Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die im Jahr 1991 geschlossene Ehe der Parteien wurde aus dem alleinigen Verschulden des Antragsgegners (rechtskräftig seit 9. 9. 2010) geschieden.
Vor Eheschließung haben die Parteien einen Vertrag in Form eines Notariatsakts geschlossen und darin unter anderem Folgendes geregelt:
„Erstens: ... Die Vertragsparteien halten hiemit übereinstimmend fest, dass durch das Eingehen ihrer gemeinsamen Ehe in den Vermögensverhältnissen jedes Ehepartners keine Veränderungen eintreten sollen und der Grundsatz der Gütertrennung gemäß § 1233 ABGB ... weiterhin unverändert aufrecht bleibt.
Die Vertragsparteien anerkennen wechselseitig und ausdrücklich das alleinige und uneingeschränkte Eigentumsrecht des künftigen Ehegatten an sämtlichen Wertgegenständen, Liegenschaften und Liegenschaftsanteilen, Barvermögen, Wertpapieren und überhaupt allen Vermögenswerten, die der andere Teil bereits vor der Ehe erworben und besessen hat und vereinbaren, dass diese Werte auch nach erfolgter Eheschließung in uneingeschränktem Eigentum desjenigen verbleiben, der sie bereits vorher besessen hat. Aufgrund dieser im Falle einer Ehe vereinbarten allgemeinen Gütertrennung verzichten beide Teile sohin wechselseitig, Ansprüche, welcher Art immer auf die im alleinigen Eigentum des künftigen Ehegatten stehenden Vermögenswerte zu erheben.
...
Drittens: Unbeschadet der in Punkt Erstens und Zweitens getroffenen Vereinbarungen anerkennt die künftige Ehegattin ausdrücklich das alleinige Eigentumsrecht des Herrn [Antragsgegner] an der Liegenschaft in *****, für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Festgehalten wird, dass die künftige Ehegattin beabsichtigt, sich am Ausbau dieses Hauses mit einem Betrag von S 800.000 ... aus eigenen Ersparnissen zu beteiligen.
Die künftige Ehegattin erklärt ausdrücklich auch aufgrund dieser finanziellen Beteiligung, keinerlei Ansprüche auf die gegenständliche Liegenschaft zu erheben, dies insbesondere nicht aus dem Titel der Bereicherung oder des Zugewinns.
Viertens: Für den Fall der Beendigung oder Auflösung der bestehenden Ehe aus welchem Grunde immer, mit Ausnahme des Todes und ohne Rücksicht auf ein Verschulden, vereinbaren die zukünftigen Ehegatten unter Bedachtnahme auf die gesetzlichen Vorschriften des Ehescheidungsrechtes folgende Vermögensaufteilung, die, soweit gesetzliche Aufteilungsvorschriften zwingend sind, für ein allenfalls späteres Aufteilungsverfahren als Vorschlag zu gelten hat, und zwar:
a) Jeder Eheteil bleibt Eigentümer des Vermögens, das im Zeitpunkt der Beendigung der Ehe in seinem Eigentum steht. Eventuelles Miteigentum an Vermögenswerten ist so weit als möglich real aufzuteilen, andernfalls ist es durch Überlassung nach Billigkeit an einen Ehegatten allein gegen eine angemessene Wertabfindung aufzulösen.
...
b) Was die Liegenschaft in *****, betrifft, so vereinbaren die Parteien, dass im Falle einer Auflösung oder Beendigung der bestehenden Ehe, aus welchem Grunde immer, mit Ausnahme des Todes und ohne Rücksicht auf ein Verschulden, aber auch im Falle eines Verkaufes dieser Liegenschaft, sich der künftige Ehegatte ... als alleiniger Eigentümer derselben verpflichtet, den Betrag von S 800.000 an seine künftige Ehegattin zurückzubezahlen, und zwar insoferne die Auflösung der Ehe bzw der Verkauf der Liegenschaft vor dem 31. Dezember 2003 erfolgt, in gleichen, zwischen dem Zeitpunkt der Auflösung der Ehe, bzw des Verkaufs der Liegenschaft und dem 31. Dezember 2003 aufeinanderfolgenden Raten, deren Höhe und jeweilige Fälligkeit bei Eintritt des oben erwähnten Anfallsereignisses zu vereinbaren ist.
