Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird teils bestätigt und teils dahin abgeändert, dass er insgesamt wie folgt lautet:
„Einstweilige Verfügung:
Zur Sicherung des Anspruchs auf Unterlassung irreführender Geschäftspraktiken wird der Beklagten ab sofort bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreits über die Unterlassungsklage verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das kosmetische Produkt 'BOTOINA 1000 - Kutane Applikation' unter der Bezeichnung „Botoina" oder einer ähnlichen Bezeichnung mit der blickfangartigen Darstellung eines spritzenartigen 'Applikators' zu bewerben.
Das Mehrbegehren, der Beklagten zu untersagen, kosmetische Produkte zur Behandlung von Hautfalten, wie insbesondere Gesichts- und Hautcremes, die mit einem Zeichen gekennzeichnet sind, das der Gemeinschaftswortmarke 'BOTOX', CTM 3.700.317, und/oder der Gemeinschaftswortbildmarke 'BOTOX', CTM 2.015.832, und/oder der Gemeinschaftswortbildmarke 'BOTOX Botulinumtoxin Type A Purified Neurotoxin Complex', CTM 1.923.986, und/oder der Gemeinschaftswortbildmarke 'It's not magic, it's BOTOX', CTM 2.575.371, und/oder der österreichischen Wortmarke 'BOTOX', AT 138.083, gleicht oder zu diesen Marken verwechslungsfähig ähnlich ist, und zwar insbesondere das kosmetische Produkt 'BOTOINA 1000 - Kutane Applikation', selbst oder durch Dritte feilzuhalten, anzubieten, zu vertreiben oder auf sonstige Weise in Verkehr zu setzen, wird abgewiesen."
Die klagende Partei hat die Hälfte ihrer Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig und die andere Hälfte dieser Kosten endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen einen mit 2.417,30 EUR (darin 402,88 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Anteil an den Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin erzeugt ein Arzneimittel, das in der kosmetischen Medizin zur Faltenglättung eingesetzt wird. Wesentlicher Bestandteil ist der Wirkstoff Botulinumtoxin A, der als Nervengift die Erregungsübertragung von den Nervenzellen zum Muskel hemmt. Das Arzneimittel wird subkutan (unter die Haut) injiziert, was die Kontraktion des Muskels schwächt und dadurch zur Glättung mimisch bedingter Falten führt. Die Anwendung ist Ärzten vorbehalten.
Die Klägerin bezeichnet dieses Produkt mit „BOTOX®" (als Abkürzung für Botulinumtoxin A). Sie verfügt über mehrere in Österreich wirksame Marken, die den Bestandteil „BOTOX" enthalten. Die Gemeinschaftswortmarke „BOTOX" ist aufgrund einer Anmeldung vom 8. März 2004 in der Warenklasse 3 für „Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Gesichtscremes und -lotionen sowie Hautcremes und -lotionen" eingetragen, weitere Gemeinschaftswortbildmarken mit dem Wortanteil „BOTOX" sind in der Warenklasse 5 für bestimmte pharmazeutische Produkte, insbesondere zur Behandlung von Falten, registriert. Die österreichische Wortmarke „BOTOX" ist für pharmazeutische Präparate für die therapeutische Behandlung von „neurologischen Störungen und Muskeldystonien" eingetragen.
Das als „BOTOX®" bezeichnete Produkt der Klägerin ist in Österreich arzneimittelrechtlich nur für (andere) therapeutische Zwecke zugelassen. Ein den Wirkstoff Botulinumtoxin A enthaltendes Mittel zur Faltenglättung ist hier unter einer anderen Marke im Handel.
Die Beklagte vertreibt in Österreich über Apotheken ein mit „BOTOINA 1000 [- kutane Applikation]" bezeichnetes kosmetisches Produkt zum Entspannen von Mimikfalten, das den Wirkstoff Botulinumtoxin A nicht enthält. Es wird mit einem „Präzisionsapplikator" oberflächlich in die Falten eingebracht und dann einmassiert. Der „Applikator" gleicht optisch und funktional einer Mehrwegspritze, das Ende der Kanüle ist jedoch stumpf und gebogen. Auf der Website der Beklagten und auf der Rückseite der Packung wird der Applikator blickfangartig herausgestellt. Auf der Packungsrückseite und im Beipacktext findet sich hervorgehoben der Hinweis: „Nur zur äußeren Anwendung. Nicht einspritzen." Weiters wird auf der Packungsrückseite auf das stumpfe Ende der Kanüle hingewiesen und die Bedienung des Applikators erläutert.
