Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt.
Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei die Kosten ihres Rekurses (von der Kostenentscheidung des Rekursgerichtes sind davon nur S 2.829,75, die der klagenden Partei als Ersatz für die Rekursbeantwortung der beklagten Partei rechtskräftig auferlegt wurden, nicht betroffen) sowie ihrer Revisionsrekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin gibt die "Vorarlberger Nachrichten", die Beklagte die "NEUE Vorarlberger Tageszeitung" heraus. Diese beiden Zeitungen beherrschen zusammen den Tageszeitungsmarkt in Vorarlberg. In der Ausgabe der Zeitschrift "Extra-Dienst" - eines in Wien erscheinenden "Informationsblattes für die Kommunikationsbranche" - vom 9.4.1987 inserierte die Beklagte unter anderem wie folgt:
".... NEUE Vorarlberger Tageszeitung, schneller, aktueller, einfach 'in'".
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung das Veröffentlichen dieser Ankündigung zu verbieten. Die beanstandete Werbung sei geeignet, die irreführende Vorstellung zu erwecken, die von der Beklagten herausgegebene Tageszeitung sei in Qualität, Aktualität und Raschheit besser als andere Tageszeitungen, insbesondere als die von der Klägerin herausgegebene Tageszeitung; dies sei jedoch nicht der Fall. Darüber hinaus verstoße diese Werbeankündigung gegen §§ 1 und 7 UWG: Die Beklagte stelle ohne Mitteilung der für die Beurteilung wesentlichen Umstände ihr Zeitungsprodukt den Erzeugnissen ihrer Mitbewerber gegenüber und werte dadurch die Produkte der gesamten Konkurrenz pauschal ab. Beim angesprochenen Publikum werde dadurch der Eindruck erweckt, daß die von der Klägerin herausgegebene Tageszeitung in der Berichterstattung langsamer und nicht so aktuell sei wie die von der Beklagten herausgegebene Tageszeitung.
Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Die Behauptung, "schneller" und "aktueller" zu sein, enthalte keinen objektiv nachprüfbaren Tatsachenkern; sie sei nur eine marktschreierische Ankündigung, die vom Publikum deshalb als reklamehafte Übertreibung erkannt werde, weil in keiner Tageszeitung bestimmte Nachrichten ständig früher veröffentlicht würden als in anderen Tageszeitungen. Aus diesem Grund liege auch keine Alleinstellungswerbung vor. Durch das Inserat werde auch kein erkennbares Konkurrenzunternehmen herabgesetzt. Aus dem Werbetext werde vielmehr nur der Schluß gezogen, daß es der Beklagten durch ständiges Bemühen gelungen sei, besser und aktueller zu sein als bisher.
Das Erstgericht verbot der Beklagten das Veröffentlichen der Ankündigung "NEUE Vorarlberger Tageszeitung, schneller, aktueller"; das die Äußerung "einfach 'in'" betreffende Sicherungs-Mehrbegehren wies es hingegen ab. Die Ankündigung "schneller und aktueller" sei eine Pauschalabwertung der Tageszeitung des einzigen Konkurrenten der Beklagten auf dem Vorarlberger Zeitungsmarkt. Daß die Beklagte das angegriffene Konkurrenzprodukt nicht namentlich genannt habe, sei unerheblich, weil den Zeitungslesern bekannt sei, daß die Zeitungen beider Streitteile den Tageszeitungsmarkt in Vorarlberg beherrschten.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht jedoch S 300.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Die Werbeankündigung der Beklagten enthalte weder eine Abwertung der Konkurrenz noch eine unrichtige Anpreisung. Das vom Inserat angesprochene Publikum bestehe ausschließlich aus fachkundigen Personen, welche Werbeangaben sorgfältiger betrachteten als unkritische Laien. Diesem Publikum sei klar, daß eine Zeitung nicht generell schneller und aktueller sein könne als andere Zeitungen. Die beanstandete Werbeankündigung sei daher bloß eine reklamehafte Übertreibung ohne ernst zu nehmenden Tatsacheninhalt. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Die Klägerin hält in ihrem Rechtsmittel daran fest, daß die Werbebehauptungen der Beklagten, "schneller" und "aktueller" zu sein, die Inanspruchnahme einer Spitzenstellung enthielten und die Vorstellung überdurchschnittlicher Qualität erweckten; dies gelte auch, wenn ein Fachpublikum angesprochen werde. Von marktschreierischer Übertreibung könne keine Rede sein. Die Beklagte habe nicht behauptet und bescheinigt, daß ihre Werbeangaben richtig seien. Die Werbeaussage der Beklagten werte aber auch die gesamte Konkurrenz ab. Diesen Ausführungen ist zu folgen:
Eine marktschreierische Anpreisung liegt dann vor, wenn sie von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht wörtlich genommen, sondern sogleich als nicht ernst gemeinte Übertreibung aufgefaßt und damit von jedermann unschwer auf ihren Tatsachengehalt zurückgeführt wird, welcher deutlich erkennbar nicht in einer ernst zu nehmenden Tatsachenbehauptung, sondern in einer ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit auftretenden reklamehaften Anpreisung liegt (ÖBl 1966, 18; ÖBl 1973, 131; ÖBl 1975, 146; ÖBl 1977, 166; ÖBl 1984, 97; Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 25 f; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht14, 1004 ff). Ob im einzelnen Fall eine solche Übertreibung oder eine ernst zu nehmende Tatsachenbehauptung vorliegt, hängt unter anderem von der Person des Werbenden und dem Schauplatz der Werbeankündigung, aber auch von der Form der Werbung ab. Werbeankündigungen bedeutender Unternehmen werden im allgemeinen eher ernst genommen als jene kleiner Kaufleute. In manchen Geschäftsbereichen sind Übertreibungen geradezu typisch, in anderen nicht. Wird schließlich im Gewand eines Scherzes oder in Versform geworben, dann kann eher eine reklamehafte Übertreibung angenommen werden (Hohenecker-Friedl aaO; Baumbach-Hefermehl aaO; ÖBl 1978, 64). Aber auch erkennbar marktschreierische Ankündigungen lassen sich häufig auf einen nachweisbaren Tatsachenkern zurückführen, welcher durchaus ernst genommen wird und im Fall seiner Unrichtigkeit deshalb auch zur Irreführung geeignet ist (ÖBl 1978, 31; ÖBl 1979, 73; ÖBl 1984, 97).
