Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird teils bestätigt und teils dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt wie folgt lautet:
„Einstweilige Verfügung:
Zur Sicherung des Anspruchs auf Unterlassung irreführender Geschäftspraktiken wird der Beklagten ab sofort bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreits über die Unterlassungsklage verboten, im geschäftlichen Verkehr, insbesondere in Werbemitteln, insbesondere in Garantiescheinen, die Behauptung oder sinngleiche Behauptungen zu verbreiten, dass die von ihr unter der Bezeichnung 'W*****' vertriebenen Klaviere von ihr selbst hergestellt würden, wenn nicht tatsächlich alle unter dieser Bezeichnung vertriebenen Klaviere von ihr selbst hergestellt werden.
Das Mehrbegehren, der Beklagten auch das Verbreiten der Behauptung zu verbieten, die unter der Bezeichnung 'W*****' vertriebenen Klaviere würden in Österreich hergestellt, wird abgewiesen.
Der Antrag, die einstweilige Verfügung vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, wird abgewiesen."
Die klagenden Parteien haben die Hälfte ihrer Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig und die andere Hälfte dieser Kosten endgültig selbst zu tragen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen einen mit 2.441,35 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen (darin 440,23 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Parteien stehen im Wettbewerb beim Handel mit Klavieren. Die Beklagte, ein seit 1910 bestehendes Familienunternehmen, vertreibt neben Fremdmarken auch Klaviere der Eigenmarke „W*****". Zumindest zwei dieser Modelle werden in Auftragsproduktion von einem chinesischen Unternehmen gefertigt. Eines davon hatte ein Geschäftsführer der Beklagten entwickelt, beim anderen hatte er einen Entwurf des chinesischen Partners zur Serienreife gebracht. Den Produktionsverlauf überwacht der Geschäftsführer durch gelegentliche Besuche im chinesischen Werk.
Die Beklagte bezeichnete diese Klaviere in Garantiescheinen als von ihr „hergestellt". Die Garantiescheine übergab sie den Käufern grundsätzlich erst nach dem Abschluss des Kaufvertrags; sie lagen aber auch in ihrem Verkaufslokal zur Entnahme und Einsicht auf. Einem Testkäufer wurde bei einem Verkaufsgespräch mitgeteilt, dass es sich bei den Klavieren um eine „Eigenmarke" handle; auf die Auftragsfertigung in China wurde er nicht hingewiesen.
Zur Sicherung ihres Anspruchs auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen beantragen die Kläger, der Beklagten zu untersagen,
„insbesondere in Werbemitteln, insbesondere in Garantiescheinen, die Behauptung sowie sinngleiche Behauptungen zu verbreiten, dass die von ihr unter der Bezeichnung 'W*****' vertriebenen Klaviere von der Beklagten selbst und in Österreich hergestellt werden, wenn nicht tatsächlich alle unter der Bezeichnung 'W*****' vertriebenen Klaviere von ihr selbst und in Österreich hergestellt werden".
Die Angaben im Garantieschein seien irreführend, weil die strittigen Klaviere nicht von der Beklagten in Österreich, sondern von einem Auftragsfertiger in China hergestellt würden. Die Garantiescheine würden als Werbemittel verwendet, insbesondere seien sie im Verkaufslokal der Beklagten stapelweise neben den Prospekten zur freien Entnahme aufgelegt. Die Beklagte kläre nicht darüber auf, dass sie die Klaviere in China herstellen lasse. Nach der wettbewerbsrechtlichen Unklarheitenregel müsse sie die für sie ungünstigste Lesart der Ankündigung gegen sich gelten lassen. Das sei jene, wonach die Behauptung „von uns hergestellte W***** Instrumente" auch die Herstellung in Österreich impliziere. Das habe Einfluss auf die Kaufentscheidung der Kunden.