Dieser Betrag von S 800.000,‑ ‑ wird nach dem Verbraucherpreisindex I des Österreichischen Statistischen Zentralamtes wertgesichert, ...
c) Hinsichtlich der ehelichen Ersparnisse vereinbaren die Vertragsteile gemäß § 97 Abs 1 ... Ehegesetz, dass auch diese im Eigentum desjenigen zu bleiben haben, in dessen Eigentum sie stehen, ohne dass eine Ausgleichszahlung hiefür zu leisten ist.
Darüber hinaus verzichtet die künftige Ehegattin ausdrücklich, Rechte, welcher Art immer, an dem Haus in *****, sowie an der in diesem Haus gelegenen ehelichen Wohnung geltend zu machen und erklärt im Falle der Auflösung oder Beendigung der Ehe, die gegenständliche Wohnung innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten zu räumen.
Im Hinblick auf die oben getroffenen Vereinbarungen verzichten die Brautleute daher wechselseitig auf den Anspruch der gerichtlichen Aufteilung gemäß §§ 81 bis 96 ... Ehegesetz.“
In ihrem am 8. September 2011 (fristgerecht) eingebrachten Aufteilungsantrag begehrte die Antragstellerin, den Antragsgegner zur Leistung einer angemessenen Ausgleichszahlung zu verpflichten. Die häusliche Gemeinschaft der Parteien sei im Juni 2006 aufgehoben worden. Die vom Antragsgegner eingebrachte, während aufrechter Ehe veräußerte und bis November 2007 in seinem Alleineigentum gestandene Ehewohnung werde von keiner der Parteien bewohnt. Während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft habe die Antragstellerin zusätzlich zu dem im Ehevertrag festgehaltenen Betrag von (umgerechnet) 58.140 EUR noch weitere 409.690 EUR investiert. Sie habe die Renovierung der Fassade, einen Hausanbau, ein Schwimmbad und ein Sonnensegel bezahlt und die Innenausstattung des Hauses aufwendig adaptieren lassen. Dazu kämen weitere kleine Aufwendungen für Möblierung und Gartengestaltung. Die Vermögensbildung, somit im Wesentlichen nur die wertsteigernden Investitionen in die Ehewohnung, sei zur Gänze durch Zuwendungen Dritter (Schenkungen und Erbschaft) erfolgt. Dieses der Antragstellerin geschenkte und vererbte Vermögen unterliege nach § 82 EheG nicht der Aufteilung und sei der Antragstellerin alleine zuzuordnen. Die dadurch erzielte Vermögensbildung sei angemessen abzugelten. Eine Realteilung des weiteren ehelichen Vermögens sei faktisch unmöglich, weil der Antragsgegner die Ehewohnung und auch die darin befindlichen Fahrnisse veräußert habe. Dem Antragsgegner sei aus dem Verkauf der Ehewohnung ein Nettoerlös von 934.057,60 EUR verblieben.
Der Antragsgegner wendete Unzulässigkeit des Rechtswegs ein. Die geltend gemachten Forderungen aus Investitionen der Antragstellerin in die Ehewohnung seien durch die 1991 geschlossene Vereinbarung geregelt worden und deshalb im streitigen Verfahren durchzusetzen. Auch in der Sache selbst verwies er auf die eingangs zum Teil wiedergegebene (in ihrem Text unstrittige) Vereinbarung, insbesondere auf die zeitliche Beschränkung seiner Rückzahlungsverpflichtung sowie den Ausschluss von Ansprüchen der Ehegattin in Ansehung der Ehewohnung.