Mit ihrer Ankündigung, "schneller" und "aktueller" zu sein, nimmt die Beklagte auf dem Zeitungsmarkt eine Spitzenstellung in Anspruch, die auch durch die Verwendung des Komparativs zum Ausdruck gebracht werden kann (Hohenecker-Friedl aaO 26; Baumbach-Hefermehl aaO 1008 f). Diese Spitzenstellung liegt im vorliegenden Fall einerseits darin, daß mit dem Hinweis auf die größere "Aktualität" eine besondere Qualität der Tageszeitung der Beklagten in bezug auf das rasche Erfassen der Bedeutung einlangender Meldungen oder eigener Recherchen für die Berichterstattung auf allen von Tageszeitungen behandelten Gebieten behauptet wird. Mit dem Wort "schneller" wird auf die für die Beurteilung der Qualität von Tageszeitungen besonders wichtige Raschheit bei der Nachrichtenübermittlung hingewiesen. Daran ändert auch nichts, daß die Streitteile den Großteil ihrer Tagesberichte über Agenturen beziehen, weil es bei dieser Beurteilung nicht auf die Verfügbarkeit, sondern auf das tatsächliche Veröffentlichen der Nachrichten ankommt. Für beide Qualitätskriterien nimmt die Beklagte durch die Verwendung des Komparativs eine Spitzenstellung in Anspruch. Auch unter dem Gesichtspunkt, daß sich die Beklagte mit ihrer Werbeanzeige an ein fachkundiges Publikum wendete, kann ihr Standpunkt, daß bloß eine reklamehafte Übertreibung vorliege, nicht geteilt werden, ging es doch vor allem darum, ihre Tageszeitung gegenüber den an der Zeitungswerbung interessierten Branchen als besonders erfolgreiches Medium darzustellen. Es ist auch nicht ersichtlich, daß sich Tageszeitungen in ihrer Aktualität bzw. in der Geschwindigkeit der Verbreitung aktueller Nachrichten nicht voneinander unterscheiden könnten. Dazu kommt, daß der angesprochene Verkehr keineswegs erwartet, daß namhafte Zeitungsunternehmen bloß mit inhaltsleeren reklamehaften Übertreibungen werben. Die Alleinstellungswerbung ist nach ständiger Rechtsprechung als vergleichende Werbung gemäß § 1 UWG unzulässig, wenn sich der Werbende nicht mit einer Anpreisung der eigenen Spitzenstellung begnügt, sondern damit gleichzeitig einen Hinweis auf die Minderwertigkeit der Waren oder Leistungen eines oder mehrerer bestimmter namentlich genannter oder doch deutlich erkennbarer Mitbewerber verbindet (ÖBl 1962, 46; ÖBl 1975, 146; ÖBl 1981, 75 und 119; ÖBl 1983, 139; ÖBl 1984, 97; ÖBl 1985, 4). An dieser Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof trotz der Kritik eines Teiles der Lehre (Schuhmacher, Verbraucherschutz bei Vertragsanbahnung 432 ff; Kramer in GRUR Int. 1974, 294; Rummel in Koziol, Haftpflichtrecht2 II 270; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht 509 ff) festgehalten, weil Werbevergleiche in eigener Sache in aller Regel nicht objektiv angestellt werden, naturgemäß stets zugunsten des Werbenden ausgehen und wegen ihrer regelmäßig gegebenen Unvollständigkeit den Verkehr eher verwirren als objektiv aufklären (ÖBl 1986, 43). Der betroffene Mitbewerber braucht dabei nicht namentlich bezeichnet zu werden; es genügt, daß er von der Äußerung erkennbar betroffen oder wenigstens mitbetroffen wird. Eine Bezugnahme auf bestimmte Mitbewerber ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Kreis der überhaupt in Betracht kommenden Personen sehr klein und leicht überschaubar ist (ÖBl 1981, 75). Die Streitteile sind die wesentlichen Konkurrenten auf dem Tageszeitungsmarkt in Vorarlberg; sie beherrschen diesen Markt. Mit der Werbebehauptung, "aktueller" und "schneller" zu sein, nimmt die Beklagte nicht nur eine Spitzenstellung in Anspruch; da diese Behauptung unter den gegebenen Umständen nur auf das Produkt der Klägerin bezogen werden kann, enthält die beanstandete Ankündigung auch eine unzulässige Abwertung der Tageszeitung der Klägerin, sie sei nicht im gleichen Ausmaß "aktuell" und "schnell" wie die Zeitung der Beklagten. Damit hat die Beklagte einen Verstoß gegen § 1 UWG zu verantworten. Die Frage, ob die beanstandete Werbebehauptung wahr oder falsch ist, braucht somit nicht geprüft zu werden, weil sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch schon aus § 1 UWG ergibt. Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin gründet sich auf §§ 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.
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