Die Klägerin beantragt, der Beklagten zu untersagen,
(a) kosmetische Produkte zur Behandlung von Hautfalten, wie insbesondere Gesichts- und Hautcremes, die mit einem Zeichen gekennzeichnet sind, das der Gemeinschaftswortmarke „BOTOX" [und/oder den anderen Marken] gleicht oder zu diesen Marken verwechslungsfähig ähnlich ist, und zwar insbesondere das kosmetische Produkt „BOTOINA 1000 - Kutane Applikation", selbst oder durch Dritte feilzuhalten, anzubieten, zu vertreiben oder auf sonstige Weise in Verkehr zu setzen;
(b) zu Zwecken des Wettbewerbs das kosmetische Produkt „BOTOINA 1000 - Kutane Applikation" blickfangartig mit einem spritzenartigen Applikator, insbesondere wie auf Beilage ./S abgebildet, zu bewerben.
Markenrechtlich stützt sich die Klägerin auf den Schutz der bekannten Marke und auf zumindest mittelbare Verwechslungsgefahr. Die Marke „BOTOX" sei dem Publikum in hohem Maße bekannt; die Bezeichnung „BOTOINA" nutze diese Bekanntheit in irreführender Weise aus, da das damit bezeichnete Produkt den Wirkstoff „Botox" nicht enthalte. Verwechslungsgefahr bestehe, weil Warenidentität (Klasse 3) bzw Warenähnlichkeit (Klasse 5) vorliege und die Zeichen ähnlich seien. Der gemeinsame Wortstamm „Boto" begründe zumindest mittelbare Verwechslungsgefahr. Aus lauterkeitsrechtlicher Sicht liege Irreführungseignung vor, weil die angesprochenen Kreise aufgrund der Abbildung des Applikators annähmen, dass sie das Produkt der Beklagten selbst injizieren und damit eine dem Produkt der Klägerin vergleichbare Wirkung herbeiführen könnten. Weiters werde ihnen suggeriert, dass sie diese Wirkung auch ohne Injektion erzielen könnten. Damit rufe die Beklagte den irreführenden Eindruck hervor, ihr Produkt sei „BOTOX für den Hausgebrauch".
Die Beklagte wendet ein, dass der Begriff „Botox" als Gattungsbezeichnung verstanden werde. Aus dessen Bekanntheit könne daher nicht geschlossen werden, dass die Marken der Klägerin bekannt iSv § 10 Abs 2 MSchG bzw Art 9 Abs 1 lit c GMV seien; vielmehr handle es sich dabei um schwache Zeichen. Verwechslungsgefahr liege angesichts der Unterschiede in Wortklang, Wortbild und Wortsinn nicht vor. Zudem könne sich die Klägerin auf die Marke „BOTOX" im gegebenen Zusammenhang nicht stützen, weil das Inverkehrbringen damit bezeichneter kosmetischer Produkte in Österreich gegen § 6 Abs 4 AMG verstieße. Diesen Umstand könne die Beklagte auch einredeweise geltend machen. Die Produktgestaltung sei nicht zur Irreführung geeignet, weil kein maßstabgerechter Verbraucher annehme, dass der abgebildete Applikator tatsächlich zur subkutanen Injektion des Produkts verwendet würde.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Der Begriff „Botox" sei als Bezeichnung eines subkutan zu spritzenden Wirkstoffs für die Faltenbehandlung bekannt. Dieser Wirkstoff werde zwar in Österreich unter einer anderen Marke vertrieben. Die Marke „BOTOX" sei daher ein „falscher Produktname", der sich aber „jedenfalls" auf die Produkte der Klägerin beziehe. Daher sei die Bekanntheit des Begriffs „Botox" auch den Marken der Klägerin zuzurechnen. Diese genössen daher den Schutz der bekannten Marke nach § 10 Abs 2 MSchG bzw Art 9 Abs 1 lit c GMV. Zudem bestehe zumindest mittelbare Verwechslungsgefahr. Die Irreführungseignung sei ebenfalls zu bejahen. Die Abbildung des Applikators erwecke den unrichtigen Eindruck, beim Produkt der Klägerin handle es sich um eine harmlosere, gewissermaßen zur „Heimanwendung" geeignete Variante von Botox.