Das Erstgericht sprach nach § 40a JN aus, dass die Rechtssache im außerstreitigen Verfahren zu behandeln und erledigen sei. Die Antragstellerin begehre nicht die Zuhaltung oder Durchsetzung der im Jahr 1991 geschlossenen Vereinbarung, sondern eindeutig die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse nach Billigkeit. Für die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs sei irrelevant, ob der Vertrag dahingehend ausgelegt werde, dass die Parteien eine umfassende Regelung über sämtliche eheliche Ersparnisse treffen oder nur Ansprüche der Antragstellerin in Ansehung der von ihr investierten 800.000 S ausschließen hätten wollen. Im ersten Fall wäre es nach § 97 Abs 2 EheG in der anzuwendenden Fassung des Familienrechtsänderungsgesetzes (FamRÄG) grundsätzlich möglich, aus Billigkeitserwägungen von der im Voraus geschlossenen Vereinbarung abzugehen. Sei keine umfassende Regelung der ehelichen Ersparnisse beabsichtigt gewesen, fehle eine Vorausvereinbarung. Die ehelichen Ersparnisse seien nach § 81 EheG Gegenstand der Aufteilung nach Billigkeit.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Nach Art 20 § 3 FamRÄG 2009 seien die §§ 82, 87, 97 und 98 EheG in der Fassung dieses Bundesgesetzes anzuwenden, wenn der verfahrenseinleitende Antrag ‑ wie hier ‑ nach dem 31. 12. 2009 bei Gericht eingebracht werde. Nicht erst nach § 97 Abs 1 EheG in der geltenden Fassung, sondern schon zuvor sei die Disponibilität des Anspruchs auf Aufteilung ehelicher Ersparnisse in Form eines Notariatsakts gegeben gewesen. Eine verfassungsrechtlich bedenkliche Rückwirkung durch das FamRÄG 2009 liege nicht vor. Eine rechtswirksame Regelung nach § 97 EheG schließe, soweit sie zulässigerweise reiche, eine Aufteilung nach den §§ 81 ff EheG grundsätzlich aus. Es sei aber denkbar, dass der in Punkt „Viertens“ der Vereinbarung erklärte Verzicht auf den Aufteilungsanspruch nicht auch für eine während der Ehe eintretende Werterhöhung der Ehewohnung gelten sollte, die auf über den in der Vereinbarung geregelten Umfang hinausgehende Investitionen der Antragsteller zurückgehe. Es sei erforderlich, den einvernehmlichen Parteiwillen im Sinn des § 914 ABGB über die Reichweite des Verzichts festzustellen. Soweit das Erstgericht für den Fall eines Verzichts auf den Aufteilungsanspruch ein Abgehen von der Vereinbarung im Sinn der nunmehr in § 97 Abs 2 bis 3 EheG vorgesehenen beschränkten Inhaltskontrolle in Betracht ziehe, sei schon jetzt darauf hinzuweisen, dass die Vereinbarungskontrolle von der Antragstellerin erst in der Eingabe vom 27. 1. 2012 und damit außerhalb der Jahresfrist des § 95 EheG geltend gemacht worden sei. Das Begehren auf eine inhaltliche Prüfung der Vorwegvereinbarung sei daher möglicherweise ‑ ungeachtet der verfassungsrechtlichen Problematik der Rückwirkungsanordnung des Art 20 § 3 FamRÄG 2009 ‑ verfristet. Dem Außerstreitrichter sei nur die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse übertragen, nicht aber eine Entscheidung über Ansprüche auf Durchsetzung zulässig getroffener Vereinbarungen. Diese seien im Klagsweg geltend zu machen. Das Verfahren außer Streitsachen sei also nicht zulässig, wenn nach dem für die Abgrenzung zwischen außerstreitigem und streitigem Verfahren maßgeblichen Wortlaut des Antrags und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen eine Leistung aus einer geschlossenen Vereinbarung begehrt werde. Hier behaupte die Antragstellerin bereits in ihrem verfahrenseinleitenden Antrag ausreichend konkret die Unvollständigkeit der Vorwegvereinbarung. Dies sei ein Vorbringen, das sachlich im Verfahren außer Streitsachen zu behandeln sei. Ergebe sich nach Auslegung der Vereinbarung nach dem maßgeblichen übereinstimmenden Parteiwillen, dass zwischen den Streitteilen eine umfassende Aufteilungsregelung getroffen worden sei, sei der Antrag mangels aufzuteilenden Vermögens abzuweisen. Liege eine zwar wirksame, aber wegen behaupteter Willensmängel oder Sittenwidrigkeit anfechtbare Vereinbarung vor, sei eine Aufteilung im außerstreitigen Verfahren erst nach Beseitigung der Vereinbarung im streitigen Verfahren möglich.
Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist entgegen dem nach § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach § 97 Abs 1 EheG in der Fassung vor dem Familienrechtsänderungsgesetz (FamRÄG 2009), BGBl I 2009/75, konnte auf den Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens nach den §§ 81 bis 96 EheG im Voraus nicht rechtswirksam verzichtet werden (Satz 1). Verträge, die die Aufteilung ehelicher Ersparnisse im Voraus regelten, bedurften zu ihrer Rechtswirksamkeit der Form eines Notariatsakts (Satz 2).
