die Nebenintervenientin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen.

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