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Markenrechtliche Ansprüche der Klägerin könnten am ehesten aufgrund der Gemeinschaftswortmarke „BOTOX" bestehen, die für identische Waren geschützt sei. Es handle sich dabei aber um keine bekannte Marke iSv Art 9 Abs 1 lit c GMV bzw § 10 Abs 2 MSchG. Denn die Bezeichnung „Botox" werde in Österreich in erster Linie als Synonym für den Wirkstoff Botulinumtoxin A verstanden. Die Bekanntheit dieses Begriffs beziehe sich daher nicht auf dessen Verwendung als Unternehmenskennzeichen. Es bestehe auch keine Verwechslungsgefahr. Die Marke der Klägerin werde sowohl auf der ersten als auch auf der kurz und hart gesprochenen zweiten Silbe „tox" betont. Demgegenüber weise das Zeichen der Beklagten zwei Silben mehr auf, wobei die Betonung auf dem lang gesprochenen Vokal „i" im Wortinneren liege, auf den mit dem Vokal „a" eine weiche Endung folge. Der Wortklang sei daher nicht verwechselbar. Gleiches gelte wegen der unterschiedlichen Buchstabenzahl und des markanten Buchstabens „x" am Ende der Klagsmarke für das Wortbild. Auch der Wortsinn sei verschieden, da die Marke der Klägerin als Synonym für den Wirkstoff aufgefasst werde, während das Zeichen der Beklagten ein Phantasiebegriff sei. Es bestehe auch keine mittelbare Verwechslungsgefahr. Aus der Übereinstimmung der ersten vier Buchstaben folge nicht zwangsläufig, dass das Publikum diese Buchstabenfolge als gemeinsamen Wortstamm auffasse. Vielmehr werde die Marke der Klägerin als Ganzes - und zwar als Hinweis auf den Wirkstoff - wahrgenommen, während das Zeichen der Beklagten nur eine Anlehnung daran erkennen lasse. Markenrechtliche Ansprüche bestünden daher nicht.
In der Abbildung des „Präzisionsapplikators" liege keine irreführende Geschäftspraktik. Ein maßstabgerechter Verbraucher werde wegen des stumpfen Endes der Kanüle, auf das die Beklagte ausdrücklich hinweise, zweifellos erkennen, dass es sich um keine Injektionsnadel handle. Damit werde ein solcher Verbraucher auch nicht annehmen, das Produkt der Beklagten entfalte dieselbe Wirkung wie ein ärztlich zu injizierendes Nervengift.
Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Fall der „begrifflichen Mehrgleisigkeit" („Botox" als Marke und als Synonym für einen Wirkstoff) fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund, aber auch deswegen zulässig, weil das Rekursgericht bei der Beurteilung der Irreführungseignung seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat. Er ist aber nur teilweise berechtigt:
A. Zum markenrechtlichen Anspruch
1. Das Rekursgericht hat richtig erkannt, dass die Gemeinschaftswortmarke „BOTOX", die für „Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Gesichtscremes und -lotionen sowie Hautcremes und -lotionen" registriert ist, wegen der bei diesem Schutzbereich anzunehmenden Warenidentität die markenrechtlichen Ansprüche der Klägerin am ehesten tragen kann. Die anderen in der Klage genannten Marken sind nur für pharmazeutische Präparate registriert, sodass lediglich Warenähnlichkeit vorliegt. Zudem handelt es sich dabei in der Mehrzahl um Wortbildmarken, bei denen sich die Zeichenähnlichkeit von vornherein auf den Wortbestandteil beschränkt. Scheitern daher markenrechtliche Ansprüche bei der Wortmarke „BOTOX", dann um so mehr bei den anderen Marken der Klägerin.
2. Die Gemeinschaftswortmarke „BOTOX" ist für Waren, die den Wirkstoff Botulinumtoxin A nicht enthalten, nicht beschreibend iSv Art 7 Abs 1 lit c GMV. Allerdings könnte die Nutzung dieser Marke für Produkte, die keine Arzneimittel sind und daher den Wirkstoff Botulinumtoxin A aus arzneimittelrechtlichen Gründen nicht enthalten dürfen, zur Täuschung des Publikums über die Beschaffenheit der Ware geeignet sein. Trifft das zu, könnte bei der Wortmarke „BOTOX" für die Warenklasse 3 das Eintragungshindernis nach Art 7 Abs 1 lit g GMV verwirklicht sein. Diese Problematik ist jedoch im vorliegenden Verfahren nicht weiter zu prüfen, da nach Art 95 Abs 1 GMV von der Rechtsgültigkeit der Wortmarke auszugehen ist (4 Ob 239/04g = SZ 2004/173 - Goldhase; RIS-Justiz RS0119658).