Abs 1 galt nicht für Vereinbarungen, die die Ehegatten im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigkerklärung der Ehe für die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse schlossen (Abs 2 leg cit).
2. Das FamRÄG 2009 gab § 97 EheG folgende Fassung:
(1) Vereinbarungen, die im Voraus die Aufteilung ehelicher Ersparnisse oder die Aufteilung der Ehewohnung regeln, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Form eines Notariatsaktes. Vereinbarungen die im Voraus die Aufteilung des übrigen ehelichen Gebrauchsvermögens regeln, bedürfen der Schriftform.
(2) Von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung über die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens mit Ausnahme der Ehewohnung kann das Gericht bei der Aufteilung nur abweichen, soweit die Vereinbarung in einer Gesamtbetrachtung des in die Aufteilung einzubeziehenden Vermögens im Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung einen Teil unbillig benachteiligt, sodass ihm die Zuhaltung unzumutbar ist.
(3) Von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung über die Nutzung der Ehewohnung durch einen Ehegatten kann das Gericht bei der Aufteilung nur abweichen, soweit der andere Ehegatte oder ein gemeinsames Kind seine Lebensbedürfnisse nicht hinreichend decken kann oder eine deutliche Verschlechterung seiner Lebensverhältnisse hinnehmen müsste.
(4) Weicht das Gericht von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung ab, ist insbesondere auf die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse, die Dauer der Ehe sowie darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit der Vereinbarung eine rechtliche Beratung vorangegangen ist und in welcher Form sie geschlossen wurde.
(5) Die Abs. 1 bis 4 gelten nicht für solche Vereinbarungen, die die Ehegatten im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe geschlossen haben.
3. Ein Zusammenhang mit einem Verfahren im Sinn des § 97 Abs 2 EheG aF bzw Abs 5 leg cit nF ist hier nicht gegeben. Die aus dem Jahr 1991 stammende Vereinbarung war vor Eheschließung geschlossen worden. Dass die Wirksamkeit von in diesem Stadium geschlossenen Vereinbarungen nach § 97 Abs 1 EheG aF zu beurteilen war, hat der Oberste Gerichtshof bereits bejaht (7 Ob 60/10i = iFamZ 2011, 92 [Deixler ‑ Hübner]; vgl 5 Ob 173/06m = FamZ 2007/46, 89, zur Wirksamkeit eines vor Eheschließung in Notariatsaktform vereinbarten wechselseitigen Verzichts auf die Aufteilung ehelicher Ersparnisse).
4. Nach Art 18 § 3 FamRÄG 2009 sind die §§ 82, 87, 97 und 98 EheG in ihrer neuen Fassung anzuwenden, wenn der verfahrenseinleitende Antrag oder die Klage nach dem 31. 12. 2009 bei Gericht eingebracht wurde. Nach Art 18 § 4 FamRÄG 2009 sind auf vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossene Ehepakte die bisher geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Diese Regelung betrifft lediglich Ehepakte im Sinn der §§ 1217 ff ABGB und ist daher auf die Neuregelung des § 97 EheG nicht anzuwenden (Gitschthaler, Die neuen Vorwegvereinbarungen nach dem FamRÄG 2009, EF‑Z 2010/5, 9 [14]).
5. Übereinstimmend und von den Parteien nicht bezweifelt gehen die Vorinstanzen vom Vorliegen einer Vereinbarung im Sinn des § 97 Abs 1 EheG aus (soweit sie sich auf die nacheheliche Vermögensaufteilung bezieht). Eine Qualifikation der gesamten Vereinbarung als von Art 18 § 4 FamRÄG 2009 erfasster Ehepakt wäre auch nicht gerechtfertigt: Schon im ersten Punkt der Vereinbarung hielten die Parteien ausdrücklich ihren Willen fest, den gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung unverändert aufrecht zu erhalten. Für einen Ehepakt im Sinne des § 1217 ABGB wären aber Regelungen charakteristisch, die den gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung ändern oder modifizieren (vgl 7 Ob 561/95 = SZ 68/198; vgl Deixler ‑ Hübner, Ehevertrag2, 64; vgl M. Bydlinski in Rummel 3 § 1217 ABGB [aF] Rz 2).