Die Beklagte wendet ein, die Auftragsproduktion erfolge nach ihren Plänen und unter ihrer Kontrolle. Die Klaviere seien hochwertig; der chinesische Partnerbetrieb sei ein gefragter Auftragsfertiger namhafter Weltmarken. Ein Geschäftsführer der Beklagten sei selbst mindestens fünf Mal jährlich in China, um den Produktionsprozess zu überwachen. Sie bewerbe die Instrumente nicht mit den Garantiescheinen; sondern übergebe diese erst bei deren Auslieferung, also nach Zustandekommen des Kaufvertrags. Der Testkäufer der Kläger habe sich nicht wie ein normaler Kunde verhalten, sondern eigenmächtig einen Garantieschein von einem Schreibtisch mitgenommen, der erkennbar dem Verkaufspersonal der Beklagten vorbehalten gewesen sei. Im Übrigen sei der im Garantieschein enthaltene Hinweis auf die Herstellung durch die Beklagte zulässig, weil die entscheidenden Fertigungsschritte von einem Geschäftsführer der Beklagten stammten. Dass die Instrumente in Österreich hergestellt würden, werde weder im Garantieschein noch in anderen Werbeunterlagen behauptet. Vor der Kaufentscheidung würden die Kunden über die Kooperation der Beklagten mit dem chinesischen Partnerunternehmen informiert. Auf den Instrumenten sei ein Hinweis auf diese Kooperation angebracht. Für den Fall der Erlassung einer einstweiligen Verfügung werde wegen der dadurch drohenden „Verkaufsstockung" die Auferlegung einer Sicherheitsleistung von 430.000 EUR beantragt.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die von der Beklagten verwendeten Garantiescheine seien nicht geeignet, die Kaufentscheidung eines „gewöhnlichen" Kunden zu beeinflussen. Denn sie gäben vorwiegend Hinweise, die erst nach dem Kauf relevant seien. Werbende Aussagen seien darin kaum zu finden, weswegen sie nicht geeignet seien, die Kaufentscheidung zu beeinflussen. Darüber hinaus sei die Aussage der Beklagten, dass sie Herstellerin der Instrumente sei, nicht irreführend, weil sie sowohl auf ihrer Website als auch auf den Instrumenten selbst auf den Ursprung der Klaviere und die Kooperation mit dem chinesischen Partner hinweise. Abgesehen davon sei die Bezeichnung der Beklagten als Herstellerin keine zur Irreführung geeignete Angabe. Nach der Judikatur komme es nicht darauf an, dass das als „Hersteller" bezeichnete Unternehmen alle Fertigungsschritte selbst durchführe; vielmehr sei den angesprochenen Verkehrskreisen weitgehend bekannt, dass inländische Unternehmen ihre Produkte wegen der niedrigeren Lohnkosten in eigenen oder fremden Betrieben im Ausland herstellen ließen. Entscheidend sei, ob die wesentlichen Fertigungsschritte dem „Hersteller" zuzurechnen seien, wofür die Herstellung der Konstruktionspläne sowie die Kontrolle der Produktionsprozesse genüge. Die Beklagte sei somit als Herstellerin der Klaviere anzusehen, weshalb schon aus diesem Grund kein Wettbewerbsverstoß nach § 2 UWG vorliege.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts hätten die Garantiescheine werbenden Charakter. Denn sie seien für die Kunden in den Verkaufsräumlichkeiten der Beklagten schon vor dem Kaufentschluss greifbar gewesen. Allerdings enthielten sie keine irreführenden Angaben. Eine Produktion in Österreich werde darin nicht behauptet. Die Bezeichnung des eine Ware verkaufenden Unternehmens als „Hersteller" könne zwar ein entscheidendes Kaufmotiv sein, weil der Verbraucher mit einem Einkauf „direkt beim Hersteller" die Erwartung besonderer Vorteile verbinde, die auch in der Qualität der angebotenen Ware liegen könnten. Eine Irreführung sei insofern nicht schon deswegen auszuschließen, weil die Beklagte auf ihrer Website und auf den Instrumenten auf die Kooperation mit dem chinesischen Unternehmen hinweise. Denn es sei nicht anzunehmen, dass alle Kunden der Beklagten vor dem Klavierkauf deren Website im Internet studierten oder den auf den Instrumenten angebrachten Hinweis zur Kenntnis nähmen. Die Beklagte dürfe sich aber als „Hersteller" bezeichnen. Zwar habe der Oberste Gerichtshof in 4 Ob 