OGH 4Ob179/06m

OGH4Ob179/06m21.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei r***** GmbH, *****, vertreten durch Weber Maxl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei f***** GmbH, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 31.340 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 27. Juli 2006, GZ 30 R 8/06a-8, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 23. Jänner 2006, GZ 18 Cg 181/05i-3, teils mit einer Maßgabe bestätigt und teils abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der in der Maßgabebestätigung von Punkt 1. a. der erstinstanzlichen Entscheidung rechtskräftig geworden ist, wird im Übrigen dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts in seinem Punkt 1.b. und in der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat diese Kosten endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Streitteile und die Österreichische Post AG sind die mit Abstand bekanntesten österreichischen Unternehmen für die Verteilung von unadressierten Massensendungen (Werbemitteln).

Die Klägerin gewährleistet nach ihren AGB eine Zustellquote von mindestens 97 %. Bei der Zustellung von Katalogen in Kärnten und in der Steiermark erreichte sie zuletzt 97,64 %.

Für die Beklagte ergab eine unabhängige Studie in Wien eine Zustellquote von 97,8 %. Unter Hinweis darauf schaltete sie Ende 2005 in den Zeitschriften Medianet, Cash, a3BOOM! und Horizont folgende Anzeige:

Diese Anzeige ist nur in der Originalentscheidung ersichtlich! Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragt die Klägerin, der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen von Werbungen betreffend die Zustellqualität in Wien durch die Verwendung einer grafischen Darstellung wie der oben gezeigten (oder in vergleichbarer grafischer oder ausdrücklicher Form).

(a) die Behauptung aufzustellen, dass die von ihr erreichte Zustellqualität, insbesondere bei unadressierten Flugblättern, Prospekten, Katalogen und Warenproben erheblich vor jener der Klägerin liege;

(b) die Klägerin durch die Behauptung herab zu setzen, dass die von ihr erreichte Zustellqualität, insbesondere bei unadressierten Flugblättern, Prospekten, Katalogen und Warenproben erheblich unter jener der Beklagten liege.

Die Beklagte habe in Wien bei der Verteilung von unadressierten Sendungen neben der Österreichischen Post AG nur zwei am Markt in Erscheinung tretende Mitbewerber. Das sei in den Fachkreisen bekannt, an die sich die Werbung richte. Auch wenn die Klägerin in der Anzeige nicht ausdrücklich genannt werde, liege eine vergleichende Werbung vor; es genüge, dass Mitbewerber erkennbar betroffen seien. Die Beklagte nehme eine Spitzenstellung in Anspruch, die nicht den Tatsachen entspreche. Angesichts des minimalen Vorsprungs hätte der Balken der Klägerin nur um ein oder zwei Millimeter kleiner gezeichnet werden dürfen als jener der Beklagten. Die Werbung sei irreführend iSv § 2 UWG, weil bei den angesprochenen Verkehrskreisen der falsche Eindruck erweckt werde, dass die Zustellqualität der Beklagten deutlich besser sei als jene ihrer erkennbaren Mitbewerber. Weiters verstoße die Werbung gegen § 7 UWG, weil sie den falschen Eindruck erwecke, die Zustellqualität der Klägerin liege weit unter jener der Beklagten.

Die Beklagte entgegnete, die Werbung richte sich an aufmerksame, aufgeklärte Verkehrskreise. Qualitätswerbung werde nicht bloß flüchtig betrachtet. Die Beklagte streiche ausschließlich die durch eine unabhängige Studie belegte Qualität ihrer eigenen Dienstleistung hervor. Dem Betrachter werde aufgrund der gewählten Darstellung des Prozentsatzes klar, dass sich dieser nur auf die Zustellqualität der Beklagten selbst, nicht aber auf etwaige Mitbewerber beziehe. Die drei stilisierten Balken seien lediglich ein optisches Gestaltungsmittel zur Darstellung der hohen Zustellqualität ohne Bezug auf konkrete Mitbewerber. Die beanstandete Werbung enthalte sich (daher) jeder Aussage zu den Mitbewerbern. Aus diesem Grund liege keine vergleichende Werbung vor.

Auf dem relevanten Markt gebe es mehrere Mitbewerber; der Marktanteil der Klägerin betrage nur etwa 5 %. Für aufgeklärte Verkehrskreise bestehe daher kein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Mitbewerber und der grafischen Darstellung mit drei Balken. Insgesamt liege daher kein Verstoß gegen die §§ 2 und 7 UWG vor.