Diese Ansicht liegt - entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung - auch der angefochtenen Entscheidung zugrunde. Denn das Rekursgericht hat die Gemeinschaftsmarke „BOTOX" nicht - auch nicht im Ergebnis - als schutzunfähig betrachtet. Es hat lediglich bei der Ähnlichkeitsprüfung und bei der Beurteilung der Ansprüche nach Art 9 Abs 1 lit c GMV die originäre und die durch Benutzung erworbene Kennzeichnungskraft dieser Marke geprüft. Das ist selbstverständlich auch bei Gemeinschaftsmarken zulässig (vgl 17 Ob 16/07p = ÖBl 2008, 40 [Rungg/Albiez] - KitKat).
3. Auf den besonderen Schutz der bekannten Marke nach Art 9 Abs 1 lit c GMV kann sich die Klägerin nicht berufen.
3.1. Nach Art 9 Abs 1 lit c GMV kann der Markeninhaber Dritten verbieten, „ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Gemeinschaft bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt". Diese Bestimmung ist aufgrund eines Größenschlusses auch dann anzuwenden, wenn der Dritte das Zeichen für Waren oder Dienstleistungen benutzt, die mit den Waren oder Dienstleistungen, die von der eingetragenen Marke erfasst werden, identisch oder ihnen ähnlich sind (EuGH C-292/00 = ÖBl 2003, 198 - Zino Davidoff II; RIS-Justiz RS0120364).
3.2. Im vorliegenden Fall ist der Begriff „Botox" in den angesprochenen Kreisen zweifellos bekannt. Allerdings wird er, wie das Rekursgericht mit feststellendem Charakter ausführt, zumindest zum weit überwiegenden Teil als Hinweis auf den Wirkstoff Botulinumtoxin A und die damit vorgenommene Faltenbehandlung verstanden.
Diese Bekanntheit kann den Schutz nach Art 9 Abs 1 lit c GMV (§ 10 Abs 2 MSchG, Art 5 Abs 2 MarkenRL) nicht begründen. Denn diese Regelungen haben den Zweck, die durch die Bekanntheit erhöhte Unterscheidungskraft oder Wertschätzung einer Marke zu schützen (EuGH C-292/00 - Zino Davidoff II, Rz 21). Die Bekanntheit des markenrechtlich geschützten Begriffs kann jedoch nur dann zu einer gesteigerten Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der Marke führen, wenn das Publikum den Begriff tatsächlich als Herkunftshinweis versteht. Nimmt das Publikum hingegen an, dass der markenrechtlich geschützte Begriff nur einen Wirkstoff oder eine Behandlungsmethode bezeichne, so ist ein besonderer Ruf der Marke nicht vorhanden; ein solcher Ruf kann daher auch nicht ausgebeutet oder beeinträchtigt werden. Daher folgt aus dem Regelungszweck, dass sich schon das Tatbestandsmerkmal der Bekanntheit in Art 9 Abs 1 lit c GMV (§ 10 Abs 2 MSchG) nicht bloß auf den markenrechtlich geschützten Begriff, sondern auch auf die Funktion dieses Begriffs als Herkunftshinweis (Marke) beziehen muss.
Die Bekanntheit einer Marke iSv Art 9 Abs 1 lit c GMV (§ 10 Abs 2 MSchG) ist daher nicht anders zu beurteilen als die durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft eines ansonsten schutzunfähigen Zeichens (Art 7 Abs 3 GMV, § 4 Abs 2 MSchG). Dort ist eine auch noch so große Bekanntheit eines Begriffs, die bei Gattungsbezeichnungen oft vorliegen wird, ebenfalls unerheblich; vielmehr muss der Begriff als Hinweis auf ein bestimmtes, wenngleich nicht unbedingt namentlich bekanntes Unternehmen verstanden werden (RIS-Justiz RS0078788; zuletzt etwa 4 Ob 38/06a = ÖBl 2007, 22 - Shopping City, und 17 Ob 2/08f = wbl 2008, 349 - Roter Koffer; vgl auch Ströbele, Der erforderliche Grad der Verkehrsdurchsetzung, GRUR 2008, 569, 573 mwN). Es ist nicht ersichtlich, warum diese Frage bei der Prüfung der Bekanntheit einer Marke anders behandelt werden sollte.