336/85 noch allgemein ausgeführt, die Bezeichnung „Hersteller" werde im Sinn einer weitgehenden Eigenherstellung verstanden. Bereits in 4 Ob 39/95 habe er das aber dahin relativiert, dass nach der Verkehrsauffassung alleine aus dem Gebrauch der eigenen Firmen oder Warenbezeichnung nicht immer darauf geschlossen werden könne, dass der Zeicheninhaber die Ware tatsächlich im eigenen Betrieb hergestellt habe. Dem Verkehr sei bekannt, dass inländische Unternehmen in vielen Warenbereichen ihre Waren wegen der niedrigen Lohnkosten in eigenen oder fremden Auslandsbetrieben herstellen ließen. Die damit angesprochene Entwicklung zur Auftragsproduktion sei seitdem fortgeschritten und mittlerweile nicht nur den Fachkreisen einzelner Branchen, sondern auch den Verbrauchern bekannt. Dennoch werde der Markeninhaber als „Hersteller" der Ware angesehen. Die beteiligten Verkehrskreise nähmen daher auch bei einem unter einer österreichischen Marke verkauften Klavier nicht an, dass dieses vom Markeninhaber in Österreich selbst zusammengebaut worden sei. Im vorliegenden Fall übe die Beklagte durch Planung und Kontrolle Einfluss auf die Produktion aus. Dieser Einfluss rechtfertige es, sie als „Hersteller" zu bezeichnen. Diese Beurteilung ergebe sich jedoch nur aus einer „Fortentwicklung" der einschlägigen Judikatur, weswegen eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 ZPO vorliege.
Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs streben die Kläger eine einstweilige Verfügung im Sinn ihres Sicherungsantrags an; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag. Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.
1. Grundlage der Entscheidungen der Vorinstanzen war § 2 UWG idF vor der Novelle 2007 (BGBl I 2007/79). Diese Novelle ist seit 12. Dezember 2007 in Kraft und enthält keine Übergangsvorschriften. Nach der Rechtsprechung des Senats (4 Ob 225/07b, 4 Ob 42/08t ua) ist für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sowohl die alte als auch die neue Rechtslage maßgebend: Ein Verbot kann nur erlassen oder bestätigt werden, wenn das darin umschriebene Verhalten auch nach der neuen Rechtslage unlauter ist. Ein vor Inkrafttreten der Novelle gesetztes Verhalten begründet aber nur dann die Vermutung der Wiederholungsgefahr, wenn es schon zu diesem Zeitpunkt rechtswidrig war. Im Ergebnis ist ein Unterlassungsanspruch daher nur dann zu bejahen, wenn das beanstandete Verhalten sowohl gegen das alte als auch gegen das neue Recht verstößt. Im konkreten Fall kann der Revisionsrekurs daher nur Erfolg haben, wenn und soweit die strittige Formulierung eine zur Irreführung geeignete Angabe iSv § 2 UWG idF vor der Novelle 2007 war und auch eine irreführende Geschäftspraktik iSv § 2 UWG idgF ist.
2. Die Rechtsprechung zu § 2 UWG idF vor der Novelle 2007 haben die Vorinstanzen im Wesentlichen richtig wiedergegeben. Danach verstießen Angaben, die bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher den falschen Eindruck erweckten, unter Ausschaltung jedes Zwischenhandels direkt vom Hersteller zu kaufen, gegen § 2 UWG. Diese Behauptung könne beim Verbraucher die Vorstellung besonderer Vorteile auslösen, die in der wegen des Wegfalls von Zwischenhandelsspannen günstigen Preisstellung, in der Güte der angebotenen Ware, einer vereinfachten Garantiestellung und anderen Momenten liegen könnten. Von einem Unternehmen, das sich als „Hersteller" bezeichne oder sinngleiche Ausdrücke verwende, werde angenommen, dass es die von ihm angebotenen Waren im Wesentlichen selbst herstelle (4 Ob 336/85 = ÖBl 1987, 19 - Ansichtskartenhersteller; 4 Ob 39/95 = ÖBl 1995, 272 - Kanalverbaugeräte; RIS-Justiz RS0078410, RS0078422). Allerdings könne diese Bezeichnung unter Umständen in bestimmten Fachkreisen auch dahin verstanden werden, dass der so bezeichnete Unternehmer nur für die Planung und Qualitätskontrolle verantwortlich sei, die Fertigung selbst aber durch andere Unternehmen durchführen lasse (4 Ob 39/95 - Kanalverbaugeräte).