Das Erstgericht erließ die beantragte Verfügung. Kennzeichen der vergleichenden Werbung sei die Bezugnahme auf zumindest erkennbare Mitbewerber. Die Österreichische Post AG, die Klägerin und die Beklagte seien die mit großem Abstand bekanntesten Werbemittelverteiler. Daher dränge sich der Schluss auf, dass die drei Balken in der strittigen Werbegrafik diese drei Mitbewerber darstellten. Durch die Balken werde die Zustellqualität der Beklagten im Vergleich (auch) zur Klägerin ungerechtfertigt und blickfangartig hervorgehoben. Es entstehe der Eindruck, nur die Beklagte erreiche eine Zustellqualität von 97,8 %, während die wichtigsten Mitbewerber weit darunter lägen. Dieser Eindruck werde durch die Fragestellung „Und ihr Werbemittelverteiler? Fragen sie ihn doch einfach!" noch verstärkt. Darin liege eine Irreführung über den Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern (§ 2 UWG). Mit der Werbung werde auch behauptet, die Zustellqualität der Klägerin sei weit geringer als jene der Beklagten. Da das nicht erwiesen sei, habe die Beklagte auch gegen § 7 UWG verstoßen.

Das Rekursgericht bestätigte Punkt 1 (a) der Verfügung mit der Maßgabe, dass der Beklagten verboten wurde, durch die dargestellte Werbung oder in vergleichbarer grafischer oder ausdrücklicher Form die Behauptung aufzustellen, dass ihr „mit der Zustellqualität von 97,64 % bei unadressierten Flugblättern, Prospekten, Katalogen und Warenproben in Wien eine Spitzenstellung auf dem Wiener Werbemittelverteilermarkt" zukomme. Das Mehrbegehren, der Beklagten auch die die Klägerin herabsetzende Behauptung zu verbieten, deren Zustellqualität liege deutlich unter jener der Beklagten (Punkt 1 [b] des Antrags), wies das Rekursgericht ab. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 20.000 EUR und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Das Wesen der vergleichenden Werbung bestehe darin, dass sie sich auf die Ware oder Leistung eines Mitbewerbers beziehe und diese mit dem eigenen Angebot vergleiche. Kritisierende vergleichende Werbung sei dadurch gekennzeichnet, dass sich der Werbende tadelnd mit der Ware oder Leistung eines Mitbewerbers befasse, um auf diese Weise die eigene Ware oder Leistung als besser oder billiger hinzustellen. Dabei brauche der Mitbewerber nicht namentlich genannt zu werden; es genüge, dass er von der Äußerung erkennbar betroffen oder wenigstens mitbetroffen sei. Eine Bezugnahme auf bestimmte Mitbewerber sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Kreis der in Betracht kommenden Personen sehr klein und leicht überschaubar sei. In solchen Fällen sei eine Konkurrenz der Tatbestände nach § 2 und § 7 UWG möglich, weil hier sowohl eine Irreführung über eigene als auch über fremde geschäftliche Verhältnisse vorliegen könne.

Im vorliegenden Fall habe die Beklagte aber keinen Werbevergleich ieS vorgenommen. Zentrale Aussage der Werbung sei, dass die Zustellqualität der Beklagten in Wien 97,8 % betrage; das werde durch den mittleren (orangen) Balken dargestellt. Dass mit den weißen Balken die beiden größten Mitbewerber der Beklagten, nämlich die Österreichische Post AG und die Klägerin, gemeint seien und damit gleichzeitig zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass diese lediglich eine Quote von etwa 30 bzw 50 % aufwiesen, liege selbst bei Anwendung der Unklarheitenregel nicht nahe. Die beiden weißen Balken repräsentierten nicht bestimmte Mitbewerber, sondern bildeten die Bezugsgrößen für die Darstellung der mit dem orangen Balken zum Ausdruck gebrachten „alles überragenden Zustellqualität" der Beklagten. Auch die Formulierung „Und ihr Werbemittelverteiler? Fragen Sie ihn doch einfach!" sei im Gesamtzusammenhang nicht als Aufforderung zum Vergleich mit den Mitbewerbern der Beklagten zu verstehen; vielmehr werde damit suggeriert, dass sich eine solche Frage erübrige. Insgesamt liege daher keine kritisierende vergleichende Werbung vor. Punkt 1 (b) des Antrags sei daher abzuweisen.