6. Die im Notariatsakt für den Fall der (hier relevanten) Scheidung der Ehe getroffenen Regelungen über die Ehewohnung und die ehelichen Ersparnisse sind zu den Vereinbarungen zu zählen, welche im Schrifttum zu § 97 EheG nF teils als Vorausvereinbarungen (beispielsweise Schwimann, Neues Recht für Vereinbarungen über nacheheliche Vermögensaufteilung, Zak 2009/530, 323; Hopf, Neues im Ehe‑ und Kindschaftsrecht, Änderungen des ABGB und des EheG durch das FamRÄG 2009, ÖJZ 2010/19, 154 [159]) oder als Vorwegvereinbarungen (so Gitschthaler aaO 9; Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR [2011] § 97 EheG Rz 4) bezeichnet werden. Im Folgenden wird nur mehr der Begriff Vorausvereinbarung verwendet, soweit es um eine Vereinbarung im Sinn des (hier relevanten) § 97 Abs 1 EheG alte und neue Fassung geht.
7. Die von manchen Autoren geäußerten, jedoch nicht näher begründeten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die bereits zitierte Übergangsregelung, nach der § 97 EheG in der Fassung des FamRÄG 2009 auch auf „alte“ Vorausvereinbarungen anzuwenden sei (Schwimann aaO; differenzierend zwischen zulässigen und nach dem Gleicheitsgrundsatz unzulässigen Vorausvereinbarungen: Gitschthaler aaO 14 ff; ebenso Hopf aaO 163) teilt der erkennende Senat nicht:
8. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (G 42/02 = VfSlg 16.689 mwN) sind rückwirkende Gesetzesänderungen, die die Rechtsposition der Rechtsunterworfenen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern, im Lichte des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebots nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit solcher Gesetzesveränderungen sind die Gravität des Eingriffs sowie das Gewicht der für diesen Eingriff sprechenden Gründe maßgeblich.
9. Die neue Rechtslage ermöglicht zwar dem Außerstreitrichter, Vorausvereinbarungen unter den in § 97 Abs 2 und 3 EheG nF geregelten Voraussetzungen zu überprüfen und von ihnen abzuweichen, was nach der alten Rechtslage für zulässige Vorausvereinbarungen über eheliche Ersparnisse nicht galt. Diese nach § 97 Abs 1 EheG aF rechtswirksam geschlossenen Vereinbarungen waren für das Außerstreitgericht bindend und schlossen (soweit sie reichten) nach Rechtsauffassung eine Aufteilung nach den §§ 81 ff EheG aus (6 Ob 137/99m = SZ 73/59; 7 Ob 47/99h mwN; Koch in KBB3 § 97 EheG Rz 6; Deixler‑Hübner aaO Rz 29). Im Schrifttum wird die bindende Wirkung von Vorausvereinbarungen auch als „komplette Verdrängung der richterlichen Aufteilungskompetenz“ bezeichnet (Schwimann aaO 323; fast wortgleich Gitschthaler aaO 10). Eine absolute Bestandgarantie kam diesen nach der alten Rechtslage zulässigen Vereinbarungen dennoch nicht zu, konnten sie doch wegen einer zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vorliegenden Sittenwidrigkeit im Sinn des § 879 ABGB (vgl 5 Ob 173/06m) oder wegen des Vorliegens von Willensmängeln (7 Ob 47/99h = RIS‑Justiz RS0113791 mwN) beseitigt werden. Dass der Gesetzgeber mit § 97 Abs 2 EheG nF, der bei der Beurteilung einer unbilligen, einem Teil die Zuhaltung der Vereinbarung unzumutbar machenden Vereinbarung auf das im Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung vorhandene, in die Aufteilungsmasse einzubeziehende Vermögen abstellt, eine Umstandsklausel für Aufteilungsvereinbarungen einführte (Deixler‑Hübner aaO Rz 12; Gitschthaler, aaO 12 f), bedeutet eine erhebliche Verbesserung für den „schwächeren“ Ehegatten (Gitschthaler aaO 13). Eine Umstandsklausel ist grundsätzlich ein aus an einem anderen Bereich des Familienrechts (Unterhaltsrecht) bekanntes Instrument, um zukünftigen Entwicklungen Rechnung zu tragen und eine Versteinerung der zum Zeitpunkt des Abschlusses einer Vereinbarung bestehenden Verhältnisse zu verhindern. Die neue Regelung erweitert zudem den Gestaltungsspielraum von Ehegatten insofern, als sie Vorausvereinbarungen auch für die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens zulässt. Nach alter Rechtslage unzulässige Vereinbarungen sind nunmehr wirksam, wenn sie den Voraussetzungen des § 97 Abs 1 EheG nF entsprechen. Einen unausgewogenen, die Rechtsposition der Ehegatten jedenfalls verschlechternden Eingriff bewirkte die bereits zitierte § 97 EheG betreffende Übergangsbestimmung nach Ansicht des erkennenden Senats nicht.