Diese Entscheidungen beruhten auf allgemeinen Grundsätzen, die die Rechtsprechung zu § 2 UWG entwickelt hatte. Maßgebend für die Beurteilung von Inhalt und Irreführungseignung einer Ankündigung war danach (zuletzt) das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten, der eine dem Anlass angemessene - unter Umständen daher auch bloß „flüchtige" (4 Ob 58/06t) - Aufmerksamkeit aufwendete (4 Ob 196/00b = SZ 73/161 - Lego-Klemmbausteine; 4 Ob 58/06t = ÖBl-LS 2006/132 - aktiver Festnetzanschluss; 4 Ob 107/06y = ÖBl-LS 2006/164 - Betonsteine; 4 Ob 179/06m = wbl 2007, 200 - feibra; 4 Ob 203/06s = ÖBl-LS 2007/52 - Bestpreisgarantie II; 4 Ob 208/06a = ÖBl-LS 2007/9 - medizinischer Disclaimer; RIS-Justiz RS0114366). Grundlage für diesen Beurteilungsmaßstab war die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum europäischen Verbraucherleitbild (EuGH C-44/01 = ÖBl 2003, 290 - Brillen-Preisvergleiche II; zuletzt etwa EuGH C-412/05 = MarkenR 2007, 210 Rz 62).
Die Ermittlung des Verständnisses einer solchen Maßstabsfigur war nach der Rechtsprechung zu § 2 UWG idF vor der Novelle 2007 eine Rechtsfrage, wenn zu ihrer Beurteilung die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichten; sie war eine Tatfrage, wenn das nicht der Fall war (4 Ob 62/95 = MR 1995, 189 - Österreichs größte Qualitätszeitung; RIS-Justiz RS0039926 [T26, T28, T32]). Letzteres wurde insbesondere dann angenommen, wenn sich eine Werbeaussage an Fachkreise richtete und es auf deren inhaltliches Verständnis ankam (4 Ob 58/07v - Micardis mwN; speziell zur Bezeichnung als Hersteller eines Produkts 4 Ob 39/95 - Kanalverbaugeräte).
3. Im neuen Recht ist der lauterkeitsrechtliche Irreführungstatbestand in den §§ 1 und 2 UWG sowie im Anhang zu diesem Gesetz geregelt.
3.1. Nach § 2 Abs 1 UWG gilt eine Geschäftspraktik als irreführend, wenn sie unrichtige Angaben enthält oder sonst geeignet ist, einen Marktteilnehmer in Bezug auf das Produkt über einen oder mehrere der in § 2 Abs 1 Z 1 bis 7 UWG genannten Punkte derart zu täuschen, dass dieser veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Jedenfalls als irreführend gelten nach § 2 Abs 2 UWG die im Anhang zum UWG unter Z 1 bis 23 angeführten Geschäftspraktiken.
Anders als früher enthält die geltende Fassung von § 2 UWG keine Rechtsfolgenanordnung. Das Vorliegen einer irreführenden Geschäftspraktik iSv § 2 UWG (allenfalls in Zusammenhang mit dem Anhang zum UWG) begründet somit - nach dem Wortlaut des Gesetzes - für sich allein noch keinen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch. Grundlage für einen solchen Anspruch kann daher nach der Systematik des Gesetzes nur § 1 Abs 1 UWG sein. Nimmt man diese Bestimmung beim Wort, so müsste eine irreführende - und damit nach § 1 Abs 3 UWG unlautere - Geschäftspraktik zudem geeignet sein, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht bloß unerheblich zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG) oder das wirtschaftliche Verhalten eines Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 2 UWG). Im zweitgenannten Fall müsste darüber hinaus noch ein Verstoß gegen die „berufliche Sorgfalt" vorliegen (siehe zu diesen Problemkreisen 4 Ob 225/07b).