Die Beklagte habe allerdings in irreführender Weise eine ihr nicht zukommende Spitzen- bzw Alleinstellung behauptet. Das sei nur bei einem dauerhaften und beachtlichen Vorsprung vor der Konkurrenz zulässig, der hier nicht vorliege. Durch eine Maßgabebestätigung sei dem Sicherungsgebot eine klarere Fassung zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der (nur) auf Wiederherstellung von Punkt 1 (b) der erstinstanzlichen Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur vergleichenden Werbung zwar im Wesentlichen richtig wiedergegeben hat, aber im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei Beurteilung des Einzelfalls korrigiert werden muss. Er ist auch berechtigt.

1. Die Vorinstanzen haben richtig erkannt, dass vergleichende Werbung nicht voraussetzt, dass Mitbewerber namentlich genannt werden. Es genügt, wenn erkennbar auf sie Bezug genommen wird (RIS-Justiz RS0078282). Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Kreis der in Betracht kommenden Konkurrenten sehr klein und daher leicht überschaubar ist (RIS-Justiz RS0078163; vgl insb 4 Ob 365/87 = SZ 60/211). Ob das zutrifft, hängt ebenso wie die Auslegung der beanstandeten Werbung von den Umständen des Einzelfalls ab; aus diesem Grund handelt es sich dabei in der Regel um keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSv § 528 Abs 1 ZPO. Im vorliegenden Fall erfordert die Rechtssicherheit jedoch eine Korrektur der Rekursentscheidung.

Bescheinigt ist, dass im relevanten Markt drei Unternehmen die „mit Abstand bekanntesten" sind; zwei davon sind die Streitteile. Die beanstandete Grafik mit genau drei Balken kann daher vom damit angesprochenen Fachpublikum nur als Bezugnahme auf diese drei Unternehmen verstanden werden (vgl 4 Ob 304/02p = ÖBl-LS 2003/47 - More I); jede andere Deutung wäre wirklichkeitsfremd. Auf dieser Grundlage wird aber auch jeder durchschnittlich informierte und verständige Adressat der Werbung, der eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendet (4 Ob 196/00b = SZ 73/161 Lego-Klemmbausteine; zuletzt etwa 4 Ob 58/06t - Breitbandinternet und 4 Ob 107/06y - Natursteine), annehmen, dass die Beklagte mit der Grafik einen deutlichen Vorsprung vor ihren wichtigsten Mitbewerbern ausdrücken wollte. Dieser Eindruck wird durch die Aufforderung verstärkt, den eigenen Werbemittelverteiler nach seiner Zustellquote zu „fragen". Wie das Rekursgericht zutreffend ausführt, suggeriert diese Formulierung, dass sich eine solche Frage eigentlich erübrige. Grund dafür kann aber nur eine deutlich schlechtere Zustellqualität der Mitbewerber sein. Damit wird aber gerade der Vergleich angestellt, dessen Vorliegen das Rekursgericht verneint. Dass der Vorsprung zumindest gegenüber der Klägerin nicht besteht, haben schon die Vorinstanzen zutreffend dargelegt.

2. In Fällen unzutreffender vergleichender Werbung ist eine Konkurrenz der Tatbestände nach § 2 und § 7 UWG möglich, kann doch hier sowohl eine Irreführung über eigene als auch über fremde geschäftliche Verhältnisse vorliegen (4 Ob 2105/96d = ÖBl 1996, 245 - Eau de Toilette II mwN; RIS-Justiz RS0102852). Das Erstgericht hat richtig erkannt, dass die beanstandete Werbung beide Ansprüche begründet: Die Werbung führt nicht nur über eigene Verhältnisse, nämlich den Vorsprung gegenüber den wichtigsten Mitbewerbern, in die Irre (§ 2 UWG), sondern setzt die Klägerin auch iSv § 7 UWG herab. Denn die konkrete Gestaltung der Werbegrafik kann nur so verstanden werden, dass die Zustellqualität der beiden wichtigsten Mitbewerber, somit auch jene der Klägerin, deutlich unter jener der Beklagten liege. Das ist eine Tatsachenbehauptung, die geeignet ist, den Betrieb der Klägerin zu schädigen. Da die Beklagte den Wahrheitsbeweis nicht einmal angeboten hat, hat sie diese Herabsetzung (vorläufig) zu unterlassen.

3. Aufgrund dieser Erwägungen war der Beschluss des Erstgerichts in seinem Punkt 1 (b) und im Ausspruch über die Verfahrenskosten wiederherzustellen. Die „Maßgabebestätigung" von Punkt 1 (a) der erstinstanzlichen Entscheidung hat die Klägerin nicht bekämpft; daher hat es dabei zu verbleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht bei der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, bei der Beklagten auf §§ 78, 402 EO iVm 40, 50 ZPO.

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