10. Der Aufteilungsantrag wurde nach dem 31. 12. 2009 eingebracht. Die Vorinstanzen sind daher zutreffend davon ausgegangen, dass § 97 EheG in der Fassung des FamRÄG 2009 für die hier zwischen den Parteien geschlossene „alte“ Vorausvereinbarung gilt. Diese wurde im Sinn des § 97 Abs 1 EheG nF rechtswirksam geschlossen. Zu prüfen bleibt, ob sich die neue Rechtslage auf die Beurteilung der Frage auswirkt, in welcher Verfahrensart der Rechtsschutzantrag der Antragstellerin zu behandeln ist.
11. Die Abgrenzung zwischen streitigem und außerstreitigem Rechtsweg bestimmt sich nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen (stRsp RIS‑Justiz RS0013639; RS0005861). An diesem Grundsatz hat die Neufassung der (materiell‑rechtlichen) Bestimmungen über die nacheheliche Aufteilung durch das Familienrechtsänderungsgesetz 2009 nichts geändert.
12. In ihrem Aufteilungsantrag begehrt die Antragstellerin ausschließlich die Festsetzung einer angemessenen Ausgleichszahlung, weil sie wesentlich mehr als die in der 1991 geschlossenen Vereinbarung genannten 800.000 S in die Renovierung und den Ausbau der Ehewohnung investiert hätte. Die Vermögensbildung während der aufrechten Lebensgemeinschaft sei „im Wesentlichen nur“ durch diese wertsteigernden Investitionen erfolgt. Aus dem Verkauf der Liegenschaft sei dem Antragsgegner ein Nettoerlös von über 900.000 EUR verblieben. Nicht Gegenstand ihres Antrags ist das (nicht mehr dem Antragsgegner zustehende) Eigentum an der Ehewohnung oder deren Nutzung. Die Ehewohnung wäre ohnehin nach dem Vorbringen der Antragstellerin gemäß § 82 Abs 2 EheG nF unabhängig von der Tatsache des Verkaufs nicht in die Aufteilung einzubeziehen gewesen. Weder wurde eine Vereinbarung über ihre Einbeziehung getroffen, noch ein Bedarf der Antragstellerin oder der gemeinsamen Kinder an der Weiterbenutzung im Sinn des § 82 Abs 2 Satz 1 EheG nF behauptet. Es geht also um die Aufteilung behaupteter werterhöhender Investitionen in eine nicht der Aufteilung unterliegende Sache als eheliche Ersparnis.
13. Im Sinn der bisherigen Judikatur (RIS‑Justiz RS0008518 zu § 97 EheG aF) sind Ansprüche auf Einhaltung von nach § 97 EheG nF zulässig geschlossenen Vereinbarungen im streitigen Rechtsweg durchzusetzen. Die Ausführungen im Aufteilungsantrag zielen hier aber gerade nicht auf die Durchsetzung der Vorausvereinbarung, die den Antragsgegner unter konkreten Bedingungen zur Rückzahlung der (von der Antragstellerin zu investierenden) 800.000 S verpflichtete und (auch) einen wechselseitigen Verzicht auf Ausgleichszahlungen enthielt. Einen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung auf ihrer Seite gegebenen Willensmangel deutet die Antragstellerin in ihrem Aufteilungsantrag nicht einmal an, weshalb sich in diesem Punkt die Frage, in welcher Verfahrensart ein Ehegatte eine Vorausvereinbarung anfechten kann, nicht stellt.