3.2. Die der Neufassung des UWG zugrunde liegende Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) ist indes anders aufgebaut. Nach deren Art 5 Abs 1 sind unlautere Geschäftspraktiken ganz allgemein verboten. Nach Art 5 Abs 2 RL-UGP ist eine Geschäftspraktik unlauter, wenn sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht und geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten eines Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Insbesondere unlauter sind nach Art 5 Abs 4 lit a RL-UGP irreführende Geschäftspraktiken iSv Art 6 und 7 RL-UGP; jedenfalls unlauter sind nach Art 5 Abs 5 RL-UGP jene Geschäftspraktiken, die im Anhang I der Richtlinie genannt sind. Nach den Erwägungsgründen der Richtlinie sollen die Regelungen über irreführende (und aggressive) Geschäftspraktiken das allgemeine Verbot „konkretisieren" (EG 13); die im Anhang genannten Geschäftspraktiken sollen als unlauter gelten, ohne dass eine Beurteilung des Einzelfalls nach den Art 5 bis 9 RL-UGP erforderlich wäre (EG 17).
3.3. Die neue Fassung des UWG ist dieser Richtlinie konform auszulegen. Das bedeutet zunächst, dass der Relativsatz in § 1 Abs 1 Z 2 UWG iSv Art 5 Abs 2 RL-UGP als eine Definition des Begriffs der unlauteren Geschäftspraktik zu verstehen ist. Weiters ist anzunehmen, dass § 2 UWG die Generalklausel des § 1 Abs 1 Z 2 UWG für den Fall irreführender Geschäftspraktiken konkretisiert. Ist der Tatbestand des § 2 UWG erfüllt, so wird zumindest im Regelfall eine Verletzung der beruflichen Sorgfalt und eine wesentliche Beeinflussung eines Durchschnittsverbrauchers iSv § 1 Abs 1 Z 2 UWG vorliegen. Um so mehr muss das bei einer im Anhang zum UWG ausdrücklich missbilligten Geschäftspraktik gelten. Ob im Einzelfall das Fehlen einer wesentlichen Beeinflussung von Verbrauchern und/oder einer Verletzung der beruflichen Sorgfalt eingewendet werden könnte, ist hier nicht zu entscheiden (vgl dazu Wiltschek/Majchrzak, Die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Österreich, ÖBl 2008, 4, 11).
Diese Auslegung entspricht (wohl) auch den Intentionen des österreichischen Gesetzgebers. Denn die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (RV 144 BlgNR 23. GP 2) führen aus, dass die Unlauterkeit einer Geschäftspraktik künftig in folgender Reihenfolge geprüft werden müsse: Fällt die Praktik unter die „Liste" des Anhangs? Wenn nein: Liegt sonst eine aggressive (§ 1a UWG) oder irreführende (§ 2 UWG) Geschäftspraktik vor? Wenn nein: Fällt sie unter die Generalklausel des § 1 Abs 1 UWG? Diese - auch von Schuhmacher (Die UWG-Novelle 2007, wbl 2007, 557, 558) vertretene und vom Senat (4 Ob 177/07v) übernommene - Prüfungsreihenfolge setzt voraus, dass eine unlautere und damit unzulässige Geschäftspraktik zumindest im Regelfall schon dann vorliegt, wenn einer der Tatbestände der §§ 1a und 2 UWG oder des Anhangs zum UWG erfüllt ist. Auf die weiteren Bedingungen der Generalklausel ist daher - anders als es der Gesetzeswortlaut nahe legt - gewöhnlich erst dann zurückzugreifen, wenn keine irreführende oder aggressive Geschäftspraktik vorliegt.
3.4. Unabhängig von der Systematik des lauterkeitsrechtlichen Irreführungstatbestands ist die Frage zu beurteilen, nach welchem Verbraucherleitbild die Irreführungseignung einer Ankündigung zu beurteilen ist. Hier haben die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und deren Umsetzung in der UWG-Novelle 2007 keine grundlegenden Neuerungen gebracht. Vielmehr ist weiterhin das „europäische" Referenzmodell des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers heranzuziehen, der eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendet (4 Ob 177/07v; vgl auch Wiltschek/Majchrzak, ÖBl 2008, 7 f; EB zur RV 144 BlgNR 23. GP 4). Dass dabei auf den „durchschnittlichen" Vertreter der jeweils angesprochenen Gruppe - der „angesprochenen Verkehrskreise" iSd bisherigen Rechtsprechung (zuletzt etwa 4 Ob 177/07v) - abzustellen ist (§ 1 Abs 2 UWG, Art 5 Abs 2 lit b und Abs 3 RL-UGP), versteht sich von selbst; dieser Standard ist auch bei der Beurteilung der Irreführungseignung iSv § 2 UWG (Art 6 f RL-UGP) heranzuziehen. Die neue Rechtslage bietet auch keinen Anlass, von der oben (Punkt 2.) dargestellten Rechtsprechung abzugehen, wonach die Ermittlung des maßgebenden Verständnisses je nach den Umständen des Einzelfalls der Tat- oder der Rechtsfrage zuzuordnen ist.