3.3. Aus diesem Grund müssen Ansprüche nach Art 9 Abs 1 lit c GMV scheitern, solange das Publikum den Begriff „Botox" nur als Bezeichnung eines Wirkstoffs oder als Hinweis auf eine Behandlungsmethode versteht. Der Klägerin steht es allerdings frei, im Hauptverfahren den Nachweis zu erbringen, dass die angesprochenen Kreise - dh die nicht zwingend medizinisch gebildeten Interessenten für die Behandlung von Falten - die Bezeichnung „Botox" tatsächlich als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen auffassen. Nur unter dieser Bedingung könnte die unlautere Ausnutzung einer bekannten Marke vorliegen.
Diese Auslegung folgt aus der vom EuGH in ständiger Rechtsprechung hervorgehobenen Funktion der Marke als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen (Rs C-2/00 = Slg 2002 I 4187 - Hölterhoff; Rs C-206/01 = Slg 2002 I 10273 - Arsenal; Rs C-48/05 = Slg 2007 I 1017 - Opel). Ein Vorabentscheidungsersuchen ist daher - zumal im Sicherungsverfahren (Rs 35, 36/82 = Slg 1982, 3723 - Morson) - nicht erforderlich.
4. Die Klägerin kann ihren markenrechtlichen Anspruch auch nicht auf Art 9 Abs 1 lit b GMV stützen.
4.1. Ob Verwechslungsgefahr iS dieser Bestimmung vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu berücksichtigen sind die Kennzeichnungskraft der verletzten Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren (RIS-Justiz RS0121500). Dabei ist auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren Bedacht zu nehmen. So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (zuletzt etwa 4 Ob 124/06y = ÖBl 2007, 210 [Gamerith] - Hotel Harmonie mwN). Bei der Gegenüberstellung von ausschließlich aus Worten bestehenden Zeichen ist bei der Ähnlichkeitsprüfung - im Rahmen einer Gesamtbeurteilung - auf Wortklang, Wortbild und Wortsinn Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0117324, RS0066753, insb [T9]; vgl auch EuGH C-251/95 = Slg 1997 I 6191 - Sabel/Puma, Rz 23).
4.2. Da während der Benutzungsschonfrist des Art 50 Abs 1 lit a GMV auf den Registerstand abzustellen ist (4 Ob 225/03x = ÖBl 2004, 126 - Lumina; RIS-Justiz RS0079295 [T6, T7]), ist im vorliegenden Fall von (fiktiver) Warenidentität auszugehen. Das erfordert grundsätzlich einen größeren Abstand zwischen den Zeichen. Demgegenüber ist aber, wie bereits ausgeführt, den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen, dass die Bezeichnung „Botox" als Marke (dh als Herkunftshinweis) besondere Bekanntheit genösse. Vielmehr ist die originäre Kennzeichnungskraft dieses Zeichens durch die Annahme des Verkehrs, der Begriff „Botox" bezeichne einen Wirkstoff, eher vermindert. Das Zusammenwirken dieser Elemente führt im Rahmen eines beweglichen Systems dazu, dass zur Vermeidung der Verwechslungsgefahr ein normaler Abstand der Zeichen genügt.
4.3. Das Rekursgericht hat sich bei der Ähnlichkeitsprüfung ausführlich mit Wortklang, Wortbild und Wortsinn der beiden Zeichen auseinandergesetzt und auf dieser Grundlage Verwechslungsgefahr verneint. Der Senat billigt diese Beurteilung. Sie ist insbesondere durch jene Rechtsprechungskette gedeckt, die der Endung eines Wortzeichens bei der Ähnlichkeitsprüfung erhöhte Bedeutung zumisst (4 Ob 317/76 = ÖBl 1976, 164 - Palmers/Falmers; 4 Ob 29/98p = ecolex 1998, 929 - Garanta). Die im Revisionsrekurs zitierten Entscheidungen, die trotz unterschiedlicher Endungen Ähnlichkeit annahmen (zB 4 Ob 50/03m = wbl 2003, 497 - Catsan), betrafen in der Mehrzahl die Kollision von Zeichen, die gleich viele Silben aufwiesen und daher jedenfalls im Wortbild und meist auch im Wortklang nahe beieinander lagen. Daher zwingen sie bei einer - wie hier - deutlich unterschiedlichen Silbenzahl zu keiner anderen Lösung. Die Auffassung des Rekursgerichts, dass keine (unmittelbare) Verwechslungsgefahr bestehe, ist daher nicht zu beanstanden.