14. Nach dem in § 85 EheG, den das FamRÄG 2009 nicht änderte, verankerten Subsidiaritätsgrundsatz (vgl Schwimann aaO; vgl Deixler‑Hübner aaO § 85 EheG Rz 1) gibt der Gesetzgeber der Einigung zwischen den Ehegatten den Vorrang vor der Entscheidung des Außerstreitrichters (vgl RIS-Justiz RS0046057). Nach § 97 Abs 1 EheG aF zulässig geschlossene Vereinbarungen waren für das Außerstreitgericht bindend; ihre nachträgliche Anpassung mit den Mitteln des Außerstreitverfahrens war ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0046057 [T2]). Das FamRÄG 2009 schränkte den Subsidiaritätsgrundsatz ein, indem es dem Außerstreitrichter ermöglicht, von Vorausvereinbarungen bei Vorliegen der in § 97 Abs 2 und 3 EheG nF geregelten Voraussetzungen abzuweichen.
15. Da in diesem Fall weder das Eigentum an der Ehewohnung noch deren Nutzung Gegenstand des Aufteilungsantrags ist, käme die Anwendung des § 97 Abs 2 EheG nF in Betracht. Danach kann der Außerstreitrichter eine Vorausvereinbarung kontrollieren und korrigieren, wenn sie in einer Gesamtbetrachtung des in die Aufteilung einzubeziehenden Vermögens im Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung einen Teil unbillig benachteiligt, sodass ihm die Zuhaltung unzumutbar ist. Diese „unbillige Unzumutbarkeit“ liegt nach den Vorstellungen des Gesetzgebers vor, wenn die Vereinbarung die Ziele der Aufteilung des ehelichen Vermögens vorweg unterläuft und dem benachteiligten Ehegatten keinen angemessenen Anteil am gemeinsamen Vermögen sichert, sondern ihn mehr oder weniger mit Almosen abfertigt (Hopf aaO 161; Gitschthaler aaO 12; vgl Schwimann aaO 324, jeweils unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien). Sie muss zum Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung vorliegen: Ob sie bei Abschluss der Vereinbarung gegeben war oder erst nachträglich eintrat, macht keinen Unterschied (Hopf aaO mwN; vgl Deixler‑Hübner aaO § 97 EheG Rz 12).
16. Das Verhältnis der Unbilligkeit im Sinn des § 97 Abs 2 EheG nF zu der (ursprünglichen) Sittenwidrigkeit der Vereinbarung im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB, das bei der Abgrenzung des streitigen zum außerstreitigen Verfahren Probleme bereiten könnte, wird im Schrifttum unterschiedlich gesehen. Nach Meinung Deixler‑Hübners (aaO § 97 EheG Rz 11) und Pesendorfers (Das Familienrechts‑Änderungsgesetz 2009: Änderungen im Eherecht, Ehegüterrecht, Vorwegvereinbarungen über eheliches Vermögen, Scheidungsberatung, iFamZ 2009, 261 [264]) muss die Schwelle der Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs 1 ABGB nicht erreicht werden. Schwimann (aaO 324) sieht eine offensichtliche Ähnlichkeit zum Tatbestand der Sittenwidrigkeit. Nach Gitschthaler (aaO 12 und in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 97 EheG Rz 14) entspricht die Unbilligkeit und Unzumutbarkeit im Sinn des § 97 Abs 2 EheG nF dem Sittenwidrigkeitsvorbehalt des § 879 Abs 1 ABGB.
17. Es ist zu bezweifeln, dass nach dem Vorbringen einer Partei in ihrem verfahrenseinleitenden Schriftsatz in jedem Fall eindeutig beurteilt werden kann, ob die Vorausvereinbarung von Anfang an sittenwidrig im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB gewesen sein soll. Die nacheheliche Vermögensauseinandersetzung im Sinn der §§ 81 ff EheG ist eine Streitigkeit, die grundsätzlich im Außerstreitverfahren zu erledigen ist (Fucik/Kloiber, AußStrG § 1 Rz 2; 1 Ob 160/12d mwN). Im Zweifel gehört sie ins außerstreitige Verfahren (Deixler‑Hübner aaO § 85 EheG Rz 11 mwN). Aufgrund des Vorzugs bzw Vorrangs (RIS‑Justiz RS0111605) des außerstreitigen Verfahrens für diese Angelegenheiten sollten Auseinandersetzungen über die (angebliche, schon zum Zeitpunkt ihres Abschlusses vorgelegene) Sittenwidrigkeit von Vorausvereinbarungen, die den Grad des § 879 Abs 1 ABGB erreicht, in diesem Verfahren erfolgen, zumal der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 97 Abs 2 EheG eine Art „Anfechtbarkeit“ (vgl Schwimann aaO 324) derartiger im Sinn des § 97 Abs 1 EheG zulässig geschlossener Verträge eingeführt hat, die auch eine Teilanpassung der Vereinbarung statt ihrer vollständigen Beseitigung zulässt (Schwimann aaO mit Hinweis auf die Materialien).