4. Unrichtige Angaben über die Herstellung eines Produkts werden im Anhang zum UWG nicht als ausdrücklich missbilligte Geschäftspraktik genannt. Sie können jedoch eine zur Irreführung geeignete Angabe über den Ursprung der Ware iSv § 2 Abs 1 UWG idF vor der Novelle 2002 bzw über die wesentlichen Merkmale des Produkts iSv § 2 Abs 1 Z 2 UWG idgF sein. Letzteres ergibt sich insbesondere aus einer richtlinienkonformen Auslegung dieser Bestimmung. Denn der ihr zugrunde liegende Art 6 Abs 1 lit b RL-UGP nennt als Beispiel für wesentliche Merkmale des Produkts unter anderem das „Verfahren und [den] Zeitpunkt der Herstellung" sowie die „geografische oder kommerzielle Herkunft". Genau diese Punkte sind hier strittig.
Sowohl nach altem als auch nach neuem Recht ist daher zu prüfen, (a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für Klaviere, der eine dem Erwerb solcher Instrumente angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, (b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob (c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Kaufinteressenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte. Da sich die Werbung an Endverbraucher richtet, kommt es auf das Verständnis von Fachkreisen (zB des Klavierhandels) nicht an. Es liegt daher eine revisible Rechtsfrage vor.
4.1. Ein durchschnittlicher Vertreter der angesprochenen Kreise wird die strittige Angabe im Sinn der (weitgehenden) Eigenherstellung durch die Beklagte verstehen. Dass die Produktion im Inland erfolgt wäre, wird er daraus aber nicht ableiten.
(a) Es mag zwar zutreffen, dass es (heute) nicht (mehr) als Behauptung der weitgehenden Eigenherstellung zu verstehen ist, wenn ein Unternehmen seine Marke zur Bezeichnung der von ihm vertriebenen Waren verwendet (4 Ob 39/95 - Kanalverbaugeräte). Der hier zu beurteilende Fall geht aber über das bloße Anbringen der Marke hinaus. Denn die Beklagte hat ausdrücklich behauptet, bestimmte Klaviere „hergestellt" zu haben. Damit ist die Auftragsfertigung durch ein anderes Unternehmen, das auch Klaviere anderer Marken herstellt, schlechthin nicht vereinbar. Denn unter Herstellung wird im allgemeinen Sprachgebrauch jedenfalls mehr verstanden als Planung und Kontrolle. Zwar wird es ein durchschnittlicher Kaufinteressent für möglich und wohl auch wahrscheinlich halten, dass der „Hersteller" einzelne Bestandteile zukauft. Der Zusammenbau dieser Teile bildet aber geradezu den Kern des Begriffs „Herstellung". Das gilt auch unter der Prämisse, dass der europäische Durchschnittsverbraucher das Prinzip der Arbeitsteilung in der internationalen Wirtschaft kennt. Denn gerade dann wird er - bei typischerweise hochwertigen Produkten - die Behauptung der Eigenherstellung als Ankündigung besonderer Qualität verstehen. Aus diesem Grund wird er diese Behauptung aber auch auf alle oder zumindest den Großteil jener Produktionsschritte beziehen, die für die Qualität des Produkts im konkreten Fall maßgebend sind. Bei der Herstellung eines Klaviers ist das - neben Planung und Materialauswahl - zweifellos auch der für den Klang entscheidende Zusammenbau der einzelnen Teile.
(b) Hingegen wird der Durchschnittsverbraucher aus der Behauptung eines Unternehmens, ein bestimmtes Produkt hergestellt zu haben, nicht ableiten, dass diese Herstellung ausschließlich im Inland erfolgt wäre. Dass ein Unternehmen über (eigene) Produktionsstätten im Ausland verfügt, und zwar auch in sogenannten „Billiglohnländern", ist eine im heutigen Wirtschaftsleben durchaus bekannte Erscheinung. Der Durchschnittsverbraucher wird daher im Regelfall nicht annehmen, dass ein österreichisches Unternehmen nur über inländische Produktionsstätten verfügt.