4.4. Das Rekursgericht hat auch zutreffend mittelbare Verwechslungsgefahr verneint. Voraussetzung dafür wäre, dass ein übereinstimmender gemeinsamer Wortstamm eigenständig hervorträte und schon für sich allein geeignet wäre, auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb hinzuweisen (RIS-Justiz RS0079620). Das träfe zu, wenn „BOTOX" und „BOTOINA" als Serienzeichen mit der gemeinsamen Stammsilbe „BOTO" gedeutet würden. In diesem Fall müsste auch die unterschiedliche Silbenzahl nicht unbedingt schaden.
Eine solche Annahme ginge jedoch am Begriffsverständnis der angesprochenen Kreise vorbei. Denn diese verstehen die Marke „BOTOX" nicht als Verbindung von (gemeinsamer) Stammsilbe und (unterscheidender) Endung und damit als Teil einer Markenfamilie, sondern - wegen der Bekanntheit des damit bezeichneten Wirkstoffs - als einheitliches Zeichen. Die Silbe „Boto" tritt daher in der Marke der Klägerin nicht eigenständig hervor. Damit fehlt die Grundlage für die Annahme eines Serienzeichens (RIS-Justiz RS0079620). Dass das Zeichen der Beklagten als Anspielung auf den Wirkstoff „Botox" verstanden werden kann, hat keine markenrechtliche, sondern nur lauterkeitsrechtliche Bedeutung (unten B.).
5. Aufgrund dieser Erwägungen muss der markenrechtliche Anspruch der Klägerin im Sicherungsverfahren scheitern. Die weiteren Einwendungen der Beklagten sind nicht zu prüfen.
B. Zum lauterkeitsrechtlichen Anspruch
1. Die Klägerin wirft der Beklagten im Kern vor, sie erwecke den irrigen Eindruck, dass ihr kosmetisches Produkt annähernd die gleiche Wirkung habe wie der medizinische Wirkstoff Botulinumtoxin A. Zur Begründung verweist sie sowohl auf die an „Botox" angelehnte Bezeichnung des Produkts als auch auf die Abbildung des „Präzisionsapplikators", der Ähnlichkeiten mit einer Mehrwegspritze aufweise.
2. Wurde das beanstandete Verhalten - wie hier - vor dem Inkrafttreten der UWG-Novelle 2007 gesetzt, so ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 177/07v = MR 2008, 111 - Das beste Wachstum; 4 Ob 225/07b = ÖBl 2008, 237 - Stadtrundfahrten, RIS-Justiz RS0123158) für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sowohl die alte als auch die neue Rechtslage maßgebend. Ein Unterlassungsanspruch ist nur dann begründet, wenn das beanstandete Verhalten sowohl gegen das alte als auch gegen das neue Recht verstieß bzw verstößt.
Im vorliegenden Fall führt die Änderung der Rechtslage allerdings zu keiner unterschiedlichen Beurteilung. Denn sowohl nach altem als auch nach neuem Recht ist zu prüfen, (a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für Kosmetikprodukte, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, (b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob (c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Kaufinteressenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte (4 Ob 42/08t = wbl 2008, 344 - W. Klaviere mwN; RIS-Justiz RS0123292). Sind diese Bedingungen erfüllt, ist die Aufmachung des Produkts eine zur Irreführung geeignete Angabe iSv § 2 Abs 1 UWG idF vor der UWG-Novelle 2007 und zugleich eine irreführende Geschäftspraktik iSv § 1 Abs 3 Z 2 iVm § 2 Abs 1 Z 2 UWG idgF.
Die Irreführungseignung ist nach altem und neuem Lauterkeitsrecht nach dem Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten zu beurteilen, der eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendet (4 Ob 196/00b = SZ 73/161 - Lego-Klemmbausteine; RIS-Justiz RS0114366; zum neuen Recht 4 Ob 42/08t - W. Klaviere mwN; zuletzt etwa 4 Ob 69/08p). Beim Erwerb eines offenkundig hochpreisigen Kosmetikprodukts ist zumindest normale Aufmerksamkeit anzunehmen.