18. Will ein Ehegatte trotz zulässiger Vorausvereinbarung die Vereinbarungskontrolle nach § 97 Abs 2 bis 4 EheG im Aufteilungsverfahren erreichen, muss er die Voraussetzungen dafür allerdings konkret darlegen. Dabei wird aber nicht zu fordern sein, dass er ausdrücklich die gesetzliche Bestimmung nennt, die ein Abweichen von der Vereinbarung ermöglichen soll. Maßgeblich ist sein Tatsachenvorbringen.
19. Das Vorbringen der Antragstellerin in ihrem Aufteilungsantrag ist für die Geltendmachung der Inhaltskontrolle im Sinn des § 97 Abs 2 EheG nF als ausreichend konkret anzusehen. Der Vergleich des in der Vereinbarung geregelten „Investitionsausgleichs“ von 800.000 S (rund 58.138 EUR) mit dem Betrag von über 400.000 EUR, den sie zusätzlich investiert haben will und der den wesentlichen Beitrag zur Bildung des Vermögens während der ehelichen Lebensgemeinschaft geleistet haben soll, bringt in Verbindung mit dem Hinweis auf den dem Antragsgegner allein zugekommenen Erlös aus dem Verkauf der früheren Ehewohnung (über 900.000 EUR) hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Antragstellerin es als unzumutbare Unbilligkeit empfände, wenn sie entsprechend der Vorausvereinbarung nichts erhielte. Damit können die Überlegungen des Rekursgerichts zu einer Verfristung der Geltendmachung der Inhaltskontrolle auf sich beruhen. Ob die Vereinbarung aufgrund (umfassender) Verzichtserklärungen der Antragstellerin schon von Anfang an als sittenwidrig im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB einzustufen wäre, ist für die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs nach der neuen Rechtslage nicht relevant (s oben 17.).
20. Wie bereits das Erstgericht richtig erkannte, sind Fragen im Zusammenhang mit der Inhaltskontrolle nach § 97 Abs 2 EheG nF aber erst zu beantworten, wenn die Reichweite der Vorausvereinbarung geklärt ist. Vorausvereinbarungen unterliegen als schuldrechtliche Verträge (7 Ob 47/99h; 7 Ob 26/04f) den allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 914 f ABGB. Der in der Vereinbarung festgehaltene wechselseitige Verzicht auf die Aufteilung nach den §§ 81 ‑ 96 EheG wäre als Verzicht auf die Einleitung eines Aufteilungsverfahrens wegen der aus Art 6 Abs 1 EMRK abzuleitenden generellen Unzulässigkeit eines Rechtsschutzverzichtsvertrags („pactum de non petendo“) unwirksam (vgl zu derartigen Verzichtserklärungen im Scheidungsfolgenvergleich: RIS‑Justiz RS0057588; zuletzt 5 Ob 43/07w mwN). Wäre er hingegen als Verzicht auf den materiellen Aufteilungsanspruch (vgl dazu Deixler‑Hübner aaO § 85 EheG Rz 9 sowie Gitschthaler in Schwimann/Kodek aaO Rz 9 mwN), zu interpretieren, wäre seine Reichweite als Frage der (strittigen) Auslegung der Vorausvereinbarung im außerstreitigen Aufteilungsverfahren inhaltlich zu prüfen. Das gilt auch für jene vertragliche Regelungen, in denen beide Vertragsparteien jeweils auf die Leistung von Ausgleichszahlungen sowie die Antragstellerin auf sämtliche Ansprüche in Ansehung der (früheren) Ehewohnung verzichteten (vgl zu § 97 Abs 1 EheG aF: 6 Ob 137/99m).
21. Wie schon die Vorinstanzen erkannten, ist demnach über den Rechtsschutzantrag der Antragstellerin im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden.
22. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG.
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