Den Garantiescheinen kann aus diesem Grund nicht die Behauptung entnommen werden, dass die Beklagte die strittigen Klaviere im Inland herstelle. Soweit die Kläger auch das Verbot einer solchen Behauptung anstreben, fehlt es daher an einem Verstoß und damit - mangels Indizien für ein erstmaliges Zuwiderhandeln - an der für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr (RIS-Justiz RS0037661, RS0037660).
4.2. Aus dem bescheinigten Sachverhalt ergibt sich, dass die Garantiescheine (auch) Werbemittel waren. Dass die Beklagte an anderer Stelle - dort möglicherweise „unübersehbar" - auf die Kooperation mit dem chinesischen Unternehmen hinwies, ändert nichts daran, dass die Garantiescheine als solche unrichtige Angaben enthalten. Das Rekursgericht hat zutreffend ausgeführt, dass nicht alle Kaufinteressenten die Website der Beklagten besuchen oder Hinweise auf den Klavieren wahrnehmen.
Die in den Garantiescheinen enthaltene Behauptung, die Beklagte habe die Klaviere selbst hergestellt, ist geeignet, einen durchschnittlichen Kaufinteressenten zu einer wirtschaftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte. Denn bei (typischerweise) hochwertigen Gütern erweckt diese Behauptung den Eindruck besonderer Qualität. Der Unternehmer bringt damit zum Ausdruck, nicht nur die Verantwortung für das Produkt zu übernehmen, sondern dafür - aufgrund eigener Produktion - in jeder Hinsicht verantwortlich zu sein. Im konkreten Fall wird die Behauptung der Eigenherstellung zudem von einem Unternehmen aufgestellt, das schon seit Jahrzehnten auf dem strittigen Markt tätig ist. Damit beruft es sich (implizit) auf seine eigene langjährige Erfahrung im Instrumentenbau. Auch dieses Traditionsargument kann in Teilen der angesprochenen Kreise eine durchaus kaufentscheidende Bedeutung haben.
5. Die Behauptung der Eigenherstellung war somit eine irreführende Angabe iSv § 2 UWG idF vor der Novelle 2007; sie ist eine irreführende Geschäftspraktik iSv § 2 Abs 1 Z 2 UWG idgF. Anhaltspunkte dafür, dass sie trotz ihres irreführenden Charakters nicht zur wesentlichen Beeinflussung eines durchschnittlichen Verbrauchers geeignet gewesen wäre oder dass sie trotzdem den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt entsprochen hätte, sind - so diese Fragen aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht überhaupt von Bedeutung sein können - nicht erkennbar. Die Beklagte ist daher nach § 1 Abs 1 Z 2 iVm Abs 3 Z 2 UWG idgF zur Unterlassung dieser Behauptung verpflichtet. Kein Unterlassungsanspruch besteht hingegen - mangels Begehungsgefahr - in Bezug auf die von der Beklagten nicht aufgestellte Behauptung einer Herstellung im Inland. Die Entscheidung des Rekursgerichts ist in diesem Sinn abzuändern.
6. Der Antrag auf Auferlegung einer Sicherheitsleistung ist abzuweisen. Denn der Vollzug einer einstweiligen Verfügung ist nur dann trotz Bescheinigung des Anspruchs vom Erlag einer Sicherheit abhängig zu machen, wenn gegen die Erlassung der Verfügung wegen der Größe des Eingriffs in die Interessen des Antragsgegners Bedenken bestehen. Durch die Sicherheitsleistung wird in einem solchen Fall die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RIS-Justiz RS0005711; vgl auch RS0005595). Diese Bedingungen sind hier nicht erfüllt. Denn der Beklagten wird ja nicht untersagt, die chinesischen Klaviere unter ihrer Marke zu vertreiben. Dass nur wegen der (vorläufigen) Nichtverwendung der Garantiescheine - wie behauptet - ein Schaden von 430.000 EUR entstehen könnte, ist nicht nachvollziehbar.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Die Klägerin ist mit ihrem Begehren etwa zur Hälfte durchgedrungen.
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