3. Auf dieser Grundlage ist die Irreführungseignung zu bejahen.
3.1. Das Rekursgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass kein maßstabgerechter Verbraucher aus der beanstandeten Werbung ableiten wird, das Produkt der Beklagten würde subkutan injiziert. Denn auf der Website ist eindeutig erkennbar, dass der „Applikator" ein stumpfes Ende aufweist, und sowohl die Packung als auch die Gebrauchsinformation enthalten unmissverständliche Hinweise zur bloß äußerlichen Anwendung des Produkts. Damit ist aber nur nicht anzunehmen, dass ein Verbraucher tatsächlich zur Auffassung gelangen könnte, das Produkt der Klägerin werde unter die Haut gespritzt und sei daher in diesem Sinn „Botox für den Hausgebrauch".
3.2. Ein irreführender Eindruck ergibt sich allerdings aus dem Zusammenwirken der Bezeichnung „BOTOINA", die auf den Wirkstoff Botulinumtoxin A anspielt, und der Darstellung des „Präzisionsapplikators", die das Produkt der Beklagten medizinisch-pharmazeutisch anmuten lässt und daher die Anspielung auf den Wirkstoff verstärkt. Auch wenn einem maßstabgerechten Verbraucher klar sein wird, dass die Hautcreme der Beklagten nicht zu injizieren, sondern bloß „präzise" in (offenkundig tiefe) Falten einzubringen ist, wird ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Kreise annehmen, dass zumindest die Wirkung dieser Vorgangsweise mit jener einer Botox-Behandlung vergleichbar ist. Denn es gehört (noch) nicht zum Allgemeinwissen, dass es sich bei dem mit „Botox" bezeichneten Wirkstoff um ein subkutan zu injizierendes Nervengift handelt, das selbstverständlich eine stärkere Wirkung haben muss als eine bloß äußerlich aufzubringende Hautcreme. Die Beklagte verursacht daher einen irreführenden Eindruck über den Wirkungsgrad ihres Produkts. Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass einzelne Verbraucher sogar annehmen, dass das Produkt der Beklagten tatsächlich den Wirkstoff Botulinumtoxin A enthalte, der auch äußerlich angewendet werden könne.
Beide Annahmen sind geeignet, einen maßstabgerechten Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte. Denn er wird möglicherweise das Produkt der Klägerin als - in diesem Sinn - „Botox für den Hausgebrauch" verstehen und es einer Botox-Behandlung durch einen Arzt vorziehen. Damit ist der Tatbestand des § 2 UWG nach altem und neuem Recht erfüllt.
4. Der lauterkeitsrechtliche Anspruch der Klägerin besteht daher zu Recht. Allerdings ist eine Präzisierung des Spruchs erforderlich. Da sich die Irreführungseignung erst aus dem Zusammenwirken der Bezeichnung „Botoina" und der medizinisch anmutenden Darstellung des „Präzisionsapplikators" ergibt, ist der Beklagten zu untersagen, ihr Produkt „BOTOINA 1000 - Kutane Applikation" unter der Bezeichnung Botoina oder einer ähnlichen Bezeichnung mit der blickfangartigen Darstellung eines spritzenartigen Applikators zu bewerben. Dabei handelt es sich um eine nach § 405 ZPO zulässige Klarstellung des von der Klägerin ohnehin Gewollten (RIS-Justiz RS0041254); eine Teilabweisung ist damit nicht verbunden.
C. Ergebnis und Kosten
1. Aufgrund dieser Erwägungen ist der angefochtene Beschluss zum markenrechtlichen Anspruch zu bestätigen. Hingegen ist die einstweilige Verfügung des Erstgerichts zum lauterkeitsrechtlichen Anspruch mit der Maßgabe wiederherzustellen, dass die Werbung mit der Abbildung des Applikators nur für den Fall verboten wird, dass das Produkt der Klägerin unter der Bezeichnung Botoina oder einer ähnlichen Bezeichnung vertrieben wird.
2. Allgemein gilt: Eine Wortmarke ist nur dann bekannt iSv Art 9 Abs 1 lit c GMV (§ 10 Abs 2 MSchG), wenn sich die Bekanntheit nicht nur auf den markenrechtlich geschützten Begriff, sondern auch auf dessen Funktion als Herkunftshinweis bezieht.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 50, 43 ZPO.
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